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Für Monika, Paul und Melissa geht ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung! Mit der Familie werden sie ein Wochenende auf einem Schloss verbringen, dort essen und trinken wie der König mit seinem Hofstaat und seinen Rittern. Die drei Kinder tauchen in die Welt des Mittelalters ein und erforschen die Geheimnisse des Schlosses. In den Sommerferien wollen Robert, David, Peter und Kathrin die Überreste einer alten Burg erkunden. Nachts sorgen geheimnisvolle Gestalten und Klänge immer wieder für Aufregung. Die Kinder entdecken einen unbekannten Pfad, der sie nah an die Burg und an deren Geheimnisse heranführt.
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Seitenzahl: 221
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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© 2013 novum publishing gmbh
ISBN Printausgabe: 978-3-99026-758-5
ISBN e-book: 978-3-99026-760-8
Lektorat: Silvia Zwettler
Umschlagfoto:
M. Großmann / pixelio.de
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Die erzählten Geschichten sind das Produkt meiner Fantasie. Die darin vorkommenden Personen und Orte wie z. B. das Schloß sind von mir frei erfunden und haben keinerlei Bezug zu realen Personen oder Orten.
Widmung
Den Ärzten und Pflegekräften im Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach-Rheydt danke ich an dieser Stelle für das Gute, das ich durch sie erfuhr.
Teil 1Die Erlebnisse einer Familie Klüver
Wochenende in einem alten Schloss
Schlossverwalter: Herr Bodo v. Würfelfeld
Paul, Monika, Mutter Heidi und Vater Erich Klüver
Melissa Elbert: Monikas Freundin und Klassenkameradin
Ferdinand: Schlossgehilfe
Luise: Küchenhilfe im Schloss
„Habt ihr schon einmal ein Wochenende in einem alten Schloss verbracht und darin übernachtet? Was haltet ihr davon?!“, rief Vater die Treppe hinauf in der Hoffnung, Paul und Monika konnten ihn in ihrem Kinderzimmer hören. Die beiden Kinder vernahmen Vaters Stimme und verstanden auch seine Frage, doch sie waren darüber so erstaunt, dass es ihnen zunächst die Sprache verschlug und sie nicht sogleich antworten konnten. Sie öffneten die Zimmertüre und sahen die Treppe hinunter. Vater stand unten und wartete auf eine Antwort seiner Sprösslinge. „Meinst du das im Ernst?“, fragten ihn beide wie aus einem Mund. „Aber selbstverständlich“, erwiderte er, „es ist mein voller Ernst.“ Paul wollte wissen, wann die Fahrt stattfinden sollte.
„Heute haben wir Dienstag. Was haltet ihr vom kommenden Wochenende?“ Monika sagte: „Große Klasse!“, und Paul nickte mit dem Kopf dazu. Der Vater sprach: „Lasst mich aber vorsichtshalber noch einmal den Schlossverwalter anrufen und fragen, ob es an diesem Wochenende auch möglich ist, vielleicht hält er sich nicht im Schloss auf oder er hat zu viele andere Gäste.“ Er zog sein Adressbuch aus der Gesäßtasche, blätterte darin und ging zum Telefonieren ins Wohnzimmer. Die Türe ließ er einen Spaltbreit geöffnet und so konnten die Kinder mit anhören, wie sich Vater unterhielt. Dann, einige Augenblicke später, hörten sie, wie er sagte: „Das ist ja wunderbar, die Kinder werden sich freuen!“ Darauf hörten sie ihn die Treppe hinaufsteigen und kurze Zeit später betrat er ihr Zimmer. „Na, dann freut euch schon mal auf das Wochenende, wir dürfen zum Schloss kommen und Herr v. Würfelfeld heißt uns ganz herzlich willkommen.“ Die Kinder konnten es nicht glauben, ein ganzes Wochenende in einem Schloss zu wohnen, zu schlafen und vielleicht, wie es früher die Ritter machten, an einem riesigen Tisch zu essen und zu trinken. „Vergesst nicht, eure Taschenlampen einzupacken und auch nicht die Batterien mitzunehmen, denn der Schlossverwalter möchte mit uns eine Nachtwanderung durch den Schlosspark unternehmen.“ „Mann, ist das aufregend“, sagte Paul, während Monika ein wenig skeptisch dreinblickte. „Nachtwanderung? Nun ja, wir werden ja sehen, was da auf uns zukommt“, dachte sie bei sich und bekam eine leichte Gänsehaut. Mit Mutter hatte Vater schon gesprochen, sie war mit dem Ausflug einverstanden und ihr war diese interessante Abwechslung durchaus willkommen.
Melissa möchte mitfahren
Am anderen Morgen erzählte Monika ihrer besten Freundin, Melissa Elbert, in der Schule von dem bevorstehenden Wochenendausflug in das Schloss. Melissa war begeistert und fragte Monika, ob es wohl möglich wäre, auch mit in das Schloss zu fahren. Monika überlegte kurz und fand den Gedanken nicht schlecht, Melissa bei sich zu haben; sie wollte ihren Vater deshalb bitten, es zu erlauben. Der war nicht so sehr davon begeistert, wollte aber Herrn v. Würfelfeld nochmals anrufen und nachfragen, ob es ihm recht wäre, dass sie einen weiteren Gast mitbringen. Das Telefon klingelte einige Male und Vater wartete geduldig. Endlich nahm Herr v. Würfelfeld den Telefonhörer ab und beantwortete Herrn Klüvers Frage: „Aber selbstverständlich! Wir haben genug Platz und Monika kann ihre Freundin gerne mitbringen.“ Das wäre also geregelt! Als Monika am späten Nachmittag Melissa anrief und ihr die positive Nachricht mitteilte, jubelte sie überglücklich. Ihre Eltern hatte sie bereits eingeweiht und auch sie waren einverstanden, denn sie wussten Melissa in guter Obhut bei Familie Klüver.
Melissa war sehr gespannt auf das Wochenende in dem alten Schloss und fragte ihren Vater, ob es wirklich so geheimnisvolle Dinge wie Schlossgespenster geben würde. Er beruhigte sie und sagte: „Mach dir da keine Sorgen! Ich bin sicher, so etwas gibt es nicht. Sollte aber jemand nachts durch die Gänge laufen und hin und wieder stöhnen, so wird es eine Person sein, die zum Abendbrot zu viel gegessen und sich dabei den Magen übersäuert hat.“ Sie lachte erleichtert auf und umarmte den Vater.
Endlich war dann das erwartete Wochenende da. Als die Kinder am Freitag von der Schule heimkehrten, begannen alle eifrig die Taschen zu packen. Viel brauchten sie nicht für ein Wochenende und daher waren sie schon bald mit dem Packen fertig. Paul und Monika trugen die Taschen die Treppe hinunter und stellten sie in der Diele ab, sodass niemand darüber stolpern konnte. Paul schaltete den Lichtschalter in der Diele ein und da erinnerte er sich, dass er vergessen hatte, die Taschenlampe und die Batterien einzupacken. Deshalb stieg er nochmals die Treppe hinauf, um nach beidem zu suchen. Als er die Dinge gefunden hatte, legte er alles gleich in seine Tasche, um nicht noch mal nach oben laufen zu müssen.
Melissa darf bei Monika übernachten
Da klingelte es an der Haustüre. Monika öffnete und es standen Melissa und ihr Vater vor der Türe. „Wir bringen schon einmal die Reisetasche von Melissa. Vielleicht wollen Sie ja schon alles in den Kofferraum packen, um morgen frühzeitig aufbrechen zu können.“ Herr Klüver antwortete: „Ja, stimmt, das hatten wir wohl vor! Was halten Sie davon, wenn Melissa gleich bei uns bleibt und hier übernachtet?“ Melissa sah ihren Vater bittend an und der gab schließlich sein Einverständnis, nicht ohne den Witz zu machen, Melissa dürfe aber keine Souvenirs wie Ritterrüstungen oder Schlossgespenster mit nach Hause bringen, denn dafür sei bei ihnen in der Wohnung kein Platz vorhanden. Alle mussten darüber so herzhaft lachen, dass ihnen der Bauch schmerzte. Herr Elbert wünschte allen viel Spaß und fuhr wieder heim.
Die Reiselustigen legten sich früh schlafen, um am Morgen ausgeruht losfahren zu können. Paul hörte noch lange, wie sich die Mädchen im Nebenzimmer unterhielten, dann schlief er aber vor Müdigkeit ein.
Am Morgen standen sie zeitig auf, duschten sich, zogen sich an und trafen sich alle am Frühstückstisch, den Mutter Klüver bereits hergerichtet hatte.
Sie frühstückten ausgiebig, denn es lag eine lange Autofahrt vor ihnen.
Dann war es so weit! Alle hatten nach dem Frühstück im Auto Platz genommen. Paul saß vorne neben seinem Vater und drehte am Knopf des Autoradios, um einen Musiksender zu suchen. Sie waren am Morgen nicht die Einzigen, die mit dem Auto unterwegs waren, und Vater musste beim Auffahren auf die Autobahn gut aufpassen.
Später, nach einer Pause an einer Raststätte, setzten sie die Fahrt fort.
Dreieinhalb Stunden waren sie nun schon unterwegs. Die Landschaft hatte sich verändert, sie sah völlig anders aus als bei ihnen. Viele Wälder konnten sie aus dem Autofenster beobachten. Auch roch die Luft würzig nach Wald. Sie bemerkten es, als Vater eine Rast machte und sie sich draußen die Beine vertraten. „Sind wir bald da?“, fragte Mutter etwas ungeduldig. Normalerweise sind es ja eher die Kinder, die das Ende einer Reise nicht erwarten können. Vater antwortete: „Wir haben es nun bald geschafft; es ist nicht mehr weit bis zum Schloss.“ Später wollte er noch einmal auf einem Rastplatz anhalten, um sich zu orientieren und einen Blick auf die Straßenkarte zu werfen, denn er wollte sich nicht verfahren. Während Vater die Karte studierte, gingen Mutter und die Kinder etwas auf dem Rastplatz spazieren. Sie kamen zu einer Tafel, auf der gymnastische Übungen für Autofahrer erklärt wurden, und sie versuchten voller Eifer die Übungen ebenfalls zu turnen. Vater sah ihre Bewegungen, wie sie mit den Händen in der Luft ruderten. „Es sieht aus“, dachte er bei sich, „als wollten sie Bienen oder andere Insekten verscheuchen.“ Beim Näherkommen erkannte er dann den Grund ihrer Verrenkungen und turnte mit ihnen mit. Die Bewegung tat allen gut und sie fühlten sich hinterher frischer. „Oh, das tut dem Rücken wirklich gut!“, sagte er. „Nun lasst uns bitte aufbrechen, ich kenne jetzt den Weg und weiß, wie ich die letzten Kilometer bis zum Schloss zurücklegen muss, ohne mich zu verfahren.“
Bald erreichen wir das Schloss!
„Es sind noch ca. 45 Minuten bis zum Schloss“, lautete die Information, die von allen freudig aufgenommen wurde. Als sie eingestiegen waren, setzten sie die Fahrt fort. Ein großes Schild kündigte eine Autobahnausfahrt an. Als sie diese erreichten, fuhr Vater von der Autobahn hinunter, um jetzt auf einer Landstraße weiterzufahren. Bald führte die Straße durch Wald und ein dichtes Blätterdach über ihnen verdunkelte die Sicht auf die Straße, deshalb schaltete Vater die Autoscheinwerfer an. Vor sich bemerkte er eine Person, die etwas hinter sich herzog. Als sie nahe genug waren, erkannten sie, dass es eine Holzkarre war. Mutter bat ihn: „Fahre bitte langsam an ihm vorüber, damit er sich nicht erschreckt.“ Scheinbar hatte die Person das sich nähernde Auto gehört, denn der Mann blieb stehen und drehte sich zu ihnen um. Als das Auto ihn beinahe erreicht hatte, sahen sie, wie er lachte und seine Mütze vom Kopf zog, die den Blick auf völlig zerzauste Haare freigab. Er winkte ihnen nach. Melissa fiel diese freundliche Geste auf, als sie sich im Auto noch einmal nach ihm umdrehte. Nach weiteren zwei Kilometern erblickten sie ein Schild, das an einem Baum befestigt war und auf dem zu lesen stand: „Noch 750 Meter bis zum Schloss“. Ein Pfeil zeigte nach rechts und gab ihnen so eindeutig die Richtung vor. Sie bogen in diese Straße ein und folgten ihr, bis sich die Bäume lichteten und den Blick auf das Schloss freigaben. Ein wunderschönes Schloss mit einem Schlossgraben. Sie erkannten beim Näherkommen Schwäne, die langsam und majestätisch auf dem Wasser des Schlossgrabens schwammen. Eine Steinbrücke führte über den Schlossgraben zu einem mächtigen eisernen Tor, durch das man in den Innenhof des Schlosses gelangte. Sie bestaunten die dicken Mauern des alten Gebäudes. Vater stoppte das Auto, stieg aus und reckte seine Glieder: „Ich gehe und suche den Schlossverwalter. Bitte entfernt euch nicht zu weit vom Auto!“ Mutter, Paul, Monika und Melissa gingen eine Runde über den Schlosshof und sahen sich um. Zwei Hunde, es waren Dalmatiner, liefen frei umher und kamen auf sie zu, um die Besucher zu beschnüffeln. Paul streichelte dem einen das Fell; der ließ es sich gerne gefallen und wedelte dabei mit seinem Schwanz. Die Kinder hatten Hunger bekommen und sahen sich nach Vater um, wo er denn blieb.
Der hatte Herrn v. Würfelfeld im Schloss endlich gefunden und unterhielt sich mit ihm angeregt im Aufenthaltsraum, der gleichzeitig auch als Frühstücksraum diente.
Familie Klüver bezieht die Zimmer
„Bitte kommen Sie mit mir, damit ich Ihnen Ihre Zimmer und danach den Frühstücksraum zeigen kann, in dem Sie die Mahlzeiten einnehmen“, sprach Herr v. Würfelfeld und erhob sich von seinem Stuhl. Vater Erich stand ebenfalls auf und verließ gemeinsam mit Herrn v. Würfelfeld den Raum. „Wo hält sich Ihre Familie auf? Ist sie noch draußen im Schlosshof?“ Vater sah Herrn v. Würfelfeld an, nickte ihm zu und antwortete: „Ja, sie warten draußen, betrachten die eindrucksvolle Fassade und die nähere Umgebung.“ Draußen auf der Brücke erblickten sie Frau Klüver und die Kinder, sie beobachteten die Schwäne und die vielen Enten, die auf dem Wasser schwammen. Melissa überlegte: „Vielleicht ist in der Küche altes Brot, mit dem wir später die Enten füttern können. Sie scheinen hungrig zu sein.“ Vater stellte Herrn v. Würfelfeld seine Familie vor und auch Melissa, die ja eigentlich nun auch beinahe zur Familie gehörte. „Es war gut, dass Sie sich etwas umgesehen haben; hoffentlich gefällt es Ihnen bei uns. Lassen Sie uns doch ins Schloss gehen, damit ich Ihnen die Zimmer zeigen kann, in denen Sie übernachten werden“, sprach Herr v. Würfelfeld freundlich zu ihnen. Wieder im Schloss angelangt, führte er seine Gäste eine breite Treppe hinauf. Viel Gepäck hatten sie nicht mitgenommen und daher waren ihre Gepäcktaschen nicht schwer. Oben auf der Treppe angekommen, bogen sie rechts ab und kamen zu einem Durchgang, über dem in Frakturschrift mit Farbe geschrieben stand: „Zu den Gästezimmern! – Schlossgespenster haben keinen Zutritt!“ Alle mussten lachen und Herr v. Würfelfeld amüsierte sich, weil ihnen der Witz gefiel. Sie durchschritten einen langen Flur. Auf dem Weg durch den Korridor fielen ihnen Ritterrüstungen auf, die in Nischen, wo genügend Platz war, aufgestellt worden waren. Sie glänzten und sahen tadellos aus. Der Schlossverwalter blieb vor einer Türe stehen, es war das Zimmer der beiden Mädchen. Ihr Zimmer war sehr gemütlich und hatte ein eigenes Bad mit Dusche, was ihnen sehr gefiel. Herr v. Würfelfeld war zufrieden und sagte: „Wenn Sie Ihre Wäsche in den Schrank geräumt und sich etwas frisch gemacht haben, kommen Sie doch bitte nach unten in den Frühstücksraum. Dort werden nicht nur alle Mahlzeiten eingenommen, sondern er dient auch als Aufenthaltsraum, in dem ein absolutes Rauchverbot gilt. Die Türe hat einen grünen Punkt und ist leicht zu finden.“ Dann ging er mit den Eltern und Paul weiter, um auch ihnen ihre Zimmer zu zeigen.
Nach ca. einer Stunde klopfte es an der Türe. Melissa öffnete und Herr Klüver trat ein. Die Mädchen waren fertig und bereit, in den Frühstücksraum zu gehen. „Kommt ihr? Die anderen warten schon draußen auf dem Gang“, sagte Vater Klüver. Sie brauchten nicht lange zu suchen und fanden sogleich die richtige Türe, klopften an und traten ein. Einige ältere Damen und Herren hatten bereits Platz genommen und Herr v. Würfelfeld und ein junges Fräulein waren gerade dabei, das Abendessen zu servieren. „Was möchten Sie trinken?“, fragte die nette Bedienung. Nachdem sie ihre Wünsche aufgenommen hatte, begab sie sich in die kleine Küche. Bald darauf kam sie mit einem Servierwagen, auf dem mehrere Kannen standen, und stellte ihnen den bestellten Tee auf den Tisch. Nun wurde vorgetragen, was es zum Abendessen gab. Wenige Minuten später war auch ihr Tisch gedeckt und sie ließen es sich schmecken. Die Kinder hatten sich in der Zwischenzeit im Raum umgesehen und bestaunten die mit Holz vertäfelten Wände, die mit Wandmalereien verziert waren und Motive aus einer Zeit zeigten, wie es wohl früher einmal hier ausgesehen haben mochte. Schilde, wie sie die Ritter früher trugen, hingen an den Wänden und zeigten unterschiedliche Wappen. Mutters Stimme riss sie aus ihren Betrachtungen: „Hört mal, eure Suppe wird ja ganz kalt. Sie schmeckt köstlich und es wäre wirklich schade, wenn ihr sie kalt werden lasst. Vorhin hattet ihr doch solchen Hunger!“ Kichernd drehten sie sich wieder zum Tisch und bestaunten die leckeren Köstlichkeiten. Monikas Magenknurren war wohl das Zeichen für sie, sich nun zu bedienen und die verführerisch duftende Suppe zu probieren. Dazu aßen sie eine appetitlich duftende Scheibe frischen, selbst gebackenen Brotes, mit köstlicher Butter bestrichen. Von einer Obstschale nahmen sie sich einen Apfel und beendeten damit das Abendessen. Herr v. Würfelfeld betrat wieder den Raum und schob einen Servierwagen vor sich her, auf dem Flaschen mit Wein und andere Getränke standen. Er ging von Tisch zu Tisch und schenkte den erwachsenen Gästen, wenn sie es wünschten, Wein ein und die Kinder durften sich eine Limonade aussuchen.
Nach dem Abendessen
„Von der langen Reise werden Sie sicherlich müde sein und zu Bett gehen möchten“, sprach Herr v. Würfelfeld zu Familie Klüver. „Ja, wir sind müde, denn wir mussten früh aufstehen“, antwortete Mutter Klüver. Herr v. Würfelfeld nickte verständnisvoll: „Man sieht es Ihnen allen an, dass Sie müde sind, und ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Wenn Sie möchten, nehmen Sie sich etwas zu trinken mit hinauf auf Ihre Zimmer. Sie finden alles im Kühlschrank dort drüben in der kleinen Küche. Luise, unsere Küchenhilfe, wird Ihnen gerne behilflich sein.“ „Danke, Herr v. Würfelfeld, Sie sind sehr freundlich! Ab wann können wir morgen frühstücken?“, fragte ihn Mutter Klüver. Herr v. Würfelfeld: „Wenn Sie möchten, schon ab sieben Uhr in der Früh.“ Sie brachen auf und verweilten noch in der Schlosshalle, um in die Runde zu blicken. Etwas höher angebracht hingen Gemälde von ernst blickenden Männern und Frauen. Sicherlich hatten sie früher alle einmal in diesem Schloss gelebt. Paul und die beiden Mädchen wollten noch etwas nach draußen gehen, um frische Luft zu schnappen, bevor sie zu Bett gingen. Die Eltern schlossen sich ihnen an und begleiteten sie. Sie erschraken, als plötzlich etwas aus der Dunkelheit hechelnd vor ihnen auftauchte und um ihre Beine strich; es waren ihre vierbeinigen Freunde, die Dalmatiner. Ein Pfiff ertönte und die Tiere liefen in die Richtung, aus welcher der Pfiff gekommen war. Familie Klüver verließ das Schloss über die Brücke. Am anderen Ende hatten sie zwei Bänke erblickt, auf die sie sich setzten. Sie genossen den Anblick des Schlosses in der Dunkelheit und die frische, würzige Waldluft, die sie tief einatmeten. Beim Schlossgraben waren Scheinwerfer installiert, die die Fassade des Schlosses erhellten; es war ein gespenstisch schöner Anblick. Jemand kam aus dem Schloss über die Brücke auf sie zu. Als er sie erreicht hatte, richtete er den Strahl einer Taschenlampe auf Familie Klüver und eine Stimme fragte: „Sind Sie Gäste des Schlosses?“ Vater Klüver antwortete: „Ja, das sind wir! Wir möchten noch etwas frische Luft schnappen, bevor wir wieder ins Schloss gehen und uns schlafen legen.“ Der Mann sprach: „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte niemanden erschrecken, aber ich bin der Nachtwächter des Schlosses. Wir schließen um 22:00 Uhr das große Schlosstor.“ Melissa sprach: „Ich bin mächtig müde und würde mich gerne hinlegen, denn der Tag war anstrengend.“ Vater Klüver erwiderte: „Kind, du hast recht! Wir werden nun alle zurück ins Schloss und auf unsere Zimmer gehen.“ Sie erhoben sich von den Bänken und gingen zum Schloss. Sie wünschten sich gegenseitig eine gute Nacht und gingen auf die Zimmer. Es war eine laue Nacht und alle hatten einen guten und festen Schlaf. Paul wurde spät in der Nacht durch das Geflatter eines Vogels aufgeweckt und gewahrte draußen auf der Fensterbank einen Vogel, der es sich vor seinem Fenster gemütlich gemacht hatte und dort wohl die Nacht verbringen wollte. Erst gegen Morgen erhob er sich wieder in die Lüfte und flog mit flatterndem Flügelschlag davon.
Monika und Melissa schliefen ebenfalls tief und fest. Am Morgen erzählte Melissa Monika von einem Traum: In ihrem Traum war sie die Tochter eines Fürsten und saß als Zuschauerin während eines Ritterturniers auf der Tribüne. Ritter kämpften und fochten um die Wette. Dem Sieger war Melissa – als Tochter des Fürsten – zur Gemahlin versprochen worden. Ein hübscher junger Prinz gewann das Turnier. Gerade in dem Moment, als der junge Prinz die Tochter des Fürsten in den Arm nehmen wollte, riss jemand sie aus ihrem wunderbaren Traum und Melissa vernahm Monikas Stimme, die sie weckte. Melissa behielt diesen Traum für sich und erzählte ihn niemandem. Viele Jahre später erinnerte sie sich wieder an ihn, nämlich zu der Zeit, als sie bereits erwachsen war und einen netten jungen Mann kennengelernt hatte, den sie später heiratete.
Monika träumte auch einen Traum, den sie Melissa und den Eltern erzählte, als sie am Frühstückstisch beisammensaßen: Sie spielte im Schlossgarten, als ein Drache über das Schloss flog. Dieser erspähte sie, flog hinab und nahm sie vorsichtig in seine großen Krallen und flog mit Monika davon. „Habe keine Angst, es wird dir kein Leid geschehen, ich bringe dich wieder zum Schloss zurück, bevor sich deine Eltern Sorgen um dich machen“, versprach ihr der Drache. So flogen sie durch die Lüfte und Monika verlor bald ihre Angst vor dem Drachen und auch davor, so hoch durch die Luft zu fliegen. „Gefällt es dir, die Welt von hier oben zu betrachten?“, fragte sie der Drache. „Ja!“, antwortete ihm Monika, „alles sieht von hier oben so klein aus. Es ist wie bei meiner Puppenstube, die in meinem Zimmer im Schloss steht, in ihr ist auch alles so klein und winzig.“ Dann flog der Drache, wie er versprochen hatte, wieder mit ihr zurück und setzte sie behutsam im Schlossgarten ab. Monika hatte eine andere Welt gesehen – auch wenn es nur im Traum war, es hatte sie glücklich gemacht. Viele Jahre später, es war ihr gelungen, das Abitur zu machen, hatte sie den Wunsch, Stewardess zu werden. Sie wurde es schließlich auch bei einer großen Fluggesellschaft und lernte durch die Flüge viele fremde Länder in der Welt kennen. Es geschehen im Leben manchmal merkwürdige Dinge und Träume werden wahr.
Der neue Tag und die Wanderung
Herr v. Würfelfeld kam nach dem Frühstück zu ihnen an den Tisch, um für den Abend eine Nachtwanderung anzukündigen und diesbezüglich nachzufragen, ob sie daran gedacht hatten, Taschenlampen mitzubringen. Das hatten sie bzw. Paul hatte daran gedacht.
Herr v. Würfelfeld gab ihnen Tipps, wie sie den Tag verbringen konnten; es gab da einiges Interessantes zu sehen. Sie entschieden sich für eine Rundwanderung, auf der sie die Schönheiten der Natur rings um das Schloss kennenlernen konnten. Der Weg sollte sie auch an einem Wildgehege vorbeiführen, in dem eine große Anzahl an Rotwild zu betrachten war. „Möglicherweise sehen sie bei der Gelegenheit auch den Förster“, verkündete ihnen der Schlossverwalter. Der Förster war stets bereit für einen kleinen Plausch.
Ein Rucksack mit Speise und Trank für jeden war bald mit Unterstützung der Küchenhilfe gepackt. So versorgt machten sie sich auf den Weg. Es war noch früh und noch nicht so warm, ideal für eine Wanderung. Melissa hatte ihren Fotoapparat mitgenommen, um unterwegs während der Wanderung einige Aufnahmen zur Erinnerung zu machen und diese den Eltern zu Hause zeigen zu können. Hin und wieder huschten Eichhörnchen vor ihnen über den Weg, die zur anderen Seite des Weges eilten, um dort flink einen Baumstamm hinaufzulaufen, bis man sie, vom dichten Blattwerk des Baumes verdeckt, bald nicht mehr sehen konnte. Sie gingen mit offenen Augen auf dem Wanderweg und erfreuten sich an der Natur und an dem würzigen Duft der vielen Sträucher, Pflanzen und Bäume. Gerne hätte Frau Klüver die Namen der Wildblumen gewusst, die am Wegesrand blühten. Sie öffnete ihren Rucksack, nahm ein Notizbuch heraus und notierte: „Bestimmungsbuch der Blumen und Sträucher in Wald und Feld beim nächsten Ausflug nicht vergessen!“ Kaum hatte sie ihren Rucksack wieder auf den Rücken geschnallt, sahen sie eine Gruppe Kinder, die ihnen entgegenwanderten. Der Gruppenleiter ging vorneweg und sang mit einer wohlklingenden Stimme Wanderlieder. Als sie aneinander vorbeigingen, fiel Vater, da ihm das Lied bekannt war, in den Gesang mit ein. Der Gruppenleiter blinzelte ihm mit einem Auge zu. Er drehte sich zu der Gruppe um und ermunterte sie mitzusingen. Das Lied hatte Vater in seiner Jugendzeit sehr oft in der Pfadfindergruppe gesungen und es kamen ihm noch alle Strophen in Erinnerung, die er nun fröhlich seiner Familie vorsang:
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die weite Welt;
dem will er seine Wunder weisen
in Berg und Tal und Strom und Feld.
Die Bächlein von den Bergen springen;
die Lerchen schwirren hoch vor Lust;
was sollt ich nicht mit ihnen singen
aus voller Kehl’ und frischer Brust?
Den lieben Gott lass ich nur walten;
der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
und Erd und Himmel will erhalten,
hat auch mein Sach’ aufs Best’ bestellt.
Alle klatschten ihm Beifall und gratulierten zu der Leistung. Unterdessen waren die Temperaturen gestiegen. Sie öffneten die Rucksäcke entnahmen ihnen Flaschen mit Mineralwasser; auch große, rotbackige Äpfel hatte ihnen die Küchenhilfe eingepackt. Unter einem Baum im Schatten lag ein Baumstamm, auf dem sie Platz nahmen und ihr Wasser tranken. Knusprige Brötchen mit deftigem Schinken belegt mundeten ihnen vorzüglich. Leute, die vorüberwanderten und sie sitzen sahen, wie sie herzhaft in die Brötchen bissen, wünschten ihnen einen guten Appetit. Paul sah zum Himmel und bemerkte dort einen Vogel kreisen. Es war wohl ein Raubvogel auf der Suche nach Nahrung. „Bestimmt hat er in der Nähe sein Nest und hungrige Junge warten mit aufgesperrten Schnäbeln darauf, gefüttert zu werden. Es könnte ein Milan sein, so wie er aussieht.“
Sie erreichen das Wildgehege
Dann wanderten sie weiter. Es begegneten ihnen die Senioren aus dem Schloss, die mit der Familie Klüver zusammen die Mahlzeiten einnahmen. Sie riefen der Familie Klüver zu: „Nicht mehr weit von hier gibt es ein Wildgehege, das müssen Sie sich unbedingt ansehen.“ Vater erwiderte: „Ja, Herr v. Würfelfeld hat uns davon erzählt. Der Förster soll sich dort auch aufhalten. Danke für Ihren Hinweis.“ Nachdem sie weitere zwanzig Minuten gegangen waren, sahen sie die Einzäunung des Wildgeheges vor sich und einen Hirsch, der mit seinem prächtigen Geweih am Zaun entlangspazierte. Ein Rudel Rehe stand in der Mitte des Geheges auf der saftig grünen Wiese und äste. Melissa zückte den Fotoapparat und machte mehrere Fotos von den Tieren. Dann stieg sie auf einen Hochsitz, um das Gelände besser überblicken zu können. In einem kleineren Gehege nebenan befand sich eine Wildschweinrotte, die sich genussvoll im Schmutz suhlte.
Paul sah auf die Uhr und verkündete, dass es schon 17:00 Uhr war und Zeit, den Rundgang fortzusetzen, um pünktlich zum Abendessen und zu Herrn v. Würfelfelds Abend- bzw. Nachtspaziergang im Schloss zu sein.
Melissa nahm den Fotoapparat, verstaute ihn wieder im Rucksack und schnallte ihn sich auf den Rücken. Sie hatten noch Äpfel im Rucksack, suchten sie hervor, säuberten und verspeisten sie, während sie die Wanderung fortsetzten. Verdeckt und leicht zu übersehen war an einem Baum mit tief hängenden Ästen und großen Blättern eine Tafel angebracht, auf der zu lesen stand: „Noch 15 Minuten Gehweg bis zum Schloss“. Mutter atmete tief durch und Vater bemerkte: „Eine schöne Wanderung.“ Paul und die beiden Mädchen murmelten etwas von „brennenden“ Füßen. „Kommt, kommt, ihr wollt euch nur vor der Nachtwanderung drücken“, sagte Mutter. „Nein, das stimmt nicht, wir duschen uns, cremen uns die Füße ein und sind wieder fit für Herrn v. Würfelfelds Nachtwanderung.