Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Mitten ins Herz
Karriere okay, Ehe kaputt - Coach: Sabine Asgodom
Das eigene Biotop - Coach: Dr. Petra Bock
Der denkbar beste Chef - Coach: Andrea Lienhart
Copyright
Einleitung
Liebe Leserin, lieber Leser!
Dies ist ein Buch, das Geschichten von Coachings erzählt, also von Menschen mit Veränderungswünschen, von Gesprächen, von Beratung, von Strategiedebatten, von Methoden und Techniken, von praktischen Vorschlägen und ihrer tatsächlichen Umsetzung. Geschichten von Suchenden und Handelnden, Zweifelnden und Zielstrebigen.Von ganz normalen Menschen, die zum Teil verblüffende Erfahrungen im Coaching gemacht haben. Nicht immer verläuft ein Coaching so spektakulär wie in der Geschichte der Frau, die ihr Gehalt eben mal verdoppelt hat. Aber es ist immer eine spannende Geschichte zu sehen, was Menschen ins Coaching einbringen, welche Wandlungen sie durchlaufen und was dabei herauskommen kann.
Wir, fünf erfolgreiche Coaches aus Deutschland - Theresia Volk, Ursu Mahler, Andrea Lienhart, Dr. Petra Bock und Sabine Asgodom - lieben unseren Beruf. Denn er beinhaltet das Edelste, was wir uns vorstellen können: Die Arbeit mit Menschen. So unterschiedlich unsere Ansätze und Methoden sind, wir alle arbeiten mit dem gleichen positiven Menschenbild: Es ist spannend und lohnend, Menschen dabei zu helfen, ihr Leben aktiv zu gestalten, um so mehr Zufriedenheit und Lebensglück zu gewinnen. Konsequent lassen wir uns von Ansätzen des Coachings leiten, die Herz und Hirn, Intuition und Ratio, Gefühle und Denkansätze, Mitgefühl und Pragmatismus verbinden.
Wir wollen, dass dieses Buch wie ein Energieschub auf Sie wirkt. Bei privater oder beruflicher Neuorientierung soll es Ihnen helfen, durch unsere Beispiele Ihre Träume in erreichbare Ziele umzusetzen. Die Menschen, von denen Sie lesen werden, haben das geschafft.
Wir erzählen Ihnen 25 authentische Geschichten aus unserem Coaching-Alltag, von Frauen und Männern, Jüngeren und Älteren, Erfolgreichen und Erfolgsuchenden.
Sie werden sich wie auf dem dritten Stuhl am Coachingtisch fühlen, hautnah und ganz dabei. Natürlich haben wir alle Angaben so verändert, dass die Menschen nicht wiederzuerkennen sind und ihre Anonymität gewahrt bleiben. Die Geschichten sind ein Lehrbeispiel dafür, was Coaching bringen kann.
Was eigentlich ist Coaching?
Coaching bedeutet nicht Therapie. Coaching ist eine moderne Form der Begleitung. Es geht nicht darum, langfristig anhaltende, tiefe persönliche Probleme zu analysieren, sondern es geht darum, bei ganz konkreten Veränderungswünschen sehr schnell und effektiv, manchmal in nur wenigen Stunden, den Dialog, den Rat, die kluge Fragestellung und die Expertise des Coaches zu bieten.
Längst hat sich Coaching als eine weit verbreitete Möglichkeit der Unterstützung etabliert und ist nicht mehr Führungskräften, Künstlern oder Spitzensportlern vorbehalten. Coaching hilft Menschen:
• die Probleme mit Vorgesetzten oder Kunden haben;
• die nach der Familienphase wieder in den Beruf zurückkehren wollen;
• die erfolgreicher werden wollen;
• die ihre Lebensbalance wiederfinden wollen;
• die mehr Geld verdienen wollen;
• die den Sinn in ihrer Arbeit wiederfinden wollen;
• die sich mit anderen Menschen besser verstehen wollen;
• die sich selbstständig machen wollen;
• die sich von Zuhause abnabeln wollen;
• die sich besser organisieren wollen;
• die Ziele erkennen und erreichen wollen;
• die selbstbestimmter leben wollen;
• die etwas verändern wollen.
In den 25 Mutmachgeschichten werden Sie aber nicht nur sehen, wie in Coachings gearbeitet wird, und wie Menschen Veränderungen positiv bewältigen können, sondern wir verraten und erklären Ihnen darüber hinaus unsere favorisierten und in vielen Jahren bewährten Profi-Methoden, die Sie für sich nutzen können: entweder für ein Selbstcoaching, mit dem Sie für sich selbst auf gute Lösungen kommen, oder für Gespräche mit Freunden oder Kollegen, denen Sie als »ehrenamtlicher« Coach zur Verfügung stehen können.
Auch Coachingkollegen werden sicher Ansätze finden, die sie in ihrer Arbeit bestätigen oder bereichern.
Wir wünschen Ihnen Freude bei den spannenden Geschichten und Erfolg beim Ausprobieren der einen oder anderen Coaching-Methode.
Sabine Asgodom, München Dr. Petra Bock, Berlin Andrea Lienhart, Freiburg Ursu Mahler, München Theresia Volk, Augsburg
Mitten ins Herz
Karriere okay, Ehe kaputt
Coach: Sabine Asgodom
Ein herrlicher Frühlingstag, die Sonne scheint warm in mein Coaching-Zimmer. Ich blättere noch einmal durch den Fragebogen, den mir Anne Michels zur Vorbereitung geschickt hat. Die Kielerin wird in wenigen Minuten kommen, 45 Jahre alt, Unternehmensberaterin, äußerst erfolgreich. Ich freue mich auf zwei spannende Stunden. Ihr Fragebogen zeigt, dass sie seit Jahren sehr gut im Geschäft ist, eine gut gebuchte Freiberuflerin mit einem Umsatz von einer viertel Million Euro. Ich habe mir nach dem Vorgespräch ihre Homepage angeschaut, sehr professionell! Zurzeit betreut sie ein Düsseldorfer Kommunikations-Unternehmen in einem schwierigen Change-Prozess. Das heißt, sie ist montags bis freitags in Düsseldorf. Ihr Mann arbeitet in Kiel im öffentlichen Dienst, versorgt den Haushalt. Sie haben keine Kinder.
Ich blättere auf die letzte Seite des Fragebogens, warum kommt sie noch mal ins Coaching? Ach ja, sie möchte weiter an ihrer Karriere arbeiten. Schon beim ersten Durchlesen habe ich mich gewundert: Sie geht doch ganz stringent ihren Weg, was will sie von mir? Ich erinnere mich an ähnliche Klientinnen, die manchmal nur die Bestätigung wollen, dass sie alles richtig machen. Manche wollen eine Art Absolution für ihren Weg, der oft ehrgeizig und tough ist. Also, ich bin gespannt. Ich schiebe das Flipchart zurecht, lege dicke Stifte bereit.
Es klingelt um Punkt zehn. Meine Mitarbeiterin führt Frau Michels herein, eine schmale, gut gekleidete Frau. Sie ist sehr blass, ihr glattes, brünettes Haar wirkt vernachlässigt, glanzlos. Und sie hat die traurigsten Augen, die ich seit langem gesehen habe. Scheu betritt sie den Raum, schaut mich bei der Begrüßung nur kurz an, dann senkt sie den Blick. Seltsam, ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt, selbstbewusster, mit einer professionellen Ausstrahlung.Wir sprechen ein bisschen über die Anreise, das Wetter, dies und das. Ich schenke ihr Kaffee ein, ein Glas Wasser. Sie schaut mich beim Sprechen kaum an. Ich bemerke an ihr einen bräunlich verfärbten Schneidezahn, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Wie immer zu Beginn eines Coachings erläutere ich den geplanten Ablauf: Ich habe auf Grund des Vorgesprächs und des Fragebogens Arbeitsblätter vorbereitet, die wir je nach Gesprächsverlauf nutzen werden, ich werde ein Coaching-Protokoll führen, sprich, ich schreibe mit, sie kann einfach erzählen, spinnen, reden. Sie nickt nur.
Ich bitte sie, von ihrem aktuellen Auftrag zu erzählen. Sie berichtet von dem Erfolg, den sie hat, wie gut die Dinge laufen, dass ihr Auftraggeber sie schätzt, dass man ihr sogar eine feste Stelle in dem Unternehmen angeboten hat. Und das alles sagt sie ohne ein einziges Lächeln. Sie berichtet von einer klassischen Männerkarriere, in der Woche beim Kunden, an den Wochenenden zu Hause in Kiel. Sie verdient richtig gutes Geld. »Es macht mir wirklich Spaß«, sagt sie, und schaut dabei so traurig, als berichtete sie von einem Rausschmiss, einem furchtbaren Misserfolg. Irgendetwas stimmt hier nicht, denke ich.
Ich lasse sie ihre Stärken aufschreiben: Zehn sollen es mindestens sein. Ihre Liste ist bravourös, da zeigt sich wieder die kompetente Frau aus dem Fragebogen. Sie weiß, was sie kann:
• Hohes analytisches Vermögen
• 14 Jahre Berufserfahrung in Unternehmen mit klingenden Namen
• Seit 6 Jahren selbstständig, mit besten Referenzen für Change Management
• Glänzender BWL-Abschluss
• Perfekte Selbstorganisation
• Die Fähigkeit, Menschen zu motivieren
• Strukturiertes Denken
• Ausbildung als Mediatorin,Verhandlungsgeschick
• Gute Branchenkenntnis
• Drei Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch)
Und alles vorgetragen mit schleppender Stimme und Leichenbittermiene. Was ist denn da los? Ich frage sie, ob sie sehr viel gearbeitet habe in letzter Zeit. »Ja, schon, aber das ist okay. In zwei Monaten habe ich drei Wochen Urlaub.« Kein Lächeln.
In welche Richtung soll sich ihr Beruf entwickeln? Sie zuckt mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung!« Ich ziehe das Arbeitsblatt mit dem Alternativrad heraus. Ich liebe dieses Tool, das ich in den Jahren des Coachens entwickelt habe. In den mittleren Kreis kommt das Thema »Berufliche Entwicklung«, an jede der zehn Speichen ringsherum schreiben wir eine mögliche Alternative.Am Schluss werden die Alternativen von der Klientin bewertet, wie gut gefallen sie ihr? Sie kann zwischen null und zehn Punkte vergeben, null heißt, kommt überhaupt nicht in Frage, zehn bedeutet »Super, mach ich«.
Die erste Alternative heißt immer: Alles bleibt, wie es ist. Durchaus eine Möglichkeit, wenn die Situation nicht unerträglich ist. Stellen sich die gefundenen Alternativen als weniger attraktiv heraus als der Ist-Stand, sollte man es sich gut überlegen, ob man etwas verändern sollte. Ich schreibe also an die erste Speiche:
Alternative 1: Alles bleibt, wie es ist.
Im Gespräch ergeben sich folgende weitere Möglichkeiten: Alternative 2: Sie nimmt das Stellenangebot beim Kunden an.
Alternative 3: Sie vergrößert ihr Unternehmen, stellt Mitarbeiter ein.
Alternative 4: Sie sucht sich irgendwo in einem guten Unternehmen eine Stelle als Abteilungsleiterin.
Alternative 5: Sie sucht sich irgendwo eine Stelle als Geschäftsführerin in einem mittelständischen Unternehmen. Alternative 6: Sie erhöht als Freiberuflerin ihr Honorar, verdient also mit weniger Aufträgen genauso viel Geld wie bisher und gewinnt Zeit.
Alternative 7: Sie übernimmt nur noch kurzfristige »Feuerwehr«-Aufträge.
Alternative 8: Sie wird Projektmanagerin in einem Unternehmen. Jetzt gehen Anne Michels die Ideen aus. Ich frage sie nach Träumen, abstrusen Ideen, nach Fantasie-Projekten. Ihre Augen leuchten kurz auf.
Alternative 9: Sie macht sich mit einem Coffeeshop in Kiel selbstständig.
Damit ist ihre Fantasie erschöpft.
Manchmal schreibe ich als Gag als Alternative an eine Speiche »Reich heiraten«. Da Anne Michels ja verheiratet ist, schreibe ich spontan an die letzte freie Stelle: »Meine Liebe retten.«
Das empfinde ich als das Spannendste am Coaching, dass ich manchmal mehr spüre als gesagt wird, dass ich meinem Gefühl folge und spontan Dinge sage, ohne genau zu wissen, warum. Und in den allermeisten Fällen lande ich damit Treffer.
Jetzt bitte ich die Klientin, die Punkte zu vergeben, je besser ihr eine Alternative gefällt, umso mehr Punkte soll sie vergeben.Anne Michels überlegt nicht lange, die ersten acht Möglichkeiten bekommen zwischen vier und sechs Punkte. Die Alternative »Coffeeshop« bekommt acht Punkte.
Und die letzte Alternative »Meine Liebe retten«? Anne Michels sagt mit tonloser Stimme »Zehn«. Ich schaue überrascht auf. Und sehe, wie sich ihre Augen mit Tränen füllen. Sie fängt hemmungslos an zu weinen. Ich stehe auf, gehe um den Tisch herum, nehme sie in den Arm. Sie schluchzt herzerweichend. Nach einigen Minuten beruhigt sie sich. Putzt sich die Nase. Entschuldigt sich tausend Mal.
Ich erkläre ihr, dass sie nicht die erste Klientin auf diesem Stuhl ist, die bei mir weint. »Wenn Sie hier nicht weinen dürfen, wo denn sonst?« Ich nenne dieses Phänomen auch den »Fluch der starken Frauen«. Immer müssen sie vermeintlich stark sein und die Contenance behalten, bloß nicht die Kontrolle verlieren, bloß nicht hysterisch werden. Meistens dürfen sich viele andere an ihre starken Schultern anlehnen (manche setzen sich sogar darauf), aber die starke Frau ihrerseits sehnt sich vergebens nach einer Schulter. Auch wenn sie es nie zugeben würde. Oft fehlt ihr einfach eine vertraute Person, bei der sie auch einmal schwach und verzagt sein kann.Von der sie sich Hilfe wünschen kann.
Das ist etwas, was ich schon nach wenigen Coachings erkannt habe: Das Berufliche, das Private und das Persönliche gehören immer zusammen. Nie geht es nur um den einen Teil des Lebens. Egal, wie das Ausgangsthema heißt. Manchmal ist es einfach, ein berufliches Thema zu formulieren, um zusammen mit einem professionellen Zuhörer über das Leben nachdenken zu dürfen. Und: Sich coachen zu lassen, ist eine Möglichkeit, über seelische Qualen zu sprechen, ohne sich »therapieren« lassen zu müssen. Das heißt: Einem guten Coach gelingt es, seelische Unzufriedenheit direkt in Energie für gewünschte Veränderungen umzusetzen.
Anne Michels hat sich beruhigt, trinkt einen Schluck Wasser, beginnt zu erzählen:Von ihrer Angst, ihren Mann zu verlieren. »Ich bin ja nie zu Hause, er trägt die ganze Last. Wenn ich freitagabends todmüde zu Hause einlaufe, bin ich gestresst und habe gar keine Lust mehr zu reden. Ich habe das Gefühl, wir werden uns immer fremder. Wir brauchen zu lange, um wieder auf gleiche Betriebstemperatur zu kommen. Dann ist das Wochenende schon wieder vorbei und ich fahre wieder weg.«
Hat ihr Mann schon einmal gesagt, dass er unglücklich über die Situation ist?
»Nein, so klar noch nie, aber ich spüre, dass wir uns verlieren. Ich habe einfach Angst, dass er dieses Leben nicht mehr lange mitmacht.« Sie schluchzt noch einmal auf.
Plötzlich wirft sie den Kopf nach hinten, ihre Augen blitzen auf und zum ersten Mal spüre ich ihre Kraft: »Ich will ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn.« Noch einmal putzt sie kräftig die Nase und setzt sich gerade hin. Okay, so können wir weiter arbeiten.
Ich schreibe aufs Flipchartin großen Buchstabendie Überschrift »Meine Liebe retten«.
Und wir sammeln alle Möglichkeiten, die ihr einfallen:
• Selbstständig bleiben, aber mehr Aufträge in der Nähe finden, um öfter zu Hause zu sein
• Arbeitszeiten ändern,Vier-Tage-Woche, donnerstagabends nach Hause fahren
• Festanstellung in Norddeutschland finden
• Weiterarbeiten, aber Prioritäten verändern
• Mit meinem Mann reden.
Der letzte Punkt bekommt ein dickes rotes Herz. Ja, damit wird sie anfangen. Über das Unausgesprochene reden, ihre Beobachtungen und Befürchtungen mitteilen. Ihr Herz öffnen. Ihn ermutigen, das gleiche zu tun. Und über angemessene Alternativen reden. Sie wünscht sich beides: Erfolgreich im Beruf zu sein und eine glückliche Ehe zu führen. Und sie glaubt an diese Möglichkeit.
Die letzten zehn Minuten des Coachings nutzen wir, um eine Umsetzungsliste zu erstellen. Wann wird sie mit ihrem Mann reden? Was wird sie recherchieren? Ich mache sie auf ihren verfärbten Zahn aufmerksam. Erzähle ihr, wie oft ich ihn anschauen muss, wenn sie redet. Sie fährt mit ihrer Zunge darüber: »Das hat mir noch niemand gesagt. Ich dachte nicht, dass er so auffällt. Danke.« Und wir schreiben als nächsten Punkt auf die To-do-Liste: Zum Zahnarzt gehen.
Anne Michels ist sehr gefasst, als sie sich verabschiedet. Und ich freue mich über ihre wiedererlangte Kraft.
Drei Monate später bekomme ich einen Brief von ihr:
Liebe Frau Asgodom, das Gespräch mit Ihnen hat mir einiges geholfen. Ich habe meine To-do-Liste schon ziemlich abgearbeitet.
• Der Zahn ist überkront und sieht nun gut aus (vielen Dank noch einmal für den Hinweis).
• Ich habe mit einem Unternehmen hier in Kiel Kontakt. Leider hat sich wegen einer Stelle noch nichts Konkretes ergeben.
• Zur Zeit mache ich eine kurze Gestalttherapie.
• Den schwierigsten Punkt erwähne ich zum Schluss. Nach meiner Rückkehr aus München hatte ich ein sehr intensives Gespräch mit meinem Mann.
Ich versuche, einige Dinge nun anders zu betrachten. Es ist sehr schwer, eingefahrene Verhaltensweisen zu ändern. Wobei ich gerade die Erfahrung mache, wenn man sich selbst ändert, ändert sich auch das Umfeld.
Der Punkt »Liebe retten« kann nicht so einfach abgearbeitet werden. Es ist eine langwierige Aufgabe, die ich nicht immer konsequent verfolge. Sie kostet mich doch mehr Kraft als ich anfangs gedacht habe. Sie ist aber andererseits auch sehr interessant. Unbewusst spüre ich, dass ich für diese Aufgabe einen Großteil meiner Energie benötige. Das heißt, ich lasse meine beruflichen Ziele ziemlich schleifen und belasse die berufliche Situation, wie sie momentan ist.
Ich möchte Ihnen mit meinem Feedback sehr herzlich für Ihre Unterstützung danken. Ohne die Sitzung bei Ihnen und Ihren Zuspruch hätte ich den für mich wichtigsten Punkt »Liebe retten« nicht erkannt.
Momentan kann ich noch nicht sagen, dass ich dieses Ziel erreichen werde, aber ich arbeite daran. Ihre Anne Michels
Coaching ist jeweils der Beginn von etwas. Es ist ein Wahn anzunehmen, dass Menschen in wenigen Stunden ihr Leben verändern.Aber sie können Hinweise bekommen, aus ihrem eigenen Herzen, aus ihrem Verstand, durch richtiges Nachfragen und kleine Experimente, was fehlt und wonach sie sich sehnen. Und sie können den Mut bekommen, etwas Neues anzufangen. Auch wenn der Prozess selbst sicher länger dauert. Coaching also als Impuls und Initialzündung für einen »Schritt in die richtige Richtung«. Alles Gute auf Ihrem Weg, Frau Michels.
Das eigene Biotop
Coach: Dr. Petra Bock
»Ist das denn nicht zu egoistisch?«, fragt mich Sabine Schumacher. Sie sitzt klein und gebückt vor mir. Die Schultern hochgezogen, die Augen weit aufgerissen. Wie ein kleines Mädchen, das darauf wartet, eine Standpauke zu bekommen. Sie wirkt hilflos mit ihren bestimmt über sechzig Jahren.
»Was ist egoistisch daran, wenn Sie jetzt, nach dem Tod Ihres Mannes, an die Ostsee fahren und dort den Sonnenuntergang genießen wollen?«, frage ich zurück. Sie weicht meinem Blick aus und schaut ins Leere. Sie zieht die Schultern hoch und scheint zu schmollen.
Frau Schumacher hatte sich ganz anders bei mir vorgestellt. Eine feinsinnige, gut gekleidete sogenannte »Best Agerin«, die auf einer nostalgischen Berlin-Reise zufällig in einem Vortrag von mir gelandet war. »Meine Lebensaufgabe finden«, sagte sie mir nach dem Vortrag begeistert, »das ist doch genau mein Thema!« Obwohl sie für nur wenige Tage von Wien nach Berlin gekommen war, wollte sie unbedingt einen Coaching-Termin zum Thema »Berufung« bei mir haben. Sie klingelt pünktlich auf die Minute und strahlt mich schon an der Tür erwartungsvoll an. »Wissen Sie, ich bin in Berlin aufgewachsen, aber mein Vater, ein bekannter Schauspieler, musste in den fünfziger Jahren Ostberlin überstürzt verlassen. In einer nächtlichen Aktion mussten wir, die ganze Familie, in den Westen fliehen. Ich war damals erst zehn Jahre alt und habe mich seit diesem Tag immer heimlich nach Berlin gesehnt.«
»Und wie gefällt es Ihnen heute?«, frage ich noch ganz im Small-Talk-Ton, bin aber schon mitten drin in meiner Arbeit.
»Es ist wunderschön«, ruft sie begeistert, »noch schöner als in meinen Erinnerungen!«
»Und Sie haben es erst jetzt, 16 Jahre nach der Wende, einrichten können, hierher zu kommen?«, frage ich.
»Es gab so vieles, was in den letzten Jahren wichtiger war«, sagt sie nun fast beiläufig, »da konnte ich diesem Wunsch nicht nachgehen.« Sie kramt in ihrer Handtasche nach einem Block und einem Stift. Die Begeisterung und gute Laune sind verflogen. Sie richtet sich in ihrem Sessel ein, überschlägt die Beine und sieht mich mit geradem Rücken ernst und erwartungsvoll an.
Ich nehme die gleiche Sitzhaltung ein und beginne mit einigen einfachen, unverfänglichen Fragen, die es ihr erleichtern sollen, sich in der neuen Gesprächssituation mit mir einzurichten und wohlzufühlen. Im Coaching ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Chemie zwischen Coach und Coachee stimmt. Es hat den Anschein, dass ich die Stimmung zwischen ihr und mir, noch völlig unbewusst, bereits mit meiner Nachfrage nach dem langen Warten auf die Berlin-Reise getrübt habe. Es ist damit deutlich, dass sehr vieles, was wir heute besprechen werden, mit ihrer Familiensituation in der Vergangenheit zu tun haben könnte. Irgendetwas, so meine Arbeitshypothese, hindert diese Frau schon lange daran, ihre Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen.
Frau Schumacher hat schwierige Jahre hinter sich. »Ich habe meinen Mann drei Jahre bis zu seinem Tod gepflegt. Er hatte eine schwere Herzkrankheit und konnte in vielen Nächten vor Angst und Überforderung nicht mehr schlafen. Manchmal habe ich Wache gehalten, damit er sich überhaupt trauen konnte, die Augen zu schließen. Nach seinem Tod war ich so übernächtigt und ausgepowert, dass ich in der ersten Zeit nur geschlafen habe.«
Sie spricht sehr liebevoll über ihren Mann. Es scheint eine sehr gute, tiefe Verbindung zwischen dem deutlich Älteren und ihr gewesen zu sein. Er war ein wohlhabender Industrieller, sie eine Schauspielerin auf dem Weg nach oben, als sie sich kennengelernt haben.
»Mein Mann ist die große Liebe meines Lebens«, sagt sie nachdenklich. Sie ist jetzt den Tränen nahe, hat sich aber schnell wieder unter Kontrolle.
»Das Leben muss weitergehen«, sagt sie, »und ich brauche eine Aufgabe für den nächsten Abschnitt meines Lebens.«
Ob sie denn schon eine Idee habe, was ihre Aufgabe sein könnte, frage ich sie.
»Ja, ich habe da diese und jene Idee, aber die lässt sich nicht umsetzen, fürchte ich.«
Meine Erfahrung in Berufungs-Coachings ist, dass Menschen sich entweder das Träumen verbieten oder es sich ganz abgewöhnt haben. Sie kritisieren sich für das, was sie sich wünschen oder dafür, dass sie einfach keine Ahnung haben, wie sie es umsetzen sollen. Frau Schumacher schien zur dritten Gruppe zu gehören.
»Ich habe vor einigen Jahrzehnten mit meinem Mann in London gelebt und dort Straßentheater gemacht. Nach kurzer Zeit war ich umringt von Passanten, die sich gar nicht trennen konnten. Manchmal war der Auflauf, der entstanden war, so groß, dass die Polizei den Gehweg räumen musste. Ich glaube, diese Momente auf der Straße bei den ganz alltäglichen Menschen, die einfach nur Theater sehen wollten, gehören zu den besten meines Lebens.«
Ihre Stimme wird weich und jung, als sie das sagt. »Ich möchte das heute wieder machen. Ich möchte gerne Theater für ganz normale Menschen auf der Straße spielen. Ich träume davon, mit anderen guten Schauspielern solche Straßenprojekte zu machen.«
»Was genau reizt sie daran?«, frage ich, um die tiefere Motivation hinter diesem Wunsch zu erfahren.
»Ich möchte einfachen Menschen, die nicht jeden Tag mit Kultur zu tun haben,Theater näher bringen. Ich bin überzeugt davon, dass Theater immer noch eine wichtige moralische Kraft hat und ich möchte sie damit berühren und zum Nachdenken bringen.«
Hohe Werte sind meiner Erfahrung nach eine sehr gute Motivation, um auch ungewöhnliche Projekte erfolgreich zu absolvieren.Wenn ich aber ausschließlich von Werten höre, wenn ich nach der persönlichen Motivation frage, frage ich mich, wo der Mensch dahinter bleibt. Denn etwas gerne zu tun, muss, um stabil umgesetzt werden zu können, immer auch einen unmittelbaren Nutzen für den Betreffenden bringen. Hohe Werte allein reichen meist nicht aus, um die Mühen der Ebenen, von denen Bertolt Brecht so treffend geschrieben hat, auszuhalten. Die Mühen der Ebenen sind jene Phasen in der Umsetzung eines Veränderungsprozesses, in denen nichts Spektakuläres passiert, sondern die Kraft zum Durchhalten verlangt ist. Disziplin und ein bestimmter Wille, etwas zu erreichen - oder eben einfach gerne zu tun. Letzteres ist bei Weitem die beste Motivation. Ich bleibe also dran und frage:
»Was reizt Sie persönlich, Sie als Sabine Schumacher, an diesem Vorhaben? Was haben Sie selbst davon?«
Sie ist zunächst irritiert, fragt, ob Menschen zum Nachdenken zu bringen nicht genug sei, dann schweigt sie und sagt schließlich mit fester Stimme:
»Ich will wieder spielen. Ich habe jahrelang meinem Mann zuliebe nicht gespielt. Ich fürchte, zu alt für eine weitere Bühnenkarriere zu sein und möchte schlicht und einfach vor Publikum spielen.Weil ich kein Geld brauche, muss ich mich auch nicht an einem Theater verdingen und kann mir meine moralischen Ziele leisten. Ich will machen, was mir wirklich etwas bedeutet und mir nicht von einem Regisseur reinreden lassen.«
Wow, denke ich, das ist ein Wort. So kann Sabine Schumacher also auch sprechen.
Sie sitzt jetzt immer noch gerade, aber mit beiden Füßen auf dem Boden vor mir. Ihr Blick ist offen und dennoch entspannt.Wir sind im Dialog.
»Eigentlich wäre damit doch alles klar«, sage ich, »Sie wissen, was Sie möchten, es klingt alles wohl überlegt und realistisch und dabei strahlen Sie eine Menge Kraft und Entschlossenheit aus.«
»Ich weiß nicht, ich bin so müde«, antwortet sie und lässt die Schultern hängen, »es ist noch so viel zu tun. Ich muss noch den gesamten Nachlass meines Mannes ordnen, muss das Haus in Ordnung bringen,Verwandte besuchen, meiner Tochter zur Seite stehen - ihre Ehe läuft nicht gut.« Sabine Schumacher spricht, als ob sie eine imaginäre To-do-Liste auswendig gelernt abspulen würde. Eine Aufgabe reiht sich an die nächste.Wenn die eine erledigt ist, wartet bereits eine andere. Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, sie zu unterbrechen. Ich höre geduldig zu, notiere, was sie sagt, nehme ernst, was so schwer auf ihr lastet, dass es sie förmlich zu Boden zu drücken scheint. Es ist ein einfacher und zugleich schwerer Fall: Sie gehört zu den Menschen, die zuallerletzt an sich denken.Wie aber soll ein Mensch, der nicht an sich zu denken gelernt hat, seine Berufung leben, selbst wenn er sie gefunden hat?
Die meisten Menschen haben innere Antreiber, die sie zum Funktionieren bringen. Bei den einen ist es der Satz »Sei perfekt!«, bei anderen ist es »Du musst dich mehr anstrengen!«, wieder andere lassen sich durch »Du musst zuerst an die anderen denken!« zur Raison, d.h. zur Aufgabe der eigenen Träume und Wünsche bringen. Sie sind das Überbleibsel einer autoritären Erziehung, in der es darum ging, Kinder auf eine Erwachsenenwelt vorzubereiten, in der sie sich anund einpassen müssen. Der letzte Satz, »Du musst zuerst an die anderen denken!«, so mein Eindruck, ist der Antreiber Frau Schumachers. Nun konnte ich mir erklären, warum sie ihre nostalgische Reise nach Berlin 16 Jahre hatte warten lassen. Und auch, warum sie so traurig und abweisend wurde, als ich sie genau darauf ansprach. Denn verdrängte und vernachlässigte Träume verschwinden nicht einfach. Sie sind im Hintergrund da und verlangen immer wieder, angesehen zu werden.Wenden wir uns ab oder verdrängen wir sie weiter, erzeugen sie ein latentes Unwohlsein, eine innere Spannung, die wir uns nicht erklären können. Werden wir dann mit den Träumen konfrontiert, z.B., weil eine Nachbarin oder ein Freund genau das macht, was wir uns im tiefsten Inneren wünschen, kommen sie wieder hervor und erzeugen im schlechten Fall Neid, Hass und Missgunst auf Menschen, die unsere Träume zu leben wagen. Im besten Fall inspirieren sie uns, unsere Träume wahr- und ernst zu nehmen und genau hinzuschauen, was uns im Leben fehlt, was gelebt werden möchte.
Ich frage Frau Schumacher, wann sie zuletzt ernsthaft Theater gespielt hat. Sie richtet sich wieder auf, bekommt wieder Kraft.
»In den ersten Jahren mit meinem Mann habe ich noch gespielt, habe bei uns zu Hause Unterricht gegeben und war auf diesen und jenen Bühnen. Es waren gute Rollen mit tollen Kollegen. Aber nach und nach wurde es schwerer für mich zu spielen, weil ich nicht mehr einfach reisen konnte.«
Ich frage, was der Grund dafür gewesen sei. Das Paar hatte zwar ein Kind, war aber finanziell so gut gestellt, dass es sich eine Kinderfrau leisten konnte.
»Mein Mann begann, sich in den Siebzigerjahren sehr für die damals aufkommende Umweltbewegung zu engagieren. Wissen Sie, er machte nie halbe Sachen und nahm es mit dem Umweltschutz sehr, sehr ernst. Er erwartete, dass wir in unserem Leben mit gutem Beispiel vorangingen.«
Heute hört man viel über engagierten Umweltschutz, aber was Frau Schumacher erzählt, übertrifft meine Vorstellungen.
»Wir heizten im Winter so gut wie nicht mehr, um die Umwelt nicht zu belasten. Ich unterrichtete meine Schüler im Wintermantel und sie durften sich zur Probe nicht ausziehen, weil es bei uns so kalt war. Ich kann mich noch gut an meine klammen Finger erinnern, die ich hatte, wenn ich die Textseiten umblätterte.« Frau Schumachers Miene verrät den Schmerz, den ihr das alles bereitet hat. Sie prüft genau, wie ich auf ihre Geschichte reagiere. Ich bleibe ernst und trotzdem locker, werte nicht, kommentiere nicht, höre zu.
»Nach und nach wurde auch mir klar«, fährt sie fort, »welche Belastung Flüge, Autofahrten und Bahnfahrten mit Dieselloks für die Natur waren. Ich konnte mit meiner Schauspieltruppe nicht mehr reisen. Es wäre einfach nicht mehr verantwortbar gewesen. Ich habe meinen Mann da sehr verstanden. Es war dann ganz selbstverständlich, dass ich mich immer mehr zurückgezogen und meinen Mann bei seinen viel wichtigeren Aktivitäten unterstützt habe. Ich habe ihm die Reden getippt, Bücher besorgt, ihn zu Veranstaltungen begleitet. Und als er dann vor zehn Jahren krank wurde, war sowieso an nichts anderes mehr zu denken.«
Ich will wissen, wann es angefangen hat, dass das Leben und die Ideen anderer Menschen wichtiger wurden als ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche. Ich frage nach der Flucht aus Berlin, von der sie eingangs erzählt hatte. Sie berichtet mit glänzenden Augen über ihren Vater, der ein bedeutender Schauspieler und ein überragender Charakter gewesen sein soll. »Wir haben alle sehr darunter gelitten, dass er aus politischen Gründen so schäbig behandelt worden war. Und wir Kinder wollten alle, dass er stolz auf uns ist, dass es ihm wieder gut gehe in der neuen Umgebung. Mein glühendster Wunsch war, selbst eine geachtete Schauspielerin zu werden und seinem guten Namen gerecht zu werden.«
Frau Schumacher erzählt als über Sechzigjährige mädchenhaft, selbstverständlich und voller kindlicher Verehrung von ihrem Vater und seinem Schicksal, und es schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass sie heute in Berlin ist, um sich nach dem Tod ihres Mannes wieder ausführlich dem Vater zuzuwenden.
Es ist es nicht meine Aufgabe, Frau Schumacher auf die Zusammenhänge möglicherweise unbewältigter Vater-Tochter-Beziehungen in ihrem Leben aufmerksam zu machen. Als Coach bin ich dafür da, der Erwachsenen im Hier und Heute auf die Sprünge zu helfen, ihre aktuellen Ziele zu erreichen.
Sie kam ihrer Berufung wegen zu mir, sie hat bereits eine Vision und sie sagt, dass es Müdigkeit und Pflichten sind, die sie daran hindern, ihre Berufung zu leben. Dort setze ich inhaltlich wieder an, auch wenn ich an die Wurzeln des eigenen Antreibers gehe. An den Punkt, an dem sie aufgehört hat, Theater zu spielen, weil andere Interessen und Ideale wichtiger waren als ihre eigenen.
»Was würde Ihnen gut tun«, frage ich, »um ihre Müdigkeit zu überwinden? Wie könnten Sie sich richtig ausruhen und wieder zu Kräften kommen?«
Sie lächelt versonnen und winkt beinahe ab. Dann aber schluckt sie und sagt:
»Ich würde zu gerne irgendwo an der Ostsee sitzen und den Sonnenuntergang genießen.«
»Waren Sie denn schon dort?«, frage ich.
»Ja, ich war dort, früher mit meinem Vater, aber seitdem nicht mehr. Zu DDR-Zeiten war es nicht möglich und es wäre ja eine weite Reise und nicht verantwortbar gewesen.«
»Warum nicht?«, frage ich naiv.
»Nun, der Natur wegen!«
Ich sehe sie an, dehne den Moment ein wenig aus.
»Sind Sie denn kein Stück Natur, Frau Schumacher?«
Sie starrt mich an.
»Haben Sie denn nicht wie jeder Laubfrosch verdient, ein Biotop zu haben, in dem sie wachsen und gedeihen können?«
Frau Schumacher schluckt und schweigt.
»Menschen sind genauso Natur und haben ein gutes Biotop verdient, finde ich.Wenn es Ihnen gut tut, nach so vielen Jahren des Sich-Aufopferns einen Abend lang an der Ostsee in die untergehende Sonne zu sehen, dann finde ich das mehr als in Ordnung für das Stück Natur ›Sabine Schumacher‹, das Sie sind. Sie haben das gleiche Recht auf Erholung,Wachstum und Entfaltung wie die Bäume da draußen, finden Sie nicht?«
Ich wende meinen Blick ab und schenke ihr Wasser nach. Sie greift nach ihrer Handtasche und nestelt darin, bis sie ein Taschentuch gefunden hat. Die Tränen rollen ihr über die Wangen. Sie weint jetzt ungehemmt.
Den Rest der Sitzung arbeiten wir gemeinsam an ihrem ganz persönlichen Biotop.
Was ist mein Biotop? Was brauche ich, um zu wachsen und zu gedeihen?
Frau Schumacher kommen viele sofort umsetzbare Ideen: Ausziehen aus dem großen, alten Haus und eine kleine Stadtwohnung nehmen, näher dran sein am Leben. Reisen, endlich reisen.An die Ostsee, um erst einmal Luft und Energie zu tanken, endlose Spaziergänge am Strand. Den Nachlass ihres Mannes ordnen, in Ruhe und mit Unterstützung eines befreundeten Anwalts. Die Tochter zunächst Tochter sein lassen.
»Jetzt bin erst mal ich dran«, meint sie entschlossen. »Und dann, wenn ich wieder im Lot bin, suche ich mir eine eigene Schauspieltruppe zusammen und wir gehen einfach auf die Straße und spielen.«
Der denkbar beste Chef
Coach: Andrea Lienhart
Ich sitze im Zug nach Bremen. Der Großraumwagen ist schwach besetzt, der Schaffner eben durchgegangen, und ich habe reichlich Muße, meinen Gedanken nachzuhängen.
Ich denke an das bevorstehende Gespräch mit Herrn Dr. Peter Mühlbauer, einem »hohen Tier« in einem bekannten Software-Unternehmen. Er bekleidet eine Position direkt unter dem Vorstand. Ich habe ihn noch nie gesehen. Und ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, wozu er mich überhaupt kommen lässt. »Es geht um die Ergebnisse einer Befragung, die über mich gemacht wurde«, hatte er am Telefon gesagt, »ich würde diese gerne mit Ihnen besprechen. Ich sende Ihnen die Dokumente gleich noch zu.«
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Illustrationen:Wolfgang Pfau, Baldham
eISBN : 978-3-641-02295-2
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