Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen - Mitch Albom - E-Book
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Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen E-Book

Mitch Albom

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Beschreibung

Eddie betreibt einen Rummelplatz und hält die Gondeln und damit das Geschäft in Schuss. Doch genau an seinem 83. Geburtstag stürzt eine "Free Fall"-Gondel aus großer Höhe ab. Im allerletzten Moment entdeckt er Annie - ein kleines Mädchen, das am Fuße des Towers hockt. Er zieht sie darunter hervor - wird selbst getroffen und stirbt. Mürrisch und ungläubig ob des eigenen Schicksals findet er sich im Himmel wieder. Nacheinander begegnen ihm fünf Menschen, die in seinem Dasein eine Rolle gespielt haben. In einer eindrucksvollen Rückschau versöhnt er sich mit seinem Schicksal und spürt den Wert seines eigenen Lebens.

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Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen

Der Autor

Mitch Albom, ehemaliger BBC-Sportreporter, ist internationaler Bestsellerautor mit eigener Radioshow. Außerdem ist Albom Mitglied der Rockband The Rock Bottom Remainders, deren Mitglieder allesamt Schriftsteller sind. Bevor er Journalist wurde, war er als Amateurboxer, Nachtclubsänger und Pianist tätig. Mit den Einnahmen aus seinen Büchern finanziert er soziale Projekte in seiner Heimatstadt Detroit und auf Haiti.In unserem Hause ist von Mitch Albom erschienen:Wer im Himmel auf dich wartet (Allegria)

Das Buch

Eddie betreibt einen Rummelplatz und hält die Gondeln und damit das Geschäft in Schuss. Doch genau an seinem 83. Geburtstag stürzt eine »Free Fall«-Gondel aus großer Höhe ab. Im allerletzten Moment entdeckt er Annie – ein kleines Mädchen, das am Fuße des Towers hockt. Er zieht sie darunter hervor – wird selbst getroffen und stirbt. Mürrisch und ungläubig ob des eigenen Schicksals findet er sich im Himmel wieder. Nacheinander begegnen ihm fünf Menschen, die in seinem Dasein eine Rolle gespielt haben. In einer eindrucksvollen Rückschau versöhnt er sich mit seinem Schicksal und spürt den Wert seines eigenen Lebens.

Mitch Albom

Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen

Roman, Spiritualität

Ullstein

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Neuausgabe im Ullstein TaschenbuchUllstein Taschenbuch ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.1. Auflage Oktober 2019© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019© 2003 by ASOP, Inc © für die deutsche Übersetzung von Andrea Ott beim Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHTitel der Originalausgabe: The Five People You Meet in Heaven(Hyperion, New York, 2003)Autorenfoto: © Jenny RisherE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten. ISBN 978-3-8437-2109-7

Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, München

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Das Ende

Heute hat Eddie Geburtstag

Die Reise

Heute hat Eddie Geburtstag

Die Ankunft

Der erste Mensch, dem Eddie im Himmel begegnet

Heute hat Eddie Geburtstag

Heute hat Eddie Geburtstag

Die erste Lektion

Heute hat Eddie Geburtstag

Der zweite Mensch, dem Eddie im Himmel begegnet

Heute hat Eddie Geburtstag

Die zweite Lektion

Der dritte Mensch, dem Eddie im Himmel begegnet

Heute hat Eddie Geburtstag

Heute hat Eddie Geburtstag

Heute hat Eddie Geburtstag

Die dritte Lektion

Der vierte Mensch, dem Eddie im Himmel begegnet

Heute hat Eddie Geburtstag

Heute hat Eddie Geburtstag

Die vierte Lektion

Der fünfte Mensch, dem Eddie im Himmel begegnet

Heute hat Eddie Geburtstag

Die letzte Lektion

Epilog

Danksagung

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Das Ende

Widmung

Dieses Buch ist meinem geliebten Onkel Edward Beitchmann gewidmet, der mir eine erste Vorstellung vom Himmel vermittelt hat. Jedes Jahr erzählte er beim Festessen zu Thanksgiving von einer Nacht im Krankenhaus, als er wach wurde und sah, wie die Seelen seiner verstorbenen Lieben bei ihm auf der Bettkante saßen und auf ihn warteten. Ich habe diese Geschichte nie vergessen. Und ich habe auch ihn nie vergessen.

Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Himmel und jede Religion ihr eigenes Konzept. Sie alle verdienen Respekt.

Die hier vorgestellte Idee beruht auf einer Vermutung und verkörpert den Wunsch, dass mein Onkel und andere wie er – Menschen, die sich hier auf Erden bedeutungslos vorkamen –, am Ende erkennen, wie wichtig sie waren und wie sehr sie geliebt wurden.

Das Ende

Dies ist die Geschichte eines Mannes namens Eddie, und sie beginnt mit ihrem Ende, als Eddie bei Sonnenschein stirbt. Es mag seltsam erscheinen, eine Geschichte an ihrem Ende zu beginnen. Aber jedes Ende ist auch ein Anfang. Das weiß man da nur noch nicht.

Eddie verbrachte die letzte Stunde seines Lebens, so wie fast alle davon, im Ruby Pier, einem Vergnügungspark, der an einem großen, grauen Ozean lag. Der Park besaß die üblichen Attraktionen, eine hölzerne Strandpromenade, ein Riesenrad, Achterbahnen, Autoscooter, einen Süßigkeitenstand und eine Schießbude, wo man mit Wasserpistolen in den Mund eines Clowns zielte. Es gab auch ein großes, modernes Fahrgeschäft, Freddy’s Free Fall, und genau dort sollte Eddie durch einen Unfall sterben, der im ganzen Land für Schlagzeilen sorgen würde.

Zum Zeitpunkt seines Todes war Eddie ein untersetzter, weißhaariger alter Mann mit kurzem Hals, gewölbter Brust, kräftigen Unterarmen und einer verblassten Army-Tätowierung an der rechten Schulter. Die Beine waren dünn und geädert, und die Arthritis hatte sein im Krieg verletztes linkes Knie endgültig ruiniert. Er ging am Stock. Das kantige, von der Sonne zerfurchte Gesicht mit dem grauweißen Schnurrbart und dem etwas vorstehenden Unterkiefer ließ ihn selbstbewusster aussehen, als er war. Hinterm linken Ohr hatte er eine Zigarette stecken, und am Gürtel war ein Schlüsselbund festgehakt. Er trug Schuhe mit Gummisohlen und eine alte Leinenmütze. Die hellbraune Uniform sah nach Handwerker aus, und nichts anderes war er.

Eddie oblag die »Wartung der Fahrgeschäfte«, was im Grunde bedeutete, dass er für die Sicherheit während ihres Betriebs verantwortlich war. Jeden Nachmittag ging er durch den Park und überprüfte jedes einzelne Fahrgeschäft vom Riesenrad bis zur Achterbahn. Er suchte nach zerbrochenen Brettern, lockeren Schrauben und abgenutzten Stahlteilen. Manchmal blieb er mit glasigem Blick stehen, so dass die Leute, die an ihm vorbeigingen, sofort dachten, irgendetwas stimme nicht. Dabei lauschte er nur, mehr nicht. Nach so vielen Jahren, sagte er, könne er am Fauchen, Stottern und Klingeln einer Anlage hören, ob es Probleme gab.

Als Eddie noch fünfzig Minuten zu leben hatte, ging er zum letzten Mal über den Ruby Pier. Er kam an einem älteren Paar vorbei.

»Hallo«, begrüßte er sie und tippte sich an die Mütze. Die beiden nickten höflich. Die Besucher kannten Eddie. Zumindest die Stammkunden. Sie sahen ihn jeden Sommer wieder, ein Gesicht, das man mit einem bestimmten Ort verbindet. Sein Arbeitshemd hatte über der Brust einen Aufnäher, auf dem stand »EDDIE« und darunter »WARTUNG«, und manchmal sagten sie: »Tag, Eddie Wartung!«, obwohl er das nicht besonders witzig fand.

Heute war zufällig Eddies Geburtstag, er wurde 83. Letzte Woche hatte ihm ein Arzt gesagt, er habe Gürtelrose. Gürtelrose? Eddie wusste nicht einmal, was das war. Früher war er so stark gewesen, dass er mit jeder Hand ein Karussellpferd hochheben konnte. Doch das lag lange zurück.

»Eddie!«… »Nimm mich, Eddie!«… »Nimm mich!«

Noch vierzig Minuten bis zu seinem Tod. Eddie bahnte sich einen Weg an den Anfang der Warteschlange vor der Achterbahn. Er fuhr mit jeder Attraktion mindestens einmal pro Woche, um sicher zu sein, dass Bremsen und Steuerung funktionierten. Heute war Achterbahn-Tag – diese hier hieß The Ghoster Coaster –, und die Kinder, die Eddie kannten, schrien, weil sie mit ihm zusammen fahren wollten.

Eddie mochte Kinder, Jugendliche dagegen nicht. Sie bereiteten ihm Kopfschmerzen. Im Lauf der Jahre hatte Eddie bestimmt jede nur denkbare Art von arbeitsscheuen, motzigen Jugendlichen erlebt. Kinder, die waren anders. Kinder strahlten Eddie an – mit seinem vorstehenden Unterkiefer schien er immer zu lachen, wie ein Delphin – und vertrauten ihm sofort. Sie fühlten sich zu ihm hingezogen wie kalte Hände zum Feuer. Sie umarmten sein Bein. Sie spielten mit seinen Schlüsseln. Eddie brummte meist nur, er sagte nie viel. Und er glaubte, dass sie ihn gerade deshalb mochten.

Jetzt gab Eddie zwei kleinen Jungen mit verkehrt herum aufgesetzten Baseballmützen einen Klaps. Sie rannten zum Wagen und purzelten hinein. Eddie gab dem Achterbahn-Mann seinen Stock und ließ sich langsam zwischen den beiden nieder.

»Los … los!«, quiekte der eine Junge, während der andere sich Eddies Arm um die Schulter legte. Eddie zog den Sicherheitsbügel herunter, und klick-klick-klick ging es nach oben.

Von Eddie, der hier am Pier aufgewachsen war, erzählte man sich folgende Geschichte: Als Junge war er in eine Rauferei geraten. Fünf Jungen von der Pitkin Avenue hatten seinen Bruder Joe in die Zange genommen und wollten ihn verprügeln. Eddie saß eine Straße weiter auf einer Veranda und aß gerade ein Sandwich. Er hörte seinen Bruder schreien, rannte in die Gasse hinüber, griff sich einen Mülltonnendeckel und schlug zwei Jungen krankenhausreif.

Joe redete monatelang nicht mit ihm. Er schämte sich. Joe war der Ältere, der Erstgeborene, aber Eddie hatte gekämpft. »Dürfen wir noch mal fahren, Eddie? Bitte!«

Noch vierunddreißig Minuten zu leben. Eddie schob den Sicherheitsbügel hoch, schenkte jedem Jungen einen Lutscher, bekam seinen Stock zurück und hinkte zur Werkstatt, um sich dort von der Sommerhitze zu erholen. Wenn er von seinem nahen Tod gewusst hätte, wäre er vielleicht woanders hingegangen. Stattdessen tat er, was wir alle tun. Er machte weiter in seinem langweiligen Trott, als hätte er alle Zeit der Welt.

Einer der Werkstattarbeiter, ein schlaksiger, hagerer junger Mann namens Dominguez, stand an der Ölwanne und wischte Schmiere von einem Rad.

»Hey, Eddie«, sagte er.

»Dom«, sagte Eddie.

Die Werkstatt roch nach Sägespänen. Sie war dunkel und eng, hatte eine niedrige Decke und an den Wänden Lochbleche mit Bohrern, Sägen und Hämmern. Überall lagen Bauteile aus dem Inneren der Fahrgeschäfte herum: Kompressoren, Motoren, Treibriemen, Glühbirnen, der obere Teil eines Piratenschädels. An einer Wand stapelten sich Kaffeebüchsen voller Nägel und Schrauben, und an einer anderen standen zahllose Kübel mit Schmierfett.

Zum Gleisschmieren, sagte Eddie immer, braucht man nicht mehr Hirn als zum Geschirrspülen, der einzige Unterschied ist, man wird dabei schmutziger, nicht sauberer. Und genau solche Arbeiten verrichtete Eddie: schmieren, Bremsen einstellen, Schrauben festziehen, Schalttafeln kontrollieren. Oft hatte er sich danach gesehnt, diesen Ort zu verlassen, sich eine andere Arbeit zu suchen, ein anderes Leben aufzubauen. Aber dann kam der Krieg. Seine Pläne wurden nie Wirklichkeit. Im Lauf der Zeit merkte er, dass er grau wurde, weitere Hosen trug und resigniert hinnahm, welche Art von Mann er war und immer bleiben würde: ein Mann mit Sand in den Schuhen, umgeben von künstlichem Gelächter und Grillwürstchen. Wie vor ihm sein Vater und wie es der Aufnäher auf seinem Hemd verriet: Eddie war »die Wartung« – der Chef der Wartung – oder, wie die Kinder ihn manchmal nannten, der »Karussell-Mann vom Ruby Pier«.

Noch dreißig Minuten.

»Hey, alles Gute zum Geburtstag«, sagte Dominguez. Eddie grunzte.

»Keine Party oder so was?«

Eddie bedachte Dominguez mit einem Blick, als halte er ihn für verrückt. Und es streifte ihn der Gedanke, wie komisch es doch war, an einem Ort alt zu werden, an dem es nach Zuckerwatte roch.

»Übrigens, denk dran, Eddie, nächste Woche bin ich weg, ich flieg am Montag. Nach Mexiko.«

Eddie nickte, und Dominguez führte einen kleinen Tanz auf.

»Ich und Theresa. Die ganze Familie besuchen. Parrr-ty!«

Als er merkte, wie Eddie ihn anstarrte, hörte er auf zu tanzen.

»Schon mal da gewesen?«

»Was?«

»In Mexiko.«

Eddie schnaubte. »Junge, ich war nur da, wo man mich mit einem Gewehr hingeschickt hat.«

Er sah Dominguez zu, der wieder an die Wanne trat. Eddie überlegte einen Augenblick. Dann holte er ein kleines Geldbündel aus der Tasche, zog die einzigen zwei Zwanzigdollarscheine raus und streckte sie Dominguez hin.

»Kauf deiner Frau was Schönes«, sagte Eddie. Dominguez schaute das Geld an, lächelte breit und sagte:

»Mensch, Mann, ist das dein Ernst?«

Eddie drückte Dominguez das Geld in die Hand. Dann ging er hinaus, nach hinten auf den Lagerplatz. Vor Jahren hatte jemand ein kleines »Angelloch« in das Holz der Strandpromenade geschnitten, und Eddie hob den Plastikdeckel ab. Er zog an der Nylonschnur, die 25 Meter weit ins Meer hinausreichte. Das Stück Mortadella hing immer noch dran.

»Ist was dran?«, schrie Dominguez. »Sag, dass was dranhängt!«

Eddie fragte sich, wie dieser Junge so optimistisch sein konnte. An dieser Angel war nie was dran.

»Eines Tages«, schrie Dominguez, »fangen wir einen Heilbutt!«

»Jaja«, murmelte Eddie, obwohl er wusste, dass man einen so großen Fisch nie durch ein so enges Loch kriegen würde.

Noch sechsundzwanzig Minuten zu leben. Eddie ging die Strandpromenade entlang bis zum Südende. Nicht viel los heute. Das Mädchen in der Bonbonbude hatte die Arme aufgestützt und ließ Kaugummiblasen platzen.

Früher war Ruby Pier mal der Sommerausflugsort schlechthin gewesen, mit Elefanten, Feuerwerk und Marathon-Tanzwettbewerb. Aber die Leute gingen nicht mehr in die Lunaparks am Meer, sie gingen lieber in Themenparks, wo der Eintritt 75 Dollar kostete und man sich mit einem Riesenpelztier fotografieren lassen konnte.

Eddie hinkte am Autoscooter vorbei und sah eine Gruppe Jugendliche, die sich über das Geländer lehnten. Toll, dachte er, das hat mir noch gefehlt.

»Weg da«, sagte Eddie, stieg hinauf und klopfte mit seinem Stock aufs Geländer.

»Bewegt euch. Das ist gefährlich.«

Die Teenies starrten ihn wütend an. Die Stromabnehmer an den Autos knisterten sssip, sssip.

»Das ist gefährlich«, wiederholte Eddie.

Die Teenies schauten sich an. Einer mit einer orangefarbenen Strähne im Haar grinste Eddie herausfordernd an und stieg auf die Mittelstrebe des Geländers. »Hey, ihr Knilche, fahrt mich doch um!«, schrie er und winkte den jungen Autofahrern zu. »Fahrt m-«

Eddie knallte seinen Stock so fest aufs Geländer, dass er fast zerbrach. »WIRD’S BALD!«

Da hauten sie ab.

Es kursierte noch eine andere Geschichte über Eddie. Als Soldat habe er an zahlreichen Kämpfen teilgenommen, hieß es. Er sei sehr tapfer gewesen. Habe sogar einen Orden gekriegt. Aber am Ende habe er gegen einen Kameraden gekämpft. Auf diese Weise sei Eddie zu seiner Verwundung gekommen. Was mit dem anderen Typen passiert war, wusste niemand.

Und niemand fragte nach.

Eddie, dem noch neunzehn Minuten auf Erden blieben, saß zum letzten Mal in einem alten Aluminium-Strandstuhl. Seine kurzen, muskulösen Arme lagen gefaltet über der Brust, wie die Flossen eines Seehunds. Die Beine waren rot von der Sonne, und am linken Knie sah man immer noch Narben. Überhaupt ließ Eddies Körper an ein überstandenes Gefecht denken. Zahlreichen, von allerlei Gerät verursachten Brüchen verdankte er es, dass sich seine Finger in aberwitzigen Winkeln krümmten. Die Nase hatte er sich mehrmals gebrochen – bei »Saloonschlägereien«, wie er sagte. Das Gesicht mit dem breiten Kiefer hatte wahrscheinlich mal gut ausgesehen, vielleicht wie das eines Preisboxers, bevor er zu viele Schläge eingesteckt hat.

Jetzt sah Eddie nur noch müde aus. Das hier war sein Stammplatz auf der Ruby-Pier-Strandpromenade, hinter dem Jackrabbit Ride, wo in den Achtzigerjahren der Thunderbolt gestanden hatte, in den Siebzigern der Steel Eel, in den Sechzigern Lillipop Swings, in den Fünfzigern Laff In The Dark und davor der Stardust-Musikpavillon.

Dort war Eddie Marguerite begegnet.

In jedem Leben gibt es einen Augenblick, der zum Inbegriff der Liebe wird. Bei Eddie war es an einem warmen Septemberabend nach einem Gewitter so weit, als die Holzplanken auf der Promenade vom Wasser ganz glitschig waren. Sie trug ein einfaches gelbes Baumwollkleid und eine rosa Spange im Haar. Eddie sagte nicht viel. Er war so aufgeregt, dass er das Gefühl hatte, die Zunge klebe ihm am Gaumen. Sie tanzten zur Musik einer Big Band, Long Legs Delaney and his Everglades Orchestra. Er spendierte ihr einen Lemon Fizz. Sie sagte, sie müsse jetzt gehen, bevor ihre Eltern ärgerlich würden. Doch als sie ging, drehte sie sich um und winkte.

Da war er, der entscheidende Augenblick. Sein Leben lang sah Eddie immer, wenn er an Marguerite dachte, dieses Bild vor sich, wie sie über die Schulter zurückwinkte und ihr das dunkle Haar über ein Auge fiel, und er spürte immer die gleiche explosionsartige Liebe.

An diesem Abend kam er heim und weckte seinen Bruder. Er erzählte ihm, er habe das Mädchen kennen gelernt, das er heiraten werde.

»Geh schlafen, Eddie«, ächzte sein Bruder.

Wschhhhh. Eine Welle brach sich am Strand. Eddie hustete etwas hoch, was er nicht sehen wollte. Er spuckte es aus. Wschhhhh. Früher hatte er viel an Marguerite gedacht.

Jetzt nicht mehr so viel. Sie war wie eine Wunde unter einem alten Verband, und er hatte sich mittlerweile an den Verband gewöhnt.

Wschhhhh.

Was war das, eine Gürtelrose?

Wschhhhh.

Noch sechzehn Minuten zu leben.

Keine Geschichte steht für sich allein da. Manchmal berühren sich mehrere am Rand, manchmal verdeckt die eine wie Kieselsteine in einem Fluss die andere.

Das Ende von Eddies Geschichte war verknüpft mit einer anderen, scheinbar harmlosen Geschichte, die Monate vorher passiert war, an einem trüben Abend, als ein junger Mann mit drei Freunden zum Ruby Pier kam.

Der junge Mann, er hieß Nicky, hatte gerade erst Autofahren gelernt und war noch nicht gewohnt, einen Schlüsselbund zu tragen. Er zog also den Autoschlüssel ab, steckte ihn in die Jackentasche und band sich anschließend die Jacke um den Bauch.

In den nächsten Stunden fuhren er und seine Freunde mit den rasantesten Geräten: dem Flying Falcon, dem Splashdown, dann auf Freddy’s Free Fall und dem Ghoster Coaster.

»Hände in die Luft!«, schrie einer von ihnen. Sie warfen die Hände hoch.

Später, als es dunkel war, kehrten sie auf den Parkplatz zurück; sie waren erschöpft und lachten und tranken Bier, das sie in braunen Papiertüten mitgebracht hatten. Nicky fasste in seine Jackentasche und fischte darin herum. Er fluchte.

Der Schlüssel war weg.

Noch vierzehn Minuten bis zum Tod. Eddie wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch. Weit draußen auf dem Wasser des Ozeans tanzten Sonnenlichtdiamanten, und Eddie starrte auf das flinke Gehüpfe. Er selbst war seit dem Krieg nicht mehr sicher auf den Beinen.

Doch damals im Stardust-Musikpavillon mit Marguerite – da hatte Eddie sich noch elegant bewegen können. Er schloss die Augen und ließ die Erinnerung an den Song zu, der sie zusammengebracht hatte, das Lied, das Judy Garland in diesem Film sang. Es vermischte sich in seinem Kopf mit der Kakophonie aus den sich brechenden Wellen und dem Gekreisch der Kinder von den Karussells.

»You made me love you –«

Wschhhhh.

»– do it, I didn’t want to do i–«

Schischhh.

»– me love you –«

Iiiiiiiiii!

»– Time you knew it, and all the –«

Tschuschhh.

»– knew it…«

Eddie spürte ihre Hände auf seinen Schultern. Er kniff die Augen zusammen, damit die Erinnerung noch näher kam.

Noch zwölf Minuten zu leben.

»Tschuldigung.«

Ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, stand vor ihm und nahm ihm die Sonne weg. Sie hatte blonde Locken und trug Flip Flops, abgeschnittene Jeans und ein limonengrünes T-Shirt mit einer Comic-Ente vorn drauf. Amy, so hieß sie wohl. Amy oder Annie. Sie war häufig hier in diesem Sommer; allerdings sah Eddie nie eine Mutter oder einen Vater.

»Tschuldigung«, sagte sie noch mal. »Eddie Wartung?« Eddie seufzte. »Nur Eddie«, sagte er.

»Eddie?«

»Mh?«

»Kannst du mir…«

Sie legte die Hände zusammen, als würde sie beten.

»Komm, Kleine, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«

»Kannst du mir ein Tier machen? Bitte?«

Eddie schaute nach oben, als müsse er darüber nachdenken. Dann griff er in seine Brusttasche und zog drei gelbe Pfeifenreiniger heraus. Denn genau dafür hatte er sie dabei.

»Jaaa!«, rief das kleine Mädchen und klatschte in die Hände.

Eddie begann die Pfeifenreiniger zu verbiegen. »Wo sind deine Eltern?«

»Die fahren mit irgendwas.«

»Ohne dich?«

Das Mädchen zuckte die Achseln. »Mama ist mit ihrem Freund unterwegs.«

Eddie verdrehte die Augen.

Er bog die Pfeifenreiniger zu mehreren kleinen Schleifen, dann wand er die Schleifen umeinander. Seine Hände zitterten inzwischen, deshalb dauerte es länger als früher, aber bald bekamen die Pfeifenreiniger einen Kopf, Ohren, einen Bauch und einen Schwanz.

»Ein Kaninchen?«, fragte das kleine Mädchen. Eddie zwinkerte.

»Daaanke!«

Sie sauste davon, vertieft in eine Welt, in der Kinder nicht einmal merken, dass ihre Füße sich bewegen. Eddie wischte sich noch mal über die Stirn, dann schloss er die Augen, sackte in den Strandstuhl und versuchte, den alten Song wieder in den Kopf zu bekommen.

Kreischend flog eine Möwe über ihn hinweg.

Wie wählen Menschen ihre letzten Worte aus? Machen sie sich klar, welches Gewicht sie haben? Müssen sie unbedingt weise sein?

Eddie war jetzt 83, und mittlerweile hatte er fast alle Menschen verloren, die ihm etwas bedeuteten. Manche waren jung gestorben, und manche hatten das Glück gehabt, alt zu werden, bevor eine Krankheit oder ein Unfall sie hinwegraffte. Bei den Beerdigungen hörte Eddie zu, wenn die Trauernden sich an das letzte Gespräch mit dem Verstorbenen erinnerten. »Als hätte er gewusst, dass er sterben muss…«, hieß es oft.

Eddie glaubte nicht daran. Er sah die Sache folgender- maßen: Wenn die Zeit gekommen war, war sie eben gekommen, basta. Vielleicht sagte man zum Abschied etwas Kluges, aber genauso gut konnte es auch etwas Dummes sein.

Nur der Vollständigkeit halber: Eddies letzte Worte sollten lauten: »Zurück!«

Und das waren die Geräusche aus Eddies letzten Minuten auf Erden: krachende Wellen. Das ferne Wummern der Rockmusik. Der surrende Motor eines kleines Doppeldeckers, der mit seinem Schwanz eine Werbung an den Himmel schrieb. Und das:

»Um Gottes willen! Schau!«

Eddie fühlte seine Augen unter den Lidern zucken. Im Lauf der Jahre hatte er sich an jedes Geräusch am Ruby Pier gewöhnt und konnte dabei schlafen wie bei einem Wiegenlied.

Diese Stimme kam in dem Wiegenlied nicht vor.

»UM GOTTES WILLEN! SCHAU!«

Eddie schoss hoch. Eine Frau mit dicken Armen und einer Einkaufstasche zeigte in die Luft und schrie. Um sie herum sammelte sich rasch eine kleine Menschenmenge und blickte zum Himmel.

Eddie sah es sofort. An Freddy’s Free Fall, ganz oben am

Turm, hing einer der Wagen schief, als versuche er, seine Fracht auszukippen. Die vier Insassen, zwei Männer und zwei Frauen, wurden nur noch vom Sicherheitsbügel gehalten und klammerten sich verzweifelt an alles Erreichbare.

»O Gott«, schrie die dicke Frau. »Die fallen runter!«

Eine Stimme kreischte aus dem Funkgerät an Eddies Gürtel. »Eddie! Eddie!«

Er drückte auf den Knopf. »Ich seh’s schon! Absichern!«

Die Leute kamen vom Strand angerannt und zeigten mit dem Finger hinauf, als hätten sie das Ganze eingeübt. Schau, da oben. Der Freefall-Tower ist kaputt! Eddie schnappte sich seinen Stock und humpelte zu dem Sicherheitszaun am Fuß von Freddy’s Free Fall; dabei schlug ihm der Schlüsselbund scheppernd gegen die Hüfte. Sein Herz raste.

In Freddy’s Free Fall sollten eigentlich zwei Wagen in Schwindel erregendem Tempo nach unten fallen und erst im letzten Moment durch einen schnell in das System einströmenden Druckluftstrom gebremst werden. Wie hatte sich ein Wagen derart lösen können? Er hing schief, einen Meter unter der oberen Plattform, als wäre er erst losgesaust und hätte sich dann eines anderen besonnen.

Eddie erreichte das Tor und rang nach Atem. Dominguez kam angerannt und stieß fast mit ihm zusammen.

»Hör zu!«, sagte Eddie und packte Dominguez an den Schultern. Sein Griff war so fest, dass Dominguez vor Schmerz das Gesicht verzog. »Hör zu! Wer ist oben?«

»Willie.«

»Okay. Der muss schon die Notbremse gezogen haben. Deswegen hängt der Wagen ja. Steig die Leiter hinauf, und sag Willie, er soll die Sicherungssperre von Hand lösen, damit die Leute aussteigen können. Okay? Die ist hinten am Wagen. Du musst ihn also festhalten, wenn er sich rauslehnt. Okay? Dann … dann holt ihr beide – beide, nicht nur einer, klar? – holt ihr beide sie raus. Einer hält den anderen fest. Kapiert?… Kapiert?«

Dominguez nickte kurz.

»Dann schickt den verdammten Wagen nach unten, damit wir rauskriegen, was los ist.«

In Eddies Kopf hämmerte es. In seinem Park hatte es zwar nie schwere Unfälle gegeben, aber er kannte die Horrorstorys aus der Branche. Einmal, in Brighton, hatte sich an einer Gondel eine Schraube gelockert, und zwei Leute waren in den Tod gestürzt.

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