Die Gefangene des Freibeuters - Heather Graham - E-Book
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Die Gefangene des Freibeuters E-Book

Heather Graham

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Beschreibung

Zwei Herzen, vor Wut und Leidenschaft entflammt: Der historische Liebesroman »Die Gefangene des Freibeuters« von Bestseller-Autorin Heather Graham als eBook bei dotbooks. Der wilde Atlantik, 1660: Die junge Rose Woodbine fällt dem gefürchteten Piraten Pierce DeForte in die Hände – niemand anderes als ihr einstiger Gemahl. Vormals ein angesehener Lord in England, wurde ihm ein Mord angehängt, den er nicht begangen hat. Von Rachegedanken getrieben durchkreuzt er die Weltmeere und will an denen Vergeltung üben, die ihn entehrt haben, auch an Rose. Aber die bezaubernde Schönheit ist unschuldig. Es gibt nur einen Weg, seiner Rache zu entkommen: Sie müssen beide nach England zurückkehren, um seinen Namen reinzuwaschen. So kommen sich die beiden wieder näher – denn die leidenschaftlichen Gefühle füreinander sind stürmischer als jede Wut. Aber werden sie einander je wieder vertrauen können? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das fesselnde Historical-Romance-Highlight »Die Gefangene des Freibeuters« von New-York-Times-Bestsellerautorin Heather Graham. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 419

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Über dieses Buch:

Der wilde Atlantik, 1660: Die junge Rose Woodbine fällt dem gefürchteten Piraten Pierce DeForte in die Hände – niemand anderes als ihr einstiger Gemahl. Vormals ein angesehener Lord in England, wurde ihm ein Mord angehängt, den er nicht begangen hat. Von Rachegedanken getrieben durchkreuzt er die Weltmeere und will an denen Vergeltung üben, die ihn entehrt haben, auch an Rose. Aber die bezaubernde Schönheit ist unschuldig. Es gibt nur einen Weg, seiner Rache zu entkommen: Sie müssen beide nach England zurückkehren, um seinen Namen reinzuwaschen. So kommen sich die beiden wieder näher – denn die leidenschaftlichen Gefühle füreinander sind stürmischer als jede Wut. Aber werden sie einander je wieder vertrauen können?

Über die Autorin:

Heather Graham wurde 1953 geboren. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin hat über zweihundert Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Heather Graham lebt mit ihrer Familie in Florida.

Eine Übersicht über weitere Romane von Heather Graham bei dotbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe Juni 2019

Dieses Buch erschien bereits 1995 unter dem Titel »Die Braut des Windes« bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 Heather Graham

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel »Bride of the Wind« bei Avon Books.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1995 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Yarikart, Phagalley und Mary Chronis Period Images & Dunraven Productions

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96148-838-4

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Heather Graham

Die Gefangene des Freibeuters

Roman

Aus dem Amerikanischen von Eva Malsch

dotbooks.

PROLOG

Eine Kanone explodierte, und schwarzer Pulverqualm stieg in die Luft. Nur knapp verfehlte der Schuß die Lady May. Eine Fontäne sprühte aus dem Wasser. Das Schiff schwankte heftig in der aufgewühlten See.

Langsam löste sich die Rauchwolke auf. Da zeigte sich die Quelle der Bedrohung, ragte hoch in den kristallklaren Himmel, flatterte im Wind, weckte kalte Angst in allen Herzen.

Der Totenschädel über gekreuzten Gebeinen. Weiß auf Schwarz. Die stolze Piratenflagge. Am Ruder stand Kapitän Niemens, sein Fernglas auf das Piratenschiff gerichtet, das die Wellen so geschmeidig zu durchpflügen schien. Mit ruhiger Stimme befahl er seinem Ersten Maat, das Feuer zu erwidern. Aber auch diese Kanonenkugel ging daneben.

Hatte der Pirat nur einen Warnschuß abgegeben? Nein, es gab keinen Zweifel. Er wollte die Lady May kapern. Aufmerksam studierte Kapitän Gaylord Niemens die Fahne. Denn die zahlreichen Totenschädel und Gebeine unterschieden sich voneinander, so wie die Männer, die unter diesen Flaggen segelten. Ein Schauer rann über seinen Rücken. Zum Teufel mit den Schurken! Um sein eigenes Leben bangte er nicht. Bis zum letzten Blutstropfen würde er den Feind bekämpfen.

Aber er mußte an Lady Rose denken, die ihm genauso exquisit erschien wie ihr Name, Lady Rose mit den smaragdgrünen Augen, von tintenschwarzen Wimpern umrahmt, und den klassisch schönen Zügen. Ihre Lippen glichen der Blume, nach der sie benannt war. Wenn Sonnenstrahlen auf ihr kastanienrotes Haar fielen, sprühten goldene und kupferne Funken darin. Ihre weiche Haut schimmerte elfenbeinweiß, ein verführerischer rosiger Hauch überzog die Wangen.

Für ihr Geschlecht war sie hochgewachsen und wirkte noch größer, weil sie jeder Herausforderung in aufrechter, entschlossener Haltung begegnete. Sicher hatte sie die Flagge entdeckt. Doch sie schrie nicht vor Furcht, überhäufte den Kapitän nicht mit Vorwürfen wegen eines Ereignisses, an dem er keine Schuld trug, und sank auch nicht ohnmächtig auf die Deckplanken.

Stolz und schweigend stand sie an seiner Seite und betrachtete das Piratenschiff. Ihre Augenfarbe wurde von einem dunkelgrünen Kleid betont, einer modischen Kreation mit weitem, schwingendem Rock und samtenem Oberteil. Darüber trug sie einen grünseidenen Umhang. Schwarzweiße Spitzenborten schmückten den Saum und den tiefen runden Ausschnitt, die Ärmel bauschten sich bis zu den Ellbogen. Trotz ihrer zarten Schönheit besaß sie ein leidenschaftliches Temperament. Es kam vor allem dann zum Vorschein, wenn sie jemanden verteidigte, dem ein Unrecht geschehen war. Ihre Untergebenen behandelte sie freundlich und fair. Das wußte der Kapitän, weil er ihr diente. Sie hatte das Schiffahrtsgeschäft von seinem früheren Herrn übernommen, und Niemens schätzte sie sehr. Nach seiner Ansicht konnte sich ihre innere Schönheit mit der äußeren messen. »Meine liebe Lady Rose ...«, begann er.

»Kennt Ihr die Flagge?« unterbrach sie ihn und schaute eindringlich in seine Augen.

Er nickte. »Aber vielleicht irre ich mich. Meines Wissens greift er keine englischen Schiffe an, und unsere Farben wehen deutlich sichtbar im Wind.«

»Der Drachentöter?« Ihre Wangen wurden ein wenig bleicher, sonst zeigte sie keine Regung. Aber sie verspürte ein wachsendes Unbehagen. Seit einigen Monaten verbreitete dieser Mann Angst und Schrecken auf den Meeren. Kein Spanier oder Holländer war vor ihm sicher. Und obwohl ein königlicher Erlaß allen Piraten den Tod verhieß, freute sich König Charles II. angeblich über jeden Sieg des Schurken, der sich bereicherte, indem er insbesondere die Spanier beraubte. Oft genug waren vornehme Damen und Herren von spanischen Schiffen entführt und gegen hohes Lösegeld wieder freigelassen worden. Was mit den Geiseln zu geschehen pflegte, konnte man haarsträubenden Gerüchten entnehmen.

Und jetzt näherte sich der Drachentöter dem englischen Schiff. Kapitän Niemens wandte sich zu seiner Herrin. »Ich begleite Euch in meine Kabine, Mylady ...«

»Nein. Ich möchte nicht eingesperrt werden wie ein Vogel in seinem Käfig. Außerdem würde es keinen Unterschied machen, falls es zum Schlimmsten kommt. Von hier aus kann ich die Ereignisse besser beobachten.«

»Bitte, Mylady, hört auf mich! Womöglich stürzt ein Segel auf Euch herab. Oder Ihr erleidet einen Unfall, wenn wir unsere Geschütze abfeuern ...«

»Soll ich in meiner Kabine warten, bis mich dieses schurkische Hinkebein niedermetzelt?«

Für einen Augenblick glaubte er, es wäre eine barmherzige Tat, wenn er Lady Roses Brust mit seinem eigenen Schwert durchbohrte. Andererseits würde sie gewiß am Leben bleiben, sollte tatsächlich der Drachentöter das Piratenschiff kommandieren. Noch nie hatte er seine Gefangenen getötet.

Aber was ihr bevorstehen mochte ... Niemens wagte nicht, sich das auszumalen. Ihr Vater zählte zu den reichsten Männern in den Kolonien. Das mußte der Drachentöter wissen, und deshalb griff er die Lady May an. Ein englisches Schiff.

»Kapitän Niemens«, sagte Rose leise, »ich brauche ein Schwert ...«

»Noch einmal Feuer!« befahl er seinem Ersten Maat, einem dürren Burschen mit dem Gesicht eines Totengräbers. Dann packte er Roses Arm, zog sie vom Rudergehäuse weg und die Kajüttreppe hinab. Unter Deck schob er sie in seine Kabine, einen großen Raum, über dem sich das Steuer befand.

Empört starrte sie ihn an. »Kapitän! Hier kann ich nicht bleiben, hilflos ausgeliefert!«

»Bitte, Mylady! Ich flehe Euch an, bei Eurer Ehre!«

Zum Teufel mit ihm, dachte Rose. Er schloß sie nicht ein, schaute sie nur mit seinen großen braunen Hundeaugen an und vertraute auf ihre Ehre. Verstand er denn nicht, was in ihr vorging? Sicher, wenn es zu einem Gefecht kam, würde er für sie sterben. Aber warum durfte sie sich nicht verteidigen? Sie erinnerte sich an eine Zeit, wo sie den Tod herbeigesehnt hatte. So qualvoll war der Schmerz gewesen. Doch dann hatte sie erkannt, wieviel sie besaß, wofür es sich zu leben lohnte. Und jetzt mußte sie überleben. »Kapitän!«

Er schloß die Tür, und sie hörte, wie sich seine Schritte hastig entfernten. Wieder krachte eine Explosion, die das ganze Schiff erschütterte. Der zweite Schuß hätte beinahe das Ziel getroffen. Rose taumelte und hielt sich an Niemens' Schreibtisch fest, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden.

Dann tastete sie sich zur Bank mit dem Brokatbezug und setzte sich. Ihr Atem stockte, als sie durch ein Fenster beobachtete, wie schnell das Piratenschiff heransegelte. Nun sah sie die Flagge ganz deutlich, auch die Galionsfigur, den nackten Oberkörper einer Frau, über deren Brüsten lange Locken hingen. Diese schöne Gestalt bildete einen seltsamen Gegensatz zur häßlichen Grimasse des Totenschädels auf der Fahne.

Rose versuchte, die Kampfkraft des Piratenschiffs einzuschätzen. Steuer- und Backbords war es gut bestückt. Sie zählte je zehn Kanonen, und ihr Mut begann zu sinken. Über ihr polterten Schritte auf den Deckplanken, ein Befehl erklang. »Feuer!« Die Lady May schien Luft zu holen und zu erbeben, während ein Schuß abgegeben wurde, der keine Wirkung zeigte. Unaufhaltsam näherte sich das Piratenschiff.

Hier kann ich nicht bleiben, sagte sich Rose. Aber wagte sie zu kämpfen? Sie mußte nach Hause zurückkehren ...

Plötzlich schrie sie auf. Die Galionsfigur drohte das Fenster der Kapitänskajüte zu durchstoßen. Als Rose aufsprang, um vor der Gefahr zu fliehen, drehte das Schiff und rammte die Lady May seitwärts, durch die ein gewaltiger Ruck ging.

Rose wurde auf den Schreibtisch geworfen, dann nach links, wo sie auf das kunstvoll geschnitzte, zwischen Regalen festgemachte Bett flog.

Stählerne, knirschende Geräusche drangen in die Kabine, und sie erkannte, daß das Schiff mit Enterhaken attackiert wurde. Piraten stürmten an Bord, und sie erhob sich bestürzt auf die Knie. Eine wilde Bö schleuderte die Lady May gegen das feindliche Schiff, und Rose fiel aufs Bett zurück, in einem Durcheinander aus Unterröcken, Baumwolle, Samt und Seide.

An Deck erklang wütendes Gebrüll, Metall klirrte. Bald würden Leichen die Planken übersäen. Inständig hoffte sie auf Gaylord Niemens' Sieg. Doch der ehrenwerte, würdevolle Mann, ein guter Freund und tüchtiger Seefahrer, war diesen wilden Piraten wohl kaum gewachsen. Schaudernd stellte sie sich das Schicksal vor, das ihren Kapitän erwartete.

So schnell, wie der Lärm begonnen hatte, verhallte er. Der Kampf fand ein jähes Ende, die ganze Welt schien zu schweigen. Wieder auf den Knien, lauschte Rose angespannt.

Die Kabinentür öffnete sich. Nein, Kapitän Niemens war tatsächlich nicht der Sieger. Der stand nun auf der Schwelle. Der Drachentöter. Nur undeutlich sah sie die dunkle Gestalt, eine große Silhouette vor dem schwachen Lichtschein hinter der Tür. Eine Hand hatte der Pirat in die Hüfte gestemmt, die andere umklammerte ein Schwert. Das Hemd mit den weiten Ärmeln war pechschwarz, ebenso wie die enge Kniehose und die hohen Stiefel. Obwohl ein breitrandiger Hut mit einer weißen Feder das Gesicht überschattete, bemerkte Rose die schwarze Augenklappe.

Er glich einem Henker, und dieser Gedanke jagte ihr kalte Angst ein. Doch sie beschloß zu kämpfen, zu überleben. Reglos starrte er sie an. Was mochte er denken? Die Stille verdichtete sich. Plötzlich bewegte eine Brise die weiße Feder, das dunkle Haar des Piraten. Zögernd stand Rose auf. Da entdeckte sie den glänzenden, scharf geschliffenen Brieföffner auf dem Schreibtisch des Kapitäns. In ihrer Verzweiflung stürzte sie sich darauf, ohne zu überlegen, daß die schmale Klinge nichts gegen das lange Schwert ihres Feindes ausrichten konnte. Irgendwie mußte sie sich verteidigen.

Sie packte den Brieföffner, und im selben Augenblick betrat der Pirat die Kabine. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloß. »Ich töte Euch!« warnte Rose. »Rührt mich nicht an! Ihr werdet ein beträchtliches Lösegeld erhalten, wenn Ihr ...« Erschrocken verstummte sie, als er näher kam und das Schwert hob. Die Stahlspitze hakte sich in die Verschnürung des grünen Kleides und durchschnitt sie blitzschnell.

Samt, Baumwolle und Spitze glitten auseinander, und Rose wich zurück. Mit einer Hand hielt sie ihre Kleidung über der Brust zusammen, mit der anderen schwang sie den Brieföffner. »Ich töte Euch!« wiederholte sie und warf den Kopf in den Nacken. »Habt Ihr nicht gehört? Mein Vater wird Euch ein Vermögen bezahlen, wenn ich wohlbehalten heimkehre. Wißt Ihr, wer ich bin? Seid Ihr taub? Versteht Ihr nicht Englisch?«

Die kleine Klinge gezückt, sprang sie vor und versuchte, das Herz des Piraten zu durchbohren, aber er war schneller und verdrehte schmerzhaft ihr Handgelenk. Der Brieföffner landete am Boden, und ihr Feind beförderte ihn mit einem Fußtritt ans andere Ende der Kabine, dann stieß er Rose von sich.

Hastig schaute sie sich nach einer anderen Waffe um. Auf dem Schreibtisch lag das Logbuch des Kapitäns, und sie ergriff es, um es dem Piraten an den Kopf zu schleudern. Doch er duckte sich, und das Wurfgeschoß verfehlte sein Ziel, ebenso wie die vollen Flaschen, die ihm folgten. Karibischer Rum, guter frischer Whisky und Roggenwhiskey aus den Kolonien flossen über die Planken.

Nach jedem erfolglosen Angriff kam der Pirat einen Schritt näher. Schließlich zerrte Rose eine Schublade aus dem Schreibtisch und wollte sie hochschwingen, doch da berührte die Schwertspitze ihren Hals, und sie sah ein überschattetes Auge unter der Hutkrempe sonderbar glänzen. »Tötet mich doch, elender Schurke!« schrie sie.

Jetzt begann er endlich zu sprechen, in akzentfreiem Englisch. »Glaubt mir, Madam, ich weiß, wer Ihr seid. Ihr wollt Euch also mit DeFortes Geld freikaufen? Das wird Euch nicht gelingen.« Die Klinge drängte Rose zum Bett, und sie sank darauf.

Diese Stimme ... Roses Herz schlug wie rasend. Nein, unmöglich. Er senkte das Schwert, riß sich die schwarze Augenklappe vom Gesicht und warf sie aufs Fußende des Betts.

Ja, er war es tatsächlich. Dichtes, lockiges kohlschwarzes Haar umrahmte ein markantes Gesicht mit silbergrauen Augen unter schöngeschwungenen Brauen. Die hohen, stark ausgeprägten Wangenknochen, die pfeilgerade Nase, die vollen Lippen, die sich so grimmig und gnadenlos zusammenpressen konnten – und so verdammt sinnlich wirkten ...

Früher war er der Wunschtraum aller junger Frauen in London gewesen, ein Freund und treuer Anhänger des Königs, reich und mächtig, ein Held zahlreicher Schlachten, in Friedenszeiten stets zu fröhlichem Gelächter bereit. Gerecht, großzügig und klug, wie man behauptet hatte. Doch das wußte Rose nicht aus eigener Erfahrung, weil von Anfang an eine schicksalhafte Feindschaft zwischen ihnen gestanden hatte.

Spöttisch verneigte er sich und nahm den Hut ab. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen, Rose.«

Allerdings. Einen Mann, den sie für tot gehalten, der ihr zuvor alles beigebracht hatte, was sie über Leidenschaft, Sehnsucht, Kummer – und Liebe wußte. Jetzt stand er lebend vor ihr, und für einen Augenblick empfand sie heiße Freude. Ja, sie hatte ihn liebengelernt und angesichts der Todesnachricht geglaubt, ein Teil von ihr müßte sterben. Beinahe wäre sie aufgesprungen, um jubelnd an seine Brust zu sinken ...

Nein, es war offensichtlich. Er kannte die Wahrheit nicht, mißtraute ihr wie eh und je. Nach so langer Zeit verdammte er sie immer noch. Niemals würde sie ihn wissen lassen, wie sehr sie ihn liebte. Entschlossen hob sie das Kinn. »Ja, ein Geist aus den Tiefen der Hölle.«

»In der Tat«, bestätigte er leise. »Und du wirst noch merken, daß du einen Dämon heraufbeschworen hast.«

Sie versuchte, den Zorn in seiner Stimme zu überhören. Nach allem, was geschehen war, stürmten jetzt neue Qualen auf sie ein. Viel zu lebhaft erinnerte sie sich an sein Flüstern an ihrer nackten Haut, die Berührung seiner kraftvollen Hände, die Hitze seines Körpers, den süßen Zauber in seinen Armen.

Nein, sie wäre verrückt, wenn sie ihren Stolz und ihre Würde vergessen und sich an seinen Hals werfen würde. »Ich dachte, du wärst tot.«

»Tut mir leid, daß ich dich enttäuschen muß.«

»Aber – der Drachentöter ...«

»Man glaubte tatsächlich, der Tod hätte mich ereilt, meine Liebe.« Dieses letzte Wort war keineswegs als Kosename gemeint. »Aber das Glück stand auf meiner Seite. Ein Spanier, der ein Hühnchen mit den Engländern zu rupfen hatte, las mich auf und holte mich an Bord seines Schiffes. Tag und Nacht wurde ich geschlagen und gepeinigt. Auf diese Weise wollte man mir ewige Dankbarkeit für meine Rettung einbleuen ...« Er schwieg eine Weile, dann fügte er bitter hinzu: »Sobald ich mich des Kapitäns entledigt und meine Freiheit wiedergewonnen hatte, verschrieb ich mich der Piraterie, um die Spanier auszurauben.«

Er war also grausam gefoltert worden. Schmerzhaft krampfte sich ihr Herz zusammen, doch sie ließ sich nichts anmerken. »Dies ist ein englisches Schiff«, erinnerte sie ihn.

»O ja, ich weiß.« Er neigte sich herab, auf das geschnitzte Fußteil des Betts gestützt, und der Arm an Roses Seite erschien ihr wie der Stahlriegel einer Gefängnistür. »Aber ich habe erfahren, daß du an Bord bist.« Seine Silberaugen jagten ihr heiße Schauer über den Rücken, erweckten ihren Körper zu neuem Leben. »Außerdem gehört das Schiff mir.«

»Was willst du?« fragte sie und versuchte, in möglichst kühlem Ton zu sprechen.

»Was ich will?« Er richtete sich auf, seine Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln, und plötzlich berührte, die Schwertspitze wieder Roses Hals.

Sie zwang sich, reglos sitzen zu bleiben. »Ja. Was willst du?«

Geschickt zerschnitt er, was vom Oberteil ihres Kleids übriggeblieben war. Sie biß die Zähne zusammen, schreckte aber nicht vor ihm zurück. »Was sich jeder gute Pirat wünscht«, erwiderte er. »Reiche Beute. Schiffe mitsamt ihrer Fracht und Geiseln. Und – Rache.«

Nun schwebte die Klinge direkt über ihrem Kopf. Wütend schob sie das Schwert beiseite, und er ließ es lächelnd sinken.

»Du bist ein Narr, Pierce DeForte!« fauchte sie. »Die Leute, die dich verraten haben, sind immer noch in England. Wärst du nur ein bißchen klüger, wüßtest du, daß ich unschuldig ...«

»Einmal habe ich an deine Unschuld geglaubt«, unterbrach er sie. »Diese Dummheit mußte ich jedoch bitter büßen.«

»Du willst die Wahrheit einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Aber obwohl du so ein Schwachkopf bist, werde ich dein Geheimnis nicht preisgeben und niemandem erzählen, wer du bist.«

»Wie großmütig!«

»Laß mich zu meinem Vater zurückkehren und ...«

»Hast du den Verstand verloren?«

»Er wird dich gut bezahlen. Und du sagtest doch soeben, du würdest großen Wert auf reiche Beute legen.«

»Und auf meine Rache. Die erscheint mir noch viel süßer.«

Rache – an ihr! Empört sprang sie auf. Am liebsten hätte sie in sein triumphierendes Gesicht geschlagen. Welch einen schweren Fehler er beging! Stets hatte er sie falsch beurteilt. »Laß mich gehen!« schrie sie. »Du hast kein Recht ...«

»Doch!« Er zog sie an sich, und zum erstenmal seit einer halben Ewigkeit spürte sie wieder seinen muskulösen, schlanken Körper, seine Stärke, die sie in ihren Träumen erwärmt hatte, sein mühsam beherrschtes Temperament. Erfolglos versuchte sie, sich loszureißen. »Du warst schon immer eigensinnig«, fügte er hinzu. »Aber diesmal wird dir deine Willenskraft nichts nützen. Vielleicht schenke ich dir irgendwann deine Freiheit – wenn ich meiner Rache müde bin. Und keinesfalls, um Lösegeld zu erbeuten.«

»Bastard!« zischte sie.

»Ganz recht, Rose. Dieser Bastard wird dich so behandeln, wie es dir gebührt. Und ich werde nach England zurückkehren, um auch die anderen zur Rechenschaft zu ziehen. Das verspreche ich dir.«

»Bist du wahnsinnig? Du kannst nicht nach England zurückkehren. Man wird dich hängen.«

»Was macht es schon für einen Unterschied, ob ich wegen eines Mordes, den ich nicht verübt habe, am Galgen baumle oder ob ich als Pirat getötet werde? Und glaub mir, meine Rache ist mir jedes Wagnis wert. Es gab Zeiten, wo mich nur der Gedanke an meine Rache am Leben erhielt. Aber vorerst muß sie noch warten. Ich habe andere Geschäfte zu erledigen. Keine Bange, Rose, ich komme zurück.« Mit langen Schritten ging er zur Tür.

»Elender Schuft!« rief sie ihm nach. »Du hast kein Recht, mich festzuhalten ...«

Sofort kehrte er zu ihr zurück und packte sie, ließ sie aufs Bett fallen und warf sich über sie. Verzweifelt wand sie sich umher und versuchte, nach ihm zu schlagen. Aber er umklammerte ihr Handgelenk. »Reiz mich nicht zu sehr, Rose!«

Sie bekämpfte ihre brennenden Tränen und das Bedürfnis, sich zu unterwerfen. Oh, seine Nähe wieder zu spüren! Wie viele Nächte hatte sie wach gelegen und unter ihrem schmerzlichen Verlust gelitten ... Krampfhaft schluckte sie und wappnete sich. Sie würde nicht nachgeben – nicht wenn er diese Bitterkeit in seinem Herzen trug und sie so verachtete. Nicht, wenn er es war, der ihren Groll verdiente. »Verdammt, du hast kein Recht ...«, wiederholte sie.

»Da täuschst du dich!« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kenne meine Rechte.« Wütend starrte er sie an, dann strichen seine Finger erstaunlich sanft über ihre Wange, ehe er die Hand ballte. »Oder hast du vergessen, daß du meine Frau bist?«

»Wie könnte ich?«

»Aber du dachtest wohl, du wärst eine steinreiche Witwe. Tut mir leid, Liebste, ich bin noch am Leben.«

»Narr!« wisperte sie. »Bastard!«

»Und immer noch dein Ehemann.« Fluchend stand er auf und kehrte ihr den Rücken, die breiten Schultern sichtlich angespannt. Eine Zeitlang blieb er unbewegt stehen, dann eilte er zur Tür, riß sie auf und warf sie hinter sich zu. Unglücklich drehte sie sich zur Seite. Ja, sie war seine Frau. Und von Anfang an hatte sie ihn gehaßt. Und geliebt ...

Entschlossen stand sie auf. Irgendwie mußte ihr die Flucht gelingen. Sie lief zur Tür und warf sich vergeblich dagegen, denn er hatte von außen den Riegel vorgeschoben. »Oh, ich hasse dich!« schluchzte sie und hämmerte gegen das Holz. Könnte sie doch ein Messer in Pierce DeFortes Herz stoßen ...

Großer Gott, er lebte, wirklich und wahrhaftig. Plötzlich stieg ein heißes Glücksgefühl in ihr auf. Es war so unglaublich, so wundervoll. Und nun wollte er Rache an ihr üben. Bald würde er zurückkommen. Und bis dahin blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten, zu beten – und sich zu erinnern.

TEIL ITräumer

1

Noch oft sollte Lord Pierce DeForte an seine erste Begegnung mit Mistress Rose Woodbine zurückdenken, der bürgerlichen, aber schwerreichen Tochter des Kolonialwarenhändlers Ashcroft Woodbine. Alle waren sie dabei, Anne und die Leute, die ihn verraten würden. An jenem Tag fing es an ...

Wie ihm mehrere Freunde zugetragen hatten, betrachtete Ashcroft ihn als idealen Schwiegersohn. In London hielten ihn alle Eltern heiratsfähiger Töchter für die beste Partie des Jahrzehnts. Darüber dachte er kaum nach, und er bildete sich auch nichts darauf ein. Es amüsierte ihn höchstens, denn vor nicht allzulanger Zeit hatte man den alten normannischen Namen DeForte verachtet – nicht nur in London, sondern in ganz England.

Erst 1649 war der Vater des jetzigen Königs erstaunlich würdevoll aufs Schafott gestiegen und enthauptet worden.

Trotz der gefährlichen Zeiten hatten die DeFortes dem Haus Stuart fast blindlings die Treue gehalten. Mit fünfzehn Jahren lernte Pierce sein Schwert im Kampf gegen Cromwells Truppen zu erproben, an der Seite seines guten Freundes, des jungen Prinzen Charles.

Nicht einmal, nachdem Pierces Vater im Bürgerkrieg sein Leben für die Stuarts geopfert hatte, schwankte der Sohn in seiner Gesinnung, folgte dem Prinzen nach Schottland und trat entschlossen für ihn ein. Er erlebte Charles' Krönung mit, dann ging er mit dem Monarchen ohne Land ins Exil, während Oliver Cromwell mit eiserner Faust über England regierte.

Alles hatte Pierce für den Freund aufs Spiel gesetzt, Adelstitel und Ländereien, Leib und Seele. Dafür erntete er nun reichen Lohn. 1660 wurde Charles, nach der Abdankung von Cromwells schwächlichem Sohn Richard, auf den englischen Thron berufen. Und er vergaß die Männer nicht, die ihn verteidigt hatten.

Am Hof herrschten etwas lockere Sitten nach französischem Vorbild. Charles liebte das Theater, die Musik, die Malerei – und schöne Frauen. Und die Frauen liebten ihn. Manche strengen Väter und angstvollen Mütter sorgten sich um ihre Töchter. Aber nach Cromwells puritanischer Herrschaft waren die meisten Leute bereit, den Mantel der Ehrbarkeit abzuwerfen und die Lebensfreude des hübschen, populären jungen Königs zu teilen.

Als einer seiner besten, treuesten Freunde genoß Pierce einen Teil der Bewunderung, die dem Monarchen galt. Er war überaus attraktiv und sehr reich, denn Charles hatte ihm nicht nur die von Cromwell enteigneten Ländereien zurückgegeben, sondern auch noch neue übertragen. Also stellte er tatsächlich eine gute Partie dar.

Ashcroft Woodbine war ein Emporkömmling. Das störte Pierce nicht. Er schätzte den Bürgerlichen, der den jungen Stuart im Exil jenseits des Atlantik unterstützt hatte, während dieser in seinem eigenen Land nicht als König Charles II. anerkannt worden war. Oft schickte Woodbine dringend benötigte Geschenke – Waffen, Rüstungen, einmal sogar eine kleine Flotte. Schon in früher Kindheit verwaist, war er später dem Armenhaus entflohen, um sich im Frachtraum eines Schiffs zu verstecken und nach Amerika zu fahren. Dort hatte er auf einigen Plantagen gearbeitet und Land gekauft. Seine Ernte gedieh prächtig, seinem ausgeprägten Geschäftssinn verdankte er den raschen Aufstieg zum Baumwoll- und Tabakkönig. Immer wieder führten ihn seine Handelsreisen nach England. Dort heiratete er Lord Justin Renaults Tochter. Trotz der Hinrichtung dieses alten Royalisten war es Woodbine gelungen, seiner Frau eine angesehene gesellschaftliche Stellung zu verschaffen. Ein Lord als Schwiegersohn, das war allerdings ein etwas hochgestecktes Ziel, aber ...

Immerhin respektierte Pierce den Mann. Und dessen Tochter, Mistress Rose, hätte zumindest seine Neugier erregt, wäre er nicht schon gebunden gewesen. Nach der jahrelangen Wanderschaft hatte er sich endlich entschlossen zu heiraten, und zwar Lady Anne Winter.

Nach seiner Ansicht paßten sie gut zusammen.

Anne war schön, bestens situiert, temperamentvoll und wortgewandt. Schon seit einiger Zeit erfreuten sie sich einer intimen Beziehung, und er hätte sie eigentlich längst vor den Traualtar führen müssen. Er wußte nicht recht, warum er so lange gezögert hatte. Vielleicht lag es am langjährigen unsteten Leben im Exil. Deswegen konnte er sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, seßhaft zu werden.

Aber nun stand sein Entschluß fest, und es erschien ihm sinnlos, Woodbines Tochter kennenzulernen.

Doch dann trafen sie sich in Hampton, wo Charles gerade hof hielt und eine Jagd arrangierte. Pierce kam mit einiger Verspätung an. In London war er von Schiffahrtsgeschäften aufgehalten worden und dann auf einer Barkasse die Themse herabgefahren. Nach seiner Rückkehr in die Heimat hatte er eine Flotte gekauft, die aus sechs Schiffen bestand.

Am Ziel angelangt, eilte er zu den Stallungen, um zu sehen, ob Beowulf gesattelt war. Der fünfzehnjährige erstklassige Araberhengst hatte ihn auf vielen Abenteuern begleitet. Hastig stieg Pierce auf, ließ sich von einem Reitknecht erklären, welche Richtung die königliche Jagdgesellschaft eingeschlagen hatte und galoppierte hinterher.

Ein wolkenloser Himmel wölbte sich über dem herbstlichen Wald, den Pierce durchquerte, und ein angenehmer Wind kühlte ihm die Wangen. Plötzlich ritt jemand aus dem Gebüsch am Wegrand, fast direkt vor Beowulfs Hufe.

Blitzschnell versuchte er, den Araber zu zügeln, doch ein Zusammenprall ließ sich nicht vermeiden. Der Hengst bäumte sich wiehernd auf, der Sattelgurt riß, und Pierce rutschte nach unten. Um nicht zertrampelt zu werden, klammerte er sich fest, dann warf er sich seitwärts zu Boden und rollte davon. Blätter und winzige Zweige verfingen sich in seinem Haar und der Kleidung, feuchte Kälte drang ihm bis auf die Haut, und er merkte, daß er in einen plätschernden Bach gefallen war. Ärgerlich schnappte er nach Luft. Während seiner zahlreichen Schlachten war er stets auf dem Pferderücken geblieben. Und nun hatte ihn ein rücksichtsloser Reiter im königlichen Forst aus dem Sattel gezwungen.

Als er sich aufrichtete, sah er die Person, die seinen Unfall verursacht hatte, heranreiten und hörte eine sanfte, etwas arrogante Mädchenstimme. »Könnt Ihr Euch bewegen, Sir? Soll ich den Hofarzt rufen?«

Natürlich konnte er sich bewegen! Sah er vielleicht wie ein tölpelhafter Greis aus? Die Knie angezogen, saß er im seichten Bach, biß die Zähne zusammen und schüttelte das Wasser aus seinem Hut.

Seine mißliche Lage schien die Reiterin nicht im mindesten zu stören. Ruhig und selbstsicher saß sie im Sattel. Ihr kastanienrotes Haar, im Nacken zu einem geflochtenen Knoten gesteckt, zeigte unter dem dunklen Baldachin des Walds an manchen Stellen goldene Lichter. Ein paar zarte, lockige Strähnchen umrahmten ein Gesicht von vollkommener Schönheit, das Pierce in einen seltsamen Bann zog – elfenbeinweiß und makellos, mit rosigen Wangen, einer geraden kleinen Nase, vollen Lippen und leuchtenden Smaragdaugen. In dunkelgrünem Samt, auf einer pechschwarzen Stute, glich die junge Frau einer Waldnymphe, überirdisch und hinreißend – und völlig unbefangen, obwohl sie die Schuld an dem Unfall trug.

Aber Rose Woodbine war nach ihrem überstürzten Ritt nicht ganz so gelassen, wie sie sich gab. Auch sie kam verspätet zur Jagd, denn sie hatte im Zimmer der Hofdamen getrödelt, die angeregten Gespräche über Charles' Heldentaten nicht beachtet und von ihrer Heimat geträumt. Sie mochte das Königspaar und genoß das höfische Leben, aber sie sehnte sich nach Virginia. So lange war sie nicht mehr dort gewesen. Sie wollte endlich wieder über die Hügel reiten, am Flußufer im Gras liegen, die schwüle Brise warmer Sommernächte spüren.

Nun mußte sie auf die erhoffte Heimreise verzichten. Letzte Woche hatte sie in ihrer Schule außerhalb Londons eine Nachricht ihres Vaters erhalten, den Befehl, den Hof aufzusuchen. Nur zu gut wußte sie, was er von ihr wollte. »Ich kam aus dem Nichts!« hatte er ihr einmal in seinem schönen Kolonialhaus erklärt. »Und ich habe mir die Finger wund gearbeitet. Das alles wäre vergeblich gewesen, hätte ich nicht deine wunderbare Mutter kennengelernt.«

Rose erinnerte sich nicht allzu deutlich an ihre schöne, sanftmütige Mutter, die nach grünen Wiesen und Blumen geduftet hatte. Bei ihrem Versuch, Ashcroft einen Sohn zu schenken, war sie gestorben, kurz nach dem fünften Geburtstag ihrer Tochter.

Mochte Ashcroft seine Ehe auch aus gesellschaftspolitischen Gründen eingegangen sein – er hatte seine Frau vergöttert, nach ihrem Tod kein zweites Mal geheiratet und die Hoffnung auf einen Sohn begraben. Um so beharrlicher verfolgte er nun das Ziel, seiner Tochter eine Position in Adelskreisen zu verschaffen.

Rose hörte sich seine Tiraden schweigend an und tat, was ihr beliebte. Nicht, daß sie ihm unverhohlen den Gehorsam verweigerte, aber sie würde auf keinen Fall seinen Wunsch erfüllen und irgendeinen hochnäsigen Aristokraten heiraten. Eine Zeitlang wollte sie am höfischen Leben teilnehmen und dann nach Hause fahren. Glücklicherweise war der Lord, den ihr Vater ins Auge gefaßt hatte, mit Lady Anne Winter so gut wie verlobt, einer schönen, geistreichen, wohlhabenden und kultivierten Dame. Und DeForte würde sich wohl kaum für eine andere Braut entscheiden. Sobald er seine Heiratspläne bekanntgegeben hatte, konnte Rose nach Hause segeln. Auf einem Woodbine-Schiff. Ihr Vater besaß eine große Handelsflotte. Und in Virginia würde sie beweisen, daß sie das Schiffahrtsunternehmen genausogut zu führen vermochte wie ein Mann.

Doch nun drohten ihre Pläne zu scheitern. Ihr Vater hatte einem alten Freund geschrieben und ihn gebeten, die Rolle ihres Vormunds zu übernehmen, solange sie sich in England aufhielt.

Während Ashcrofts Brief den Atlantik überquert hatte, war Lord Bryant gestorben. Nun würde sein Sohn Jamison, den sie ziemlich widerwärtig fand, die Pflichten des Vaters erfüllen. Ein erschreckender Gedanke ... Wegen dieser Überlegungen hatte sie sich verspätet, war hastig in den Sattel ihrer schönen schwarzen Stute Genie gestiegen und wie der Wind durch den Wald gerast. Vielleicht hätte sie etwas besser aufpassen müssen. Doch das konnte sie genausogut diesem arroganten Kerl vorwerfen. Herausfordernd starrte sie auf ihn hinab. »Sir, wenn Ihr verletzt seid ...«

»Es geht mir ausgezeichnet, verdammt!« stieß Pierce DeForte hervor. »Was ich keineswegs Euch zu verdanken habe, Mädchen!«

Pikiert runzelte sie die Stirn. »Wie ich bereits sagte, ich hole gern den Hofarzt ...«

»Ich brauche keinen Arzt.«

Anmutig schwang sie sich vom Rücken ihrer Stute und schnitt eine Grimasse, als ihre Füße das schlammige Erdreich berührten. Sie raffte die Röcke und trat ans Ufer. »Falls Ihr nicht aufstehen könnt ...«

»Wollt Ihr mich aus dem Wasser ziehen?« erkundigte er sich sarkastisch.

»Ich könnte jemanden herschicken ...«

»Mädchen, Ihr könntet lernen, wie man sich höflich und vernünftig benimmt – und wie man reitet.«

»Sir, ich möchte nicht prahlen, aber ich bin eine ausgezeichnete Reiterin.«

»Was Ihr nicht sagt ...«

»Seit meiner frühesten Jugend reite ich regelmäßig aus. Und Ihr habt nicht den geringsten Grund, an meinen Fähigkeiten zu zweifeln. Wenn Ihr außerstande seid, Euer Pferd zu kontrollieren ...«

»Mein liebes Kind! Ich tat mein Bestes, um Euch und Eure Stute vor Schaden zu bewahren!«

»Ich bin kein Kind!« protestierte sie. »Und wie Euch nicht entgangen sein dürfte, blieb ich im Sattel, im Gegensatz zu Euch, Sir.«

Pierces Augen verengten sich. »Soeben erklärte ich ...«

»Ja, eine sehr gute Ausrede«, unterbrach sie ihn honigsüß.

»Sie reiten so unvorsichtig wie eine Zweijährige!« rief er erbost, dann stöhnte er, als er sein Gewicht verlagerte, und ein spitzer Stein in seine Kehrseite stach. Das Mädchen kam noch etwas näher, immer noch bemüht, die zierlichen Stiefel und die Rocksäume vom Wasser fernzuhalten.

»Hört mal, ich wollte Euch nichts zuleide tun«, versicherte sie ungeduldig. »Obwohl Ihr ein arroganter Narr seid.«

»Hütet Eure Zunge!« warnte er.

»Soll ich Euch helfen?«

Grinsend entblößte er seine strahlend weißen Zähne und streckte ihr eine Hand entgegen. »Wenn Ihr mich erreichen könnt ...«

Etwas widerwillig beugte sie sich vor und versuchte, seine Hand zu ergreifen.

Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen. König Charles war für seine Ritterlichkeit berühmt, und er erwartete auch von seinen Höflingen ein entsprechendes Benehmen. Aber irgend etwas an dieser eleganten, unverschämten kleinen Person veranlaßte Pierce, seine gewohnten Manieren zu vergessen. Sein Lächeln vertiefte sich, als ihre hellgrün behandschuhten Finger ihn berührten, dann packte er mit aller Kraft zu und zerrte an ihrer Hand.

Kreischend landete sie auf ihm, und er unterdrückte nur mühsam seinen Lachreiz. »O Gott, wie ungeschickt ich bin!« murmelte er, während sie wütend mit ihren nassen Röcken kämpfte. Er spürte das heftige Gestrampel ihrer langen Beine, die weichen, vollen Brüste über den Korsettstangen, atmete süßen Blütenduft ein.

Für einen viel zu langen Augenblick faszinierte ihn die natürliche Sinnlichkeit der schönen Unbekannten, und er überlegte, ob die Unschuld in den smaragdgrünen Augen echt war. Die starke Wirkung, die sie auf ihn ausübte, erstaunte und ärgerte ihn. Du Narr, sagte er sich. Bald wirst du eine wunderbare Frau heiraten, die dich liebt und in deinen Nächten keine Wünsche offenläßt. Trotzdem weckte dieses Mädchen ein heißes Verlangen, wie er es nie zuvor empfunden hatte. Entschlossen biß er die Zähne zusammen, um seine Gefühle zu verdrängen.

»Oh, was für ein Tölpel Ihr seid!« schimpfte sie, riß ihn aus seiner seltsamen Trance und versuchte, sich aufzurichten.

Eisern hielt er ihre Handgelenke fest. »Oh, es tut mir ja so leid! Selbstverständlich ist es nicht meine Schuld, daß Ihr aus dem Gleichgewicht geraten seid. Aber ich will Euch helfen.« Während er scheinbar versuchte, sich zu erheben, schob er sie blitzschnell zur Seite. Nun lag sie rücklings im Wasser, die Wellen trugen ihren gefiederten Hut davon, die Haarnadeln lösten sich aus den nassen kastanienroten Locken.

»Wie könnt Ihr es wagen!« schrie sie und wollte nach ihm schlagen, doch er kam ihr zuvor, umfaßte ihre Unterarme und warf sich auf sie.

»Bedauerlicherweise bin ich ausgerutscht«, behauptete er und lächelte boshaft. »Vor Männern, die ihre Pferde nicht in der Gewalt haben, müßt Ihr Euch in acht nehmen. Man weiß nie, was sie sonst noch alles anrichten. Es tut mir ja so leid ...«

Ein grünes Feuer schien in ihren Augen zu brennen. »Gar nichts tut Euch leid! Das habt Ihr absichtlich getan!«

»Keineswegs. Ein Tölpel kann eben seine Bewegungen nicht kontrollieren, das ist alles. Erlaubt mir, es noch einmal zu versuchen ...«

»Nein!« fauchte sie. »Laßt mich los und steht auf! Wie ich sehe, habt Ihr den Unfall schadlos überstanden. Euch fehlt nichts, abgesehen von dem Schwachsinn, an dem Ihr wohl schon von Geburt an leidet. Wenn Ihr mich nun von Eurer ungehobelten Wenigkeit befreien würdet ...«

Er umklammerte ihre Arme immer noch. Ihre Finger in den hellgrünen durchnäßten Handschuhen, die sich dunkel verfärbt hatten, ballten sich zu wütenden Fäusten.

»Gewiß«, erwiderte er höflich, sprang auf und zog sie hoch. Vielleicht war er ein bißchen zu weit gegangen. Um das wieder gutzumachen, wollte er ihren Hut retten. Doch als er sie losließ, schien sie sich in eine Tigerin zu verwandeln. Sie versetzte seiner Brust einen so kraftvollen Stoß, daß er im schlammigen Bachbett ausglitt. Er schwankte nach hinten, aber ehe er stürzte, ergriff er ihren Arm und riß sie mit sich in die Wellen hinab.

Diesmal versanken sie im tieferen Wasser. Sofort tauchte Pierce wieder empor, und sein Fuß fand Halt auf einem großen Stein, der aus dem Schlamm ragte. Sein Atem stockte, denn die junge Frau war ihm entglitten, und er fürchtete, daß sie womöglich nicht schwimmen konnte.

Wieder schlug das Wasser über seinem Kopf zusammen, während er nach ihr tastete und ihre Röcke zu fassen bekam.

»Großer Gott!« prustete sie, als sie an die Oberfläche gelangten. »Wollt Ihr mich ertränken?«

»Ertränken! Ich habe mir nur gestattet, Euch das Leben zu retten!«

»Mir? Ich reite sehr viel besser als Ihr, Sir, und ich bin mir verdammt sicher, daß ich auch besser schwimmen kann ...«

»Und besser fluchen?«

Zornesröte färbte ihre Wangen, was die Leuchtkraft ihrer grünen Augen noch verstärkte. »Oh!« zischte sie, verschwand wieder im Wasser, und als sie auftauchte, schleuderte sie ihm Schlamm ins Gesicht.

»Zur Hölle mit Euch!« schrie er, besessen von dem absurden Entschluß, diesen Kampf, so kindisch er auch sein mochte, nicht zu verlieren. »Freches kleines Balg!« Was er plante, wußte er nicht genau, aber er tauchte blitzschnell unter, um den Schlamm abzuspülen. Dann sprang er hoch, in der Absicht, seine Gegnerin zu packen.

Erschrocken kreischte sie und versuchte, das Ufer zu erreichen, wurde aber von ihren schweren Röcken behindert. Seine Arme umschlangen ihre Taille. Verbissen zerrte sie an seinen Fingern. »Laßt mich los! Augenblicklich!«

»Ihr bewerft mich mit Schlamm und fordert Eure Freiheit? Wenn Ihr Euch wie ein Kind aufführt, sollt Ihr entsprechend dafür büßen ...«

»Solltet Ihr tatsächlich wagen, Euch an mir zu vergreifen, wird es Euch noch leid tun! Verrückter Flegel! Wartet nur, bis der König das erfährt! Dann werdet Ihr in Ö1 sieden, am Galgen baumeln ...«

»Ich! Impertinentes kleines Biest!« Den einen Arm immer noch um ihre Taille gelegt, zog er sie mit sich durchs Wasser. »Wenn der König das erfährt, kleine Hexe ...«

Verwirrt unterbrach er sich, als er lautes Gelächter vernahm.

Er brauchte Charles nicht zu informieren, denn Seine Majestät war zum Bach geritten, begleitet von Lady Anne. »Der König ist zur Stelle, meine Freunde! Und nun wollen wir unsere Neugier befriedigen und uns in allen Einzelheiten schildern lassen, was hier geschehen ist, nicht wahr, Lady Anne?«

2

In purpurnen Kniehosen und einem weinroten Wams über einem weißen Rüschenhemd saß Charles auf seinem königlichen Pferd, die dunklen Brauen hochgezogen. Seine braunen Augen funkelten belustigt, und auch Pierce hätte sich amüsiert, wäre er nur vom König ertappt worden.

Aber Charles wurde von Lady Anne begleitet. Ein Reitkleid aus fliederfarbenem Samt betonte ihre goldblonde Schönheit. Bestürzt musterte sie das Mädchen in Pierces Arm, und er seufzte verlegen. Wie sollte er ihr erklären, daß dieses jähzornige Kind eine solche Behandlung verdiente?

»Wirklich, ein faszinierender Anblick«, bemerkte Charles, zu Anne gewandt. »Ich frage mich nur, ob die beiden einander offiziell vorgestellt wurden. Rose, meine zarte kleine Blume! Ihr solltet etwas liebenswürdiger sein und es künftig unterlassen, diesen Burschen als Flegel zu bezeichnen. Er zählt zu meinen ältesten liebsten Freunden, ein Mitglied des Parlaments, Lord Pierce DeForte, Seine Gnaden, der Herzog von Werthingshire. So sehr ich es auch bedaure, ich kann ihn weder in Öl sieden noch am Galgen aufknüpfen, denn vielleicht werde ich seine Kampfkraft eines Tages wieder brauchen. Und nun zu Euch, Pierce, mein guter Junge – dieses schöne Geschöpf ist Mistress Rose Woodbine aus Virginia, ein Gast an meinem Hof. Sie hat zwar einen Vormund hier in England, aber ich fühle mich trotzdem für ihr Wohlergehen verantwortlich, ebenso wie meine Frau.« Grinsend fügte der König hinzu: »Auch ihr Vater ist mein Freund.«

Das war also Rose Woodbine! Er hätte sich's denken können. Mit einem gezwungenen Lächeln nickte Pierce ihr zu. »Miss Woodbine ...«

»Mylord DeForte ...« Es klang so, als würde sie an diesem Namen ersticken.

Angelegentlich räusperte sich der König. »Nun solltet Ihr erwägen, das Mädchen loszulassen, Pierce.«

In ihren Augen glitzerte bösartiger Triumph. Er gehorchte sofort. Natürlich sank sie wieder zum Grund des Bachs hinab.

»Pierce!« rief Anne erschrocken, während er zum Ufer watete und sie unschuldig anschaute. Hinter sich hörte er Rose plätschern. »Vielleicht kann sie nicht schwimmen!«

»Doch, das kann sie.« Inzwischen hatte er Annes Pferd erreicht und lehnte sich an die Flanke.

Prustend und keuchend tauchte Rose aus dem Wasser auf. »Bastard!«

»Sie kann sowohl reiten als auch schwimmen, Anne«, fuhr er mit erhobener Stimme fort, »und zwar viel besser als ich. Charles' lieber kleiner Gast aus den Kolonien bedarf meiner Hilfe nicht.«

»Miss Woodbine, normalerweise lassen seine Manieren nicht zu wünschen übrig«, beteuerte Anne. »Vielleicht hat er sich den Kopf an einem Stein angeschlagen.«

Gewiß legte Miss Woodbine keinen Wert auf seine Manieren. Charles war vom Pferd gestiegen und half ihr fürsorglich ans Ufer. Dieser kleine Emporkömmling fand die Aufmerksamkeiten eines Königs sicher viel interessanter als alles, was ein Herzog zu bieten hatte. Ihre Smaragdaugen schienen Pierce zu durchbohren.

»Oh, seine Manieren lassen nicht zu wünschen übrig, Mylady, sie sind überhaupt nicht vorhanden.«

Pierce seufzte mitleidig. »Meine liebe Anne, ich fürchte, diese Unverschämtheit hängt mit Miss Woodbines enger Beziehung zu den Kolonien zusammen.«

Verblüfft runzelte Anne die Stirn. Noch nie war er mit Absicht grausam gewesen. Andererseits schien es Rose gar nicht zu stören, daß ihr Zuhause am anderen Ende des Atlantik lag. »Was soll das, Pierce? Ein hübsches Kind so zu verunglimpfen! Würdest du dich bitte anständig benehmen? Du wirst noch ins Gerede kommen!«

Beschämt biß er die Zähne zusammen. Sie hatte recht. Aber sie wußte nicht, wie schrecklich einem dieses hübsche Kind auf die Nerven fallen konnte. Er schaute wieder zu Rose hinüber. Ihr üppiges nasses Haar fiel bis zu den Hüften hinab. Anne irrt sich, dachte er, sie ist kein Kind, sondern eine elegante, ungewöhnlich schöne Frau, temperamentvoll und willensstark, genau der Typ, der einem Mann große Schwierigkeiten bereiten konnte . . Trotz ihres derangierten Zustands sah sie immer noch bezaubernd aus. Und zweifellos zog sie den König in ihren Bann.

Plötzlich lächelte Pierce, und in Gedanken pflichtete er seiner Geliebten bei. Indem er mit diesem Mädchen Beleidigungen austauschte, begab er sich auf eine absurde, niedrige Ebene. »Ich glaube, ich muß die Jagd vergessen, Anne. Eurer Gnaden!« rief er Charles zu. »Wenn Ihr mich entschuldigen würdet – ich möchte zum Schloß zurückkehren und ein Bad nehmen.«

»Vielleicht sollten wir alle nach Hause reiten«, erwiderte der König, »denn ich vermute, auch meine schöne Rose hat ein Bad nötig.«

»Wie nett!« bemerkte Pierce spöttisch. »Also brechen wir gemeinsam auf.«

Sein Hohn trug ihm einen strengen Blick von Anne ein. Wenn sie sich auch gern amüsierte, so legte sie doch Wert auf gute Manieren, in allen Situationen. Rose lächelte dem König zu und ging zu ihrer Stute. Ohne auf Hilfe zu warten, stieg sie auf. »Ich brauche keine Begleitung. Majestät – Lady Anne ...«

»O nein«, protestierte Pierce, »wir müssen unserer reizenden kleinen Amerikanerin jede nur erdenkliche Höflichkeit erweisen.« Er pfiff durch die Zähne, worauf Beowulf zu ihm trottete, sprang in den Sattel und fragte sich, welche Dämonen dieses Mädchen in ihm weckte. »Reiten wir zusammen!«

Unruhig tänzelte Roses Stute, als spürte sie den Zorn ihrer Herrin. »Mylord DeForte, jede weitere Höflichkeitsbezeigung von Eurer Seite ließe mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich bin durchaus fähig, selber auf mich zu achten. Also braucht Ihr Euch nicht zu sorgen ...«

»Vielleicht sorge ich mich nicht um Euch, Mistress Woodbine, sondern um ahnungslose Reisende, die Euch in die Quere kommen könnten.« Er drückte die Knie in Beowulfs Flanken, und der große Hengst trabte davon, gefolgt von Roses Stute. Etwas langsamer ritten der König und Anne hinterher.

Bald erreichten sie den Waldrand. Auf den offenen Feldern ließ Rose ihrem Pferd die Zügel schießen und galoppierte davon. Diesen Triumph gestand Pierce ihr nicht zu. Außerdem verdiente Beowulf eine Chance, seinen Herrn und sich selbst zu rächen. Nach wenigen Augenblicken fand ein stürmisches Wettrennen über die grünen Hügel statt.

Der König beobachtete die beiden und warf Lady Anne einen verwunderten Blick zu. »Was treibt er denn?«

Statt einer Antwort zuckte sie die Achseln und biß sich auf die Lippen. Dieses Verhalten sah Pierce überhaupt nicht ähnlich. Schon längst sollten wir verheiratet sein, dachte sie. Wir lieben uns doch ...

Aber sie schätzten auch ihre Freiheit. Diese Liebesbeziehung war nicht die erste in Annes Leben und ebensowenig in seinem. Beide besaßen Vermögen, Einfluß und Lebenserfahrung, brauchten einander weder aus finanziellen noch aus gesellschaftlichen Gründen, und so hatten sie sich Zeit gelassen. Vielleicht zuviel Zeit. Plötzlich erschauerte sie und sehnte die Nacht in Pierces Armen herbei.

»Ihr zwei müßtet heiraten«, bemerkte der König, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Die beiden gehörten zu seinen treuesten Anhängern, und diese Ehe würde ihm nützen. Sein Entschluß, eine tolerante Herrschaft auszuüben, stand fest, obwohl er insgeheim seinem Vater zustimmte, der an die göttlichen Rechte des Monarchen glaubte. Doch der Kampf gegen die Parlamentarier hatte Charles I. das Leben gekostet, und die schmerzlichen Erinnerungen würden den Sohn stets verfolgen. Was immer Charles II. im Grunde seines Herzens denken mochte, er wollte in Übereinkunft mit dem Parlament regieren und sich duldsam zeigen. Aber vielleicht brauchte er irgendwann die Hilfe wohlhabender, mächtiger Freunde. Und Lady Annes Reichtum würde Pierce zusätzlich stärken. Als ihr Ehemann wäre er ein noch wertvollerer Verfechter der Krone.

»Ihr habt recht, wir sollten heiraten, Majestät«, bestätigte sie leise. Eigentlich dürfte sie keine Eifersucht empfinden, da Pierce die kleine Woodbine so schändlich behandelte. Doch sie konnte ihr Unbehagen nicht verdrängen. Irgend etwas schien zwischen den beiden zu vibrieren – etwas, das die Sonnenstrahlen erhitzte und die Luft flimmern ließ.

Ob Charles es auch bemerkte? Nein, seine Überlegungen galten ausschließlich Pierce. »Er ist ein guter Höfling und Parlamentarier, auf dessen Freundschaft ich zähle.« Dann schüttelte er lächelnd den Kopf. »Erstaunlich, nicht wahr? Da reitet der Mann, dessen Charme die gekrönten Häupter Europas so oft bewog, uns Obdach zu gewähren! Der Mann, der meinen Rücken vor Meuchelmördern schützte, einer der besten Schwertfechter, die ich kenne! Und jetzt ist er wild entschlossen, ein junges Mädchen beim Pferderennen zu schlagen.«

»Das wird ihm auch gelingen«, versicherte Anne.

»Ein Goldstück auf Miss Roses Sieg!« Seine Augen funkelten, denn er wettete für sein Leben gern.

»Oh, ich glaube, da täuscht Ihr Euch.«

»Sie kann ausgezeichnet reiten.«

»Aber er ist ein Mann, der kühn herausgefordert wurde.«

»Jedenfalls setze ich mein Geld auf das Mädchen.«

»Also gut, Majestät«, stimmte Anne lachend zu, »ich stimme dagegen.« Sie spornte ihr Pferd an, und sprengte belustigt hinterher.

Als sie den Schloßhof erreichten, eilten dienstbeflissene Reitknechte herbei. Pierce war als erster eingetroffen und bereits abgestiegen. Soeben schwang sich Rose Woodbine aus dem Sattel. Der König drückte eine Münze in Annes behandschuhte Hand. »Ein ungewöhnlicher Mann, Mylady, da sind wir wohl einer Meinung.«

Lächelnd nickte sie. »Aber das ist auch eine ungewöhnliche junge Frau, Majestät.« Sie musterte ihn nachdenklich. Es ging sie zwar nichts an, aber ganz London tuschelte über seine außerehelichen amourösen Abenteuer. Er war charmant und sehr zielstrebig, sobald er seine Wahl getroffen hatte. Wenn seine sinnlichen dunklen Augen einer Frau folgten, gab er ihr das Gefühl, sie wäre etwas ganz Besonderes. Vielleicht reizte ihn die junge Amerikanerin. Anne wünschte sich plötzlich, es wäre so. Dann würden Pierces Interessen erlöschen.

Charles senkte die dunklen Wimpern, dann erwiderte er vielsagend ihren Blick. »Sie ist keine eh – intime Freundin, Lady Anne, falls diese Frage hinter Eurer schönen Stirn lauert. Ein süßes junges Ding, wirklich. Ganz unschuldig. Ich mag zwar meine Fehler haben, aber ich bin kein Wüstling.«

»Großer Gott! Natürlich nicht! Ihr seid der König.«

Immer noch triefnaß, erklärte Pierce einem Reitknecht in allen Einzelheiten, wie Beowulf gestriegelt werden mußte. Anne befürchtete, mit seinen strengen Worten würde er den Ärmsten völlig einschüchtern. Doch dann drückte er dem Burschen eine Münze in die Hand, so daß sich dieser nicht umsonst bemühen mußte. Er war ein anspruchsvoller Mann, aber überaus großzügig.

So wie Charles vergaß er niemals die mageren Jahre, oder wieviel ein bißchen Freundlichkeit für jemanden bedeuten mochte, der in weniger glücklichen Umständen lebte als er selbst.

Nun kam er zu Anne und Charles herüber, die inzwischen mit Hilfe der Reitknechte von ihrem Pferd abgestiegen waren.

Suchend schaute sich die Lady um. »Wo ist Rose?«

»Ich nehme an, die kleine Xanthippe ist in ihren Gemächern verschwunden«, entgegnete Pierce und wollte einen Arm um ihre Schultern legen, doch dann zögerte er und schnitt eine Grimasse. »Oh, ich bin völlig verschmutzt. Auch ich müßte mich sofort zurückziehen. Ihr entschuldigt mich, Euer Gnaden?«

»Gewiß«, antwortete der König. »Ihr seht grauenvoll aus, Mylord DeForte. Was ist bloß in Euch gefahren? Warum seid Ihr mit Ashcroft Woodbines Tochter schwimmen gegangen?«

»Sire, das war keineswegs mein Wunsch. Ich schwöre Euch, das Mädchen hat sich dazu entschlossen.«

Langsam verzogen sich die Lippen des Königs zu einem Lächeln, und er wandte sich kopfschüttelnd zu Anne. »Hin und wieder passiert das sogar den vernünftigsten Männern, Mylady. Sie verwandeln sich in kleine Jungen, die keinen Wettstreit verlieren können.«

»Es war kein Wettstreit«, begann Pierce, hielt aber inne, als Charles in Gelächter ausbrach. »Schon gut, Majestät, Ihr seid der König und solltet recht behalten. Begleitest du mich Anne?«

»Sehr gern«, antwortete sie.

Doch der König erhob Einwände. »Mit Miss Woodbines tatkräftiger Unterstützung habt Ihr die Jagd beendet, Pierce, und mich um einen angenehmen Zeitvertreib gebracht. Dafür muß ich entschädigt werden, und so will ich in meinen Gärten lustwandeln. Ihr leistet mir doch Gesellschaft, Lady Anne? Das soll Pierces Strafe für die groteske Rolle sein, die er in diesem ganzen Aufruhr gespielt hat.«

Pierce, der seine Geliebte hoffnungsvoll angeschaut hatte, runzelte die Stirn. Offenbar hat er erwartet, ich würde ihm den Rücken waschen, dachte sie. Nun, dann soll er am eigenen Leib spüren, wie man sich fühlt, wenn man eifersüchtig ist ... Lächelnd nahm sie den Arm, den Charles ihr reichte. »Ein kleiner Spaziergang wird mich erquicken, Pierce. Und ich diene meinem König mit Freuden.«

»Tatsächlich?« murmelte er und beugte sich über ihre Hand. »Paß bloß auf, in welcher Weise du ihm dienst!« Lachend schlenderten sie davon und amüsierten sich auf seine Kosten, doch das konnte er verkraften.

Eine Zeitlang wanderten sie über die gepflegten Wege zwischen den Blumenbeeten. Dann entschuldigte sich Anne, die das Bad ihres Liebsten nicht vollends versäumen wollte, und eilte zu seinen Gemächern. Da sie in der Nähe ihrer eigenen lagen, waren sie bequem zu erreichen.

Bei Hof genoß sie eine angesehene Stellung, eine Erbin in ihren eigenen Rechten. Doch sie teilte ihr Vermögen mit ihrem jüngeren Halbbruder.