Die Feder des Kakadus - Kerstin Stefanie Rothenbächer - E-Book

Die Feder des Kakadus E-Book

Kerstin Stefanie Rothenbächer

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Beschreibung

Kurz vor ihrer Hochzeit wird Marie in eine Duftlampe hineingezogen und landet im Niemandsland, wo eine Blume ihr den Weg weisen soll. Die neue Welt ist Heimat eines Paares, das ebenfalls am Tag der Vermählung entzweit wurde. Sie wurden getrennt, die Herrin der verborgenen Quellen und der schuldbeladene Prinz, der dazu verdammt ist, seine Welt in einem Globus zu beobachten, wo seine Liebste gefangen ist und eine Schar Zikaden im Kreis um eine geheimnisvolle Seerose fliegt. Maries Verlobter Ben macht sich auf, sie zu suchen, und reist mit seinem besten Freund und dem Zwerg Artur in das Königreich hinter dem Regenbogen, wo ein Tyrann namens Sabbio Angst und Schrecken verbreitet. Mit gestohlenen Kräften und den Blick auf die Geliebte des Prinzen gerichtet, verwandelt er die Menschen zu Glas. Alles begann mit der Feder des Kakadus, die in den richtigen Händen Wunder wirken kann und in den falschen ins Verderben führt. Eben jene Feder, die dafür sorgte, dass der Prinz der meistgehasste Mann im Königreich war, und die Prinzessin ein ums andere Mal an ihre Grenzen brachte. Wird es Ben und Marie gelingen, Sturmberg und Fonte Santa zu retten?

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Die Feder des Kakadus

Kerstin Stefanie Rothenbächer

Für meine liebe Freundin Anne

in Erinnerung an magische

Wanderungen zur blauen Stunde

© 2022 Kerstin Stefanie Rothenbächer

ISBN 978-3-347-66288-9

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Halenreie 40-44,22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Die feinen Töne klingen weich und als die zweite Stimme mit einfließt, lacht Marie auf. Sie greift nach dem getönten Glas und betrachtet die Elfe, in deren Händen das Duftöl schimmert. Mit einem kleinen Rädchen links reguliert sie die Lautstärke der Musik und weil die Melodie in ihr nachklingt, dreht sie sie auf.

Erneut staunt sie darüber, wie ähnlich ihr die Figur sieht. Die schwarzen langen Haare sind fransig geschnitten und mandelförmige grüne Augen schauen verschmitzt drein. Mit ihrer zierlichen Gestalt wirkt sie verletzlich und anmutig zugleich.

‚So ein wundervolles und persönliches Geschenk!‘

Maries Gedanken wandern zu Ben und zaubern ein Strahlen in ihr Gesicht. Sie schaut zur Tür und hebt eine Augenbraue. Ihr Verlobter schläft tief und fest, obwohl es lediglich drei Stunden bis zur Hochzeit sind. Vor Aufregung hat sie kaum ein Auge zu getan und ihren Ben wieder und wieder liebevoll betrachtet.

‚Morgen werde ich neben meinem Ehemann aufwachen!‘, freut sie sich.

Das Parkett im Wohnzimmer knarrt leise unter ihren nackten Füßen. Sie schaut zum Schrank, an dem Bens Smoking hängt und daneben ihr weißes Kleid mit den Blumen am Saum. Darunter stehen die hochhackigen Riemchen-Pumps, die sie mit ihrer Freundin Laura ausgesucht hat. Ihre Hände werden feucht.

‚Warum bin ich so nervös?‘, fragt sie sich zum x-ten Mal.

‚Er ist der Mann, von dem ich geträumt habe. Mit seinen dunkelblonden Haaren, den kantigen Zügen und seiner sportlichen Figur macht er mich einfach nur wahnsinnig! Er könnte jede Frau haben und doch will er nur mich! Ben ist kreativ und einfühlsam. Mit ihm kann man über alles reden.‘ Am meisten hat es ihr seine loyale und offene Art angetan. Wenn er etwas sagt, dann meint er es. Ihr Bräutigam tritt stets für sie ein. Manches Mal muss sie ihn bremsen, denn er macht auch vor ihrer Mutter und seinem Vater nicht Halt. Marie lächelt und wendet sich der Lampe zu. Sie steckt das Teelicht an, das unter den gefächerten Fingern der Elfe steht, und sofort ist die Luft von Jasminduft erfüllt.

Auf einmal wird die Musik schreiend laut und vor Schreck lässt die junge Frau beinahe ihr Geschenk fallen. Sie stellt es auf den Tisch und bemerkt, dass sie ihre Hand nicht vom Glas lösen kann. Sie nimmt die andere zu Hilfe, aber sie scheint festgeklebt. Das Teelicht flackert und der Duft strömt in weißen Rauchschwaden hinaus. Verdutzt starrt sie auf die Elfenfigur und eine dunkle Ahnung steigt in ihr auf.

Egal, wie schön das Geschenk ist, es ist ihr unheimlich! Marie hebt die Duftlampe an, um sie auf dem nahestehenden Tisch zu zertrümmern, doch ihre Sicht ist getrübt. Die Möbel um sie herum verschwimmen und die Melodie, die ihr eben noch gefallen hat, kommt ihr falsch und verzerrt vor.

Die Luft zieht sich zusammen und engt sie ein, dass sie kaum atmen kann. Mitten im Wohnzimmer weht ein heftiger Wind, in dessen Zentrum sie nach allen Seiten gezogen wird. Die junge Frau kommt nicht mehr gegen den gewaltigen Sog an und wird in immer rascherem Tempo herumgewirbelt.

Zitternd beißt sie sich auf die Zunge. Sie schluckt das Blut hinunter, ohne den Schmerz wahrzunehmen. Die Geschwindigkeit, mit der sie trudelt, hat ihren Höhepunkt erreicht und ihr Puls schlägt genauso schnell, wie sie sich um sich selbst dreht. Eine Stimme durchbricht die Melodie und ihr Ruf trifft Marie mitten ins Herz.

„Jetzt haben wir dich!“

Bevor sie nachsehen kann, wer zu ihr spricht, erfasst sie ein weiterer Strudel. Sie wird gegen die Decke geschleudert, dann geht es abwärts. Sie fällt und fällt und es scheint kein Ende zu nehmen. Marie wagt einen Blick nach unten. Das Parkett ist verschwunden. Alles, was sie sieht, ist eine weiße Fläche. Mit lautem Trommelwirbel landet sie auf einem schneebedeckten Boden, durch den eine Vielzahl von Schneeglöckchen hervorschauen.

Mit fassungsloser Miene sieht sie an sich herunter und bemerkt, dass ihr Nachthemd verschwunden ist. Sie trägt ein hauchdünnes schwarzes Kleid mit roten Schattierungen. Merkwürdigerweise friert sie nicht, obwohl ihre nackten Füße die Schneekristalle zu Wasser zertreten.

Marie reibt sich die Augen, es bringt sie jedoch nicht zurück in die Wirklichkeit, von der sie glaubt, dass sie sie verlassen hat. Sie seufzt laut auf und erkundet die Gegend. Schneeglöckchen reihen sich aneinander und die Wiese, die ihre Zehen ertasten, ist fünf Zentimeter mit Schnee bedeckt. Gleichgültig, in welche Richtung sie schaut, überall erwartet sie eine endlose weiße Fläche.

Die Sonne versteckt sich hinter Schäfchenwolken. Seit ein paar Minuten hat es aufgehört zu schneien. Ein einzelner Tropfen läuft ihr den Rücken herunter. Marie greift danach und spürt etwas Fremdartiges, das mit ihr verbunden scheint. Sie dreht den Kopf, um zu sehen, was sich neben ihrer Wirbelsäule verbirgt. Augenblicklich hält sie den Atem an. Marie blinzelt und befühlt die grün leuchtenden Flügel, die zu beiden Seiten ihres Rückgrats gewachsen sind. Sie sind seltsam dünn und zerknittert, als handele es sich um Transparentpapier.

Marie runzelt die Stirn und grübelt. Sie muss in die Duftlampe gezogen worden sein. Ben ist im Zimmer nebenan und trotzdem unerreichbar weit entfernt.

‚Es wird keine Hochzeit geben. Ben wird vergebens auf mich warten und das Schlimmste von mir denken.‘

Kummervoll schluchzt sie auf. Nachdem die Tränen getrocknet sind, richtet sie sich auf und ballt die Fäuste.

„Ich werde herausfinden, was hier los ist! Und wenn es mich alle Kraft kostet, die ich habe! Ich setze die Hölle in Bewegung! Und dann komme ich zu dir zurück, Ben. Ich habe dir ein Versprechen gegeben und ich bin fest entschlossen, es zu halten.“

Der junge Mann sieht blendend aus in seinem Smoking mit dem türkisfarbenen Tuch und den Silberknöpfen. Umständlich rückt er seine Krawatte zurecht. Eine Strähne seiner dunkelblonden Haare fällt ihm in die Stirn und er wischt sie gedankenverloren zur Seite. In seinen graublauen Augen erkennt man das Freudenfeuer, das in ihm tobt. Er streicht sich wiederholt das Hemd glatt, so nervös ist er an dem Tag, der der wichtigste in seinem Leben werden soll – und der schönste.

Wo bleibt sie bloß?

Heute früh fand er die andere Hälfte des Bettes leer vor. Das hat ihm zunächst einen Riesenschrecken eingejagt. Kurz darauf fiel ihm ein, dass Maries Friseurin angeboten hatte, ihr außerhalb der Öffnungszeiten die Haare zu richten. Sie würden sich am Standesamt treffen, wo er sie traditionell das erste Mal in dem Brautkleid sehen würde, das seit Tagen verhüllt am Schrank hing.

‚Ob Marie eine Überraschung für mich auf Lager hat?‘

Zuletzt lotste sie ihn wie zufällig an den Ort ihrer ersten Begegnung. Im hinteren Teil des blumenreichen Wiryparks, in dem man sich mitten in der Stadt wie in einem kleinen Paradies fühlt, gibt es eine Menge Sitzbänke und einen Teich mit reich verzierten Statuen.

Dort saß sie vor drei Jahren mit ihrer besten Freundin und Ben beobachtete sie aus der Ferne. Er schlenderte an den beiden Frauen vorbei und ihm fiel fast zufällig ein Kugelschreiber aus der Jackentasche. Und wie erhofft hob Marie ihn auf. Ihre Blicke trafen sich und lösten das Kribbeln aus, das ihn nicht mehr loslassen sollte.

An ihrem Jahrestag vor zwei Wochen überreichte sie ihm auf ebendieser Bank ein vorzeitiges Hochzeitsgeschenk. Das in die Lehne geritzte Herz mit den Buchstaben M und B war ihm zuerst aufgefallen.

Sie holte eine Leinwand aus der großen Papiertüte hervor und er erkannte die für seine Lieblingskünstlerin typischen roten und gelben Farbstriche. Obwohl es sich lediglich um einen Kunstdruck und nicht um das Original von „Animato“ der Malerin Renée Rauchalles handelte, strahlte er wie ein kleiner Junge mit seinem ersten Spielzeugauto.

Mit der Anstellung als technischer Zeichner für ein Ingenieurbüro und Maries Job in einer Boutique können sie keine großen Sprünge machen. Sein Vater mag ihm hundertmal einheizen, endlich die Karriereleiter zu erklimmen. Er ist rundherum glücklich, vor allem, seit er Marie kennengelernt hat.

„Woher hast du das gewusst?“, machte er seinem Erstaunen Luft und küsste sie auf die Nasenspitze.

Gestern revanchierte er sich und sein Geschenk zauberte seiner Braut das Strahlen ins Gesicht, das er so an ihr liebt. Marie ist ein Fantasy-Fan und die vielen Bücher, die den Schrank fast zum Platzen bringen, erzählen von Helden und Antihelden.

Da kam die Duftlampe mit der Elfe und der integrierten Spieluhr gerade richtig. Zumal der weibliche Naturgeist bis auf die Flügel das genaue Abbild seiner Braut ist. Man könnte glauben, Marie habe dem Künstler Modell gestanden. Am meisten beeindruckt Ben der Gesichtsausdruck, den er schon hundertmal an seiner Verlobten gesehen hat. Dieses Grinsen, das genauso frech wie vertrauensvoll wirkt, weckte damals wie heute seinen Wunsch nach mehr.

Und nun steht Ben vor dem Standesamt und um ihn herum sind all seine Freunde und Verwandten versammelt. Längst hat er bemerkt, wie sie verstohlen auf die Armbanduhren oder Handys schauen. Das Warten wird ihm unerträglich. Heute Morgen hat er die Wolken, die den Himmel über seinem Hochzeitstag trübten, verwünscht.

Mittlerweile passen sie zu der trostlosen Stimmung. Jetzt ist sie schon eine halbe Stunde überfällig, und die Standesbeamtin, die ihn vor zwanzig Minuten amüsiert beruhigt hatte, ringt mit den Händen.

Er zupft sein Handy hervor und die wenigen Sekunden, die es braucht, um die Verbindung herzustellen, kommen ihm vor wie Stunden. Das Freizeichen, das er zum fünften Mal hört, verheißt nichts Gutes. Er wendet sich an seine Gäste und weiß nicht, wie er mit der Verwunderung, der Entrüstung und dem Mitleid umgehen soll, das ihm entgegenschlägt.

„Es muss ihr etwas zugestoßen sein!“, beharrt Ben und sein bester Freund Mark klopft ihm auf die Schulter.

„In einer Viertelstunde kommt das nächste Paar!“, verteidigt sich die Beamtin und weist dem Bräutigam und seinen Gästen die Tür.

Das Standesamt von Lilienheim liegt mitten im Wirypark. Ein Gartenhäuschen, das von Wicken umrahmt wird, lädt die Hochzeitspaare zur Trauung ein. Zwischen Jasminstauden und Rosenbeeten steht ein malerischer Brunnen. Dort findet häufig der Sektempfang im Anschluss an die Hochzeit statt. Ein roter Teppich führt hinein und außen herum.

Seine Bekannten treten von einem Fuß auf den anderen, Bens Hand wird getätschelt und sein Rücken geklopft. Manch einer schaut ihn mitleidig an, bevor sie ihn mit seinem besten Freund Mark, Maries Freundin Laura und seinen und ihren Eltern allein lassen.

„Sie hat bestimmt kalte Füße gekriegt!“, unkt sein Vater und Ben wirft ihm einen grimmigen Blick zu.

„Meine Marie ist ein anständiger Mensch. Niemals würde sie Ben hier stehen lassen.“

Die schrille Stimme seiner Schwiegermutter in spe lässt den spröden Geduldsfaden in ihm zerreißen. Es fehlt nicht viel und er wird sie anblaffen.

‚Jetzt haben wir den Salat!‘, klagt Ben innerlich.

Die Treffen zwischen ihren Eltern waren von Anfang an schwierig, weil Bens Vater und Maries Mutter nicht auf einer Wellenlänge liegen. Es kam schon vor, dass sie wie Furien aufeinander losgegangen sind. Das Paar hatte seine liebe Mühe, die Kampfhähne zu trennen.

„Wer weiß, wofür es gut ist!“

Bevor Bens Vater sich erneut in Rage redet, nimmt Mark in beiseite.

„Ich halte es für das Beste, wenn Ben und ich zu ihrer gemeinsamen Wohnung gehen. Vielleicht ist sie dort und kann sich nicht bemerkbar machen. Wir sagen euch sofort Bescheid, wenn wir etwas hören.“

Mark nickt seinem Freund zu, der ihn dankbar ansieht. „Ich werde gleich unsere Freundinnen anrufen, Ben. Danach melde ich mich bei dir. Es gibt sicher eine völlig harmlose Erklärung!“

Die Trauzeugin seiner Verlobten kaut auf ihrer Unterlippe und sieht ihn mitleidig an. Kurz darauf leuchten ihre Augen auf.

„Ben, soll ich für dich im Restaurant absagen? Das liegt direkt auf meinem Weg.“

„Ich weiß nicht.“

Es fällt ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Du hast Recht, Laura, das wäre schön. Macht es dir auch keine Umstände?“

„Gar nicht. Es ist das Mindeste, das ich tun kann.“

Laura nimmt ihn fest in die Arme, bevor sie den Park mit schnellen Schritten in Richtung Parkplatz verlässt. Kurz darauf klopft Maries Mutter ihm aufmunternd auf die Schulter.

„Ihr seid jung, lasst euch Zeit mit dem Heiraten.“

Erstaunt hebt Ben den Kopf.

‚Das ist das genaue Gegenteil von dem, was sie vorhin behauptet hat.‘

Sein Vater krönt den schlimmsten seiner Tage damit, dass er die Brauteltern mit ruppigen Worten zum Aufbruch bewegt und mit seiner Tirade fortfährt.

„Ich habe es dir immer gesagt, mein Sohn, sie ist eine Träumerin. Du brauchst ein Mädchen, das mit den Beinen fest auf dem Boden steht. Ihr passt einfach nicht zusammen und sie hat es wohl auch verstanden, bevor sie in letzter Minute die Kurve gekratzt hat. Wobei es wirklich ungehörig ist, dich so zu demütigen. Sowas hätte ich ihr nicht zugetraut!“

Seine mürrischen Worte bekräftigt er mit wiederholtem Nicken.

„Vergiss das Mädchen, du hast was Besseres verdient!“ In diesem Augenblick fasst Mark Bens Vater am Arm und schaut ihn eindringlich an. Daraufhin tätschelt dieser dem Bräutigam gönnerhaft den Rücken. Nachdem seine Mutter ihn umständlich und etwas verschämt umarmt hat, lassen sie die beiden allein.

„Danke, Mark!“, haucht er traurig, bevor sie gemeinsam den Heimweg antreten.

„Dafür sind Freunde da. Ich glaube nicht, dass Marie dich im Stich lässt. Was hat sie denn zu der Duftlampe gesagt?“ Bens Miene erhellt sich.

„Sie hat sich riesig gefreut! Das war genau das richtige Geschenk. Toll, dass du den Laden entdeckt hast. Leider ist die Spieluhr kaputt. Ich muss sie wohl reparieren lassen, damit Marie die Melodie hört, wenn sie die Elfe ansieht und ihren Lieblingsduft riechen kann.“

Kurz darauf seufzt Ben auf.

„Wenn wir sie finden …“

Würde es ihn trösten, wenn er wüsste, dass vor vielen Jahren in einem fernen Land etwas Ähnliches passiert ist? Wahrscheinlich nicht!

Das gesamte Königreich hinter dem Regenbogen war in hellem Aufruhr, denn der Sohn des überaus beliebten Herrschers kündigte seine Hochzeit an. Längst war er den Kinderschuhen entwachsen und im Schatten des Vaters zu einem gebildeten und besonnenen Mann gereift. Die Geduld und Aufrichtigkeit, die sein Sohn an den Tag legte, erfüllten König Lorenzo mit Freude. Dabei war der Prinz äußerst verschlossen. Kaum jemanden ließ er in sein Herz sehen. Mit erhobenem Haupt beobachtete der Regent die Entwicklung seines Sohnes. Die Tatsache, dass der Prinz kein Interesse an der Damenwelt zu finden schien, trübte sein Glück jedoch empfindlich.

Lorenzo, dessen Frau bei der Geburt seines Sprosses gestorben war, wünschte sich nichts sehnlicher als eine Schwiegertochter. Neben dem Glück für seinen Sohn hoffte er auf Enkel, die zweifellos seinen Palast mit Leben füllen würden. Trotz der Bemühungen des Königs mit Empfängen, dem monatlichen Ball und etlicher Gartenfeste ließ der Prinz die mühsam ausgesuchten Frauen abblitzen. Es kam nicht selten vor, dass er kein einziges Wort mit ihnen wechselte.

Der König wurde über die Sorge grau und befürchtete, dass er nie in den Genuss von Großelternfreuden kommen würde, denn seine Vaterschaft war eine späte Freude in seinem Leben.

An diesem einen Tag, an dem das kaum noch erhoffte Wunder Wahrheit wurde, erkannte er das verräterische Blitzen in den Augen des Prinzen. Es rief die Erinnerung an seine liebe Königin wach. Vor lauter Freude ließ er seine Ritter Wagen mit Kostbarkeiten und allerlei Schlemmereien beladen, um seine Untertanen an dem Glück teilhaben zu lassen.

Sein Sohn, in sich gekehrt wie eh und je, verriet ihm jedoch nicht, welche der Damen sein Herz erobert hatte. Wochenlang ließ er seinen Vater im Unklaren und stellte seine Geduld auf die Probe. Eines Tages erhaschte der alte Herr einen Blick auf die Liebenden, die sich im Pavillon des Schlossgartens in trügerischer Sicherheit wogen.

Der König stemmte die Hände in die Hüfte, denn das Flirren, das er bemerkte, konnte unmöglich von einer der Frauen in Sturmberg stammen. Die Menschen in seinem Reich hatten keine spitzen Ohren und ihr helles Gesicht, das wirkte, als sei es aus Milchglas, ließ nur einen Schluss zu.

„Es ist die Herrin der verborgenen Quellen! Oh, mein Sohn! Worauf hast du dich eingelassen? Niemals kann eine solche Verbindung gut gehen!“

Die Beschützerin der Seenlandschaft Fonte Santa, die an das Königreich Sturmberg angrenzte, kreuzte seinen Weg selten. Ihr Ruf war dem König dennoch wohlbekannt. Obwohl ihre heilende Hand immer zur Stelle war, wenn Mensch oder Tier Gefahr drohte, sagte man der Herrin nach, sie würde ihre Macht für den eigenen Vorteil nutzen. Mit ihrer Heilkraft sauge sie die Menschen aus, um das Leben in ihrer Heimat erblühen zu lassen. Bösen Zungen zufolge stand sie ebenso im Verdacht, die Männer um sie herum der Reihe nach zu verführen und sie verwirrt und mit gebrochenem Herzen zu verlassen.

Entgegen dem Ratschlag seines Vaters und dem Tuscheln der Ritter hielt der Prinz an seiner Liebe fest. Und er schien damit Recht zu behalten.

König Lorenzo lernte die Herrin näher kennen und sah, wie sie sich um seinen Sohn bemühte. Nach und nach begrub er seine Zweifel und mit jedem Tag wuchs sie ihm mehr ans Herz.

Bevor der Prinz um die Hand der Herrin anhielt, bat er den Vater um seinen Segen und erhielt von ihm den Ring, den die Königin getragen hatte. Ein zierliches Schmuckstück mit einem herzförmigen Diamanten, in dem der eingefasste Rubin wie ein Blutstropfen leuchtete.

Freudestrahlend stürmte sein Sohn aus dem Palast, um seine Geliebte in dem Pavillon zu treffen, der ihre Begegnungen für viele Wochen geheim gehalten hatte.

Die schwarzen Haare durchwebt mit silbernen Perlen fielen ihr in langen Locken bis zur Hüfte und die grünblauen Augen glänzten, so wie sie es immer taten, wenn sie ihn traf. Ihm brannte das Herz wie nie zuvor und sein Mund wurde trocken. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass sie seinen Antrag genauso gut ablehnen könnte.

Er bestaunte ihre Gesichtszüge, die weich und geschwungen waren.

„Meine Liebste, wir teilten außergewöhnliche und bemerkenswerte Momente, schmiedeten so manchen Plan und schwelgten in den gleichen Träumen. Meine Lippen durften dich kosten und mein Verstand sich deinem auf jegliche Art verbinden. Die gemeinsamen Stunden ließen mich stets in Sehnsucht schwelgen, auf ewig erfüllt mit einem Teil von dir, den du für mich zurückgelassen hast. Mein Herz ist längst dein, dafür braucht es keine Zeremonie und keine Worte mehr.“

In Violas Augen schimmerte es und ihr Puls beschleunigte sich. Sie fasste nach seiner Hand und umschlang sie mit ihrer. Er konnte das „ja“ in ihrem Lächeln lesen und trotzdem würde er die Worte sagen. Es fühlte sich richtig an. „Meine geliebte Viola, willst du mich zum Mann nehmen?“

Nach Lauras Anruf und den niederschmetternden Neuigkeiten verliert Ben die Fassung. Es hat ihn eine Menge Kraft gekostet, vor seiner Familie und den Freunden die Angst um seine Verlobte auszublenden. Er hat diesen Tag herbeigesehnt, hat sich in seinen Träumen ausgemalt, wie seine Marie für immer in seinen Armen liegen würde.

Missmutig schleudert Ben die Flugtickets von der Kommode auf den Boden. Die Hochzeitsreise ist gleichfalls ins Wasser gefallen.

Mark sammelt sie geduldig auf und legt eine Hand auf seine Schulter.

„Das war zu erwarten! Wie sollten ihre Freundinnen wissen, wo sie steckt, wenn sich Maries Leben in letzter Zeit ganz allein um dich gedreht hat?“

Der junge Mann zieht scharf die Luft ein und wiegt den Kopf hin und her. Die Krawatte hängt auf halbmast und sein Hemd hat er aufgeknöpft.

„Ich mache mir Sorgen! Gleich rufe ich im Krankenhaus an!“

„Nicht immer sofort an das Schlimmste denken, Ben! Die Klinik würde die Angehörigen benachrichtigen, entweder dich oder ihre Eltern.“

„All ihre Sachen sind hier, ihr Handy, ihre Handtasche und ihre Geldbörse. Wenn sie abhauen wollte, würde sie das nicht zurücklassen.“

Mark schaut sich zum wiederholten Mal im Wohnzimmer um.

„Wir haben alles durchsucht, kein Brief von ihr, überhaupt kein Hinweis. Ben, es tut mir so leid. Du musst dich schrecklich fühlen.“

Ben winkt ab und seine steinerne Miene straft die Geste Lügen. Das fahle Gesicht und die dunklen Augenränder machen ihn zehn Jahre älter.

„Morgen Mittag startet unser Flieger! Soll ich den jetzt schon stornieren oder warte ich noch ab? Wann geht man denn bei sowas zur Polizei? Ich glaube, nach 48 Stunden, oder waren das 24?“

Sein Freund drückt ihn mit Nachdruck aufs Sofa.

„Lass uns bis morgen warten, sie wird schon wieder auftauchen. Du hast den ganzen Tag nichts gegessen. Wollen wir uns was bestellen?“

„Ich kriege jetzt keinen Bissen herunter.“

Hilflos schaut Mark seinen Freund an.

„Tut mir leid, ich bin total fertig. Sei mir nicht böse, ich wäre jetzt gerne allein.“

„Bist du sicher?“

Ben nickt und fragt sich insgeheim, ob das wirklich eine gute Idee ist. Alleine in der gemeinsamen Wohnung wird sein Gedankenkarussell erst recht keine Ruhe geben. Die Fragen, ob etwas passiert ist und wenn ja, was oder ob Marie ihn verlassen hat, wie es sicher viele seiner Freunde denken werden, liegen ihm schwer auf der Seele.

Kurz darauf steht Mark auf und versichert, dass er da ist, wenn Ben ihn braucht.

Jetzt muss er sich wenigstens nicht mehr zusammenzureißen. Er krallt die Finger ins Sofakissen neben sich und schreit auf.

Lange Zeit starrt Ben vor sich hin. Sein Blick fällt auf die Duftlampe, die scheinbar unberührt auf dem Wohnzimmertisch steht.

‚Wie sehr hat sie sich darüber gefreut! Und dann ist das blöde Ding kaputt. Marie hat sie aufgezogen, aber die Töne blieben aus. Ob das ein schlechtes Vorzeichen war?‘

Behutsam nimmt er das Glas und streicht über die Fassung am Boden. Plötzlich packt ihn die Wut und er hebt die Duftlampe an, um sie gegen die Wand zu schleudern. Im letzten Moment hält er inne.

‚Ich drehe wirklich langsam durch! Wenn ich sonst nichts tun kann, lasse ich die Spieluhr reparieren. Gleich morgen gehe ich zu dem Laden, den Mark mir gezeigt hat. Die Elfe wird mit mir auf Marie warten!‘

Es gab viele Legenden über die Herrin der verborgenen Quellen. Ob diese aus Neid, Angst vor dem Unbekannten oder aus tatsächlichen Erfahrungen genährt wurden, blieb den Bürgern ein Rätsel. Eines stand außer Frage: Sie war eine Herzensbrecherin! Es lag nicht bloß an der Flut ihrer schwarzen Haare, in die jeder Mann wie in das tosende Meer einzutauchen wünschte, nicht allein an den grünblauen Augen, deren Blicke tiefer gingen, als man es zulassen wollte – mitten ins Herz.

In ihrer Nähe fühlt man sich geborgen, was zweifellos der Sinn eines Naturgeistes ist. Viola erweckt verborgene Wesenszüge in den Menschen. Dem einen fehlt der Mut, einem anderen die Wortgewandtheit und ein Weiterer schüttelte nach einer Begegnung mit der Herrin seine Schüchternheit ab.

Daher war die Zahl ihrer Bewunderer groß. Sie stellten ihr nach und überhäuften sie mit Geschenken aller Art.

Anders der Prinz, den sie in einer Vollmondnacht auf den Sonnenblumenfeldern beobachtet hatte. Er steuerte direkt auf den Wald zu, der an der Grenze zu ihrer Heimat Fonte Santa lag.

Die Seenlandschaft beherbergt etliche kleine Völker, die, jedes für sich, abgeschieden leben. Sie empfangen Fremde zwar gastfreundlich, sehen es aber gerne, wenn diese nicht allzu lange bleiben. Die wortkarge Art ihrer Nachbarn gepaart mit der Angst vor der Herrin der verborgenen Quellen hält die Völker auf Abstand.

Daher wunderte sich Viola, den Prinzen so zielstrebig in das ihm fremde Land eindringen zu sehen. Er schaute sich häufig um und duckte sich hinter Bäumen und Büschen. Verschmitzt grinsend stellte sie sich ihm in den Weg.

„Ich grüße Euch! Wer seid Ihr, mein Freund?“

Der junge Mann hatte von der mächtigen Herrin gehört, dennoch blendete ihn ihr Anblick. Einen Wimpernschlag lang ließ er das Gefühl zu, mit dem sie ihn umfing. Sogleich erschuf er die Mauer, die er fremden Menschen gegenüber stets errichtete. Zu viele Stiche hatte sein Herz ertragen müssen, um offen und voller Vertrauen in die Welt zu gehen. Der Prinz hatte gelernt, dass Schein und Sein nicht dasselbe ist. Deswegen schwor er, sich von ihrem betörenden Äußeren nicht täuschen zu lassen. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz herumgedreht, doch seine gute Erziehung gebot ihm ein gewisses Maß an Höflichkeit.

„Grüß Euch, Viola, ich bin der Sohn von Lorenzo, dem König.“

Sofort vollführte die Herrin eine ehrerbietende Geste und der Prinz war nicht sicher, ob es ein Knicks oder eine Verbeugung sein sollte. Es brachte ihn zum Lachen.

„Das ist eindeutig zu viel des Guten! Wir sind nicht im Palast. Im Gegensatz zu meinem Vater gebe ich nichts auf diese Etikette. Ich gehe zurück, habt einen schönen Tag!“

Viola war überrascht über die herbe Zurückweisung. Zum ersten Mal widersetzte sich ein Mann ihrem Charme und das nagte erheblich an ihrem Stolz. Bevor er sich umdrehen konnte, griff sie nach seinem Hemdsärmel und berührte dabei seine Hand. In diesem Augenblick geschah es. Ein angenehmes Kribbeln zog sich durch ihren Körper und auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut. Viola sah den Prinzen an und erkannte in seinen Augen eine Spur der gleichen Anziehungskraft, die es ihr unmöglich machte, ihn aufbrechen zu lassen. Erneut schaute er sich um.

„Sucht Ihr etwas?“

Der Prinz verzog das Gesicht und die Herrin schmunzelte.

„Oder flieht Ihr?“

„Mein Vater gibt einen Ball!“

„Oh ja, ich habe davon gehört! Zu Eurer Ehre hieß es. Allerlei Köstlichkeiten wurden angepriesen und er lud ganz Sturmberg dazu ein!“

„Wohl kaum! Eher die weibliche Hälfte unseres Reiches …“

Mit grimmiger Miene starrte er vor sich hin und verzog verächtlich die Mundwinkel.

Viola konnte nicht an sich halten und prustete los.

„Jetzt wird mir so einiges klar! Der König veranstaltet eine Brautschau für Euch und Ihr flüchtet! Es gibt sicher viele bemerkenswerte und hübsche Damen in Sturmberg.“

Der Prinz quittierte ihre Bemerkung mit einem lauten Aufseufzen.

„Ihr gefallt mir! Ihr habt Euren eigenen Kopf und lasst Euch nicht verkuppeln. Kommt mit mir, ich verstecke Euch!“

Viola knuffte ihn verschwörerisch in die Seite.

Bevor er ablehnen konnte, zog die Herrin der verborgenen Quellen den jungen Mann hinter sich her.

„Lass mich dir meine Welt zeigen!“

Am nächsten Morgen quält sich Ben aus dem Bett mit einem Dickschädel, als hätte er die ganze Nacht durchgezecht. Gegen Marks Rat hat er den lieben langen Abend ein Krankenhaus nach dem anderen angerufen. Die Stadtklinik, die im Umkreis von 50 km die Einzige ist, war die Erste auf dem Zettel. Danach kamen die nächsten Städte dran. Je mehr Telefonnummern er wählte, umso mehr sank die Hoffnung. Sofern man überhaupt von Hoffnung sprechen konnte, wenn Marie in der Klinik gelandet wäre.

Unschlüssig streicht er über die Stoppeln auf seinen Wangen und pfeift auf die alltägliche Rasur. Seine Schritte führen ihn ins Wohnzimmer, wo er in der Schublade nach einem Foto von Marie sucht.

‚Die Polizei wird ein aktuelles Bild brauchen, wenn sie sie finden wollen.‘

Er greift nach seinem Lederrucksack, verpackt die Lampe in Knallfolie und lässt sie vorsichtig hineingleiten. Krampfhaft überlegt Ben, ob er an alles gedacht hat. Er erspäht Maries Tasche, die auf dem kleinen Beistelltisch neben der Couch steht, wo sie sie zuletzt gelassen hat.

‚Ihr Handy!‘

Der junge Mann schüttelt den Inhalt auf dem Sofa aus und einen Augenblick lang schreckt er davor zurück, die PIN in ihr Mobiltelefon einzutippen.

‚Ich schnüffele ihr hinterher …‘, meldet sich sein schlechtes Gewissen. ‚Und wenn ich bloß nachsehe, ob Marie sich von – wo auch immer – aus gemeldet hat, und ihr Telefonbuch und die Social Media Konten gar nicht aufmache?‘

Der Gedanke beruhigt ihn ein wenig. Er findet keine Nachricht und lässt das Handy zunächst sinken, um die Kontakte dann doch durchzugehen. Seit vorgestern Abend hat sie sich nicht mehr eingeloggt. Ihre letzte Mitteilung treibt ihm eine brennende Hitze ins Gesicht.

„So, meine Liebe, alles ist bereit und ich warte immer noch auf die kalten Füße, die mir meine Mutter prophezeit hat. Keine Spur! Ich kann es nicht abwarten, JA zu sagen und JA und JA und JA! Laura, ich bin glücklich wie nie zuvor. Manchmal denke ich, es ist ein Traum und dann schaue ich in Bens Augen. Schlaf gut, meine liebe Trauzeugin, wir sehen uns morgen!“

Darunter hat Laura einen Smiley gesetzt und das für sie typische Bild einer Frau mit erhobener Hand.

Weiter unten findet er eine ihm unbekannte Nummer, die einem Mann namens „Luca“ gehört, und bevor er darüber nachdenken kann, hat er den Chat geöffnet.

„Wenn du dir wirklich sicher bist … “, lautet die letzte Nachricht.

Mit verkniffener Miene stellt Ben fest, dass das Profilbild des Mannes nicht eingestellt ist. Zögernd scrollt er weiter und vor Scham werden seine Wangen rot.

„Wenn ich dich ansehe, vergehe ich. Heirate mich und nicht deinen langweiligen Künstler-Freund.“

Maries Antworten sind eindeutig ablehnend und manche ihrer Zeilen triefen vor Ironie. Offenbar hat der Fremde ihre Versuche, ihn auf den Arm zu nehmen, nicht verstanden, denn das Geplänkel geht schon seit einer Weile so.

Der letzte Eintrag ist vier Tage alt und darauf hat Marie nicht geantwortet.

‚Das hätte sie von Anfang tun sollen. Sie hat ihn mit ihrer Zurückweisung erst angespornt.‘

Ein giftiger Stachel bohrt sich in Bens Herz und er kämpft verbissen gegen die Eifersucht an.

Stutzig ruft er sich die letzten Wochen ins Gedächtnis und erinnert sich an keinen einzigen Tag, an dem er an ihrer Liebe gezweifelt hat. Sein Heiratsantrag hat ihre Beziehung zusätzlich beflügelt, obwohl er das kaum für möglich gehalten hätte. Sie flirteten wie zu Beginn ihrer Freundschaft und er war sich ihrer sicher.

Energisch stampft er mit dem Fuß auf und wirft das Handy in die Tasche.

‚Nein, ich weiß es, sie liebt mich!‘

Forschen Schrittes macht sich Ben auf den Weg zur Polizeiwache und stellt fest, dass die Wolken vom Vortag die Sonne weiterhin verbergen. Es sieht nach Regen aus.

Eine geschlagene Stunde wartet er auf dem Flur und nutzt die Gelegenheit, den Flieger und das Hotel in Barcelona zu stornieren.

Der Polizist bombardiert ihn mit etlichen Fragen, auf die er wenig Antworten hat. Seine Reaktion fällt genauso aus, wie Ben es befürchtet hat.

„Am Tag der Hochzeit verschwunden …“, murmelt der Beamte, während er die Daten in den Computer eintippt.

„So ist das nicht! Sie müssen wissen …“

Ben macht den Mund auf. Gleichzeitig fragt er sich, ob es überhaupt etwas bringen wird, einem Wildfremden begreiflich machen zu wollen, dass Marie nicht vor ihm fortgelaufen ist.

„Keine Sorge! In den meisten Fällen tauchen die Menschen nach ein paar Tagen wieder auf.“

Das Zweifinger-Such-System des Polizisten, mit dem er die Tastatur misshandelt, zerrt genauso an seinen Nerven wie die nüchterne und belanglose Stimmlage, mit der er die Vermisstenanzeige aufnimmt. In Bens Ohren klingt es, als wäre es seine Schuld, dass Marie verschwunden ist.

Eine gefühlte Ewigkeit später verlässt er das Polizeirevier und zieht die frische Luft, die nach dem stickigen Büro eine echte Wohltat ist, in seine Lungen. Der junge Mann schüttelt den Kopf, um die letzten Stunden aus seinem Gedächtnis zu verdrängen.

‚Ich weiß genau, dass Marie mich liebt!‘, beharrt er innerlich.

Kurz darauf rempelt ihn ein Mann an und er spürt das Gewicht der Duftlampe in seinem Rucksack. Ihm fällt ein, was er sich ebenfalls für heute vorgenommen hat.

Zehn Minuten entfernt findet man den Andenkenladen, den Ben erst ein einziges Mal betreten hat. Neben dem Wirypark ist die Fußgängerzone mit den kleinen Geschäften und Cafés das Schmuckstück der Stadt. Im Sommer mangelt es nicht an Attraktionen wie Weinfesten, Märkten und dem alljährlichen Stadtfest zu Ehren des Gründers.

Weil die umliegenden Orte allesamt kleiner und ländlicher sind als Lilienheim, gibt es zu jeder Zeit Pendler und Touristen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ab und zu Läden verschwinden und neuen Geschäften Platz machen.

Als er zum ersten Mal mit Mark vor der schmucken Werkstatt stand, die ihre Waren selbst herstellt, wunderte er sich darüber, dass sie ihm bisher nicht aufgefallen war.

Komplett in dunklem Holz gehalten stellen die Regalwände alle Arten von Souvenirs aus. Den Figuren, Schneekugeln und Duftlampen widmet der grauhaarige Inhaber eine ganze Wand. Das Hauptthema ist Fantasy. Man findet hier Drachen und Nixen, Elfen und Zauberer, Einhörner und geflügelte Pferde.

Bens Pupillen weiteten sich und anfangs glaubte er, es müsse unmöglich sein, sich zwischen den vielen Exemplaren zu entscheiden, die allesamt liebevoll verziert und fein gestaltet waren. Er erforschte die Regalböden und da sah er sie. Vorsichtig nahm er die Lampe mit der hellgrünen Einfassung in die Finger. Er bestaunte die Elfe, die mit ausgebreiteten Armen inmitten einer großen Blume mit herzförmigen Blüten stand.

Der Verkäufer gesellte sich zu ihm und lächelte ihn an. Ben nahm nichts um sich herum wahr.

„Ein schönes Stück!“, pries der alte Mann seinen Artikel an. Ben war von der Ähnlichkeit zu seiner Verlobten derart verblüfft, dass er die Figur lange Zeit anstarrte. Er stieß seinen besten Freund an.

„Sieh doch, Mark, sieht sie nicht genauso aus wie Marie?“

„Unglaublich! Na, dann hast du dein Geschenk wohl gefunden.“

Ben nickte und seine Augen glänzten, während er sich vorstellte, was Marie dazu sagen würde.

Jetzt, wenn er die letzten Meter zum Andenkenladen zurücklegt, lebt der Moment erneut in ihm auf. Ben beschleunigt seine Schritte und hält Ausschau nach dem Laden. Er muss längst vorbeigelaufen sein. Sofort wendet er sich um und schreitet die Seite der Fußgängerzone erneut ab. Von dem kleinen Geschäft ist nichts zu sehen.

‚Das gibt es nicht! Wie kann man denn so viel Pech auf einmal haben?‘

Mit gekräuselter Nase sucht er die andere Straßenseite ab. Ben rauft sich die Haare und schlägt mit der Faust durch die Luft. Er setzt sich auf die Bank, die vor dem Café steht, neben dem er den Laden vermutet hat, und vergräbt sein Gesicht in den Händen.

Vorhin im Polizeirevier überschlugen sich seine Gedanken, dass Ben davon Kopfschmerzen bekam. Jetzt ist da eine Leere, die sein Blut zu Eis verwandelt und ihm eine gehörige Panik einjagt.

Völlig in sich versunken bemerkt er zunächst gar nicht, dass jemand an seinem Hosenbein zupft. Das Reißen wird fester und zieht sein Bein nach vorn. Ben schaut auf und blickt in zwei gelb leuchtende Augen, die von dicken schwarzen Wimpern umgeben sind, die ständig zucken.

„Hau ab, du Strauchdieb, das ist mein Platz!“, faucht das Männlein, das ihm kaum bis zur Brust reicht, und zieht ein weiteres Mal an seiner Hose.

Marie ist viele Kilometer gelaufen und die Weite der Landschaft erdrückt sie. Ihre Füße waten durch den Schnee und das helle Weiß blendet sie. Obwohl sie den nassen Untergrund in ihren Zehen fühlt und die untergehende Sonne ihre letzten Strahlen auf sie wirft, erscheint ihr die neue Umgebung unwirklich. Wie ein Traum, aus dem man nicht aufwachen kann, egal, wie sehr man sich bemüht.

Sie kämpft die Tränen fort und beschwört Bens Bild herauf, um die Hoffnung nicht zu verlieren. Kurz darauf bricht der Boden vor ihr auf und eine kleine Pflanze wächst empor, bis sie Maries Kinn erreicht. Die herzförmigen Kelche öffnen sich und gelber Blütenstaub ergießt sich über ihr Kleid.

Die junge Frau fuchtelt mit den Händen, um sich von dem klebrigen Puder zu befreien.

„Hallo Menschlein!“

Der feine Singsang klingelt in ihren Ohren und erschrocken dreht sie sich um.

„Du musst keine Angst haben. Ich beiße nicht!“

Ehrfürchtig starrt Marie auf die Blume und versucht, herauszufinden, wo die Laute herkommen. Es ist nichts zu entdecken. Die junge Frau schaut in den vordersten Blütenkelch, dessen Wände leicht zucken.

„Willkommen!“

„Wer bist du?“, flüstert Marie.

„Ich bin Alyssa, die Hüterin der Schlüssel!“

Die junge Frau stockt und blinzelt, denn nachdem das Sonnenlicht immer mehr schwindet, leuchtet die Blume aus sich heraus. Tausend Gedanken schwirren ihr durch den Kopf. Die Sehnsucht nach Ben und die Ungewissheit, was sie hier erwartet, schnüren ihr die Kehle zu.

„Wie komme ich heim?“

Ein Glucksen ertönt und winzige Blütenkörner wirbeln durch die Luft.

„Du bist nicht einmal drin und willst schon wieder fort?“

„Mein Freund Ben wartet auf mich, ich muss hier raus! Raus aus der Duftlampe!“

Eines der Blätter, die neben den Kelchen heraufragen, kommt Marie bedrohlich nahe, so dass sie einen Schritt nach hinten macht.

„Duftlampe? Du redest wirr!“

Marie schüttelt sich.

‚So komme ich nicht weiter. Am besten, ich lasse mich darauf ein. Vielleicht muss ich hier durch, um nach Hause zu gelangen.‘

„Also gut, wo geht es denn weiter?“

„Es gibt viele Orte, die du von hier aus besuchen kannst. Dafür brauchst du einen Schlüssel!“

Missmutig seufzt sie auf und bemüht sich um einen Tonfall, der ihre trübe und genervte Stimmung nicht verrät.

„Und wo bekomme ich den?“

Gleich darauf pikst das andere Blatt mit seinem spitzen Ende in Maries Bauch.

„Aua!“, schimpft sie.

„Du hörst mir nicht zu, Menschlein!“

Aufgebracht stampft sie auf den Boden.

‚Ruhig Blut! Ich bin auf sie angewiesen.‘

Marie atmet tief durch und versucht es erneut mit der freundlichsten Stimme, die ihr in diesem Augenblick möglich ist.

„Ich wäre dir dankbar, wenn du mir sagen könntest, wo ich den Schlüssel finden kann.“

Beide Blütenkelche wackeln und der gelbe Staub fließt erneut über die Wände. Glücklicherweise ist sie zu weit entfernt, um getroffen zu werden.

„Genau, wie ich meine: Du weißt nicht mehr, was ich gesagt habe. Du hörst mir überhaupt nicht zu oder hast du es schon vergessen?“

Überrascht und betroffen schaut Marie die Blume an, deren kreisrundes Leuchten gegen die tiefe Finsternis nahezu machtlos ist. Die Nacht ist urplötzlich hereingebrochen, doch der Himmel ist leer. Weder Sterne noch Mond sind zu sehen.

„Du bist … Alyssa …“

„Das ist ein guter Anfang. Es besteht Hoffnung.“

Die Blüte gluckst und spuckt gelben Puder aus. Sie verfehlt Marie erneut.

„Und? Weiter?“

Die junge Frau beäugt die Pflanze skeptisch.

‚Ich rede mit einer Blume und sie spielt Rätselraten mit mir, während Ben zu Hause auf mich wartet. Er ist sicher stinksauer oder traurig oder …‘

Sie schnauft tief durch. Die Blume spuckt abermals und die gelben Körner treffen Marie mitten ins Gesicht. Angeekelt wischt sie sich über die Wangen und blinzelt den Blütenstaub aus ihren Augen.

‚Wenn ich nicht bald die richtige Antwort habe, lullt sie mich komplett ein mit dieser klebrigen Masse‘, ermahnt sie sich und versucht, sich zu erinnern.

„Die Hüterin …“

„… der Schlüssel!“, ergänzt Alyssa mit wedelnden Blättern. Maries Pupillen weiten sich und sie lacht auf.

„Ah!“

„Ist der Groschen gefallen? Jetzt stell die Frage, auf die ich so lange warte!“

„Bitte gib mir den Schlüssel!“

Die Blüte spritzt mit Staub und mittlerweile sind auch Maries Arme gelb geworden.

„Du musst dich entscheiden, wohin du gehen willst. Welchen Ort möchtest du betreten?“

Marie zuckt mit den Schultern.

„Woher soll ich denn das wissen? Alles, was ich will, ist hier herausfinden, zu dem Mann, den ich liebe.“

Erneut schüttelt sich eines der Blätter.

„Dir ist nicht zu helfen, Menschlein!“

Schon ist die Blume dabei, die Blütenkelche zu schließen. Panik wallt in Marie auf.

„Bitte, bitte, bitte, gehe nicht weg! Such du einen für mich aus. Ich weiß nicht, wohin das führt. Alles ist besser, als auf dieser Ebene zu stranden.“

Gackerndes Lachen ertönt, das nicht zu der singenden Stimme passt, und die beiden Kelche öffnet sich weit.

„Dann soll es Vetro sein. Damit fangen wir an.“

Marie nickt bedächtig, mehr bringt sie nicht zustande.

„Bist du dir sicher, mein Kind?“

Kurz darauf sieht sie die Blätter trudeln und weicht nach hinten aus.

‚Warum fragt sie denn so komisch? Sie weiß doch, was ich will. Es muss einen Haken geben. Aber welchen bloß?‘

Sie zögert.

‚Was könnte ich sonst tun? Ich habe keine andere Wahl!‘

„Bitte lass mich hinein!“

„Ich habe dich gewarnt!“

Marie zuckt zusammen. Sie kann die Prozedur nicht aufhalten, die sich in Gang gesetzt hat.

Der Blütenkelch schließt sich und bauscht sich auf. Es gluckst und weil die Pflanze sich ausdehnt, sieht Marie die roten Fasern, die den Kelch zusammenhalten.

Wabernd stülpen sich die Wände nach außen und geben ihren Inhalt frei. Schon liegt ein goldener Schlüssel mit großen Zähnen auf einer der Herzblüten.

Sein Mantel bekommt die ersten Tropfen ab und sofort sieht er beklommen in den Himmel. Die Wolken brauen sich zusammen und haben das Blau gänzlich vertrieben. Es grollt und man könnte meinen, es handle sich um ein normales Gewitter. Der junge Mann weiß es besser.

Obwohl Sturmberg in einzelne Orte gespalten und jeder in sich geschlossen ist, gelingt es ausgewählten Lebewesen, die Barrieren zu durchbrechen. Die Ankunft des letzten Wesens hat einmal mehr die Hoffnung genährt, es gäbe einen Ausweg aus dieser Misere. Kurze Zeit war die Stadt Liorsita entzaubert und die Menschen waren wieder frei. Die junge Frau muss im nächsten Ort versagt haben, denn der dunkle Schatten, der am Horizont aufzieht, kann nur eines bedeuten: Er kehrt zurück!

Der Regen wird stärker und nach und nach mischt sich Sand darunter. Wo er auf dem Boden aufschlägt, sprüht es Funken. Die Dunkelheit fällt wie ein Schleier auf Liorsita herab und taucht den Mann in ein beängstigendes Zwielicht. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Er beeilt sich, zum Haus zu kommen, das kaum zehn Meter entfernt ist. Rund um ihn geraten die Menschen in Panik und ein kleines Mädchen stürzt und schreit laut auf. Bevor er sich ihm annehmen kann, hat die Mutter das Kind gepackt und durch die Tür eines schmalen Holzhauses geschubst.

Der dunkle Mann wird auch die Kleine nicht verschonen. Er fragt sich selbst, warum er rennt, denn drinnen ist er genauso wenig sicher wie unter freiem Himmel. Das Wasser prasselt auf die Straße und sie brennt mit jedem Sandkorn, das auf den Boden trifft. Wie sich das Feuer in den Regentropfen und Pfützen spiegelt, erscheint es ihm ebenso eindrucksvoll wie bedrohlich.

Ein ohrenbetäubender Schrei lässt ihn zusammenzucken und er dreht sich um, um zu sehen, wo er her rührt.

‚Da ist nichts! Rein gar nichts! Weiter hinten …‘

Versteckt in den Schatten erkennt er eine Silhouette. ‚Eine Frau? Unmöglich! Die Gestalt ist aus purem Silber!‘

Ein weiteres Sandkorn verbrennt seine linke Wange. Die Taubheit breitet sich aus und sein Herz trommelt unaufhörlich. Eben erst gerettet, weiß er genau, wie es sich gleich anfühlen wird, zu Glas zu werden. Die Verwandlung an sich ist wenig schmerzhaft, doch wenn die Sinne erstarren und die Wärme aus dem Körper fließt, verliert er jedes Mal den Verstand.

Mit geballten Fäusten kämpft er gegen die Attacke an, wohlwissend, dass es nichts nützen wird.

Alle anderen Menschen sind in ihren Häusern verschwunden. Eine Fontäne aus Sandkörnen ergießt sich über ihn und der junge Mann ist nicht imstande, sich zu bewegen. Die Frau aus Silber schwebt auf ihn zu und ihre grünblauen Augen kommen ihm vage bekannt vor. Ihre schwarzen Haare umrahmen das fein geschnittene Gesicht und die helle Stimme erreicht jeden Winkel in ihm. Jetzt hat er es! Es ist die Herrin der verborgenen Quellen! Viola!

‚Was macht sie hier? Angeblich ist sie verschwunden. Man munkelt, der Unhold hätte sie verschleppt. Ist sie zu ihm übergelaufen?‘

Wäre seine Miene nicht bereits zu Glas verwandelt, der Mund hätte ihm offen gestanden.

Und schon spürt er diesen Pfeil aus Verzweiflung in seinem Herz, der ihm sein Bewusstsein wie ein Strudel aussaugt. Alles in ihm ist taub und er versucht, sich an seine Sinne zu klammern. Aufgewühlt begreift er, dass er verloren ist, und die Dunkelheit löscht jeden einzelnen Gedanken.

Er steht vor ihm und stößt ein höhnisches Schnauben aus.

„Ihr habt euch das letzte Mal aufgebäumt! Liorsita ist mein!“

Schwerfällig erhebt sich Ben, um dem Mann mit dem gegerbten Gesicht und den abstehenden Ohren seinen angestammten Bankplatz zu überlassen. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet und er fühlt sich so einsam wie nie zuvor.

‚Marie ist weg. Niemand hilft mir, nach ihr zu suchen. Wenn ich wenigstens wüsste, dass es ihr gut geht! Mehr will ich gar nicht. Nicht einmal die Spieluhr kann ich reparieren lassen.‘

Er wundert sich darüber, warum die Duftlampe ihm so wichtig ist. Vor allem anderen geht es darum, Marie zu finden. Gleichzeitig drängt ihn eine innere Stimme, diese merkwürdige Geschichte aufzuklären.

‚Es wird mich zumindest etwas ablenken,‘ tröstet er sich.

Im darauffolgenden Augenblick wird ihm klar, was der kleine Mann vorhin zu ihm gesagt hat, und er greift nach dem Hoffnungsschimmer, der sich ihm bietet.

„Bitte entschuldigen Sie,“ wagt er sich vor und betrachtet die dünnen blonden Haare, die seinem Gegenüber in komplizierten Büscheln vom Kopf abstehen.

„Ja?“

Seine Stimme ist freundlicher geworden und er reckt sich. Der junge Mann beugt sich zu ihm herunter und überlegt, wie er beginnen soll.

„Mein Name ist Ben Peters und ich suche nach einem kleinen Andenkenladen, der vor zwei Wochen genau hier vor Ihnen lag. Wenn Sie häufig auf dieser Bank sitzen, sie also ihr Stammplatz ist, haben Sie vielleicht gesehen, wann das Geschäft umgezogen ist und eventuell sogar, wohin.“

Das breite Grinsen entblößt gelbliche Zähne, die nicht mehr vollständig sind. Er klopft auf die rechte freie Seite der Bank und Ben setzt sich neben ihn.

„Ich bin Artur Picol. Warum suchst du nach etwas, das direkt vor deiner Nase steht?“

Irritiert reibt sich Ben über die Augen und schaut von der glatten Wand zu dem Mann vor sich.

„Ich meine nicht den Bäcker links oder den Schuhladen rechts. Der Andenkenladen war genau in der Mitte, wo jetzt die raue Hauswand zu sehen ist.“

„Kannst gerne du zu mir sagen, mein Freund. Manch einer sieht, was er sehen will, und nicht, was wirklich da ist.“

Ben stößt geräuschvoll die Luft aus und bemerkt, wie eine Frau, die die Bäckerei verlässt, ihn erstaunt anschaut. Mürrisch fängt sie seinen Blick auf und ihre Miene wird starr.

„Artur, wenn du das Geschäft siehst, kannst du mir einen kleinen Gefallen tun?“

Der nächste Passant bleibt vor der Bank stehen und glotzt Ben an wie das achte Weltwunder. Kurz darauf hetzt er weiter, ohne sich umzudrehen.

Der merkwürdige Mann lächelt ihn herzlich an und berührt seinen Arm. Kurz darauf steigt Ben ein angenehmer Duft in die Nase, der ihn an Sandelholz erinnert.

„Ich kann ein guter Freund sein, Ben. Du kannst einen gebrauchen, mein Junge, ich weiß es genau.“

Gleich darauf erhebt sich Artur und tippt sich mit dem Finger auf die Nase. Ben sieht nach vorn, doch nichts hat sich verändert. Er fragt sich, was ihn geritten hat, den verrückten Kerl überhaupt anzusprechen.

Verdutzt betrachtet er die Mauer, die durchsichtig wird und sich langsam auflöst. An ihre Stelle tritt der Andenkenladen mitsamt dem Schild „Kleines & Feines“ und den Schaufensterscheiben, die mit Pappe abgedeckt sind.

Artur hält auf die Tür zu und wartet im Eingang darauf, dass Ben ihm folgt.

Im Innern des Ladens erwarten sie neben dem muffigen Geruch leere Regalböden und ein paar Kartons, in denen sich Reste der Aufkleber und Bierdeckel finden, die es hier vor kurzem zu kaufen gab. Die beiden Männer durchsuchen den Verkaufsraum gründlich. Ben ist verblüfft, wie sich das schmucke Geschäft in den zwei Wochen in den baufälligen Raum verändert hat, den sie vor sich haben. Die Tapeten hängen herunter, der Teppich ist löchrig und fleckig und an der Deckenlampe sind alle Glühbirnen kaputt bis auf eine. „Ben!“, ruft Artur aufgeregt und hält eine Duftlampe hoch. „Sie sieht fast genauso aus wie meine,“ platzt es aus ihm heraus. Ungeduldig kramt er in seiner Tasche und wickelt das Papier ab. Er stellt seine Elfe neben Arturs.

Das Glas und der Sockel sind identisch, lediglich die Blume hat eine andere Farbe. Was Ben am meisten zu schaffen macht, ist der fehlende Körper. Ein Kleid hängt mitten in der Luft und ein kleines Stück entfernt sind blaue Flügel zu sehen. Es scheint, als warte die Figur darauf, dass ihr Leben eingehaucht wird.

Artur flüstert mit belegter Stimme:

„Sie ist leer. Eine Weitere ist gefallen.“

Bevor er verschwinden kann, schnappt sich Marie den Schlüssel und schaut an der Blume vorbei. Die Landschaft hat sich kein bisschen verändert. Sie nimmt eine Handvoll Schnee und wäscht sich den Blütenstaub vom Gesicht und den Armen. Mit gerecktem Kopf sucht sie die Ebene nach einem Tor oder einem Haus ab, zu dem der Schlüssel gehört. Marie kneift ihre Augen fest zusammen, aber die Schneelandschaft ist leer.

Eine Gänsehaut zieht sich über ihre Arme und sie beißt sich auf die Unterlippe. Die Angst, in dieser neuen Welt gefangen zu sein und nicht zu entkommen, steigt in ihr hoch und es fällt ihr schwer, sie niederzukämpfen. Nachdem die junge Frau einige Meter hinter sich gebracht hat, bemerkt sie, dass eine unnatürliche Stille Einzug gehalten hat. Das Knistern unter ihren Füßen ist verstummt und sie kann nicht einmal ihren eigenen Herzschlag hören.

‚Irgendwas ist falsch. Ich kann es deutlich spüren.‘

Marie bleibt stehen und dreht sich um. Sie pfeift durch die Zähne. Die Herzblume hat sich verändert. Die Blüten sind transparent und der Schnee schimmert hindurch. Die beiden Herzen sind zusammengeschmolzen und reichen bis auf den Boden. Gemeinsam bilden sie ein Tor, das mit einer Panzerkette und einem rostigen Schloss versiegelt ist.

Sie lacht laut auf und rennt auf den Eingang zu, hinter dem einige Bewohner von Vetro zusammenstehen.

‚Es gibt hier Menschen! Was für ein Glück und eine willkommene Abwechslung zu dieser merkwürdigen Blume! Bestimmt werden sie mir helfen können!‘

Erwartungsvoll beeilt sie sich, den Schlüssel in das Loch zu schieben. Der Rost ist weit vorangeschritten und sie nimmt die andere Hand zu Hilfe, damit er hineingleitet. Marie dreht ihn um und die Kette fällt zu Boden.

Mit gespitzten Ohren und zaghaften Schritten betritt sie den gepflasterten Weg, der von Bäumen gesäumt ist, und in einen kleinen Ort führt. Eben war um sie herum tiefe Nacht und jetzt fallen Sonnenstrahlen auf die Pfützen, die sich auf der Straße gebildet haben. Sie bestaunt die Ulmen und freut sich über die Geräusche, das Rascheln der Blätter und das Platschen des Wassers unter ihren Füßen.

Marie läuft den Menschen direkt in die Arme. Sie erreicht sie und die Hoffnung verfliegt. Ein tiefes Loch breitet sich in ihr aus.

Sie fährt mit ihrem Finger über den Arm des Jungen, der einen Ball hält, und wundert sich darüber, dass sie es nicht gleich bemerkt hat. Neben ihm stehen zwei Mädchen und eine ältere Frau mit einer Nickelbrille, die die Hände in die Hüften gestemmt hält. In Gedanken hört Marie die Dame schimpfen und der zerknirschte Gesichtsausdruck des Jungen spricht für sich. Keiner von ihnen wird sich regen, denn sie sind aus Glas.

Trotz ihrer traurigen Stimmung und ihres wild klopfendem

Herzens bewundert sie die leuchtenden Farben dieser Welt.

Die Ulmen strahlen in einem hellen Grün und das satte Blau des Himmels wirkt wie ein See. Sie wendet sich erneut um. ‚Die Menschen stehen mitten auf der Straße. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich um Kunst handelt, die hier ausgestellt wurde. Was ist mit ihnen passiert?‘, seufzt sie auf.

Zaudernd fährt Marie sich durch die Haare.

‚Und wenn ich ebenfalls in Gefahr bin?‘

Wachsam schaut sie sich um und hält weiter auf den Ort zu. Zwischen den Häuserreihen entdeckt sie einen Brunnen, an dem ein junges Paar sitzt und sich an den Händen hält. Aus einem der Fenster lehnt sich ein alter Mann heraus, der mit der Faust droht. Er ist mitten in der Bewegung erstarrt wie all die anderen. Je näher Marie kommt, umso deutlicher wird ihr, dass kein Leben in diesem Ort verschont wurde.

Unschlüssig streift sie durch die Gassen und weil sie die innere Stadt nicht zu verlassen wagt, betritt sie die Häuser, deren Türen offen stehen. Der stickige und modrige Geruch verrät Marie, dass die Verwandlung viele Tage oder sogar Wochen zurückliegt.

In einem gemütlich möblierten Haus schaut sie betroffen auf eine mehrköpfige Familie, die gläsern um den Esstisch versammelt ist. Kaum tritt sie auf die Straße, ertönt ein heller und langgezogener Pfiff und Marie dreht sich nach allen Seiten um.

„Hier bin ich!“, krächzt es in ihren Ohren.

Sobald sie sich umdreht, ist der Schreihals verschwunden. Eine Weile spielt der Rufer mit Maries Nerven und sie ist kurz davor, die Suche aufzugeben, da gibt sich der letzte lebende Bewohner von Vetro zu erkennen.

„Nicht weglaufen, Pit macht nur Spaß!“

Die junge Frau ist am Brunnen angekommen und setzt sich neben das bewegungslose Pärchen. Geräuschlos lässt sich der Vogel mit den schneeweißen Federn auf dem Schädel des Mannes nieder, um Marie von oben bis unten zu mustern.

„Recht mager bist du, meine Liebe! Kannst ein paar Trauben von mir haben, wenn du magst.“

Energisch schüttelt sie sich, dass die fransigen Haare wehen.

„Wie du willst. Es wäre eine Schande, wenn du mir verhungerst. Es ist verdammt einsam hier.“

Der Vogel hüpft von der Glasfigur auf den Schoß der jungen Frau und stellt seinen gelben Kamm auf.

„Mein Name ist Marie. Du bist Pit?“

Mit aufgesetztem Lächeln schaut sie den Vogel an und streicht behutsam über seine Federn. Der Kakadu plustert sich auf und weicht ihren Fingern aus. Dennoch ist Marie froh, nicht mehr alleine in diesem Albtraum zu sein.

„Das stimmt. Ich lebte bei Nils, das ist der Junge, der in dem Haus gewohnt hat, aus dem du eben herausgetrottet bist.

Mit hängenden Schultern und niedergeschlagenem Seufzen, du hast wohl jemanden besuchen wollen, habe ich Recht?“

„Nein, so ist es nicht. Ich kenne niemanden hier.“

Der Vogel schaut aufmerksam zu ihr hoch.

„Mein Zuhause scheint so weit entfernt und ist doch ganz nah. Ich bin in diese Duftlampe gezogen worden und komme nicht mehr heraus. Aber ich muss zurück. Ich muss unbedingt!“

Die junge Frau kann nicht verhindern, dass ihre Augen sich mit Tränen füllen und ihre Stimme brüchig wird.

„Was ist das mit einer Lampe? Das verstehe ich nicht. Wohin zurück? Ich fürchte, ich kann dir nicht helfen.“

Pits Stimme klingt weicher und bevor Marie darauf reagieren kann, setzt er nach.

„Ich hatte gehofft, du wärst diejenige, die uns alle rettet und die Menschen heilt.“

„Pit, sag mal, weißt du denn, was geschehen ist? Hat eine böse Hexe deine Familie verflucht oder sowas?“

Der Kakadu richtet sich auf und zupft mit seinem Schnabel sein Federkleid zurecht.

„Eine böse Hexe! Du bist reichlich naiv! Wir sind hier in Vetro, nicht in irgendeinem Märchen. Nein, meine Liebe, Sabbio hat hier Einzug gehalten.“

„Wer ist Sabbio? Was hat er euch angetan? Wird er uns hier finden?“

„Zu viele Fragen, zu wenig Antworten!“

Hauchdünn ist das Pfeifen, das Pit ausstößt, bevor er die Flügel ausbreitet und sich in die Luft erhebt.

„Halt, Pit! Pit!“

Nach dem langen und anstrengenden Tag kehrt Ben in die leere Wohnung zurück, die ihm kalt und trist vorkommt. Er hat Artur bekniet, angeschrien und gebettelt. Der kleine Mann gab nicht Preis, was es mit der fehlenden Elfe auf sich hat. Selbst auf die Frage, was das alles mit Maries Verschwinden zu tun hat, blieb sein neuer Freund ihm die Antwort schuldig.

„Das ist ein Geheimnis, dass du selbst lüften musst. Natürlich nur, wenn du Marie wiedersehen willst.“

Beinahe hätte er ihn durchgeschüttelt, um etwas herauszubekommen. Artur legte eine Hand auf seine. Es war Ben unangenehm, dass ein Fremder sich ihm so näherte. Der kleine Mann hatte etwas Eigentümliches an sich. Mit der Berührung und dem Zucken in seinem Innern überkam ihn der feste Glaube, dass Marie wirklich in Gefahr war. Er zweifelte in diesem Augenblick nicht daran, dass sein neuer Freund auf seiner Seite stand.

„Ich werde dir helfen, Ben. Eine solch innige Liebe ist es wert, die Gefahren der Reise auf sich zu nehmen. Du weißt, wo du mich findest, wenn du dafür bereit bist.“

Ben schaute sich um und lief die Einkaufsmeile herauf und herunter. Artur war fort.

‚Was soll denn das heißen? Ich bin bereit! Ich kann nicht mehr warten.‘

Aufgewühlt trieb es ihn heim.

Ben kickt die Schuhe von den Füßen und sein erster Blick fällt auf den blinkenden Anrufbeantworter. Gleich darauf greift er in der Hosentasche nach dem Handy und stöhnt auf. Seit seinem Besuch im Polizeirevier war es stumm geschaltet.

Mark hatte es ganze zehn Mal bei ihm versucht. Etwas zerknirscht fällt ihm ein, dass er seinen besten Freund gestern Abend regelrecht rausgeschmissen hat. Er tippt auf die Nummer und hört seine besorgte Stimme.

„Hey, Ben. Geht es dir gut? Was hast du erreicht? Hat sich Marie gemeldet? Sag bloß nicht, es ist ihr etwas passiert!“

Die vielen Fragen explodieren in seinem Kopf. Während er überlegt, wie und ob er Mark von dem Erlebnis mit Artur erzählen soll, läuft er im Zimmer auf und ab.

„Nein, leider keine Spur von ihr. Nicht in den Kliniken in und rund um Lilienheim. Der Polizist hat mich gar nicht ernst genommen. Ich glaube nicht, dass die ernsthaft nach ihr suchen.“

Ben schluckt den Kloß in seinem Hals herunter.

„Danach bin ich zu dem Laden, bei dem ich die Duftlampe gekauft hatte, und da ist mir etwas Merkwürdiges passiert.“ Er hört, wie Mark laut aufstöhnt, und eine Weile ist es still.

„Ich hatte gehofft, dass sie heute auftaucht. Was wolltest du denn in dem Geschäft? Ist das jetzt nicht völlig gleichgültig, dass die Spieluhr kaputt ist?“

Ben beendet seine Lauferei und lehnt sich an den Esstisch, wobei er versehentlich die Tischdecke mitsamt der Vase und der restlichen Dekoration auf den Boden fegt. Im darauffolgenden Krach gehen seine Worte unter und nachdem er in die andere Ecke des Zimmers geflüchtet ist, fährt er fort.

„Tut mir leid, Mark. Ich bin einfach nicht ich selbst. Können wir uns treffen? Sowas kann ich nicht am Telefon erzählen!“ Keine halbe Stunde später sitzen die beiden jungen Männer auf der Couch mit einer Pizza vor sich, die Mark in weiser Voraussicht mitgebracht hat, denn wie erwartet, herrscht in Bens Kühlschrank gähnende Leere.

Obwohl er keinen Appetit hat, langt Ben zu und während er den Rand anknabbert, spult er die Ereignisse des letzten Tages noch einmal ab. Diese Nachricht von Luca ärgert ihn und weil es den Eindruck verschärft, den alle von Maries Verschwinden haben, würde er dieses Kapitel lieber nicht anschneiden.

‚Mark ist mein bester Freund und hat er nicht gesagt, dass Marie mich nicht verlassen würde? Ich darf es nicht verschweigen. Spätestens, wenn ich ihm von Artur erzähle, hält er mich für bekloppt!‘

Daher beobachtet er Marks Mimik genau und lässt den Tag Revue passieren.

Nachdem Ben berichtet hat, fährt sich sein bester Freund mit den Fingern durch den langen Pony. Ein Zeichen dafür, dass er grübelt und das Gehörte von allen Seiten beleuchtet. Obwohl Ben kaum abwarten kann, was Mark dazu meint, weiß er, er muss geduldig sein.

„Luca? Der Name sagt mir gar nichts. Dass sich Marie auf sowas einlassen würde, hätte ich nicht gedacht. Klar, wer ist schon immun gegen Komplimente? Und wenn er nicht lockerlässt, schmeichelt es ihr natürlich. Sie hätte ihn einfach blocken sollen anstatt ihm ständig zu schreiben, dass sie kein Interesse hat. Das würde mich ebenfalls eifersüchtig machen. Trotzdem glaube ich nicht, dass das etwas zu bedeuten hat. Ihre Antworten sind eindeutig und sie hat ihm von dir erzählt, das will was heißen. Schließlich hat er aufgegeben. Sein letzter Satz war: Wenn du dir sicher bist, und danach kam nichts mehr.“

Ben nickt und ist froh, dass sein bester Freund es genauso sieht.

„Der Andenkenladen …“, setzt Mark an und hat Mühe, sich ein Schmunzeln zu verkneifen. Er nimmt einen Schluck aus der Flasche, doch das Grinsen ist nicht aus seinem Gesicht verschwunden.

„Also, ein kleiner Mann mit tausend Falten sitzt auf einer Bank direkt vor dem Geschäft, das auf einmal verschüttgegangen ist. Er tippt sich an die Nase und der Laden taucht vor euch auf. Und was ist das mit den Elfen? Den Teil habe ich nicht verstanden. Wie hängt das mit Maries Verschwinden zusammen? Du bist einem Gauner aufgesessen, Ben. Warte nur, wenn du ihn das nächste Mal aufsuchst, wird er für seine Hilfe die Hand aufhalten. Da wette ich drauf!“

Bedrückt lässt Ben den Kopf sinken.

„Das glaube ich nicht. Er wollte mir zuerst gar nicht helfen. Ich habe ihn angesprochen! Ach herrje, Mark, ich weiß selbst, wie bescheuert das klingt. Und trotzdem bin ich mir sicher, dass es etwas mit Marie zu tun hat. Wenn es nichts bringt, habe ich es wenigstens versucht.“

„Ich glaube, ich stehe im Wald! Ausgerechnet du willst dich auf sowas einlassen. Von mir aus, Ben, aber ich lass dich nicht allein mit dem Kerl. Wer weiß, was er dir abverlangt für die wahnwitzige Behauptung, er wüsste etwas über Marie. Du wärst in der Lage, ihm alles Mögliche zu versprechen. Wenn du schon gehen musst, komme ich mit!“ Mittlerweile sind ihre Mägen gefüllt und sie genehmigen sich ein weiteres Bier.