Die erstaunlichen Kräfte der Effektiven Mikroorganismen – EM - Dr. Anne Katharina Zschocke - E-Book

Die erstaunlichen Kräfte der Effektiven Mikroorganismen – EM E-Book

Dr. Anne Katharina Zschocke

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Beschreibung

Das wegweisende Werk zu EM (Effektive Mikroorganismen) Weltweit werden Effektive Mikroorganismen mittlerweile überall im Leben erfolgreich eingesetzt und auf vielfältige Weise genutzt. Die Autorin ist seit über zehn Jahren die renommierteste internationale Referentin, wenn es um EM geht. Umfassend und kenntnisreich stellt sie nun erstmals in einem Buch sämtliche EM-Anwendungsweisen in den Bereichen Gesundheit bei Mensch und Tier, Haushalt, Garten und Wasser vor. Dabei beleuchtet sie auch kritisch unseren Umgang mit Bakterien und betrachtet selbst resistente Mikrobenstämme aus einem neuen, geradezu revolutionären Blickwinkel. Der Leser erhält umfangreiche Tipps und zahlreiche Beispiele zum Einsatz von EM und wird auf verständliche Weise auch mit den neuesten Erkenntnissen der Forschung vertraut gemacht.

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Anne Katharina Zschocke

Die erstaunlichen Kräfte der Effektiven Mikroorganismen – EM

Gesundheit • Haushalt • Garten • Wasser

Knaur e-books

Über dieses Buch

Das wegweisende Werk zu EM (Effektive Mikroorganismen)

Weltweit werden Effektive Mikroorganismen mittlerweile überall im Leben erfolgreich eingesetzt und auf vielfältige Weise genutzt. Die Autorin  Anne Katharina Zschocke ist seit über 15 Jahren die renommierteste internationale Referentin, wenn es um EM geht.

Umfassend und kenntnisreich stellt sie in ihrem Buch sämtliche EM-Anwendungsweisen in den Bereichen Gesundheit bei Mensch und Tier, Haushalt, Garten und Wasser vor. Der Leser erhält umfangreiche Tipps und zahlreiche Beispiele zum Einsatz von EM und wird auf verständliche Weise mit den Erkenntnissen der Forschung vertraut gemacht.

Inhaltsübersicht

Aus Liebe zur ErdeVorwort zur TaschenbuchausgabeEffektive Mikroorganismen (EM) verändern die WeltI Rund um uns1 Mit dem Leben Frieden schließen2 Am Anfang war die Einzellwelt3 Ein Einzeller kommt nie allein4 Vom mikrobiellen Strom des Lebens5 Wie Mikroorganismen miteinander »reden«6 Die Besiedelung der Menschen7 Mikrobenmord macht Mühe8 Mit Bakterien heilenII Die Effektiven Mikroorganismen9 Das sind EM10 Die Zusammensetzung der EM11 So werden EM hergestellt12 Die Vielfalt der EM-TechnologieEM-KeramikEM-fermentierte GetränkeBokashiDangosEM 5EM-FKEEM-Salz13 Der Sinn der EM14 So wirken EM15 Die Grundsätze der EM-Anwendung16 Die Handhabung der EMAufbewahrung und HaltbarkeitKonsistenz17 EM zu EMa vermehrenDas verwendet man für die VermehrungSo geht man bei der Vermehrung vorIII EM in der Anwendung18 Das können EM19 Die Dosierung der EM20 EM im GartenEM gießenEM sprühenPflanzenschutz mit EM21 BodennahrungBokashiKompost22 Ein Beet vorbereiten23 Ein Beet neu anlegen24 Saatgut vorbereiten25 Pflanzen setzenSchnecken verstehen26 Gemüse27 BäumeBäume pflanzenObstbäume28 Rasen29 Zimmerpflanzen30 HaushaltKüchenabfällePutzenGerüche neutralisierenFlecken entfernenSchimmel behandeln31 WasserTrinkwasserBadewasserSchwimmbadwasserTeiche sanierenSpringbrunnenAquarienAbwasserToiletten sanierenKleinkläranlagenHaushaltsreinigungsgeräte32 HaustiereKatzenHundeVögelBienenPferde33 Der MenschEM äußerlichEM innerlichEM-KeramikManagement eines resistenten Milieus34 Weitere AnwendungenIV AnhangWeiterführende LiteraturBezugsquellenKontaktDanke!
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Aus Liebe zur Erde

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Vorwort zur Taschenbuchausgabe

Seit seinem ersten Erscheinen hat sich die erstaunliche Revolution, von der in diesem Buch die Rede ist, in einem Ausmaß entwickelt, wie ich es mir nicht hätte träumen lassen. Das Wissen über die große und lebenswichtige Bedeutung der Bakterien breitet sich verblüffend schnell aus, und in der Forschung werden dazu ständig spannende Zusammenhänge neu entdeckt.

Die Effektiven Mikroorganismen sind tatsächlich die Antwort auf die drängendsten Fragen der Gegenwart. Sie sind die einzigartige Mikrobenmischung für die Heilung oder Sanierung gestörter Verhältnisse in Boden, Pflanze, Tier und Mensch.

Diese etwas aktualisierte Taschenbuchausgabe bietet leicht verständlich alles, was man zu ihrem Hintergrund und der praktischen Anwendung braucht.

Nachdem mir zahlreiche Menschen zwischenzeitlich viele Fragen speziell zum eigenen »Mikrobiom«, also dem Zusammenwirken von Bakterien und menschlichem Körper, gestellt haben, wurden die weiterführenden Antworten dazu in den Büchern »Darmbakterien als Schlüssel zur Gesundheit« und »Natürlich heilen mit Bakterien« gegeben.

 

Lassen Sie sich überraschen von den erstaunlichen Kräften der Mikroben und möge dieses Buch Ihnen Begeisterung, Heilung und Zuversicht schenken!

 

Anne Katharina Zschocke

im Februar 2017

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Effektive Mikroorganismen (EM) verändern die Welt

Als ich just nach der Jahrtausendwende die Effektiven Mikroorganismen kennenlernte, ahnte ich nicht, wie sehr sie mein Leben verändern würden. Ich dachte nicht, dass ich bald vor Hunderten von Menschen über EM reden und mit ihnen völlig neue Gedanken über Bakterien teilen würde: vor Bergbäuerinnen in Südtirol, vor Plantagenbesitzern in Brasilien, vor Eingeborenen in Westafrika und vor Mönchen in Wales, vor Menschen aus allen Bildungsformen und Gesellschaftsgruppen. Ich wusste noch nicht, dass wir Gedanken bewegen würden, die voller Zuversicht Lösungen der größten Probleme der derzeitigen Menschheit in Aussicht stellen. Inzwischen haben mich die EM rund um die Welt geschickt.

Hätte mir während meines Medizinstudiums jemand erzählt, dass man zu Bakterien ein persönliches Verhältnis entwickeln kann, hätte ich ihn oder sie möglicherweise ausgelacht. Und nicht nur ich. Auf der 38. Internationalen Mikrobiologischen Tagung 2003 in Polen brach während eines Vortrags von Prof. Higa über die weltweiten Erfahrungen mit EM eine Dame, die hinter mir saß, immer wieder in Gelächter aus. Sie war, wie sich später herausstellte, eine renommierte Professorin für Mikrobiologie an einer polnischen Universität. Als ich sie fragte, was sie denn so amüsiere, antwortete sie: »Was der Herr aus Japan da vorn erzählt, kann überhaupt nicht sein. Das wäre ja eine Revolution.«

Warum nicht? Das Wort »Revolution« stammt vom lateinischen Wort revolvere für »zurückrollen« oder »umwälzen« ab, und genau das ist mit EM möglich: Materie wird umgewandelt, und Milieus werden umgestimmt. Es wird wirklich etwas umgewendet, und zwar auf eine einfache, zuverlässige, preisgünstige und praktisch zu handhabende Art und Weise. Statt Fäulnis gibt es Gedeihen, statt Abfall neue Nahrung, statt Mangel gibt es die Fülle, und Krankes wird gesund. Das ist tatsächlich eine Art Revolution.

Die Effektiven Mikroorganismen haben die Welt seit ihrer Entdeckung verändert. In rund 160 der etwa 200 Staaten der Erde werden sie von zahllosen Menschen zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt und haben an vielen Orten erstaunliche Wandlungen vollbracht.

 

Es ist ein großes Geschenk, der Welt angesichts unserer jetzigen Situation Hoffnung zu bringen. Durch die Arbeit mit EM durfte ich unzähligen Einzelpersonen und Initiativgruppen begegnen, die Ideen für eine bessere Zukunft auf unserem Planeten entwickeln und umsetzen. Immer wieder blicke ich in strahlende Augen von Menschen, die mir begeistert erzählen, welche Erfolge sie mit EM erfahren haben. Voller Freude berichten sie von gelungenen Lösungen schwieriger Probleme.

Effektive Mikroorganismen schenken einen hoffnungsvollen Blick auf die Erde. Wenn man EM kennengelernt hat, kann man sich ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen.

Das erste und letzte Wort des Buchtextes lautet »Liebe«. Sie ist der Rahmen, in dem sich der gesamte Inhalt bewegt, Liebe zur Erde und Liebe zu allem Lebendigen.

Bewusst möchte ich den »Strom des Lebendigen«, für den die Mikroorganismen stehen, beim Lesen erfahrbar machen. Ich wünsche mir, dass das Fließen, das zur mikrobiellen Heilung mit den EM beiträgt, schon bei der Lektüre erlebbar wird.

Mit diesem Buch gebe ich vieles von dem weiter, was mich die EM in den vergangenen zehn Jahren gelehrt haben. Mikroorganismen sind lebendig und unerschöpflich. Täglich lerne ich Neues über sie hinzu. So ist dieses Buch wie ein momentanes Innehalten in einem lebendigen Fließen, von dem ich hoffe, dass es viele Menschen begeistert und dass es die Wandlungsprozesse der Erde unterstützt.

 

Anne Katharina Zschocke

im April 2011

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IRund um uns

1Mit dem Leben Frieden schließen

Lieben Sie Bakterien? Heiß und innig und vorbehaltlos? Freuen Sie sich Ihrer Mini-Mitbewohner, ob auf der Fingerspitze, im Blumentopf oder im Darm? Dann können Sie gern im zweiten Kapitel weiterlesen. Wenn nicht, bleiben Sie eine Weile hier. Sie sind in guter Gesellschaft.

Es ist kein Wunder, wenn Sie Bakterien noch nicht lieben, Sie können nicht viel dafür. Sind sich nicht die meisten Menschen darin einig, Bakterien seien gefährlich und machten krank? Steht nicht in allen Lehrbüchern und Zeitungen, wir müssten uns vor ihren »Angriffen« hüten? Werden wir nicht dauernd vor ihren mörderischen Machenschaften gewarnt? Vor Salmonellen in Eiern, vor Legionellen im Wasser, vor Keimen im Atem und vor Pilzen im Darm? Haben wir nicht mühsam Wege entwickelt, sie von uns fernzuhalten? Desinfektionsmittel und Antibiotika, keimfreie Socken und bakterientötende Haarshampoos, sterilisierende UV-Lampen und silberionengetränkte Bettbezüge, antimikrobielle Kreationen ohne Name und Zahl? Und jetzt frage ich Sie, ob Sie Bakterien lieben?

Vielleicht werden Sie einwenden: »Es gibt ja auch gute. Manche Bakterien sind böse, und manche sind eben nützlich, man muss sie nur unterscheiden.« Und Sie denken möglicherweise an Joghurt und Sauerkraut, an Darmbakterien und Mikroben im Boden. Woher wissen Sie das? Woher haben wir das alles gelernt?

Fragen Sie sich einmal ganz ehrlich: Woher stammt mein Wissen über Bakterien? Woher kommt meine Meinung über sie? Aus der Schule? Aus Büchern? Aus der Zeitung? Aus dem Fernsehen, der Werbung, dem Nachbarschaftsplausch? Entspringt sie wirklich einer echten eigenen Erfahrung, oder habe ich sie von irgendjemandem übernommen? Woher haben diese Leute ihre Ansichten zu Bakterien gewonnen? Haben sie es auch von anderen gelernt? Und von wem wissen diese es?

 

Seit etwa vier Generationen sind wir einem Irrtum verfallen. Wir leben in dem Irrglauben, wir müssten uns vor Bakterien schützen und sie bekämpfen. Dabei müssen wir es gar nicht. Wir haben diese Ansicht nur unkritisch übernommen. Wir glauben etwas, was man uns jahrzehntelang weisgemacht hat und was einst aus einer Sichtweise entsprang, die von einem gewissen Zeitgeist geprägt war. Jetzt ist es Zeit, diese Kette zu durchbrechen. Bakterien sind nicht bedrohlich. Sie sind weder mörderisch noch heimtückisch, weder lebensgefährlich noch böse.

Gut oder böse zu sein ist eine Fähigkeit der Menschen, denn wir sind moralbegabte Wesen. Wir besitzen den Geist und die Freiheit dazu. Bakterien besitzen diese nicht, wir projizieren das höchstens auf sie. Bakterien können nicht bösartig sein. Sobald wir unseren Blickwinkel auf sie ändern, stellen wir fest: Bakterien sind das Beste, was uns das Leben zu bieten hat. Sie sind unser Ursprung, unsere Ernährer, unsere Vorfahren, Wegbegleiter und Mitarbeiter, unsere Umweltretter und unsere Heiler. Sie sind in Wirklichkeit ein Teil von uns.

Ob Schokoladenkeks oder Valentinsstrauß, ob Autobahn oder Fußballweltmeisterschaft – ohne Bakterien hätten wir nichts. Es ist höchste Zeit, dass wir ihnen dafür danken. Wenn Sie so wollen, ist dieses Buch eine Liebeserklärung an Mikroorganismen, ein Loblied auf ihre faszinierenden Fähigkeiten und eine Gegendarstellung zu all ihren Verleumdungen. Am Ende werden Sie verstehen, warum.

 

Bakterien zu lieben ist ein Weg, um glücklicher zu werden. Er befreit uns von dem Gefühl der Bedrohung, von Angst und von Ohnmacht. Glauben Sie mir: Bakterien gaben Ihnen nicht nur Ihr Leben, sie können auch Ihr Leben verändern. Sie können Sie glücklicher, fröhlicher, zufriedener und erfolgreicher machen, können Ihnen helfen, Probleme zu lösen und optimistisch in die Zukunft zu sehen. Die Effektiven Mikroorganismen, deren Hintergründe und praktische Anwendung dieses Buch beschreibt, unterstützen Sie dabei.

Warum können Bakterien Ihr Leben verändern? Weil Bakterien ohnehin schon überall sind und wir unentwegt unbewusst mit ihnen umgehen. Sobald wir bewusst mit ihnen zusammenarbeiten und sie als unsere besten Freunde akzeptieren, entfaltet sich ein unglaublich großes Potenzial: das Potenzial derjenigen Lebewesen, die unseren Planeten in seiner vollendeten Schönheit geschaffen, die alle Schöpfungsschritte vollzogen haben und die seit Anbeginn bis heute in allem sind, was ist.

Würden Bakterien nicht im Boden die Pflanzenwurzel ernähren, gäbe es kein Getreide und keinen Keks. Würden Bakterien nicht die Kakaobohne fermentieren, gäbe es keine Schokolade. Bildeten Bakterien nicht die Brücke zwischen Erdreich und Blume, wüchse keine Rose heran. Hätten nicht Bakterien seinerzeit Bäume in Erdöl verwandelt, gäbe es weder Asphalt noch Autoreifen. Würden im Pansen eines Rinds keine 15 Kilogramm Bakterien Gras zu Energie fermentieren, gäbe es kein Rindsleder. Und falls Fußbälle heute aus Känguruleder sein sollten, gäbe es auch dieses nicht. Den Stadionrasen gäbe es nicht und keine Fußballspieler, und es gäbe auch sonst nichts auf dem Planeten Erde, was auch nur annäherungsweise mit Leben zu tun hätte.

Wo Leben ist, da waren zuerst und sind immer noch – Bakterien. Wir können ihnen durchaus dankbar sein, dass sie uns den Planeten mit allem, was ihn ausmacht, in unermüdlicher Tätigkeit gebildet haben und als den erhalten, der er ist: eine Wunderwelt an Vielfalt, Schönheit und Lebendigkeit, wo in zahlloser Fülle einst aus Einzellern Mehrzeller wurden und immer noch Tag für Tag werden. Auch jeder von uns ist einst aus einer Einzelzelle entstanden.

Warum haben wir also vor Bakterien Angst? Und wie können wir mit ihnen Frieden schließen? Als Erstes ist einfach nur eine Offenheit gefragt, eine frische Neugier und die Bereitschaft, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen. Vergessen Sie einfach alles Negative, was Sie jemals über Kleinstlebewesen gehört haben, und wagen Sie es, ihnen von jetzt ab neu und völlig unbefangen zu begegnen. Es lohnt sich. Je weniger Fachwissen Sie sich über Mikroorganismen bisher angeeignet haben, desto leichter mag es Ihnen fallen.

Bakterien zu verstehen ist gar nicht so schwer, denn ihr Leben folgt einfachen Gesetzen. Sie sorgen prinzipiell für ein Gleichgewicht auf dem Planeten. Wo etwas zu viel ist, bauen sie ab, wo etwas wachsen will, bauen sie auf. Sie bewohnen ausnahmslos alles auf der Erde. Tatsächlich: Jeder Lebensraum der Erde ist natürlicherweise durch und durch mit Kleinstlebewesen bewohnt, in großer Vielfalt und Zahl und mit unerschöpflichen Möglichkeiten. Nichts, was wir Menschen entdecken, gab es nicht schon in der Mikrobenwelt.

 

Kürzlich fanden Forscher heraus, dass Bakterien, wenn es die Lebensbedingungen erfordern, aus schwimmenden Bewegungen in den aufrechten Gang wechseln können. Auch elektrischen Strom haben sie bereits vor langer Zeit erfunden: Durch Nano-Röhrchen[ 1], die sie aus ihrer Außenmembran ausfahren, schicken Shewanella-Bakterien Elektronen zu ihren Nachbarn, die sie wieder an andere Mikroben weitersenden können. Auf diese Weise geht ein mikrobieller Elektronenstrom durch die Welt, und unsere Erfindung der Elektrizität entpuppt sich als schwacher Abglanz eines in der Natur von den Bakterien längst gelebten Energieaustauschs.

Auch sonst unterhalten sich Einzeller ununterbrochen, durch Botenstoffe, Austausch von Genen und auf vielerlei andere Weise. Unsere große Schwierigkeit ist allerdings, dass wir dies mit unseren bloßen Sinnen nicht erkennen können. Wir sehen, riechen und schmecken die Folgen dessen, was Bakterien auf der Erde bewirken: das Wachsen der Pflanzen dank Bodenmikroben, den angenehmen Duft bakteriell umgewandelter Körpersäfte eines geliebten Menschen, den fermentierten Champagner auf der Zunge und den unangenehmen Gestank bakteriell zersetzter Gülle. Wir lassen uns das dank Bakterien und Hefen aufgegangene Brot mit dem bakteriell fermentierten Käse auf der Zunge zergehen und trinken dazu voller Genuss ein Glas von mikrobiell vergorenem Wein oder Bier. Die Bakterien selbst jedoch sehen wir nicht. Sie wirken im Verborgenen, und das macht es leicht, alle möglichen Untugenden auf sie zu projizieren.

Wer jemals durch ein gewöhnliches Lichtmikroskop Bakterien betrachtet hat, wird zugeben müssen, dass jede Blattlaus gruseliger aussieht als diese zarten, runden Erscheinungen, die schier durchsichtig durchs Blickfeld wandern. Niemand würde sie spontan als bedrohlich erachten. Sie werden es erst durch unsere Gedanken dazu.

Also können wir auch wieder damit aufhören und anders denken. Wir können uns fragen: Was sind Bakterien wirklich, was tun sie und warum tun sie es genau so? Was bringt sie dazu, Lebensmittel verderben und Brunnenwasser faulen zu lassen, in offenen Wunden zu knabbern oder Baudenkmäler zu zerkleinern? All dies hat nämlich in Wirklichkeit seinen tiefen Sinn. Was haben sie mit Geburt und Tod, was mit Gesundheit und Krankheit zu tun? Werden wir ihnen gerecht, wenn wir sie beseitigen und bekämpfen? Ist steril wirklich gesund? Haben wir das Recht, mit ihren Genen herumzuhantieren?

Solche und noch mehr Fragen beantwortet dieses Buch. Nach jahrelanger Erfahrung mit Effektiven Mikroorganismen kann ich sagen: Bakterien sind anders, als die meisten von uns bisher glaubten. Sie helfen uns. Sie sind Ausdruck der Güte des Lebens – in Miniformat, aber mit Maxiwirkung. Sie kennen keine Aggression, sondern Dienst am Leben zugunsten einer höheren Weisheit. Wo sie uns ärgern, haben sie allen Grund dazu, denn immer haben wir Menschen sie dazu gebracht. Sie können auch anders. Es liegt an uns, und ohne zu zögern, helfen uns Bakterien sofort, entstandene Probleme zu lösen. Unzählige Menschen weltweit haben dies in den Jahrzehnten, seit es Effektive Mikroorganismen gibt, ausprobiert und erlebt.

 

Kein Mensch tötet gern. Auch nicht Bakterien, obwohl das leicht ist, gerade weil man sie nicht sieht. Wer hört schon das Klagelied desinfektionsgemordeter Mikroben auf des Milchbauern Melkgeschirr? Wer den Sterbeschrei antibiotisch hingeraffter Darmbewohner? Doch auch wenn wir scheinbar nichts davon wahrnehmen, fühlen wir uns beim Beseitigen von Bakterien nicht wirklich wohl. In der Tiefe unserer Seele wünschen wir uns Frieden mit ihnen und das Gefühl, auf der Erde in Sicherheit zu sein. Wir wünschen uns freudiges Verständnis und fröhliches Miteinander auf diesem Planeten, den wir gemeinsam bewohnen.

Ein Gefühl von Bedrohung macht gewöhnlich Angst, und wer Angst hat, will deren Ursache beseitigen. Dabei greifen wir zu allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Wir bekämpfen die Ursache der Bedrohung im Glauben, wir würden sie damit los. Dass das Gegenteil der Fall ist, hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal erlebt. Statt zu verschwinden, wird was wir bekämpfen immer bedrohlicher und wächst, bis es zur Verzweiflung führt. Der Kampf kostet Kraft und Geld, egal, ob es ein Nachbarschaftsstreit ist oder ein Krieg zwischen Nationen, und am Ende gibt es trotz eines scheinbaren Siegers eigentlich nur viele Verlierer.

Sinnvoller ist es, Mut aufzubringen und die Angst zu überwinden, neu hinzuschauen und aufeinander zuzugehen. Es hilft uns weiter, uns um ein besseres Verständnis der eigentlichen Bedürfnisse zu bemühen, unserer eigenen und die der Mikroben. Wir Menschen sind, wie jeder fühlen kann, wie es alle Heiligen vorlebten und wie es die moderne gehirnbiochemische Forschung beweist, auf ein positives Miteinander hin geschaffen. Wohlwollen und Fürsorge, Wertschätzung und Zuneigung, Zuwendung und Anerkennung schütten Glückshormone in uns aus. Und zwar nicht nur, wenn wir dies alles empfangen, sondern auch, wenn wir es geben. Es spricht also alles dafür, Bakterien von ganzem Herzen zu lieben. Wenn wir uns ihnen mit wohlwollender Wertschätzung zuwenden, ihre weltumfassende Leistung seit Anbeginn der Zeiten anerkennen und beginnen, voller Zuneigung fürsorglich mit ihnen zusammenzuarbeiten, dann werden wir von Glückshormonen nur so strotzen.

Es gibt viele Wege, glücklicher zu werden. Die Anwendung der Effektiven Mikroorganismen ist einer davon. Je mehr Angst Sie vor Bakterien momentan haben, desto befreiter werden Sie nach der Lektüre dieses Buches sein.

 

Dass es so etwas wie Mini-Lebewesen geben müsste, wurde bereits in ältester Zeit vermutet, nachweisen konnte man es allerdings nicht. Man lebte im unbewussten Umgang mit ihnen, vergor Honig zu Met, Trauben zu Wein, unterschied zwischen gesäuertem, also mit Bakterien aufgegangenem, und ungesäuertem Brot und kannte allerlei Wege, mit Bakterien Lebensmittel haltbarer zu machen. Oder ihnen dank mikrobieller Verwandlung einen neuen Geschmack zu verleihen. Als man Dionysos und Bacchus als Götter der bakteriell fermentierten Trunke feierte, wusste man nicht, was ein »pathologischer Bazillus« ist. Man fürchtete ihn folglich auch nicht. Die Gesamtheit mikrobieller Wirkung wurde verehrt, für ihre Werke gedankt. Es gab zwar Spekulationen über mögliche unsichtbare Tierchen, doch erst die Erfindung der Vergrößerungsgläser brachte sie tatsächlich zum Vorschein. Diese Vergrößerung entriss sie aber auch ihrem Zusammenhang und brachte eine neue Epoche hervor: Sie täuschte vor, es handle sich um Einzelwesen.

 

Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) beschrieb als erster Forscher Mikroorganismen im Detail. Geschmolzene Glastropfen, die er in Metall fasste, dienten ihm ab dem Jahre 1660 als Mikroskope, und wir wissen viel aus seinen Versuchen, weil er sie in Briefen niederschrieb, die er an die Royal Society in London schickte. In einem wässrigen Aufguss aus Pfefferkörnern beobachtete er im Jahre 1672 zahllose animalculi, also »Thierchen«, verschiedenster Größen und Formen. Auf einer Zeichnung, die er seinem Brief vom 17. September 1683 beifügte und die bis heute überliefert ist, erkennt man gestochen scharf Bakterienformen, wie sie bis heute als Stäbchen, Kugelbakterien und Spirochäten, also spiralförmige Mikroorganismen, bekannt sind.

Leeuwenhoeks Lieblingsforschungsfeld war der Mundraum mit seinen faszinierenden Biotopen: dem Zahnbelag, dem Speichel und der Mundschleimhaut. Er errechnete, dass mehr »Thierchen« im Mund lebten, als es Menschen auf der Welt gab, und stellte fest, dass sie starben, wenn sie mit heiß getrunkenem Kaffee in Berührung kamen. Ihre Zahl ließ sich durch Spülungen zum Beispiel mit Weinessig nicht reduzieren, so dass es wohl normal war, dass sie dort wohnten. Darüber, welche Wirkung Bakterien im Körper ausübten, spekulierte Leeuwenhoek nicht. Er beobachtete und beschrieb seine Versuche akribisch mit unbefangener Neugier und suchendem Forschergeist.

Nach seinem Tode vermochte zunächst niemand wie er mit 270-facher Vergrößerung Bakterien zu beobachten. Leeuwenhoek, der sich über die Geld- und Machthungrigkeit von Wissenschaftlern geärgert hatte, die seine Mikroskope kaufen wollten, nahm das Geheimnis ihrer Herstellung mit ins Grab. Die vorhandenen Linsen ermöglichten zwar, größere Mikroorganismen zu sehen, sowie Protozoen, Grünalgen oder auch Blutkörperchen. In der Regel wurden solche frühen mikroskopischen Gläser jedoch eingesetzt, um bereits Sichtbares zu vergrößern, nicht um Unsichtbares sichtbar zu machen.

Nicht nur zum Forschen nutzte man sie. Sie dienten auf Jahrmärkten als Unterhaltungsmittel, amüsierten Abendgesellschaften und erschreckten Menschen, die das Gewimmel und Gewusel kleinster Lebewesen in ihren eigenen Körpersäften oder im Trinkwasser erblickten. Lieblingsobjekt dafür war der menschliche Floh, der mit E. T. A. Hoffmanns satirischem Märchen »Meister Floh« sogar in die Literatur Eingang fand.

So war es bereits die Vergrößerung an sich, die den Menschen den ersten Schrecken bezüglich Mikroorganismen einjagte. Hatte man zuvor bedenkenlos Wasser getrunken, sofern es schmeckte und sauber und klar aussah, und konnte man sich dabei auf seine eigenen Sinne verlassen, war man sich fortan seiner selbst nicht mehr sicher. Womöglich gab es irgendwelche winzigen Wesen, die das Wasser bewohnten, die man nicht sah und die unbemerkt aufzunehmen einen zu Recht graute. Eine bedrohliche Welt des Unsichtbaren tat sich auf und füllte sich mit Phantasien und Ängsten.

Eine Karikatur aus dem Jahr 1828 zeigt eine Dame in Londoner Tracht, die mit entsetztem Schrei Tasse und Löffel fallen lässt, während sie durch ein Mikroskop Themsewasser betrachtet. In diesem tummeln sich laut Zeichnung gespenstische Gestalten: Monsterchen mit aufgerissenen Mäulern, grätige Schlangen, stachelige Wesen mit Harpune, andere Fledermäusen gleichend, wuselnd und wimmelnd zwischen einem fast realistisch gezeichneten Bachflohkrebs und einem fontänespritzenden Fisch, dessen Äußeres eher einer Wildsau gleicht. Das Mikroskopieren gebar also nebst wissenschaftlichem Interesse jede Menge Spott und Hohn.

 

Die Geschichte der Mikrobiologie ist komplex und wirkt verworren. Es ist keine aufeinanderfolgende Reihe von Erkenntnissen, die Schritt für Schritt unser Bewusstsein für Kleinstlebewesen erweitert hätten. Viele verschiedene Forscher mit vielen verschiedenen Blickwinkeln und vielen verschiedenen Weltanschauungen entdecken im Laufe der Jahrhunderte viele verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften unserer Mini-Mitbewohner. Im Grunde genommen, war man immer von ihrer Vielseitigkeit überfordert. Die meisten von ihnen begangen den Fehler, Schlussfolgerungen aus ihren Entdeckungen zu ziehen, die das Beobachtete zur Allgemeingültigkeit erhoben. So kam es oft zu Auseinandersetzungen und Streit: »Gibt es eine Spontanzeugung, oder ist alles Leben aus Eltern entstanden?« war eine Frage, die im 17. Jahrhundert im Vordergrund stand. »Können Bakterien ihre Form ändern, durchlaufen sie sogar einen Gestaltzyklus, was man Pleomorphismus nennt, oder behalten sie ihre Gestalt bei, was der Begriff Monomorphismus bezeichnet?«, fragte man intensiv im 19. Jahrhundert. Immer wieder sorgten gegensätzliche Ansichten für heftige wissenschaftliche Dispute. Warum war das so? Weil man irrigerweise annahm, es sei immer entweder das eine oder das andere die Wahrheit.

Dabei verwechselte man die Welt der Bakterien mit dem für uns Menschen bezeichnenden begrenzten Horizont. Je mehr wir von den Bakterien verstehen, und das ist noch nicht viel in Anbetracht der Tatsache, dass wir von den auf der Erde vorkommenden Mikroorganismen überhaupt erst wenige kennen, desto mehr müssen wir nämlich zugeben: Bei Bakterien ist alles möglich. Sie reichen weiter als wir. Wir können sie nicht begrenzen auf das, was wir von ihnen verstanden zu haben glauben. Bei ihnen gilt kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Natürlich gibt es prinzipiell eine Spontanzeugung, wie sonst wäre das Leben auf der Erde entstanden? Natürlich haben Bakterien Eltern, das können wir bei ihrer Teilung leicht unterm Mikroskop beobachten. Allerdings bringen diese Eltern keine Kinder hervor, sondern indem sie sich teilen, werden sie ihre eigenen Kinder. Aus einer Bakterie werden zwei, und somit sind diese Eltern und Kinder zugleich. Unser menschliches Konzept von Nachkommenschaft lässt sich auf sie nicht übertragen.

Auch dass Bakterien ihre Form ändern können, ist inzwischen längst bekannt. Prof. Karl-Heinz Schleifer beschreibt dies in den Rundgesprächen der Bayrischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 2001: Kultiviert man Bakterien der Gattung Arthrobacter und betrachtet sie nach wenigen Stunden im Mikroskop, sieht man sie als schöne Stäbchen. Doch am nächsten Tag sind dieselben Bakterien Kugeln. Dass es tatsächlich dieselben sind, konnte er anhand genetischer Untersuchungen nachweisen. Hätten zwei verschiedene Forscher diese Mikroben nacheinander beobachtet, sie hätten sich trefflich über deren wahre Form streiten können.

Wie will man sich über diese Kleinstlebewesen unterhalten? Wie will man sie in Gattungen und Arten fassen, wenn sie nicht nur wunderbar, sondern auch wandelbar sind?

In der Entwicklung der wissenschaftlichen Mikrobiologie wurde der Weg beschritten, sie aus ihrem Lebensraum zu entnehmen und sie zu vereinzeln. Kaum hatte man mittels des Mikroskops die Möglichkeit gewonnen, Mikroben einzeln zu sehen, entstand auch der Wunsch, sie als solche zu untersuchen. Zu diesem Zweck entwickelte man Reinkulturen, also Nährböden, die so zusammengesetzt sind, dass sie eine ausgewählte Mikrobenart wachsen lassen, während andere darauf nicht gedeihen können. Die so ausgewählte und vermehrte Art kann dann auf ihre Eigenschaften und Möglichkeiten hin weiter untersucht werden, und mit ihr wird selektiv experimentiert. Auf diese Weise wurden nahezu alle Erkenntnisse gewonnen, auf denen unsere heutige Meinung über Bakterien fußt.

Die Anfertigung von Monokulturen einzelner Bakterienstämme ist eine wissenschaftlich übliche Vorgehensweise, um an ihnen zu forschen. Man verdünnt beispielsweise eine Bakterienlösung, streicht sie auf eine Nährplatte so aus, dass möglichst einzelne Bakterien darauf liegen bleiben, und wartet darauf, dass sie sich, und dafür gibt man ihnen optimale Bedingungen, vermehren. Wo aus einer einzelnen Bakterie mehrere werden, erkennt man mit bloßem Auge ein Häufchen, »Kolonie« genannt, und kann mit diesem Bakterienklon weiterexperimentieren. So gewinnt man definierte Einheiten. Die Zahl der zu solchen Clans heranwachsenden Bakterien aus standardisiertem Ausgangsmaterial nennt man »Koloniebildende Einheiten«, abgekürzt KbE. Es ist eine Aussage über die Bakterienmenge in einem Substrat und gilt auch als Maß für Mikroben in Trinkwasser (KbE/ml).

Bakterien- und überhaupt Mikrobenuntersuchungen fanden also weitgehend hinter verschlossenen Türen statt. Auch die Tatsache, dass diese Forschung sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr auf Aspekte der Genetik verlagert hat, ändert nichts daran, dass man auf diese Weise zwar eine Menge von Informationen sammeln kann. Ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass diese Aussagen ausschließlich auf Laborbakterien zutreffen. Sie haben nicht zwangsläufig mit dem Verhalten von Bakterien in freier Wild-, Haus- und Menschenbahn zu tun.

Keine Mikrobe ist gern allein oder nur mit ihresgleichen unterwegs. In der Natur gibt es keine Mikromonokultur. Vielmehr lieben es Mikroorganismen, in bunter Mischung zu leben, je mehr, desto besser. Allein im menschlichen Darm kommen über 1000 verschiedene Einzellerarten vor. Sie zu vereinzeln und als Einzelstämme weiterzuzüchten ist eine vollkommen beschränkende Vorgehensweise.

Solche isolierten Mikroorganismen waren es jedoch, die das Konzept von Krankheit zu dem hin veränderten, welches wir heute kennen und das unsere Ängste vor ihnen schürt.

 

»Woher kommt Krankheit?« war eines der Rätsel, das die Menschheit schon immer beschäftigte, und jede Epoche fand mindestens einen Krankheitsbegriff, der dem Menschen- und Weltverständnis ihrer Zeit entsprach. Schon lange lag die Frage in der Luft, ob denn nun Krankheit von innen komme, zum Beispiel aus den Säften, deren Zusammensetzung sich womöglich verschoben hatte, wie es die Humoralpathologie unterrichtete, oder ob sie den Menschen von außen bedrängte durch Einflüsse allerlei Art. Vom griechischen Philosophen Epikur (341–271 v.Chr.) heißt es, er habe in »Samen« oder »Keimen« den Ausgangspunkt von Erkrankungen gesehen. Samen und Keime kannte man aus dem Ackerbau. Als mit Hilfe der Mikroskopie nun Kleinstlebewesen im Blut von Kranken entdeckt werden konnten, lag die Unterstellung nahe, das seien die Krankheitsverursacher. Man tat alles, um diese Vermutung zu beweisen. Schaut man in die heutige Literatur zur Geschichte der medizinischen Mikrobiologie, so findet der Rückblick auf die Vergangenheit immer gleich aus der Perspektive statt, die von Bakterien als Krankheitserregern ausgeht. Dann sucht und findet man rückschauend die ältesten Spuren von Aussagen darüber, dass Bakterien krank machen, und zitiert genau diese Quellen. Bezeichnenderweise ist seit Ende des 19. Jahrhunderts die Medizin die Hauptdisziplin, unter der das Fach Mikrobiologie angesiedelt ist. Da man sich gewöhnlich auf diesen unseren gängigen Vorstellungen entsprechenden Blickwinkel beschränkt, werden andere Ansichten aus alten Zeiten natürlich nicht berücksichtigt. Dieser einseitig auswählende Blick in die Vergangenheit aus einer ganz dem Urteil des vorletzten Jahrhunderts entsprungenen Ansicht führt dazu, dass sich diese selbst ständig bestätigt und zu einer scheinbar allgemeingültigen Wahrheit wird. Schaut man jedoch genauer hin, entpuppt sich diese Ansicht als bloß eine von mehreren Möglichkeiten.

 

Denn was war damals geschehen? Das 19. Jahrhundert war eine Zeit großer Seuchenzüge. Allein vier Cholera-Epidemien zogen nacheinander durch Europa. Da sie viele Menschen in den Tod führten, hatte man verständlicherweise vor ihnen Angst. Sie waren eine unheimliche Bedrohung. Schon immer gab es Seuchen unter Mensch und Tier, ob unter den kriegführenden Heeren der Antike, ob als »Justinianische« Pest, die im Jahre 541/42 durch das Römische Reich zog, der »Schwarze Tod«, der sich als Pest im 14. Jahrhundert aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Westen ausbreitete, oder Aids heute. Und schon immer suchte man angesichts des umfassenden Ausmaßes von Sterben Schuldige für diese Situation. Im Falle der Epidemien (griechisch epídemos, »im Volk verbreitet«), die europäische Eroberer mit sich nach Afrika und Amerika schleppten, waren Schuldige schnell ausgemacht: Aus Sicht der Spanier beispielsweise, die ab dem 16. Jahrhundert die Pocken nach Amerika exportierten, wo die Krankheit die indianischen Einwohner hinwegraffte, waren deren angeblich unsittlichen Bräuche schuld. In den Augen der Eroberer ließen Menschenopfer und sexuelle Freizügigkeit Seuchen als Strafe Gottes über sie kommen.

Auch die europäische Pest des Mittelalters wurde als Gottesstrafe, etwas milder als »himmlische Prüfung« betrachtet. Oder sie galt als Instrument Satans. In gewisser Hinsicht ergeht es an Aids Erkrankten heute nicht viel anders. Schuldig gemacht wird auch ihre angebliche sexuelle Freizügigkeit.

Seuche und Schuld gehörten also schon seit Jahrhunderten zusammen. Wären Seuchenzüge nicht mit dem Tode assoziiert, dächte man vielleicht anders. Tief in uns verborgen steht hinter der unwillkürlichen Suche nach Seuchenschuld in Wirklichkeit die Frage nach der Unausweichlichkeit unseres Sterbens, die Frage nach unserer Hingabe in das Unvermeidliche. Sie führt uns unweigerlich zur Frage nach dem Sinn des Lebens an sich. Bakterien und ihre Wirkungen lösen in uns diese Fragen aus. Sie werden dadurch auch emotional belegt. Somit stehen sie nicht nur physisch im Zentrum unseres Seins, sondern sogar seelisch, philosophisch und religiös. Daran dürfen wir uns erinnern, wenn wir Bakterien manipulieren. Was tun wir, wenn wir sie aufschneiden, ihnen Genmaterial entnehmen, ihnen fremde, zum Teil künstlich im Labor erzeugte Gene einschleusen und sie zwingen, deren Informationen umzusetzen? Wir greifen ins Innerste der Schöpfung ein und damit in unser ganzes seelisches und geistiges Sein. Wir maßen uns an, über Leben und Tod Kontrolle ausüben zu wollen.

 

Unsere Angst vor den Bakterien ist also in Wirklichkeit unsere Angst vor dem Tod. Das ist insofern paradox, als Bakterien der Inbegriff des Lebens sind: Durch sie entwickelte sich das erste Leben auf der Erde, sie beleben alle Naturreiche und sie stellen von Anbeginn bis heute unsere Lebensgrundlage dar, weil ohne sie nichts existiert. Sie selbst sind geradezu die Verkörperung der Unsterblichkeit, denn indem sie sich verdoppeln, tragen sie ihr innerstes Wesen seit Entstehung des Planeten bis morgen von Generation zu Generation weiter.

Hat eine Bakterie in einem Lebensraum Schwierigkeiten weiterzuleben, stirbt sie nicht unbedingt. Sie versetzt sich in einen Sporenzustand, also eine Art Dornröschenschlaf, und überdauert darin beliebige Zeiten. Bakterielle Endosporen aus dem Darm einer Biene, die vor mindestens 25 Millionen Jahren in Harz eingeschlossen und als Einschluss in Bernstein gefunden wurde, ließen sich im Jahre 1995 ohne Zögern zu lebensfähigen Bakterien weiterkultivieren.

Diese erstaunlichen Wesen, die den Tod selbst kaum kennen, beschuldigen wir, Todesbringer zu sein? Unsere Angst vor dem Tod gleicht in mancher Hinsicht der Angst vor dem Leben, und unser Konzept von Leben hat häufig etwas Begrenztes, Endgültiges. Ich kenne viele Menschen, die sich vorstellen, nach dem Tode sei alles vorbei. Vor einem solchen Tod muss man sich natürlich fürchten. Er wirkt wie eine Mauer, vor die man unvermeidbar läuft. Leichter haben es Kulturen, für die das Leben hier nur eine von mehreren Daseinsebenen ist. Parallel zu ihm existiert eine geistige Anderswelt, in die man nachtodlich zurückkehrt und aus der man eines Tages wieder auf die irdische Ebene in ein neues Leben wiederkommt. Wo auf diese Weise das Leben durch den Tod hindurch weiterfließt, muss man ihn nicht so unaussprechlich fürchten.

 

Relativiert man gedanklich einmal die Schrecklichkeit des Todes, darf man getrost sagen, dass die großen Seuchen immer auch soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen mit sich brachten. So gesehen, halfen Bakterien, Wandlungsprozesse in der Menschheitsgeschichte zu katalysieren. Das war nach der mittelalterlichen Pest der Fall und auch dann, wenn militärische Truppen, von einer Seuche heimgesucht, ihre geplanten Eroberungsaktionen stoppen mussten, wie Napoleons fleckfiebergeschwächte Soldaten in Russland.

Nachdem die Epoche der Aufklärung religiöse Gründe für das Auftreten von Seuchen in den Hintergrund hatte rücken lassen, wurden während der Cholera-Epidemien im 19. Jahrhundert städtische und staatliche Behörden als Schuldige angeklagt. Man warf ihnen vor, sie ließen die armen Bevölkerungsschichten töten. Die Behörden wehrten sich. Sie führten Maßnahmen zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse ein, insbesondere die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, die wir seit damals bis heute haben. Auch wenn die mit ihnen verbundene Not schrecklich war und ist, sind Seuchen also nicht nur und ausschließlich als schrecklich zu betrachten. Es ist eine Frage des Blickwinkels. Ändert man ihn, kann man ihrer Existenz auch Positives abgewinnen.

 

Im 19. Jahrhundert kam also einiges zusammen: Seuchen, für die keine religiösen Erklärungen mehr gefunden wurden. Hygienische Fortschritte, die zeigten, dass äußere Umstände über Krankheit und Gesundheit mit entschieden. Ignaz Semmelweis hatte im Krankenhaus für medizinisches Personal gründliches Händewaschen einschließlich Nagelbürsten mit Chlorkalkwasser eingeführt, woraufhin die Sterberate von Wöchnerinnen binnen zweier Jahre von 11,4 auf 1,27 Prozent sank.

Die technische Verbesserung der Mikroskope führte dazu, dass Mikroorganismen einzeln sichtbar gemacht werden konnten.

Die Benennung der Kleinstlebewesen änderte sich. Aus den animalculi, deren Niedlichkeit noch zärtliche Gefühle wecken konnte, wurden Bazillus (Stäbchen), Kokkus (Kugel) und Spirillus (Schraube). Das sind Begriffe, die nicht so schnell zu emotionaler Nähe verlocken. Aus Lebendigem wurden durch den Wortwahlwandel Dinge, und sicher wäre manche Entwicklung anders verlaufen, hätten wir sie weiterhin als das benannt, was sie in Wirklichkeit sind: kleine Lebewesen. Stattdessen entseelten wir sie zur Sache und reduzierten sie zu »biologischen Modellen«. Nur deshalb können wir heute mit Leichtigkeit an Bakterien manipulieren.

Was war noch im 19. Jahrhundert geschehen? Louis Pasteur (1822–1895) hatte über Gärungsprozesse geforscht und herausgefunden, dass verschiedene Gärungsprozesse mit verschiedenen Mikroorganismen zusammenhingen. Eine allgemeine Fortschrittsstimmung herrschte an den Universitäten. Phänomene der Natur wurden technisch messbar, und man war allgemein bestrebt, von qualitativen, subjektiv durch den Menschen wahrgenommenen Erkenntnissen weg und zu Ergebnissen hin zu kommen, die vom Menschen abgelöst und in Zahlen und Statistiken formulierbar waren. Diese nannte man »objektiv«. Was auch immer unsichtbare »Lebenskräfte« waren, die sich nicht chemisch oder physikalisch nachweisen ließen, galt fortan als unwissenschaftlich und als Humbug, ein Wort, das aus jener Zeit stammt.

 

Es war in dieser Zeitstimmung, als Robert Koch (1843–1910) an Mikroorganismen forschte. Ihm verdanken wir letztendlich unseren heutigen Blick auf Bakterien. Kochs Technik bestand darin, Mikroorganismen aus ihrem Umfeld zu entnehmen, sie zu vereinzeln, sie als Reinkulturen im Labor zu züchten und solche Zuchtmikroben in Labortiere zu spritzen. Anschließend beobachtete er, was dadurch in den Tieren ausgelöst wurde. Diese von ihm entwickelte Technik begründete die Disziplin der diagnostischen Mikrobiologie, wie sie heute noch praktiziert wird. Hier in seinem einseitigen Erkenntniseifer endete die liebevolle Nähe zwischen Mikrobe und Mensch, und seine auf Laboruntersuchungen beruhenden Anschauungen prägten von da an die Weltgeschichte. Seither wird in einem Labor und nicht mehr durch die Wahrnehmung von Mensch zu Mensch entschieden, ob und welche Erkrankung vorliegt. Die Erkenntnis der Krankheitsursache wurde aus dem Menschen ausgelagert an einen entfernten Diagnostikort, von dem eine standardisierte Aussage über seinen Zustand zurückkommt.

Die heute vielfach beklagte Unmenschlichkeit im Umgang mit Kranken und das unbefriedigende Gefühl vieler Patienten, die sich »im Medizinbetrieb abgefertigt« vorkommen, gründet zum guten Teil in der damaligen Abwendung der Medizin vom Menschen und der Verlagerung der Diagnostik ins Labor.

Koch fand, dass bestimmte Mikroorganismen bestimmte Krankheiten hervorrufen. In einem berühmt gewordenen Vortrag am 24. März 1882 in Berlin referierte er überzeugend, er habe den »Erreger« der Tuberkulose identifiziert. Nun sei der zukünftige Weg der Medizin klar. Man war begeistert. Binnen kürzester Zeit wurden viele Krankheiten auf jeweils eine einzelne, sie verursachende Bakterie zurückgeführt, endlich waren die wahrhaft Schuldigen gefunden: Keine Gottesstrafe, kein Teufelswerk, einfache kleine Bazillen waren die Bösewichte, die seit ewigen Zeiten die Menschheit plagten. Diesen würde man wohl beizukommen wissen. Voller Optimismus beschloss man: Jetzt, wo wir die Schuldigen kennen, werden wir sie vernichten, und fortan wird es keine »Infektions«krankheiten mehr geben. Loblieder wurden auf Robert Koch gesungen, Mordlieder gegen Mikroben, und zwar ganz handfest, wie sie beispielsweise das Liederbuch für deutsche Ärzte und Naturforscher von 1892 wiedergibt. Neben Titeln wie »Zur Nothlage des Ärztlichen Standes« oder »Die Theilung der Praxis«, die an Aktualität auch heute nichts zu wünschen übrig lassen, finden sich solche wie »Krieg den Bakterien«, »Der Tuberkelbacillen Klage« und »Der letzte Bacillus«. Triumphierend sah man ihr Ende voraus. Wovor nur wenige warnten, war der Verlust der Vieldeutigkeit.

Damit nahm eine verheerende Einseitigkeit ihren Lauf, die uns heute Probleme beschert, die größer sind, als sie damals waren, und mehr Geld kostet, als Robert Koch sich jemals hätte träumen lassen.

Koch war eine Persönlichkeit, die es geschickt verstand, sich ins rechte Licht zu setzen. Von Forschungsfahrten in ferne Länder schickte er regelmäßig Berichte an den damaligen Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren, die kurz darauf im Reichsanzeiger oder in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift erschienen. Das ganze Land konnte daran Anteil nehmen, wie er unter Hitze und Entbehrungen leidend im Dienste des Volkes in Ägypten 1883 Leichen an Cholera Verstorbener sezierte, um den »Erreger« zu finden, dessen Habhaftmachung die Menschen der Heimat vor zukünftigen Seuchen retten würde. Dass weder die aus Berlin mit nach Ägypten gebrachten Mäuse noch die vor Ort gekauften Affen, Hunde und Hühner sich mit dem aus den Leichen Cholera-Kranker entnommenen Material mit der Cholera infizieren ließen, sein Nachweis also nicht gelang, tat der Berühmtheit Kochs keinen Abbruch. Er wurde ein Held des Deutschen Reichs, der im heroischen Kampf gegen die bakteriellen Übeltäter vor keinen Gefahren zurückschreckte. »Willkommen, Ihr Sieger« [ 2], hieß es dann auch im Berliner Tageblatt vom 3. Mai 1884, als Robert Koch und sein Team aus Indien zurückkehrten, wo Koch weitere Forschungen durchgeführt und Cholera-Vibrionen isoliert hatte. Über ein »Ärztebankett zu Ehren der Mitglieder der deutschen Cholera-Kommission« schreibt das Berliner Tageblatt am 14. Mai 1884: »Wie vor dreizehn Jahren das deutsche Volk einen glorreichen Sieg über den alten Erzfeind unserer Nation [gemeint ist Frankreich] feierte, so feiert heute die deutsche Wissenschaft einen glänzenden Triumph über einen der tückischen Feinde der ganzen Menschheit, über eine der gefürchtetsten und mörderischsten Volksseuchen der Neuzeit: die Cholera.«

So hielt zu allem Überfluss auch noch das militärische Vokabular ihrer Zeit Einzug in die Sprache, die die an sich friedlichen Bakterien beschreibt. Und zwar so eindrücklich, dass es bis zum heutigen Tage bestehen blieb. »Kampf« und »Krieg«, »Heerscharen«, »Abwehrfront«, »Invasoren« und »Killer« sind gängige Begriffe im Zusammenhang mit Bakterien geworden, obwohl sie in Wirklichkeit nichts mit Mikroben zu tun haben, sondern die Projektion menschlicher Vorgehensweisen beschreiben. Kein Wunder, dass es heutzutage Sätze gibt wie die folgenden: »Die Mörderinnen sind überall. Sie mögen Brühwürste, mögen Krautsalat. […] Wo Mikroben der Art Listeria monocytogenes in großer Zahl aufmarschieren, hinterlassen sie Tote. Ihre Truppen in verseuchten Schweinezungen kosteten über dreihundert Franzosen das Leben.«[ 3]

 

Dabei hatte Robert Koch wohlgemerkt keinerlei erfolgreiche Therapie entwickelt. Er hatte winzig kleine Lebewesen zu »Feinden der Menschheit« erklärt und ihnen Verfolgung angedroht. Genau genommen, hat er Mikroorganismen politisiert. Das störte jedoch nicht. Wer so berühmt war und derart geehrt wurde, musste ja die Wahrheit gefunden haben. An Kochs gesellschaftsprägenden Ansichten zu zweifeln war schlichtweg nicht mehr erlaubt. Seither und bis heute glaubt die Mehrheit der Menschen, Bakterien seien Übeltäter und gehörten bekämpft.

Wir haben uns an den Krieg in den Köpfen derart gewöhnt und halten ihn für dermaßen gerechtfertigt, dass wir geneigt sind, die dagegensprechenden Fakten einfach zu ignorieren. Denn Tatsache ist, dass »Infektions«krankheiten seit Einführung der Bakterienbekämpfung keineswegs weniger geworden, geschweige denn verschwunden sind. Im Gegenteil, sie nahmen zu. Weltweit stellen sie heute die häufigste Todesursache dar. Dass Bakterien sie verschuldeten und Bakterien zu bekämpfen hilfreich sei, ist eine teuer bezahlte Illusion.

 

Was würden die Bakterien selbst dazu sagen? Ziemlich viel wahrscheinlich. Auf jeden Fall würden sie äußern, dass sie sich nicht verstanden fühlen, und einwenden: »Aber wir leben doch niemals isoliert, niemals kommen wir als Einzelstamm vor. Wir sind Gemeinschaftswesen und streben nach harmonischer Ordnung zum Wohl des Lebens. Es ist doch klar, dass wir unsere eigentlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen können, sobald man uns unserem sozialen Umfeld entreißt. Wenn man uns isoliert, auf eine Gelatineplatte streicht und uns anschließend in ein Kaninchenauge spritzt, wie Robert Koch es zu praktizieren pflegte, ist es doch nur zu natürlich, dass Krankheit entsteht. Wir beabsichtigen das nicht, es bleibt uns vielmehr keine Wahl. Wo wir in friedlicher Mischung leben dürfen, tun wir keiner Fliege etwas zuleide. Lasst uns alle in Frieden zusammenleben, dann können wir Probleme gemeinsam lösen, wir sind immer für euch und das Leben da.«

Man muss sehen, dass Robert Koch und seine Schule im Zuge ihres Zeitgeistes agierten. Nicht erst seit Charles Darwin seine Evolutionsforschung unter der Überschrift »Kampf ums Dasein« in die Welt setzte, war das Prinzip des Kämpfens in der öffentlichen Meinung präsent. Schon Darwin bot dadurch unabhängig von seinen tatsächlichen Entdeckungen phantasievollen Interpretationen zum Thema Raum. Vom Duell rivalisierender Liebhaber und dem Kampf der kolonialisierenden Pioniere in eroberten Gebieten fremder Kontinente bis hin zu den Kriegen zwischen Staaten galt Kampf als ein scheinbar probates Mittel zur Beherrschung anderer. Daher verwundert es nicht, dass unschuldige Bakterien, die aufgrund ihrer Unsichtbarkeit leichthin zu bösen Feinden erklärbar waren, nun in den Fokus eines Forschungswettkampfs gerieten. Dessen Ziel war das Finden wirksamer »Waffen« gegen sie.

 

Welche andere Haltung hätte man gegenüber Mikroorganismen einnehmen können?

Hätte man die Welt nicht als Schauplatz andauernder Kämpfe, sondern als Ort des Miteinanders interpretiert, wo jedes Leben mit jedem Leben vernetzt ist und ein jeglicher Organismus unabhängig von seiner Größe seine notwendige Aufgabe für das Ganze erfüllt, dann wäre man nicht auf die Idee gekommen, Bakterien ausrotten zu wollen. Hätte man den Mut gehabt, auf andere Wissenschaftler, die ihre Ansichten weniger lautstark verkündeten, genauso zu hören wie auf Koch & Co., dann hätte Vielseitigkeit auch in der seitherigen Forschung zu Mikroben Chancen gehabt.