Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit - Hans Petter Hougen - E-Book
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Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit E-Book

Hans Petter Hougen

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Beschreibung

Der dänische True-Crime-Bestseller »Die Ermittler« von Bent Isager-Nielsen, Hans Petter Hougen und Niels Lynnerup jetzt als eBook bei dotbooks. Es ist ein grausamer Anblick. Kinder finden im Wald die verbrannten Reste einer Frauenleiche. Morde wie dieser sorgen für Schlagzeilen und sind Vorlage für zahllose Krimis, in denen Fälle in kürzester Zeit gelöst werden. Doch die Realität sieht anders aus. Der dänische Kriminalexperte Bent Isager-Nielsen, bekannt durch das ZDF-Doku-Format »Die Ermittler!«, gibt anhand dieses Mordes und weiterer Fälle Einblick in die faszinierende Arbeit der Polizei. Denn Mordermittlungen sind Teamarbeit. Zusammen mit dem Gerichtsmediziner Hans Petter Hougen und dem forensischen Anthropologen Niels Lynnerup zeigt er, wie es gelingen kann, selbst die kompliziertesten Fälle zu lösen. Facettenreich, realistisch und hochspannend: Ein Muss für jeden Fan von True Crime! Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Ermittler« von Bent Isager-Nielsen, Hans Petter Hougen und Niels Lynnerup wird Fans von »Criminal Minds« und »Evil Genius« sowie Leser und Leserinnen von Michael Tsokos und Adrian Langenscheid fesseln. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 307

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Über dieses Buch:

Es ist ein grausamer Anblick. Kinder finden im Wald die verbrannten Reste einer Frauenleiche. Morde wie dieser sorgen für Schlagzeilen und sind Vorlage für zahllose Krimis, in denen Fälle in kürzester Zeit gelöst werden. Doch die Realität sieht anders aus.

Der dänische Kriminalexperte Bent Isager-Nielsen, bekannt durch das ZDF-Doku-Format »Ermittler!«, gibt anhand dieses Mordes und weiterer Fälle Einblick in die faszinierende Arbeit der Polizei. Denn Mordermittlungen sind Teamarbeit. Zusammen mit dem Gerichtsmediziner Hans Petter Hougen und dem forensischen Anthropologen Niels Lynnerup zeigt er, wie es gelingen kann, selbst die kompliziertesten Fälle zu lösen. Facettenreich, realistisch und hochspannend. Ein Muss für jeden Fan von True Crime.

Über den Autor:

Bent Isager-Nielsen war Chef der dänischen Mordkommission und einer Spezialeinheit, die sich mit schwersten Verbrechen befasst. ZDF-Zuschauer kennen ihn aus der Doku-Serie »Ermittler!«.

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor:

»Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit«, das außerdem als Hörbuch bei SAGA Egmont erscheint, www.sagaegmont.com/germany.

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eBook-Ausgabe August 2023

Die dänische Originalausgabe erschien erstmals 2012 unter dem Originaltitel »Efterforskerne« bei SAGA Egmont, Kopenhagen.

Copyright © der dänischen Originalausgabe 2012 SAGA Egmont, Kopenhagen.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2023 SAGA Egmont.

Copyright © der eBook-Ausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Karol Kinal unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ys)

ISBN 978-3-98690-909-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Bent Isager-Nielsen, Hans Petter Hougen, Niels Lynnerup

Die Ermittler – Wahre Verbrechen, echte Polizeiarbeit

True Crime

Aus dem Dänischen von Patrick Zöller

dotbooks.

VORWORT

Ein guter Ermittler wird in aller Regel von seinem unfähigen Chef suspendiert, anschließend mischt er als einsamer Wolf die kriminelle Unterwelt auf, raucht unzählige Zigaretten, trinkt literweise Whisky und brüllt Verdächtige und Zeugen an – oder sie bekommen gleich ein paar gescheuert. Auf diese Weise klärt er alle möglichen und unmöglichen Fälle auf, und obwohl alle anderer Meinung sind als er, behält er am Ende natürlich recht.

Ganz gleich, was uns Hollywoodfilme und TV-Serien weismachen wollen, diesen Ermittler gibt es nicht – und wenn doch, würde er nicht mal einen Taschendieb dingfest machen. Es ist auch noch nie vorgekommen, dass ein Mörder einzig und allein durch einen genialen Gerichtsmediziner überführt wurde, der irgendetwas entdeckt, das alle anderen übersehen haben.

Verbrechen aufzuklären, insbesondere Mord, ist harte, systematische Teamarbeit. Eine Mordermittlung ist ein großes und komplexes Puzzlespiel, in das zahlreiche Menschen einbezogen sind, und für einen Außenstehenden kann es sehr schnell sehr unübersichtlich werden. Gerichtsmediziner tragen einen Teil bei, Kriminaltechniker einen anderen, forensische Anthropologen, forensische Odontologen, Telekommunikationsanalytiker und alle möglichen anderen Spezialisten wie zum Beispiel Botaniker und Ingenieure leisten ihren Beitrag, bevor sich für Polizei und Ermittlungsleiter ein klares Bild vom Tathergang abzeichnet und sie den mutmaßlichen Täter identifizieren können.

In meinem ersten Buch Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen berichte ich hauptsächlich über meine Zeit als Ermittler und Ermittlungsleiter der sogenannten Reisegruppe, einer landesweit agierenden Spezialeinheit der dänischen Kriminalpolizei zur Aufklärung von Schwerverbrechen. Vielleicht ist dadurch bei einigen Leserinnen und Lesern der Eindruck entstanden, es sei ausschließlich die Polizei, die Verbrechen aufklärt. Das war nur äußerst selten der Fall. Viele Male, wenn wir zu einem Einsatzort gerufen wurden und die Ermittlungen aufnahmen, waren wir extrem von der Kooperation mit fähigen Partnern und Kollegen abhängig, die dabei halfen, die einzelnen Puzzlesteine zusammenzutragen.

In Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen bin ich in Verbindung mit der Polizeiarbeit auch auf eine Reihe Problemstellungen eingegangen, die ich später auf Nachfrage von Personen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Polizeiapparates vertiefen sollte. Jetzt, gut fünf Jahre nach der Neustrukturierung der Polizei und wesentlicher Organisationsänderungen, sammeln wir erste wertvolle Erfahrungen der Reformen. Darauf werde ich in diesem Buch eingehen, da ich dieses Thema in Man jagt ein Monster und fängt einen Menschen nur kurz angesprochen habe und hoffe, die Leserinnen und Leser sind wie ich der Ansicht, dass es sich lohnt, die Herausforderungen genauer zu beleuchten, denen wir Polizisten tagtäglich gegenüberstehen.

In der heutigen Zeit verlangen Mordermittlungen detaillierte Kenntnisse in zahlreichen Bereichen. Es wurden viele neue Methoden entwickelt, besonders was IT und Telekommunikation betrifft. So mancher Mord, insbesondere im Umfeld organisierter Kriminalität, wird heute mit Hilfe dieser Ermittlungsmethoden aufgeklärt. Wird ein Mord mit einer Schusswaffe begangen, von denen es immer mehr gibt und bei dem natürlich ein gewisser Abstand zwischen Opfer und Täter gegeben ist, dann sind bei der Aufklärung des Falles in der Regel andere Spezialisten als der Gerichtsmediziner die wichtigsten Kooperationspartner der Polizei. Nichtsdestotrotz spielen die Gerichtsmediziner bei der Mehrzahl der Ermittlungen eine wichtige Rolle.

Einer dieser hervorragenden Spezialisten ist Hans Petter Hougen, Professor für Gerichtsmedizin mit der Erfahrung von mehr als tausend Obduktionen u. a. in Dänemark, Thailand, dem Kosovo und den USA. Ein weiterer Kooperationspartner von nicht zu überschätzendem Wert ist Niels Lynnerup, Professor der Forensischen Anthropologie und Dänemarks führender Experte, wenn es darum geht, tote Menschen nur auf der Basis ihres Skeletts oder anderer Leichenreste zu identifizieren. Außerdem ist er inoffizieller „Dänischer Meister“ in der Disziplin, lebende Menschen aufgrund der Bilder einer Überwachungskamera zu identifizieren.

Ich kenne Hans Petter und Niels seit vielen Jahren und habe größten Respekt sowohl vor ihrer fachlichen Expertise als auch vor ihren menschlichen Eigenschaften. Sie sind fantastische Mitstreiter. Ohne sie wäre so mancher Täter nicht für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden. Hans Petter und Niels haben zugestimmt, an diesem Buch mitzuwirken, um einen seltenen Einblick in ihre Fachgebiete und in die Teamarbeit zu ermöglichen, die Voraussetzung für jede erfolgreiche Mordermittlung ist. Daher habe ich mich als Leitmotiv in diesem Buch für einen der Mordfälle entschieden, an dem wir gemeinsam gearbeitet haben. Ausgehend davon gibt es natürlich „Abstecher“ zu anderen Fällen und in die spezifischen Arbeitsgebiete von Hans Petter Hougen und Niels Lynnerup.

In meiner Karriere war ich nicht nur mit Mordfällen beschäftigt, sondern habe auch an der Aufklärung vieler anderer Verbrechen gearbeitet – und teilweise waren spektakuläre Fälle dabei. Beispielsweise habe ich in den späten Jahren die Ermittlungen zum größten Raubüberfall in der Geschichte Dänemarks sowie in Fällen von organsiertem Verbrechen und Wirtschaftskriminalität geleitet. Doch Mord ist sowohl in der Bibel als auch im Strafgesetzbuch das schlimmste aller Verbrechen und nimmt damit eine Sonderstellung ein. Kein anderes Verbrechen ist Gegenstand so vieler Bücher, TV-Serien und Filme. Das ist darauf zurückzuführen, dass Mord sowohl abschreckt als auch fasziniert. Es graut uns, aber gleichzeitig müssen wir hinschauen, denn vorsätzlicher Mord ist ultimativ; die Tat kann niemals wiedergutgemacht werden. Nach einem Mord ist etwas verändert, für immer. Das Geld aus einem Raubüberfall kann wiedergefunden werden, Opfer von Gewalt tragen seelische Narben davon, können aber doch weiterleben, und die verschlungenen Fäden umfassender Wirtschaftskriminalität können entwirrt werden. Mord ist unwiderruflich. Auch wenn der Täter gefasst und über ihn auf der Basis gültigen Strafrechts das strengste Urteil gefällt wird, das möglich ist, bringt es das Opfer niemals zurück.

Nicht zuletzt deshalb fordert Mord die menschliche Moral und unser grundlegendes Gerechtigkeitsempfinden wie keine andere Straftat heraus. Kein anderes Verbrechen muss so unbedingt aufgeklärt werden, kein anderes Verbrechen lässt das Dilemma der Gerechtigkeit so scharfkantig hervortreten: Wie bestrafen wir eine Tat, die niemals wiedergutgemacht werden kann? Dieser tiefliegende Gerechtigkeitssinn ist es, der, auch bei mir, eine Faszination für Mord bewirkt – oder besser: für die Aufklärung eines Mordes. Mord stellt die Arbeit der Polizei vor die ultimative Prüfung, denn es ist beinahe unmenschlich, den Gedanken zu denken, dass der Täter ungestraft davonkommt. Als Mordermittler ist Misserfolg keine Option, und das gefällt mir.

Als Ermittler beziehungsweise Ermittlungsleiter kommt man mit Teilen der Gesellschaft in Berührung, die man ansonsten kaum kennenlernt. Ich bin von Natur aus neugierig, und ich finde, man kann sich glücklich schätzen, wenn man sogar Geld dafür bekommt, sich in das Leben anderer Menschen hineinzuversetzen. Dadurch lernt man auch viel über sich selbst. Meine besserwisserische Art stößt an ihre Grenzen, wenn ich auf Menschen treffe, die da sind, wo das Leben richtig wehtut.

Ich glaube, es ist gut, hin und wieder auf solche Menschen zu stoßen. Nach diesen Begegnungen habe ich die kleinen Probleme des Alltags wohl – hoffentlich – nicht mehr so ernst genommen. Im persönlichen Umfeld kann ich sehr schnell unruhig und nervös werden – würde ich etwas anderes behaupten, würden die Menschen, die mir nahestehen, sicher lachen und sagen: „Tja, wärst du hysterisch, würden wir dich wohl kaum wiedererkennen.“ Aber es gibt viele Dinge, über die ich mich nicht mehr aufrege, weil ich gesehen haben, was Menschen einander antun können.

Auf diese Weise habe ich durch meine Arbeit sehr viel gelernt. Ich versuche, meine Kämpfe mit Bedacht zu wählen. Versuche, mich anderen gegenüber anständig zu benehmen – und auf das zu fokussieren, was im Leben wichtig ist. Es passiert immer noch, dass ich mich dabei ertappe, wie ich mich über Kleinigkeiten beklage, aber ich weiß mich ebenso glücklich über mein privilegiertes Dasein zu schätzen. Denn ich habe gesehen, wie wenig es braucht, damit wir Menschen so weit abtreiben, dass uns der Boden unter den Füßen verloren geht.

Alles in diesem Buch könnte genauso passiert sein, wie es beschrieben ist, aber aus Rücksicht auf Angehörige, Hinterbliebene und Menschen, die ihre Strafe verbüßt haben, wurden Namen, Orte und Zeitpunkte an bestimmten Stellen geändert. Ebenso wurden in einigen Fällen Details mit Blick auf Betroffene und ihre Familien weggelassen. Aus demselben Grund wurden einzelne Bestandteile eines bestimmten Falls auf einen anderen übertragen. Mehr als drei Jahrzehnte lang habe ich als Ermittler oder Ermittlungsleiter gearbeitet und es dabei mit Fällen schwerster Kriminalität zu tun bekommen. Mit ein paar der im Buch vorkommenden Fälle hatte ich nicht direkt zu tun, habe sie aber mit einbezogen, weil sie auf die eine oder andere Weise wesentliche Tendenzen oder Entwicklungen im Hinblick auf Mordermittlungen anschaulich verdeutlichen. Darüber hinaus möchte ich betonen, dass alles in diesem Buch Geschriebene auf meinen persönlichen Erfahrungen basiert und meine persönlichen Meinungen und Einstellungen wiedergibt. Obwohl ich immer noch für die Polizei aktiv bin, spiegelt dieses Buch nicht die offizielle Sichtweise der Polizei wider. Alles, was Sie im Folgenden hören, geht auf meine „Rechnung“.

KAPITEL 1: DIE LEICHE IM WALD

Mord mit unbekanntem Opfer ist etwas, das der Teufel geschaffen hat. Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch wenn ich mehr als dreißig Jahre auf die eine oder andere Weise daran gearbeitet habe, Morde aufzuklären, bin ich natürlich der Meinung, dass alle Morde etwas sind, das der Teufel geschaffen hat. Aber ein Mord, bei dem das Opfer nicht unmittelbar identifiziert werden kann, ist aus Sicht eines Ermittlers ein richtig schlechter Anfang. Eine Mordermittlung kreist zu Beginn immer um das Opfer. In welchem Umfeld hat er oder sie sich bewegt? Wo hat er oder sie gewohnt? Wo hat er oder sie gearbeitet? Mit welchen Problemen hatte er oder sie zu kämpfen? Welche Feinde könnte er oder sie gehabt haben? Wer könnte von seinem oder ihrem Tod profitieren?

Ist das Opfer unbekannt, sind diese ansonsten üblichen Herangehensweisen unmöglich, und die Ermittlungsarbeit gestaltet sich von Anfang an problematisch. Ist das Opfer so übel zugerichtet, dass man nicht erkennen kann, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, einen Erwachsenen oder ein Kind, vielleicht sogar um ein Tier, wird es richtig schwierig.

Bei dem Fall, den wir innerhalb der Spezialeinheit „Reisegruppe“ Die brennende Leiche nannten, hatten wir im Großen und Ganzen nichts, von dem wir ausgehen konnten, als die Ermittlung in Gang kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich seit achtzehn Jahren bei der „Reisegruppe“ und dachte, ich hätte eigentlich schon alles gesehen. Ich hatte mich geirrt. Wieder einmal.

Alles begann an einem Sonntag Ende September 1999. Ich machte gerade den Abwasch, als mein Handy klingelte. Damals war ich Chef der Mordkommission innerhalb der „Reisegruppe“, weshalb mein Handy allgegenwärtig und fast schon ein Teil von mir geworden war, und ich ließ alles liegen und stehen, was ich in den Händen hielt, wenn es klingelte.

Damals war die „Reisegruppe“ ein Dezernat innerhalb der Nationalen Polizei und unterstützte die Polizeikreise außerhalb Kopenhagens, wenn sie es mit Kriminalität ab einer bestimmten Größenordnung aufwärts zu tun hatten. Jedes Jahr werden in Dänemark zwischen fünfzig und achtzig Morde begangen und die allermeisten sehr schnell aufgeklärt, entweder weil der Täter ein Geständnis ablegt oder auf andere Art und Weise klar wird, wer für das Verbrechen verantwortlich ist. In diesen Fällen wurde die „Reisegruppe“ nicht eingeschaltet. Ging eine Unterstützungsanfrage aus einem der Polizeibezirke ein, konnte man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die örtliche Polizei keinen ganz gewöhnlichen Fall zu bearbeiten hatte. Eine Unterstützungsanfrage bedeutete außerdem, dass die Polizei vor Ort nach achtundvierzig Stunden Ermittlung mit leeren Händen dastand oder der örtliche Polizeichef und seine Kollegen sofort eingesehen hatten, dass der Fall ihre Ressourcen übersteigen würde. Wurde die „Reisegruppe“ gerufen, ging es nur selten um Fälle, die bis Montag warten konnten. So auch dieses Mal.

Daher waren sowohl ich als auch mein Umfeld es gewohnt, dass der Rasenmäher mitten im Garten stehen, dass Abendessen auf dem Teller liegen oder bei Familienfeiern ein Stuhl leer blieb.

An diesem Septembertag war der Chef aus einem der Polizeibezirke auf Seeland am Telefon. Wir hatten schon früher zusammengearbeitet, und wenn er die „Reisegruppe“ kontaktierte, gab es in der Regel keinen Zweifel, worum es ging. „Wir haben zwei Menschen da und da gefunden, und es sieht so aus, als seien sie erschossen worden, aber wir haben keine Spur vom Täter. Wir brauchen Hilfe.“ Diesmal blieb der Anrufer jedoch einigermaßen im Ungefähren:

„Ganz ehrlich, Bent, ich weiß nicht recht, was wir hier haben“, sagte er.

Ein paar Stunden zuvor hatten einige neunjährige Mädchen trotz des Regens im Wald gespielt. Als sie an einer Lichtung vorbeikamen, bemerkten sie so etwas wie ein Lagerfeuer, dessen Flammen allerdings sehr hoch schlugen, obwohl es in Strömen schüttete. In der Mitte des Feuers lag ein undefinierbares, zirka siebzig Zentimeter langes Bündel. Zum Glück rannten sie sofort nach Hause zu ihren Eltern, die nach einer kurzen Inaugenscheinnahme des Feuers umgehend die Polizei riefen.

Ich habe schon oft gedacht, was wohl passiert wäre, wenn sie gedacht hätten: „Na ja, da verbrennt wohl nur jemand seine Gartenabfälle.“ Tatsächlich wurde etwas anderes als Abfall verbrannt, wie schnell klar wurde, nachdem die örtliche Polizei auf der Bildfläche erschienen war. Was sie fanden, veranlasste sie, schnellstens die „Reisegruppe“ einzuschalten.

Ich ließ die letzten Teller und Tassen auf der Spüle zurück, entledigte mich der Schürze, wechselte das Hemd und griff nach den Autoschlüsseln, während eine wohlbekannte Mischung aus Adrenalin und Konzentration meinen Körper einnahm.

Zufällig wohnte einer meiner Kollegen aus der „Reisegruppe“ in der Nähe des Fundortes und war bereits wenige Minuten nach dem Anruf vor Ort. Ich war noch auf der Autobahn, als ich ihn erreichte und versuchte, mehr darüber zu erfahren, was mich erwartete.

Ich will immer so viel wie möglich so schnell wie möglich wissen, aber dieses Mal war mir der Kollege keine große Hilfe. Inzwischen war die Feuerwehr an Ort und Stelle, hatte die Flammen gelöscht und einige Planen gespannt, um den Fundort vor dem Regen zu schützen, aber noch wusste niemand, was in den Überresten des Feuers lag. Einig war man sich lediglich darüber, dass es einmal ein lebendiges Wesen gewesen sein musste. Man war wohl der Meinung, es könnte sich um eine Ziege oder ein Schaf handeln.

Als ich mein Ziel erreichte, herrschte bereits große Betriebsamkeit: Beamte aus dem zuständigen Polizeibezirk, Kriminaltechniker und Kollegen der „Reisegruppe“ liefen herum, und offen gestanden war mein erster Eindruck, dass wir die Zeit einer ganzen Reihe von Leuten verschwendet hatten, als ich mir die Feuerstelle näher ansah. Obwohl die Flammen gelöscht waren, stieg aus einer zwei Meter tiefen Grube stinkender schwarzer Rauch auf. In der Grube lag etwas, bei dem es sich augenscheinlich um die Überreste eines Tieres handelte. Allerdings ergab das unmittelbar keinen Sinn, denn wer machte sich die Mühe, mitten in einen Wald zu fahren, eine Art Scheiterhaufen aufzuschichten und literweise mit Grillanzünder zu überschütten, bloß um ein totes Schaf loszuwerden, und das in strömendem Regen?

Während ich versuchte, mir einen Überblick zu verschaffen, was die Techniker bisher gefunden hatten, rumpelte Hans Petter Hougens alter schwarzer Volvo zwischen den Bäumen heran und kam vor der Absperrung zum Stehen.

„Du hast das Blaulicht vergessen!“, rief ich.

„Mein Antrag ist noch auf dem Weg durch die Instanzen. Die Mühlen mahlen langsam“, kam die Antwort mit melodischem norwegischem Akzent.

Hans Petter Hougen ist einer der erfahrensten Gerichtsmediziner Dänemarks und einer der kompetentesten und seriösesten Menschen, die ich kenne. Er ist keiner, der gerne Räuber und Gendarm spielt und mit Blaulicht durch die Gegend fährt, und so war es immer ein Running Gag zwischen uns, wann er endlich eine blinkende Leuchte samt Sirene auf seinem Autodach haben würde.

„Und, was habt ihr jetzt schon wieder gefunden, Bent?“ Genauso schlug Hans Petter immer einen etwas vorwurfsvollen Ton an, wenn er zu einem Fundort kam – als würden wir persönlich durch die Wälder laufen und wahllos Mordopfer verstreuen, nur um ihn zu ärgern.

Einem Außenstehenden mag es respektlos erscheinen, am Fundort einer Leiche Witzchen zu machen, aber es gehört nicht nur dazu, es hilft tatsächlich. Wenn das Arbeitsleben wie im Fall von Hans Petter und mir sich fast ausschließlich mit dem Übelsten befasst, was Menschen einander antun können, braucht man untereinander einen ungezwungenen Umgangston, um nicht den Verstand zu verlieren.

Während ich Hans Petter über das Wenige, das ich wusste, ins Bild setzte und andeutete, dass wir vielleicht vieler Leute Zeit verschwendet hatten, zog er sich Gummistiefel, Schutzanzug und Gummihandschuhe an.

Obwohl der Geruch von feuchter Erde und verwesten Blättern in der Luft hing, war der Gestank nach verbranntem Fleisch dominierend, sobald man sich der Feuerstelle näherte. Doch Hans Petter, der in seinem langen Leben als Gerichtsmediziner schon fast alles gesehen und untersucht hatte, was man sich vorstellen kann, machte das nichts aus. Er hat Opfer des Tsunami in Thailand identifiziert, Massengräber am Balkan untersucht, als Gerichtsmediziner in Miami gearbeitet und mehrere tausend Leichen obduziert. Es gehört schon einiges dazu, ihn aus der Fassung zu bringen. Tatsächlich glaube ich nicht, dass das überhaupt möglich ist.

Wie Hans Petter feststellte, war das Bündel in eine Art Stoff eingewickelt. Er tippte auf einen Schlafsack. Vorsichtig schob er die Stoffreste zur Seite, während ich hinter ihm stand und keinen Mucks von mir gab. Nach einer Weile wandte er sich zu mir um, sah mich über den Rand seiner Brille hinweg an und sagte seelenruhig: „Wir haben hier ganz bestimmt keine Zeit verschwendet, Bent. Die Arbeit fängt jetzt erst an.“

Das verkohlte Bündel war weder ein Schaf noch eine Ziege. Es waren die Überreste eines Menschen.

KAPITEL 2: DAS PUZZLE

1300-73111-00001-99. Das war das Aktenzeichen des Falls, der in den nächsten Wochen den allergrößten Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen sollte. 1300 war die Nummer des zuständigen Polizeibezirks, 73111 der Code für Mord, 00001 war die laufende Nummer und 99 gab die Jahreszahl an.

Jedes Mal, wenn wir Polizisten mit einem neuen Mord konfrontiert werden, ist es, als öffne man eine Schachtel voller Puzzlesteine, ohne zu wissen, wie viele es sind oder wie das abschließende Bild aussieht. Aufgabe des Ermittlungsleiters und seines Teams ist es, so viele Steine wie möglich zusammenzutragen und zusammenzusetzen, bis das Bild klar erkennbar ist.

Das kann zunächst durchaus unüberschaubar wirken, und als ich jünger war, stand ich hin und wieder an einem Fundort und dachte: „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier passiert ist. Und vielleicht finden wir es auch nie heraus.“

Das gelang uns in der Regel dann aber doch, und aufgrund vieler Jahre Erfahrung und der Zusammenarbeit mit kompetenten Experten glaube ich, dass es kein Puzzle gibt, das wir nicht zusammensetzen können. Und dieser Glaube ist sehr hilfreich, steht man vor einem Fall, der erst einmal sowohl bizarr als auch ein wenig beängstigend wirkt, weil man weiß, dass man gezwungen sein wird, in eine Welt einzutauchen, in der die Normen und Regeln ganz andere sind als die, die man kennt.

Ich könnte natürlich behaupten, dass ich mich bei der Polizei und schließlich bei der Mordkommission der „Reisegruppe“ beworben habe, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, Recht und Ordnung Geltung zu verschaffen, Selbstjustiz zu verhindern und für Gerechtigkeit zu sorgen. So war es tatsächlich, aber natürlich ging es dabei auch um die Faszination, die menschliche Schattenseiten ausüben.

Für die meisten von uns ist der Gedanke an Gewalt und Mord abstoßend. Aber er ist nicht nur abstoßend, sondern fasziniert uns auch. Wir würden es gerne verstehen, eben weil es für die meisten von uns so unfassbar ist, dass man einen anderen Menschen kaltblütig umbringen kann. Obwohl wir wohl alle ein Körnchen davon in uns tragen. So geht es mir jedenfalls. Wenn es etwas gibt, das ich im Laufe der Jahre als Mordermittler gelernt habe, dann dass man seine Vorurteile beiseiteschieben muss – weit beiseiteschieben muss. Ich lebe mein Leben auf eine bestimmte Weise, behandele andere Menschen auf eine bestimmte Weise, die ich verantworten kann, habe meine Tochter so erzogen, wie ich es für richtig halte und verfüge über einen moralischen Kodex, der mir sagt, was richtig und was falsch ist. Das verdanke ich in hohem Maß den Werten, die ich von zu Hause mitbekommen und in der Umgebung aufgenommen habe, in der ich mich bewegt habe.

Es gibt viele Menschen, deren Auffassung von Moral und Richtig und Falsch eine ganz andere ist als meine – und vermutlich Ihre. Aber es nützt nichts, wenn man das abstoßend findet. Jedenfalls nicht, wenn man in einem Mordfall ermittelt. Sagt man: „Oh Gott, wie furchtbar, das kann nur das Werk eines Verrückten sein“, kommt man nicht sehr weit, denn es ist selten das „Werk eines Verrückten“, aber darauf komme ich noch zurück.

Man muss keine Sympathie für einen Mörder entwickeln oder Mitleid mit ihm haben, aber man muss ihn verstehen. Verstehen, wer er ist, wo er herkommt und wie seine Lebenssituation aussieht. Nur so kann man das Motiv verstehen. Nur so kann man ihn finden und überführen.

Als ich an diesem Tag im Wald Hans Petter dabei beobachtete, wie er zusammenpackte, kamen mir ein paar andere merkwürdige Fälle in den Sinn, die wir oft besprochen hatten. Hans Petter und ich hatten schon so einiges erlebt, und wie wir aus Erfahrung wussten, gehört es zum grundlegenden Weltbild eines Ermittlers, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie aussehen, ganz gleich wie offensichtlich sie auf der Hand zu liegen scheinen.

1990 wurde die „Reisegruppe“ zum Beispiel in einem ganz besonderen Fall um Unterstützung gebeten. Mit etwas Vergleichbarem war man bis dato noch nicht konfrontiert worden. Jemand hatte die Polizei zu einem Haus in Südjütland gerufen. In der Mitte einer Art Festsaal stand ein Käfig, darin die zusammengekrümmte Leiche eines Mannes, nackt, mit Handschellen an die Stäbe gekettet und mit Messerstichen übersät. Der Käfig maß nicht viel mehr als einen Kubikmeter, und der Mann war ein ordentlicher Brocken, ein richtiger Bodybuilder-Typ. Außerdem musste er schon eine Weile in dem Käfig gelegen haben, denn durch den Verwesungsprozess war er aufgedunsen, was das Bild noch grotesker erscheinen ließ.

Zunächst glaubten die Ermittler, der Mann sei post mortem in den Käfig verfrachtet worden, da es auf den ersten Blick unmöglich erschien, er könne selbst hineingekrochen sein. Der Gerichtsmediziner stellte allerdings fest, dass der Tod eingetreten war, während der Mann sich in dem Käfig befand. Elf Mal hatte jemand mit einem Steakmesser auf ihn eingestochen, und er war an dem daraus resultierenden Blutverlust gestorben. Nach dem ersten Stich musste er wohl noch etwa zehn Minuten am Leben gewesen sein, wie der Gerichtsmediziner meinte, sodass er eines ziemlich qualvollen Todes gestorben war.

Wie sich zeigte, lebte der Mann mit einer jungen Frau zusammen, die er Zeugenaussagen zufolge richtig schlecht behandelt hatte. Er war gewalttätig, missbrauchte sie sexuell und übte psychischen Terror gegen sie aus, und das über Jahre. Außerdem hatte das Paar ein außergewöhnliches Sexleben. Zu dieser Zeit war Sadomasochismus in einer so bizarren Form in weiten Kreisen nicht bekannt – für uns im Ermittlerteam war es auf jeden Fall Neuland –, und wir waren doch einigermaßen überrascht, als wir herausfanden, dass der Mann zwar gewalttätig und dominant, gleichzeitig aber Masochist war und sexuelle Erregung dabei empfand, eingesperrt zu werden. Der Käfig im Festsaal war Teil des Sexlebens des Paares. Irgendwann muss bei einem ihrer Spiele etwas schiefgelaufen sein, während dieser Koloss von einem Mann in dem Käfig eingesperrt und angekettet war. Er hat verlangt, freigelassen zu werden und seiner Freundin mit dem Tod gedroht, wenn sie nicht sofort gehorcht. Panik packte sie, und in der Küche schluckte sie ein paar Beruhigungstabletten und nahm ein Steakmesser an sich. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie Todesangst hatte, Anlass dafür bot die Vorgeschichte des Paares ganz gewiss reichlich, aber vielleicht hatte sie auch einfach genug und konnte nicht mehr. Jedenfalls stach sie mit dem Messer zwischen den Stäben des Käfigs hindurch auf den Mann ein. Keiner der Stiche war sehr tief, aber doch tief genug, dass er verblutete.

Nachdem ich sie stundenlang gemeinsam mit einem Kollegen, einem Verhörspezialisten, vernommen hatte, gestand sie schließlich. Der Mord wirkte überlegt und kaltblütig und muss für das Opfer extrem schmerzhaft gewesen sein, dennoch wurde sie nur zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Vorsätzlicher Mord wird gemäß § 237 des Strafgesetzbuches mit mindestens fünf Jahren Gefängnis bis hin zu lebenslänglich bestraft. Natürlich war der Mord mit Vorsatz begangen worden, aber in Anbetracht der Vorgeschichte des Paares und allem, dem die Frau ausgesetzt gewesen war, sprach das Gericht lediglich die Mindeststrafe aus.

Normalerweise schwelge ich nicht in alten Fällen, aber hin und wieder kann es eine beruhigende Wirkung haben, sich an frühere Erfolge zu erinnern, und damals im Wald war es dringend nötig, die Erinnerung an ein paar der bizarreren Beispiele aufzufrischen und sich ins Gedächtnis zu rufen, dass wir die Fäden in der Regel am Ende doch entwirren können, ganz gleich wie seltsam und unübersichtlich das Ganze anfangs aussieht. Ich hoffte zutiefst, dass es im Fall des kleinen Menschenbündels in dem qualmenden Scheiterhaufen ebenfalls so kommen würde.

KAPITEL 3: DIE ERSTEN SPUREN

Sobald klar ist, dass es um Mord geht, geschehen eine ganze Reihe Dinge gleichzeitig. So ist das immer gewesen und so ist es auch heute noch. Aber in den alten Zeiten, wenn man 1999 mal so bezeichnen will, als sich dieser Fall ereignete, war es unter Mordermittlern anerkannte Meinung, dass die Chancen, einen Fall aufzuklären, erheblich sanken, wenn nicht innerhalb der ersten achtundvierzig Stunden ein entscheidender Durchbruch erzielt wurde.

Seit meinen Anfängen bei der Polizei haben sich die Gesellschaft und auch die Kriminalität sehr verändert. Als ich noch ein junger Beamter war, gab es keine offenen Grenzen und nur wenige Pendler, die Menschen waren nicht sehr mobil. Das Motiv für Mord war oft im lokalen Umfeld zu finden. Es gab Zeugen, aber wenn wir innerhalb der ersten zwei Tage einer Ermittlung keine verwertbaren Aussagen bekamen, keine brauchbaren Fingerabdrücke oder andere Spuren fanden, sanken die Chancen dramatisch, den Täter zu schnappen.

Heute ist Kriminalität an andere Motive gebunden und die Täter sind andere als damals. Organisierte Kriminalität hat zugenommen, und es gibt vermehrt ausländische Kriminelle. Das hat Veränderungen in der Ermittlungsarbeit nach sich gezogen.

Heute liegen viele Täter zur Halbzeit in Führung. Sie kommen zunächst davon, aber ein Spiel dauert neunzig Minuten und am Ende gehen sie als Verlierer vom Platz. Inzwischen haben Ermittler weit bessere Möglichkeiten, denkt man an Telekommunikationsdaten, DNA-Profile, Überwachungskameras, Datenbanken und andere Instrumente, die uns in den alten Tagen nicht zur Verfügung standen. Doch diese Dinge brauchen Zeit, sodass wir erst nach Wochen, Monaten oder manchmal Jahren davon profitieren. Aber die Ergebnisse stellen sich ein, unweigerlich. Die Entwicklungen innerhalb der Kriminalität – dass die Täter nicht mehr unbedingt in der Nachbarschaft zu suchen sind – hat in den letzten Jahren zu bedeutenden Veränderungen der polizeilichen Ermittlungsarbeit geführt, sowohl hinsichtlich Methodik als auch Organisation, worauf ich später noch eingehe.

Im Fall des Bündels im Feuer waren wir zunächst nicht sicher, ob wir es überhaupt mit Mord zu tun hatten. Natürlich bestand kaum ein Zweifel daran, dass es sich um ein Verbrechen handelte – zumindest um Leichenschändung -, aber auch in den Fällen, in denen wir nicht sicher sind, gehen wir so vor, als ginge es um Mord. Man kann die Maschinerie immer noch herunterfahren, wenn sich herausstellt, dass es sich um Selbstmord oder einen Unfall handelt. Viel schwieriger ist es, die Maschinerie hochzufahren, wenn man anfangs davon ausgegangen ist, es mit Selbstmord oder einem Unfall zu tun zu haben. Behandelt man den Fall nicht von Beginn an als Mord, wird die Umgebung vielleicht nicht großräumig genug abgesperrt und es gehen physische Spuren verloren; oder man versäumt es, umgehend die notwendigen Befragungen im lokalen Umfeld durchzuführen. Das kann man nicht nachholen, da Spuren vergänglich sind und die Erinnerungen eventueller Zeugen mit der Zeit verblassen.

Daneben ist derjenige ein schlechter Polizist, der zu viele Schlussfolgerungen aufgrund des ersten Eindrucks zieht. In meiner Branche gibt es unzählige Beispiele dafür, dass die Dinge nicht so sind, wie sie aussehen. Manchmal entpuppt sich ein scheinbar banaler Selbstmord als ein schweres Verbrechen, und manchmal ist es umgekehrt. Das muss sich natürlich in der Art widerspiegeln, auf die man mit ungeklärten Todesfällen umgeht.

Dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, wurde uns unter anderem in einem Fall auf Südseeland deutlich vor Augen geführt. Man fand ein älteres Ehepaar in seinem Zuhause, einem Landgut außerhalb der Stadt. Es war das Elternhaus des Mannes, wo er sein ganzes Leben verbracht hatte. Die Frau lag im Bett, mit einem Hammer erschlagen. Den Hammer fand man im Schuppen, daran sowohl das Blut des Mannes als auch das der Frau. Der Mann wurde in der Küche gefunden, im Gesicht Verletzungen, die ebenfalls von besagtem Hammer stammen. Außerdem hatte er eine Schnittverletzung von einem Messer davongetragen, und von der Decke hing eine Schlinge, als habe jemand versucht, ihn zu erhängen. Eine fürchterliche Sache, die zunächst darauf hindeutete, dass ein Doppelmörder frei herumlief. Bei der Obduktion zeigte sich, dass der Mann über drei Promille im Blut hatte, und das Ehepaar trank sonst nie.

Mit einem Mal erschien die Situation in einem ganz anderen Licht. Nach und nach fanden wir heraus, dass sich die alten Leute nicht mehr um ihren Hof kümmern konnten. Sie wollte ins Pflegeheim, er nicht. Es endete damit, dass er sie mit dem Hammer erschlug. Allerdings war sie eine große, kräftige Frau, er hingegen ein kleines Männlein, und so konnte sie den Hammer im Handgemenge an sich bringen und ihrerseits zuschlagen. Doch das rettete ihr nicht das Leben. Der Mann gewann in der Auseinandersetzung wieder die Oberhand, und als die Frau tot war, ging er in den Schuppen und legte den Hammer ordentlich an seinen Platz. Er trank fast eine ganze Flasche Cognac und versuchte anschließend, sich zu erhängen. Es gelang nicht. Stattdessen wollte er sich mit einem Messer umbringen, bekam aber einen Schock und fiel um. So verblutete er schließlich. Der Fall entwickelte sich also vom Doppelmord mit unbekanntem Täter und damit von einem der schlimmsten Szenarien, die man sich vorstellen kann, zu einem Familiendrama mit tragischem Ausgang. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nie glauben soll, das Naheliegende sei auch stets die Wahrheit.

Nachdem Hans Petter festgestellt hatte, dass es sich bei dem Bündel im Wald um einen Menschen handelte, leiteten wir eine breit gefächerte Ermittlung ein. Das heißt, dass eine beträchtliche Anzahl Menschen damit begann, Teile des großen Puzzles zu sammeln. Gerichtsmediziner, Kriminaltechniker, und Ermittler machen dafür Überstunden. Kriminaltechniker sind unglaublich tüchtige Fachleute, und jeder von ihnen hat spezielle Kompetenzen. Manche sind auf DNA spezialisiert, andere auf Fingerabdrücke, einige auf Ballistik und wieder andere auf Reifenspuren oder Blutspritzer und so weiter. Sie schließen sich mit einem Ermittler kurz, um die technischen Spuren in den Gesamtzusammenhang der Ermittlung zu setzen. Was entlastet? Was belastet? Eine Ermittlung ist nicht nur technisch, sondern in hohem Maße auch taktisch. Sämtliche technischen Beweise sind für die Aufklärung eines Mordfalls wertlos, wenn sie nicht in den richtigen Zusammenhang gebracht werden. Ein Kriminaltechniker mit Expertise in Ballistik kann womöglich sagen, dass der Mord mit einer ganz bestimmten Waffe begangen wurde, aber diese Information ist erst dann von Bedeutung, wenn wir ermitteln, wer zum Tatzeitpunkt Zugang zu einer solchen Waffe hatte. Ein anderer Techniker findet vielleicht siebenunddreißig verschiedene Zigarettenkippen am Tatort, und natürlich kann es sein, dass sie keinerlei Rolle spielen, aber wenn sich herausstellt, dass einer der Verdächtigen Rote Cecil raucht, werden die drei Kippen Rote Cecil plötzlich interessant. Ein Ermittlungsleiter kann auch nicht bei jeder Zeugenbefragung und bei jedem Verhör eines Verdächtigen dabei sein, aber natürlich wird ihm alles berichtet, bis er möglicherweise schlussfolgert: „Aha, dein Zeuge hat also unmittelbar vor dem Mord von Osten kommend einen Mann in einem roten Auto gesehen. Und du, du hast mit einem Zeugen gesprochen, der einige Zeit nach der Tat einen Mann in einem roten Auto gesehen hat, der nach Westen fuhr. Aha.“ Es ist Aufgabe des Ermittlungsleiters, alle Fäden zu sammeln, nach dem Zusammenhang zu suchen und einzuschätzen, in welche Richtung die Ermittlung laufen soll. Darin liegt das Taktische: die Verknüpfung unglaublich vieler Informationen, die Fähigkeit, Verbindungen zwischen ihnen herzustellen und zu entscheiden, wie der nächste Schritt aussieht.

Im Wald fanden die Techniker auf einem Schotterweg nicht weit von der Feuerstelle drei verschiedene Reifenspuren, die für uns natürlich interessant waren. Wir konnten nicht mit Sicherheit wissen, ob die Leiche mit einem Fahrzeug zum Fundort transportiert worden war. Zwar waren wir nicht sicher, ob die Lichtung im Wald auch der Tatort war oder ob der Mord sich anderswo abgespielt hatte und die Leiche anschließend in den Wald gebracht worden war, nichtsdestotrotz nahmen die Techniker natürlich Abdrücke von sämtlichen Reifenspuren, die sie finden konnten. Reifen- und Fußspuren haben im Laufe der Zeit schon oft zur Aufklärung von Verbrechen geführt.

In einem meiner allerersten Fälle als junger Ermittler wurde ich zu einem Einbruch in einen Pelzwarenladen gerufen, bei dem ein Auto als Rammbock benutzt worden war. Jemand hatte den Wagen direkt in das Schaufenster des Ladens gesteuert, sämtliche Pelze mitgehen lassen und war anschließend mit dem Rammbock davongerast. Es schneite kräftig, und ich war der Erste am Ort des Geschehens. Unmittelbar vor dem Schaufenster fielen mir einige deutliche Fußspuren auf, die aber sehr bald nicht mehr zu sehen sein würden. Glücklicherweise kam ein Mann mit einem Regenschirm auf seinem Abendspaziergang vorbei, den ich umgehend konfiszierte. „Es handelt sich um einen Notfall“, sagte ich entschieden und nahm den Schirm an mich. Es dauerte, bis die Techniker kamen, und ich musste mich auch noch um einige andere Dinge kümmern, also schnappte ich mir kurz darauf einen anderen Passanten und sagte: „Sie sind jetzt Hilfssheriff. Bewachen Sie diese Spur!“ Das tat er, und als die Techniker eintrafen, war die Fußspur im Schnee noch so deutlich erhalten, dass ein Gipsabdruck genommen werden konnte. Der Einbrecher wurde später tatsächlich aufgrund der Fußspur überführt und verurteilt. In der Sohle eines der Schuhe, die man während einer Durchsuchung bei ihm fand, war ein Schnitt von einer Glasscherbe unübersehbar, der genau zu der Fußspur passte, die wir sichergestellt hatten. Auf dieser Grundlage konnten die Techniker nicht nur feststellen, dass es sich um den gleichen Typ Schuh und die gleiche Größe handelte, sondern dass es exakt dieser Schuh und kein anderer auf der Welt gewesen war, der die Fußspur hinterlassen hatte. Genau wie ein Fingerabdruck.

Die Geschichte zeigt auch, dass die Natur eine unsichere Kantonistin ist, wenn es um eine Mordermittlung geht, weil sie lebendig ist und Spuren verändert und auslöscht. Unter anderem deshalb standen wir vor einem klassischen Dilemma und einer großen Herausforderung, was die Umgebung der Feuerstelle im Wald betraf.

Findet man eine Leiche in einer Wohnung oder in einem Haus und stellt sich dann obendrein heraus, dass die Wohnung oder das Haus auch der Tatort ist, dann ist die Jagd auf physische Spuren überschaubar. Einfach gesagt: Stehen zwei Kaffeetassen auf der Spüle und aus der einen hat das Opfer getrunken, dann sind die Fingerabdrücke und die DNA auf der anderen vermutlich vom Täter – und wenn nicht, dann doch von jemandem, mit dem man sich unterhalten sollte.