Die Geschichte der Bettina Fahrenbach - Diverse Autoren - E-Book

Die Geschichte der Bettina Fahrenbach E-Book

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Beschreibung

Als der alte Fahrenbach, der eine zunächst kleine Firma im Weinanbau und -vertrieb errichtet und im Laufe der Jahre zu einem bedeutenden Familienunternehmen erweitert hat, das Zeitliche segnet, hinterlässt er ein ziemlich seltsames Testament. Drei seiner Kinder scheinen Grund zur Freude zu haben, Frieder als neuer Firmenchef, Jörg als Schlossherr und Grit als Villenbesitzerin. E-Book 1: E-Book 2: Wenn ein Traum zerbricht E-Book 3: E-Book 4: Seine Geliebte E-Book 5: E-Book 6: Der neue Kavalier E-Book 7: E-Book 8: Verworrenes Spiel E-Book 9: E-Book 10: Charmant wie keine E-Book 11: E-Book 12: Für Geld verriet er seine Liebe E-Book 13: E-Book 14: Bezaubernder Spion E-Book 15: E-Book 16: Romanze mit dem Abenteurer E-Book 17: E-Book 18: Rote Rosen für Bettina E-Book 19: E-Book 20: Hurra, ich habe geerbt! E-Book 21: E-Book 22: Zweifel an der großen Liebe E-Book 23: E-Book 24: Schöne Perlen – feuchte Tränen E-Book 25: E-Book 26: Isabellas Geständnis E-Book 27: E-Book 28: Glück will erkämpft sein E-Book 29: E-Book 30: Trügerische Idylle E-Book 31: E-Book 32: Die schöne Intrigantin E-Book 33: E-Book 34: Verwirrung der Gefühle E-Book 35: E-Book 36: Die süße Gaunerin E-Book 37: E-Book 38: Wenn alles über dir zusammenbricht E-Book 39: E-Book 40: Flirt mit dem Ex E-Book 41: Ein Lichtstreif am Himmel E-Book 42: Die Stunde der Wahrheit E-Book 43: Ich weiß nicht, ob ich dich liebe E-Book 44: Und plötzlich warst du da E-Book 45: Zwischen Leid und Liebe E-Book 46: Eine klangvolle Romanze E-Book 47: Sein zweites Testament E-Book 48: Warum bleibst du nicht für immer? E-Book 49: Wenn die Liebe wiederkehrt E-Book 50: Willst du immer bei mir sein? E-Book 51: Schatten über ihrem Glück E-Book 52: Wunder kennt nur die Liebe E-Book 53: Wie Blätter im Wind E-Book 54: Merit soll wieder lachen E-Book 55: Die doppelte Bettina E-Book 56: Heimkehr aus der Fremde E-Book 57: Ruhe vor dem Liebessturm? E-Book 58: Führe keinen Rosenkrieg! E-Book 59: Wem schenkst du deine Gefühle? E-Book 60: Ein böser Verdacht E-Book 61: Endlich ein Paar! E-Book 62: Nur die Liebe zählt E-Book 63: Herzbube mit Vergangenheit E-Book 64: Ein schöner Traum zerbricht E-Book 65: Liebe mal drei fürs Herz! E-Book 66: Rosen voller Dornen E-Book 67: Wenn die Leidenschaft erwacht E-Book 68: Sein Heiratsantrag E-Book 69: Der Traum vom Glück E-Book 70: ...bis ans Ende der Welt E-Book 71: Du bist unser kleiner Schatz! E-Book 72: Wie Sterne am Himmel E-Book 73: Orakel wider Willen E-Book 74: Unbeirrt ins Glück E-Book 75: Noch ein Vermächtnis E-Book 76: Wirklich schuldig? E-Book 77: Die große Lüge E-Book 78: Reiterin aus Liebe E-Book 79: Hör auf dein Herz! E-Book 80: Sieben Himmel voller Glück? E-Book 81: Als er sie verließ E-Book 82: Nur ein Albtraum E-Book 83: Der kleine Tim E-Book 84: Versöhnung fürs Leben E-Book 85: Alte Liebe neu entflammt? E-Book 86: Ein gefährlicher Betrüger E-Book 87: Darf ich wieder glücklich sein? E-Book 88: Die zweite Chance E-Book 89: Kein Weg zurück! E-Book 90: Happy End auf Fahrenbach?

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Seitenzahl: 8468

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Inhalt

Wenn ein Traum zerbricht

Seine Geliebte

Der neue Kavalier

Verworrenes Spiel

Charmant wie keine

Für Geld verriet er seine Liebe

Bezaubernder Spion

Romanze mit dem Abenteurer

Rote Rosen für Bettina

Hurra, ich habe geerbt!

Zweifel an der großen Liebe

Schöne Perlen – feuchte Tränen

Isabellas Geständnis

Glück will erkämpft sein

Trügerische Idylle

Die schöne Intrigantin

Verwirrung der Gefühle

Die süße Gaunerin

Wenn alles über dir zusammenbricht

Flirt mit dem Ex

Ein Lichtstreif am Himmel

Die Stunde der Wahrheit

Ich weiß nicht, ob ich dich liebe

Und plötzlich warst du da

Zwischen Leid und Liebe

Eine klangvolle Romanze

Sein zweites Testament

Warum bleibst du nicht für immer?

Wenn die Liebe wiederkehrt

Willst du immer bei mir sein?

Schatten über ihrem Glück

Wunder kennt nur die Liebe

Wie Blätter im Wind

Merit soll wieder lachen

Die doppelte Bettina

Heimkehr aus der Fremde

Ruhe vor dem Liebessturm?

Führe keinen Rosenkrieg!

Wem schenkst du deine Gefühle?

Ein böser Verdacht

Endlich ein Paar!

Nur die Liebe zählt

Herzbube mit Vergangenheit

Ein schöner Traum zerbricht

Liebe mal drei fürs Herz!

Rosen voller Dornen

Wenn die Leidenschaft erwacht

Sein Heiratsantrag

Der Traum vom Glück

...bis ans Ende der Welt

Du bist unser kleiner Schatz!

Wie Sterne am Himmel

Orakel wider Willen

Unbeirrt ins Glück

Noch ein Vermächtnis

Wirklich schuldig?

Die große Lüge

Reiterin aus Liebe

Hör auf dein Herz!

Sieben Himmel voller Glück?

Als er sie verließ

Nur ein Albtraum

Der kleine Tim

Versöhnung fürs Leben

Alte Liebe neu entflammt?

Ein gefährlicher Betrüger

Darf ich wieder glücklich sein?

Die zweite Chance

Kein Weg zurück!

Happy End auf Fahrenbach?

Bettina Fahrenbach – Die komplette Serie –

Die Geschichte der Bettina Fahrenbach

70 Romane

Diverse Autoren

Wenn ein Traum zerbricht

Sie wollte immer nur Familie und Harmonie

Roman von Michaela Dornberg

Vielleicht lag es an dem Wetter, daß Bettina Fahrenbach sich nicht so besonders fühlte. Sie kam sich einsam und verlassen vor und auch unglücklich.

Dabei hatte sie doch allen Grund, zufrieden zu sein. Ihre finanzielle Situation begann sich zu verbessern. Gerade hatte sie den Vertrag für den Vertrieb des bekanntesten schottischen Malt-Whiskys unterzeichnet. Finnmore eleven würde nicht nur ihre Kasse füllen. Es würde sich in der Branche herumsprechen, und Bettina wußte aus der Zeit im ›Weinkontor‹ ihres Vaters, daß sich dann auch andere Firmen melden würden, die an einer Zusammenarbeit interessiert waren.

Die Vermietung ihrer Appartements wurde auch immer besser.

Warum also war sie so jammervoll?

Weil Erfolge und Geld eben nicht alles waren.

Sie vermißte Thomas so sehr, den Mann, den sie liebte und der weit weg in Amerika war.

Sicherlich, sie standen in Verbindung, aber sie sahen sich kaum, und es war so unbefriedigend, daß sie ihr Leben auf dem Fahrenbach-Hof allein fristen mußte. Nun ja, nicht wirklich allein, es gab Leni, Arno und Toni, die wie ihre Familie waren.

Eigentlich waren die drei mehr als ihre Familie. Sie sorgten sich um sie, nahmen Anteil an ihrem Leben und hatten alles getan, damit der Fahrenbach-Hof zu neuem Leben erwachte. Sie hatten ihr sogar uneigennützig ihre Ersparnisse angeboten, was man von ihren leiblichen Geschwistern nicht behaupten konnte.

Was hatte sich nicht alles seit dem Tod ihres Vaters verändert.

Ihr ältester Bruder Frieder hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sie mit sofortiger Wirkung zu entlassen. Er hatte sich über alles hinweggesetzt, was das ›Weinkontor-Fahrenbach‹ ausmachte und war mehr oder weniger dabei, die Firma, wie man es schön sagte, ›gegen die Wand zu fahren‹.

Er trennte sich von seriösen Geschäftspartnern, um Seifenblasen nachzujagen, die allesamt platzten, genau wie all seine Illusionen, besser als sein verstorbener Vater zu sein und auch erfolgreicher.

Wie oft hatte Bettina versucht, mit ihm zu reden – alles vergebens. Und nun sprach er überhaupt nicht mehr mit ihr, weil sie ihm nicht eines ihrer Seegrundstücke überließ. Es war die reinste Erpressung. Aber sie würde nicht nachgeben. Der See sollte, wie es seit fünf Generationen der Fall war, in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleiben und nicht mit Hotels und Villen zugepflastert werden wie der See in Bad Helmbach, von dem man eigentlich nur noch etwas sah, wenn man auf einer der Hotelterrassen saß.

Ihre Gedanken wanderten weiter zu ihrer Schwägerin Mona, Frieders Frau, die inzwischen das reinste Ersatzteillager war, so oft hatte sie sich mittlerweile bei Schönheitschirurgen unter das Messer gelegt.

Geholfen hatte es ihr nicht, denn Frieder hatte sich eine junge Geliebte genommen, sich aber – so fand Bettina – nicht verbessert, denn diese Dame war im Grunde genommen eine jüngere Ausgabe von Mona und würde über kurz oder lang auch damit anfangen, sich tunen zu lassen.

Wegen ihres Bruders war sie traurig, was Mona tat, war ihr im Grunde genommen gleichgültig, denn sie hatten sich niemals nahe gestanden.

Aber wegen Linus, dem einzigen Kind der beiden, machte sie sich Sorgen.

Um ungestört ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen zu können, hatten sie ihn einfach in ein Internat gesteckt. Sie konnten sich einreden, daß es für den Jungen das Beste war. Teure, exclusive Internate ersetzten keine Elternliebe und Nähe. Und von Linus waren ja schon genug Hilfsschreie seiner armen, kleinen Seele gekommen, die einfach ignoriert wurden und ihm als Undankbarkeit ausgelegt worden waren.

So, wie sie jetzt drauf war, hätte sie wegen Linus am liebsten angefangen zu weinen.

Aber im Grunde genommen hätte sie das dann auch gleich wegen der Kinder ihrer Schwester Grit tun können. Die waren auch nicht besser dran. Sie hatte man zwar nicht in ein Internat gesteck, aber die Eltern hatten auch Besseres zu tun, als für ihre Kinder da zu sein.

Grit, nach dem Verkauf ihres Erbteils, eine reiche Erbin, vergnügte sich mit einem jugendlichen Lover und hatte nichts weiter zu tun, als sich auch – obschon das eigentlich gar nicht zu ihr paßte – ›neu gestalten‹ zu lassen. Niels und Merit waren sich selbst, oder Personal überlassen, und ihr Vater war für zwei Jahre nach Kanada gegangen, weil es für ihn unerträglich geworden war, die Eskapaden seiner Frau mit ansehen zu müssen.

Und ihr Bruder Jörg?

Er war ein wenig herzlicher, aber im Grunde genommen oberflächlich und flatterhaft. Jörg hatte auch nicht lange gebraucht, um sein Erbteil, ein wunderschönes Weingut in Frankreich, in die Schieflage zu bringen und seinen größten Kunden zu vergraulen, nur weil er sich als Ausrichter erlesener Events gesehen hatte.

Bettina war froh, daß sie ihn dazu überreden konnte, die Verwaltung des Gutes in erfahrene, umsichtige Hände zu geben, damit ihm wenigstens diese Existenzgrundlage blieb. Auf dem Chateau Dorleac wollte er weiter Events veranstalten, aber da hatte er jetzt wenigstens in Catherine Regnier eine Expertin an seiner Seite.

Dafür war ihre Schwägerin Doris gegangen. Sie hatte sich in einen anderen Mann verliebt, der ihr auch geholfen hatte, mit ihrem Alkoholproblem fertig zu werden, was Jörg nicht geschafft hatte.

Um Doris tat es ihr leid, und sie war traurig, daß Doris, nachdem sie sich hier auf dem Fahrenbach-Hof von ihr verabschiedet hatte, weitere Kontakte ausschloß.

Aber objektiv betrachtet, hatte Doris auch recht gehabt. Sie war in ein neues Leben eingetaucht, das mit den Fahrenbachs überhaupt nichts zu tun hatte. Und die Versprechungen, den Kontakt aufrechtzuerhalten, würden ja doch gebrochen werden, weil man mit all den neuen Dingen beschäftigt war und die Erinnerungen an das alte Leben immer mehr verblaßten. Da war es wirklich aufrichtiger gewesen, sofort den Schnitt zu machen.

Insgeheim ärgerte Bettina sich, daß Jörg es nicht einmal für nötig gefunden hatte, sie darüber zu informieren, daß Doris ihn verlassen hatte.

Von Jörg hörte sie auch nichts mehr, und ihren Bitten um Rückruf war er bislang auch nicht nachgekommen.

Aber als er in Nöten gewesen war, hatte er von ihr erwartet, daß sie alles stehen und liegen ließ, um zu ihm nach Frankreich zu kommen.

Bettina schaute auf ihre Armbanduhr.

Es war noch sehr früh, und wenn sie Glück hatte, würde sie Jörg erreichen. Wie sie ihn kannte, frühstückte er gerade.

Und richtig. Sie hatte sich nicht getäuscht.

»Hallo, Bettina«, sagte er nach der Begrüßung ganz erstaunt. »Ist etwas passiert?«

Diese Frage machte Bettina so wütend, daß sie schärfer als beabsichtigt entgegnete: »Bei mir nicht… aber muß eigentlich erst was passieren, ehe wir voneinander hören?«

»Ich weiß, ich hätte mich bei dir melden müssen, doch es gab immer so viel zu tun. Jetzt, da ich mich mit Dingen beschäftigen kann, die mich wirklich interessieren, ist mein Tag angefüllt mit lauter schönen Dingen.«

Diese Worte machten Bettina so traurig.

»Da bleibt keine Zeit, die Schwester zurückzurufen, ist ja auch nicht so wichtig. Was soll ein Landei wie ich dir auch Interessantes zu sagen haben.«

»Tut mir leid, Bettina, aber so darfst du es nicht sehen. Ich gelobe Besserung.«

Sie glaubte ihm nicht, denn er würde nach Beendigung des Telefonats ohnehin alles vergessen haben, weil er eben derzeit andere Prioritäten setzte.

»Jörg, ich möchte mich mit dir über Doris unterhalten.«

»Wieso das denn?«

»Weil Doris mich besucht hat und es mir leid tut, daß sie dich verlassen hat. Sie war sehr nett, wenngleich niemand von uns ihr geholfen hat. Ehrlich gesagt, haben wir uns auch nicht bemüht, sondern ihr Problem verdrängt.«

»Es hat sie niemand gezwungen, gleich morgens zur Flasche zu greifen. Sie hatte doch ein wunderbares Leben, sorgenfrei, in einem exquisiten Ambiente.«

»Jörg, Doris hat sich allein gefühlt, du hättest dich mehr um sie kümmern müssen. Sie war in einem fremden Land, sprach kaum Französisch.«

»Sie hätte es lernen können, niemand hat sie daran gehindert.«

Es hatte keinen Sinn, mit Jörg weiter über seine Frau zu reden. Er würde immer ein Argument finden, das ihn von jeglicher Schuld frei sprach. Außerdem war es müßig, jetzt weiter darüber zu reden, was gewesen war und was hätte anders sein können.

Doris hatte Jörg verlassen und sie würde niemals mehr zu ihm zurückkehren, weil sie jetzt einen Mann gefunden hatte, der ihr das gab, was sie unbedingt brauchte, was eigentlich jeder brauchte – Nähe und Geborgenheit.

»Ich möchte nicht mit dir über Doris streiten. Sie hat sich für ein anderes Leben entschieden.«

»Sie wird schon zurückkommen, wenn sie erst einmal begreift, in welchem Honigtopf sie hier sitzt. Das kann ihr niemand bieten.«

Jörg war ihr Bruder, aber seine Renitenz machte sie zornig. Er saß auch in dem Honigtopf, denn von allem, was er jetzt besaß, hatte er nichts, aber rein gar nichts, erarbeitet, sondern alles geerbt.

»Jörg, Doris hat mich besucht. Sie war sehr gefestigt, sah sehr gut aus und war fest entschlossen, dieses neue Glück ganz fest zu halten.«

»Ich werde in eine Scheidung niemals einwilligen.«

»Warum das denn nicht? So toll war eure Ehe doch auch nicht mehr. Ihr hattet euch nichts mehr zu sagen. Solltest du denn nicht froh sein, sie… ich sage es jetzt mal ganz drastisch, los zu werden?«

»Es geht doch gar nicht um Doris.«

Was er damit sagen wollte, verstand Bettina nun überhaupt nicht.

»Wie bitte? Wenn nicht um Doris, worum dann?«

»Das kann ich dir sagen, liebes Schwesterlein. Doris und ich haben keine Gütertrennung. Ich bin doch nicht verrückt, mit ihr zu teilen. Sie kann zurückkommen, und ich bin bereit, diesen kleinen… Zwischenfall zu vergessen.«

Seine Worte machten sie sprachlos. Das konnte doch nicht wahr sein. Aus dem Mund ihres Bruders waren diese menschenverachtenden Sätze gekommen?

Bettina atmete tief durch.

»Jörg, liebst du Doris noch?«

»Liebe, welch großes Wort. Wir sind schon so lange verheiratet, da denkt man über Liebe doch nicht mehr nach. Wir haben uns aneinander gewöhnt, und wenn sie, wie du sagst, nicht mehr trinkt, wird das Leben mit ihr doch ganz erträglich sein. Im Grunde genommen ist Doris pflegeleicht.«

»Wie ein aus Synthetik hergestelltes Kleidungsstück… Jörg, du machst mir Angst, und eine solche Lieblosigkeit hätte ich dir nicht zugetraut… du willst nur wegen deines Vermögens an der Ehe festhalten.«

»Ja«, gab er unumwunden zu, »ich bin wenigstens ehrlich und mache kein Läppchen drum.«

Ihre ohnehin nicht gute Verfassung war jetzt auf dem Nullpunkt angelangt.

»Jörg, du mußt dir keine Sorgen machen und kannst in die Scheidung einwilligen. Doris will nichts von dir, überhaupt nichts. Selbst ihre Sachen, die sich noch auf dem Chateau befinden, möchte sie nicht haben.«

»Ich willige ein, und sie fängt an, Forderungen zu stellen.«

»Das wird sie nicht, sondern Doris ist bereit, eine Vereinbarung zu unterschreiben, in der sie auf alles verzichtet. Du kannst also alles, was du von Papa bekommen hast«, diese Bemerkung konnte sie sich nicht verkneifen, »behalten. Und wenn du noch einmal heiraten solltest, dann mache einfach vorher einen Ehevertrag, bei dem du im Falle einer Trennung gut schlafen kannst. So eine Frau wie Doris wirst du nämlich niemals mehr finden.«

»Sag mal, wie bist du denn drauf. Ich bin dein Bruder, und ich habe die ganze Zeit über den Eindruck, daß du voll auf der Seite von Doris bist.«

»Ja, das bin ich. Und soll ich dir etwas sagen? Es tut mir in der Seele weh, daß ich mich während der Zeit eurer Ehe nicht mehr um sie gekümmert habe, mich nicht bemüht habe, sie richtig kennenzulernen. Sie ist ein wunderbarer und wertvoller Mensch.«

Solche Worte konnte er nicht ertragen.

»Zieh doch mit der Doris zusammen…«

»Jörg, hör mit dem Quatsch auf, du kannst nur keine Kritik vertragen. Aber wir können das Gespräch jetzt auch beenden. Ich hätte mich gefreut, vorher von dir das zu erfahren, was Doris mir letztlich erzählt hat. Eine Trennung ist schließlich mehr als ein Kinobesuch. Findest du nicht, daß es wichtig genug ist, die Familie darüber zu informieren.«

»Es war mir nicht wichtig genug, weil ich auch nicht an die endültige Trennung geglaubt habe. Aber wenn es so ist… meinetwegen kann sie die Scheidung haben.«

»Und das sagst du ohne Bedauern, ohne einen Versuch zu unternehmen, sie zurückzugewinnen?«

»Weißt du was, Bettina, nicht jeder hat deine romantische Seele und übertriebene Vorstellungen von Liebe und Glück.«

Eine Ehe ist mehr oder weniger ein Zweckverband, der funktionieren muß wie eine gutgeführte Firma.«

Wenn sie bösartig gewesen wäre, hätte sie ihm an den Kopf geworfen, daß er dazu aber leider auch nicht in der Lage war. Doch sie hatte nicht die Kraft dazu und keine Lust auf Konfrontation.

Was war nur los mit den übrig gebliebenen Fahrenbachs? Sie sprachen keine gemeinsame Sprache mehr, oder hatten sie die niemals gesprochen, sondern waren irgendwie nur durch ihren verstorbenen Vater zusammengehalten worden, nachdem ihre Mutter sie wegen eines anderen Mannes verlassen hatte und er geradezu ängstlich bemüht gewesen war, sich fast gluckenhaft um seine vier Kinder zu kümmern?

Sie wußte nichts mehr zu sagen und war froh, daß Jörg auch gar keine Antwort erwartete, sondern das Gespräch beendete.

»Wir können ein andermal ausführlicher miteinander reden, Bettina. Ich habe heute noch ein riesiges Programm. Heute kommen auch ein paar Künstler vorbei, die Catherine und ich uns anhören wollen.«

»Dann will ich nicht länger stören, ich wünsch dir viel Erfolg.«

»Danke, und auf bald, Bettina.«

Er wartete ihr ›auf Wiedersehen‹ überhaupt nicht ab, sondern legte auf.

Bettina war erschüttert, aber gleichzeitig auch sehr, sehr traurig.

Wenn sie geahnt hätte, wie dieses Gespräch ausgehen würde, hätte sie Jörg an diesem trüben Morgen ganz gewiß nicht angerufen. Er war so unglaublich oberflächlich und herzlos.

Fast freute es sie, daß Doris ihm entronnen war. Sie hatte wahrlich etwas Besseres verdient.

Aber durfte sie so denken?

Jörg war schießlich ihr Bruder. Und man sagte doch – Leni würde das Zitat sicher anführen – daß Blut dicker als Wasser sei.

Doch nur weil Jörg ihr Bruder war, konnte sie sein Verhalten nicht gutheißen.

Nur wegen des Besitzes wäre er mit Doris zusammengeblieben…

Einen solchen Gedanken fand Bettina gruselig, und sie wußte eines – eine derartige Verhaltensweise würde sie niemals an den Tag legen. Materieller Besitz war sicherlich ganz schön, aber sie würde das niemals überbewerten. Und wenn sie sich entscheiden müßte, würde sie sich dagegen entscheiden und immer, ohne zu zögern, die Liebe wählen.

Als das Telefon klingelte, glaubte sie, Jörg wolle sich, nachdem ihm bewußt geworden war, was er da gesagt hatte, entschuldigen.

Aber sie wurde enttäuscht. Es war nicht Jörg, sondern ihre Freundin Linde war am anderen Ende der Leitung.

»Ich weiß, es ist ein trüber Tag«, sagte sie, nachdem sie Bettina begrüßt hatte, »aber Martin hat mir gerade eröffnet, daß er den ganzen Tag über unterwegs sein wird. Sollen wir zwei Mädchen nicht einen ausgedehnten Stadtbummel machen und hinterher bei diesem neuen Italiener etwas essen gehen? Schließlich muß ich doch auch wissen, was die Konkurrenz so treibt.«

Stadtbummel?

Bei dem Wetter?

Eigentlich hatte Bettina dazu keine Lust. Aber andererseits war ihre Stimmung auf dem Tiefpunkt. Sie würde herumhocken und sich immer mehr in negative Gedanken hineinsteigern.

Und an Arbeit war nicht zu denken.

Sie hatte zwar vorgehabt, eine neue Werbekampagne für die Brodersen-Produkte zu starten, aber heute würde ihr nichts einfallen.

Und ihre Anwesenheit in der Destille war auch nicht erforderlich. Toni machte dort einen hervorragenden Job.

Es war ihm sogar gelungen, die Finnmore eleven–Chefin, Marjorie Ferguson, für sich einzunehmen. Und das hatte bei Marjorie wirklich etwas zu bedeuten.

»He, du wirst doch eine alte Freundin nicht versetzen?« rief Linde, der Bettinas Zögern zu lange dauerte. »Ich habe versehentlich Personal doppelt eingeteilt, und ich kann die Leute unmöglich nach Hause schicken, nur weil ich gepennt habe. Ich bin also im Gasthof überflüssig, und dann noch der Umstand, daß Martin nicht zu Hause sein wird… sag doch bitte ja.«

Bettina stimmte zu. Sie hatte bei ihren letzten Begegnungen Linde niemals allein angetroffen, und eigentlich brannte es ihr auf der Seele mit ihrer Freundin über Frau Dr. von Orthen zu sprechen, ihren ersten Feriengast, der gleichzeitig eine innige Beziehung zu ihrem Vater gehabt hatte, die sogar in einer Hochzeit münden sollte.

Sie mußte unbedingt erfahren, ob Linde etwas davon gewußt hatte.

»Ich komme mit«, sagte sie. »Wann und wo wollen wir uns treffen?«

»Es ist am einfachsten, wenn du mich abholen kommst. Außerdem habe ich mich, seit ich verheiratet bin, daran gewöhnt, nur noch Beifahrerin zu sein.«

Bettina lachte.

»Nun gut, dann will ich dich nicht aus deinem Trott bringen. Wann soll ich bei dir sein?«

»Ich weiß nicht, wieviel Zeit du brauchst, um dich aufzurüschen…«

»So gut wie keine. Ich gehe doch nicht auf einen Schönheitswettbewerb.«

»So etwas will ich nicht hören, ich möchte, daß wir zwei umwerfend aussehen, wenn wir in Bad Helmbach aufkreuzen… zwei naturbelassene Schönheiten aus der Provinz.«

»In einer halben Stunde klingele ich bei dir Sturm, du naturbelassene Schönheit.«

Bettinas Laune hatte sich augenblicklich gebessert, und sie war Linde jetzt wirklich mehr als dankbar, daß sie sie zu dem Stadtbummel aufgefordert hatte.

Sie hatte mehrere Bücher bestellt, die konnte sie bei der Gelegenheit gleich abholen.

Und Italienisch essen? Das hatte sie auch schon einige Zeit nicht mehr getan, weil Leni ja meist kochte und sie nicht viel ausging, und in Lindes Gasthof gab es auch eher traditionelles Essen.

Sie mußte nur Leni noch Bescheid sagen, daß sie mittags nicht zum Essen da sein würde.

*

Glücklicherweise hatte es aufgehört zu regnen. Der Himmel klarte sogar ein wenig auf, und ganz vorsichtig aus einem grauen Wolkenbett kam die Sonne hervor.

Bettina hatte ihre Bücher abgeholt und Linde dann in ein Schuhgeschäft begleitet, wo diese sich Schuhe mit ziemlich hohen Absätzen kaufte.

Als Linde Bettinas erstaunten Blick bemerkte, erklärte sie rasch: »Martin ist hin und weg, wenn ich solche Folterinstrumente anziehe, weil er findet, daß ich darin traumschöne Beine habe… was tut man nicht alles für seinen Mann, um ihm zu gefallen… hier und da ziehe ich dann eben diese Stilettos an.«

Es war unglaublich, wie sehr Linde sich verändert hatte, seit sie mit Martin verheiratet war. Vorher eher konservativ, war sie zu einer flotten, modischen Frau geworden.

Sie war mit Martin so glücklich, und Bettina war manchmal so richtig neidisch.

Linde hatte den Mann, den sie über alles liebte, an ihrer Seite, während Thomas im entfernten Amerika war und sie nicht einmal wußte, wann er wieder einfliegen würde. Der Termin, zu dem das hätte geschehen sollen, war längst verstrichen.

Sie sehnte sich so sehr nach seiner Nähe, seiner Gegenwart, seinen Zärtlichkeiten.

Es reichte ihr einfach nicht, immer nur auf dieses wunderschöne Tiffany-Armband zu starren, in das er das verheißungsvolle LOVE FOR­EVER hatte eingravieren lassen.

Sie zweifelte ja überhaupt nicht an seiner immerwährenden Liebe, aber sie hätte jetzt so gern etwas mehr als nur Worte.

Ihr Blick glitt auf das ins linke Handgelenk eingeritzte vernarbte T.

Auch ein Indiz für ihre Liebe, sogar schon seit vielen, vielen Jahren, ihrer Jugendzeit. Aber das war auch nur ein Symbol und nichts weiter. Es war nichts, an dem man sein einsames Herz wärmen konnte.

Nachdem Linde ihre Schuhe bezahlt hatte und die hübsche Tragetasche wie eine Trophäe vor sich hertrug, erkundigte sie sich gut gelaunt bei Bettina: »Und nun, sollen wir unseren Beutezug fortsetzen, oder trinken wir erst einmal ganz gemütlich einen Kaffee und quatschen miteinander.«

Das war ein hervorragender Vorschlag. Schließlich wollte Bettina ja auch noch etwas loswerden, und über solche Dinge redete man am besten, wenn man sich gegenüber saß, ohne Hast und ohne Eile.

»Kaffee ist super. Ich habe da auch ein kleines, gemütliches Café entdeckt, das nicht überlaufen ist und das von den ganzen Schicki-Mickis gemieden wird, weil es zu klein und unspektakulär ist für einen wirkungsvollen Auftritt.«

»Hört sich gut an. Laß uns hingehen. Oder sollen wir erst mal unsere Errungenschaften im Auto verstauen? Wir parken doch hier ganz in der Nähe.«

»Eine gute Idee.«

Bettina verstaute ihre Bücher, Linde ihre Schuhe. Dann begaben sie sich in das kleine Café – Linde kannte es noch nicht und war ganz begeistert – und suchten sich einen Platz an einem der Fenster.

Sie hatten gerade ihren Kaffee bestellt, Linde dazu einen Kuchen, weil sie eine unverbesserliche Naschkatze war, als Jan van Dahlen hereinkam und sich suchend umsah.

Sie hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Bettina merkte, wie sie errötete. Und da hatte er sie auch schon entdeckt und steuerte auf sie zu.

Bettina hatte ihn einige Male getroffen, dann aber weitere Begegnungen vermieden.

Jan war ein gutaussehender, amüsanter kluger Mann, der überhaupt kein Hehl daraus machte, wie sehr sie ihm gefiel. Und sie war eine junge, gutaussehende, aber sehr einsame Frau. Es war ihr einfach zu gefährlich gewesen, Jan zu treffen, weil sie fürchtete, seinem Charme zu erliegen.

Thomas war weit weg, aber Jan war hier, sehr präsent und sehr in sie verliebt.

»Guck dir diesen umwerfenden Typen an«, flüsterte Linde. »Er starrt genau zu uns herüber… huch, er kommt an unseren Tisch.«

Ehe Bettina etwas hätte erklären können, war Jan an ihrem Tisch.

»Ja, das ist eine Überraschung, dich hier zu treffen, Bettina«, rief er freudig. Dann blickte er zu Linde, die ganz erstaunt von einem zum anderen blickte.

Bettina hatte ihr nicht erzählt, daß sie diesen Mann kannte.

»Darf ich bekanntmachen«, sagte Bettina, »Herr Jan van Dahlen… meine Freundin, Frau Gruber.«

»Sehr erfreut«, antwortete Jan, um dann sofort zu fragen: »Störe ich, oder darf ich mich mit an den Tisch setzen?«

Er störte, denn eigentlich wollte Bettina ihrer Freundin vom Geheimnis ihres Vaters erzählen, doch ehe sie etwas hätte sagen können, rief Linde: »Aber nein, Sie stören überhaupt nicht, Herr van Dahlen. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Auch wenn sie verheiratet war, glücklich verheiratet, konnte sie sich doch noch mit anderen Männern unterhalten, noch dazu, wenn sie so gut aussahen. Außerdem wollte sie wissen, woher Bettina diesen Mann kannte.

Jan setzte sich, bestellte sich gleichfalls einen Kaffee, dann waren sie rasch in ein unterhaltsames Gespräch vertieft, das allerdings größtenteils von Jan bestritten wurde, der interessante Episoden aus seinem Journalisten-Dasein zu berichten hatte.

Die Zeit flog nur so dahin, und irgendwann schaute Jan auf seine Armbanduhr.

»Du lieber Himmel, jetzt habe ich mich aber verplappert. Ich wollte nur ganz schnell einen Kaffee trinken und konnte ja nicht ahnen, daß ich das in Gesellschaft zwei so bezaubernder Damen tun würde.« Dabei schaute er allerdings Bettina an. »Wenn ich jetzt nicht sofort zu meiner Tante eile, dann enterbt sie mich.« Das allerdings hatte er lachend gesagt.

Er rief die Kellnerin, bezahlte, wobei er Bettina und Linde einlud, dann stand er auf.

»Bettina, hast du Lust, heute mit mir ins Kino zu gehen? In einem der Programmkinos zwei Orte weiter läuft ein gigantischer Film. Wir könnten danach noch irgendwo etwas trinken und über’s Leben reden.«

»Tut mir leid«, wehrte Bettina sofort ab, »ich habe…«

Sie kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden, weil sie von Linde unterbrochen wurde.

»Na klar kommt sie mit. Bettina geht für ihr Leben gern ins Kino.«

Jan grinste zu Linde hinüber.

»Danke, Sie haben bei mir etwas gut…«, dann wandte er sich an Bettina. »Ich hole dich um neunzehn Uhr ab, einverstanden?«

Wollte sie Linde jetzt nicht bloßstellen, blieb ihr ganz und gar nichts anderes übrig, als zuzusagen.

Im Grunde genommen stimmte es ja auch, sie ging gern ins Kino, richtiger gesagt, war immer gern ins Kino gegangen, als sie noch in der Stadt lebte. Seit sie in Fahrenbach wohnte, war sie erst zweimal mit Linde im Kino gewesen. Irgendwie hatte es immer etwas anderes zu tun gegeben.

»Also gut«, stimmte sie zu.

Jan warf Linde einen hinreißenden Blick zu.

»Das werde ich Ihnen niemals vergessen – nochmals tausend Dank.«

Dann wandte er sich an Bettina.

»Ich freue mich… sehr sogar«, er winkte ihnen zu und ging.

Nachdem er das kleine Café verlassen hatte, wandte sich Linde an ihre Freundin.

»Und nun sag mir mal, wo du diesen Wahnsinnstypen aufgetan hast.«

»Ganz unspektakulär in der Buchhandlung. Es war nur eine kurze Begegnung, und ich hätte nie damit gerechnet, ihn nochmals zu sehen, zumal er hier nur seine Tante besucht. Aber er ist Journalist, und so war es für ihn ein leichtes, mich ausfindig zu machen. Er stand eines Tages einfach vor meiner Tür, hat mich beschwatzt, ihn zum Konzert einer Steelband zu begleiten, und dann habe ich ihn so noch ein paarmal getroffen, bis ich schließlich seine Einladungen ablehnte.«

»Aber warum denn, er ist ausgesprochen amüsant.«

»Ich weiß.«

»Ich verstehe nicht…«

»Linde, ich liebe Thomas und sonst niemanden. Jan hat einen umwerfenden Charme und er gibt unumwunden zu, daß er mich begehrenswert findet. Nicht, daß er irgendwann aufdringlich geworden wäre. Nein, das nicht. Ich habe ihm ja auch von Thomas erzählt. Ich habe ihm gesagt – ich habe einen Freund. Seine Antwort lautete: Ich weiß, aber der ist weit weg. Das hatte er auch schon herausgefunden.«

»Und Thomas ist ja weit weg«, sagte Linde.

»Das stimmt, und er fehlt mir immer mehr, weil ich ihn liebe, solange ich zurückdenken kann und es kaum erwarten kann, ihn wiederzusehen.«

»Deswegen mußt du aber in der Zwischenzeit auch nicht das Leben einer Nonne führen.«

»Ich kann mich doch nicht dem erstbesten Mann an den Hals werfen.«

»Nein, das sollst du nicht, Bettina. Aber du kannst ausgehen, dich amüsieren, dich bewundern lassen. So etwas gefällt jeder Frau, und du solltest…«, sie brach ihren Satz ab.

»Was wolltest du denn sagen, Linde?«

»Ach laß mal, es geht mich ja nichts an.«

»Das gilt nicht. Wir waren immer offen und ehrlich zueinander. Was also wolltest du sagen?«

Linde zögerte einen kurzen Augenblick.

»Nun ja, Thomas und du… das war wie im Märchen, wir haben euch alle glühend beneidet, weil ihr so unsterblich ineinander verliebt ward. Dann kam die Trennung, weil deine Mutter eine böse Intrigantin war und dafür gesorgt hat, daß ihr nichts mehr voneinander hört.«

»Mehr als zehn Jahre«, wisperte Bettina und hatte Tränen in den Augen.

»Aber ihr habt euch wieder gefunden, eure Liebe ist unverändert stark.«

Bettina nickte zustimmend.

»Und deswegen kann ich nicht verstehen«, fuhr Linde fort, »daß bei euch überhaupt nichts passiert.«

Bettina schluckte.

»Daß Thomas in Amerika nicht einfach seine Koffer packen und mit wehenden Fahnen in dein Leben eintauchen kann, ist verständlich. Aber er muß dir doch irgendeine Perspektive geben, dir andeuten, wie es mit euch weitergehen soll, vor allem, wo das Leben stattfinden soll.«

»Darüber hat er noch nicht geredet.«

»Dann mußt du es tun, du hast doch einen Mund zum Reden, oder nicht?«

Linde hatte recht, Bettina war nicht in der Lage, etwas dazu zu sagen, was ihrer Freundin sofort ein schlechtes Gewissen machte.

»Tut mir leid, ich wollte mich nicht einmischen«, sagte sie sofort ganz schuldbewußt, »aber du bist meine Freundin, und Thomas mag ich auch sehr. Und seit ich so glücklich mit Martin verheiratet bin, will ich wohl alle Paare glücklich sehen. Und Thomas und du, ich sage es nochmals, ihr seid wie Pott und Deckel, aber diese beiden Teile gehören zusammen.«

Die Kellnerin näherte sich dem Tisch.

»Darf ich den Damen noch etwas bringen?« erkundigte sie sich höflich.

Bettina und Linde schauten sich an.

»Nein, danke«, sagten sie fast gleichzeitig.

»Da wir eingeladen wurden, können wir jetzt eigentlich unsere Tour fortsetzen«, schlug Linde vor. »Ich möchte mir gern noch ein neues Parfüm kaufen, irgendeinen ganz verführerischen Duft.«

Bettina hätte jetzt gern über das Geheimnis ihres Vaters gesprochen, aber der Augenblick dafür war vorbei. Und obschon sie keine Lust hatte, weiter zu shoppen, stimmte sie zu.

Sie würde Leni ein Parfüm mitbringen.

Die hatte irgendwann mal eine kleine Probe bekommen und benutzte diesen Duft nur ganz sparsam und nur bei ganz besonderen Anlässen.

Leni war immer so liebevoll, sie hatte eine kleine Überraschung außer der Reihe verdient.

»Gut, gehen wir in die nächste Parfümerie. Du weißt besser als ich, wer die größte Auswahl an Düften hat.«

Sie verließen das kleine Café.

Inzwischen hatten sich die letzten dunklen wolken verzogen, und die Sonne war hervorgekommen.

Bettina wollte es einfach für sich als ein Zeichen deuten.

Auch für sie würde die Sonne bald scheinen, sie würde strahlen, wenn Thomas endlich kommen würde.

Und mit Jan van Dahlen würde sie ausgehen. Der konnte ihr doch gar nicht gefährlich werden. Kein Mann, mochte er noch so gutaussehend und charmant sein, konnte Thomas das Wasser reichen.

»Ich werde mir auch einen neuen Duft aussuchen«, beschloß sie. »Ich liebe Parfüms.«

Und wenn Thomas da sein würde, würde sie ihn damit überraschen.

Ausprobieren würde sie den neuen Duft allerdings schon an diesem Abend, wenn sie mit Jan ausging.

Sie hakte sich bei Linde unter, und munter plaudernd gingen sie in die von Linde ausgewählte Parfümerie.

*

Bettina war wieder allerbester Laune, als sie am Nachmittag auf den Fahrenbach-Hof zurückkam.

Sie hatte für sich und Leni Parfüm gekauft und hatte an einer wunderschönen schwarzen Tasche nicht vorübergehen können.

Linde hatte so richtig zugeschlagen, und Bettina konnte sich immer nur wundern, wie sehr Linde sich verändert hatte, seit sie mit Martin verheiratet war.

Während sie vorher eher zögerlich gewesen war und sich lange überlegt hatte, ob sie etwas kaufen sollte oder nicht, so gab sie das Geld doch jetzt viel leichter aus, weil sie alles tat, um Martin zu gefallen.

Natürlich überlegte sie schon, was etwas kostete und sie wägte Preis-Leistungs-Verhältnis sehr genau ab, dazu war sie viel zu sehr Geschäftsfrau. Und wenn ihr etwas zu teuer erschien, dann kaufte sie es nicht, Bettina auch nicht.

Sie würde niemals, wie es ihre Schwester Grit oder ihre Schwägerin Mona geradezu leichtfertig taten, in einer halben Stunde mehr ausgeben, als viele Leute in mehreren Monaten nicht verdienten.

Bettina war ohnehin sehr sparsam und gab kaum etwas für sich aus, weil sie ihr Geld für andere Dinge brauchen konnte. Außerdem mußte sie Thomas noch fast 77.000 Euro für Grundstückserschließungskosten zurückzahlen, auch wenn er davon nichts wissen wollte. Er hatte es ihr vorgestreckt und ihr damit sehr geholfen, und sie würde es ihm zurückzahlen – Cent für Cent.

Aber Bettina fragte sich schon, ob sie ihr Kaufverhalten auch verändern würde, wenn sie erst einmal mit Thomas verheiratet war.

Dazu würde es ja hoffentlich kommen. Man schwor einer Frau nicht ewige Liebe, wenn man es nicht ernst meinte.

Bettina stellte ihr Auto ab und ging direkt in das kleine Haus der Dunkels, das ihr Vater ihnen lebenslang überlassen hatte.

Leni hantierte am Herd herum, und Bettina sah sofort, daß sie geweint hatte. Sie hatte eigentlich immer noch Tränen in den Augen.

Schon wollte sie fragen, was geschehen war, als ihr Blick zufällig auf eine auf dem Tisch liegende aufgeschlagene Zeitschrift fiel. Sie las nur die Überschrift und wußte sofort Bescheid.

GLÜCKLICHE FÜGUNG DES SCHICKSALS –

EINE SOFORT NACH DER GEBURT ZUR ADOPTION FREIGEGEBENE JUNGE FRAU FAND IHRE LEIBLICHE MUTTER.

Mehr mußte sie nicht lesen.

Auch Leni hatte ihre Tochter nach der Geburt an Adoptiveltern abgegeben, weil sie keinen anderen Ausweg gewußt hatte, und seitdem litt sie unbeschreiblich.

Bettina bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Ihr Vater hatte zwar schon versucht, die Adoptiveltern ausfindig zu machen, vergebens. Aber ihre Mühe war eher oberflächlich gewesen. Sie hatte sich zwar ein-, zweimal an den Computer gesetzt, die Bemühungen aber dann eingestellt und sich mit anderen Dingen beschäftigt. Schließlich hatte sie vergessen, sich darum zu kümmern, weil Leni ja eigentlich auch überhaupt nicht über ihre Tochter sprach und es mehr oder weniger zufällig überhaupt nur ans Tageslicht gekommen war, zumindest was sie, Bettina, betraf. Ihr Vater war informiert gewesen, wie er ohnehin alles über das Schicksal von Toni, Arne und Leni gewußt hatte.

Bettina beschloß, Leni nicht auf ihre Tränen anzusprechen, sondern sie zu ignorieren, aber sie beschloß auch, sich sofort am nächsten Tag intensiv zu bemühen, etwas über die damalige Adoption ausfindig zu machen. Das würde schon schwer sein, denn Lenis Tochter mußte wenigstens dreißig Jahre alt sein. Und nach so langer Zeit etwas zu erfahren…

»Leni, ich habe dir etwas mitgebracht«, rief sie betont fröhlich.

Leni wischte sich verstohlen über die Augen, drehte sich um und eilte an den Tisch, um die Zeitschrift zuzuklappen.

»Das sollst du doch nicht«, sagte sie.

»Aber es ist etwas, was dich sehr freuen wird.« Bettina streckte ihr das hübsch verpackte kleine Päck­chen entgegen.

»Das ist ja viel zu schön, um es auszupacken«, Leni setzte sich und strich mit ihrer rechten Hand über das wirklich sehr schöne cremefarbene Papier und die gleichfarbige Schleife.

»Pack es aus, Leni, du wirst dich freuen.«

Auch Bettina hatte sich gesetzt und schaute interessiert zu, wie Leni ganz vorsichtig das Band löste, dann das Papier entfernte.

Sie schaute auf das Parfüm.

»Du bist ja verrückt… ich habe doch keinen Geburtstag, und es ist auch nicht Weihnachten…«

»Nein, es ist ein Tag wie jeder andere. Aber bedarf es denn immer eines besonderen Anlasses, um jemandem eine Freude zu machen? Leni, du bist eine so wichtige Person in meinem Leben, und du tust so viel für mich. Dich müßte man eigentlich jeden Tag beschenken.«

»Du hast mich… uns… reich beschenkt, indem du auf den Hof gezogen bist.«

Sie schaute Bettina liebevoll an.

»Es ist das Beste, was uns passieren konnte, und ich kann es auch nur immer wieder wiederholen, dein Vater hat die richtige Entscheidung getroffen, dir den Hof zu hinterlassen. Deine Geschwister hätten schon längst einen Ausverkauf veranstaltet, besonders jetzt, da fast alles Bauland geworden ist. Apropos Geschwister – Grit hat angerufen, und sie wurde vollkommen hysterisch, weil sie dich nicht erreichen konnte. Vielleicht rufst du sie ja mal an. Aber zuerst einmal möchte ich mich bei dir tausendmal bedanken. Du hast mir mit diesem Parfüm eine riesengroße Freude gemacht. Ich liebe diesen Duft.«

»Dann trag doch gleich etwas davon auf«, schlug Bettina vor. Doch davon wollte Leni nichts wissen. Sie preßte das Päckchen an sich.

»Doch nicht einfach so, ohne einen besonderen Anlaß, dazu ist es doch viel zu schade. Das wäre wirklich eine Verschwendung.«

Bettina umarmte die rundliche Frau, die nun schon so viele Jahre auf dem Hof war, eigentlich solange Bettina sich erinnern konnte.

»Was man für sich tut, ist niemals Verschwendung«, sagte sie. »Denke einfach nur mal an dich… ich gehe schnell rüber zu mir und rufe meine Schwester an. Es wundert mich schon, daß sie überhaupt noch weiß, wer ich bin.«

»Sie wird – wie immer – was von dir wollen. Dann weiß sie, wer du bist… laß dich von ihr bloß nicht wieder beschwatzen, etwas zu tun, nur damit sie ihren Vergnügungen nachgehen kann.«

»Sie wird wieder die Kinder los werden wollen, um mit ihrem Lover etwas unternehmen zu können.«

»Wenn es um die Kinder geht, Bettina, dann sag ja.«

Das war nun wieder einmal ganz typisch Leni. Sie war total in die Kinder vernarrt, ganz besonders in Merit, in die sie vollkommen verliebt war.

»Ich sag dir Bescheid, was Grit wollte… ach, übrigens, heute abend werde ich auch nicht da sein. Ich gehe mit Jan van Dahlen ins Kino und hinterher etwas trinken.«

»Das ist gut«, rief Leni sofort, »du kannst nicht immer nur mit uns hier herumhocken oder Linde besuchen.«

Für Leni war es also auch ganz normal, daß sie mit anderen Männern wegging. Vielleicht sah sie selbst es nur so eng?

Als Bettina über den Hof lief, kamen ihr die Hunde entgegen gelaufen und sprangen stürmisch an ihr hoch.

»Hektor, mein Guter«, rief sie und kraulte den schwarzen Labrador, dann wandte sie sich der kleinen Mischlingshündin zu, um auch sie zu streicheln: »Lady, meine Süße… ich weiß schon, was du willst.«

Wenn Hektor schon ganz wild nach kleinen Leckereien war, was dem Naturell eines Labradors auch durchaus entsprach, so wurde er von Lady noch übertroffen. Die war geradezu verrückt nach Leckerlis.

Bettina hatte sie überall deponiert.

»Na, dann kommt«, lachte sie und ging zu ihrem Haus. Direkt neben der Haustür stand auf einem Fenstersims eine Dose mit Hunde-Naschzeug, und das wußten die beiden ganz genau.

Erwartungsvoll positionierten sie sich und beobachteten jede von Bettinas Handbewegungen, ehe sie sich schließlich auf die begehrenswerten Naschereien stürzten.

»So, Schluß für heute«, sagte Bettina und ließ sich durch die bettelnden Blicke ihrer vierbeinigen Lieblinge nicht erweichen.

Sie liebte ihre Hunde.

Hektor hatte es schon gegeben, als sie auf den Hof gekommen war. Ihr Vater hatte ihn angeschafft, aber er hatte seine Liebe glücklicherweise gleich auf sie übertragen, und sie waren unzertrennlich gewesen, bis Lady zu ihnen gekommen war.

Bettina erinnerte sich noch daran, wie Martin ihr das kleine Bündel Fell in die Hand gedrückt hatte. Und es war unvorstellbar, daß Menschen das Hündchen einfach in einen Brunnenschacht geworfen hatten, aus dem es glücklicherweise gerettet und zum Tierarzt gebracht worden war. Martin hatte es aufgepäppelt, und Bettina hatte Lady gern übernommen, weil auf dem Hof Platz genug war und auch genügend Leute da waren, die sich um die Tiere kümmerten.

Lady hatte sofort alle Herzen erobert, auch das von Hektor, der inzwischen nicht von der Seite der kleinen Hundedame wich.

Die Hunde schauten sie weiterhin unverwandt an, und wieder einmal wurde Bettina schwach, weil sie diesen Blicken einfach nicht widerstehen konnte.

»Ein letztes Leckerli«, rief sie, »und danach könnt ihr gucken wie ihr wollt, mich überlistet ihr nicht mehr, verstanden, ihr zwei Strolche?«

Sie hatten verstanden, denn ein freudiges Bellen war die Antwort.

Sie bekamen also noch ein Leckerli, ein letztes Streicheln.

»So, nun trollt euch, geht zu Toni…«

Als hätten die Hunde verstanden, liefen sie über den Hof, lächelnd schaute Bettina ihnen nach. Sie war wirklich froh, die Tiere zu haben, denn sie waren auf ihren langen Wanderungen wunderbare Begleiter.

Sie ging seufzend ins Haus, um ihre Schwester Grit anzurufen. Bettina war mehr als gespannt zu erfahren, was Grit von ihr wollte. Denn das sie ein Anliegen hatte, stand außer Zweifel.

Grit rief niemals an, um sich einfach nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen.

Sie wählte die Nummer ihrer Schwester, die auch sofort ans Telefon ging.

»Hallo, Grit…«

Bettina kam überhaupt nicht dazu, mehr zu sagen, denn sie wurde sofort von ihrer Schwester unterbrochen.

»Da bist du ja endlich, kannst du mir sagen, wo du warst?« Kein Guten Tag, kein Hallo, wie geht es dir… nichts weiter als anklagende Worte.

Mußte Bettina sich jetzt wirklich dafür rechtfertigen, daß sie es gewagt hatte, nicht zu Hause zu sein, als ihre Schwester angerufen hatte?

Bettina kommentierte das nicht, was Grit auch gar nicht erwartete.

»Du mußt am Freitag die Kinder abholen und übers Wochenende bei dir behalten. Robertino macht mir Streß, und ich brauche einfach ein paar Tage mit ihm allein. Er ist nun mal von Kindern leicht genervt, und beide haben am Freitag schulfrei, weil die Lehrer einen Ausflug machen.«

Bettina hatte zwar schon so etwas geahnt, aber die Dreistigkeit ihrer Schwester, anders konnte man das nicht bezeichnen, schlug dem Faß den Boden aus.

Sie hatte wochenlang nichts von Grit gehört, und wenn sie angerufen hatte, um sich mit ihr zu unterhalten, war sie immer sofort abgewimmelt worden, weil Grit anderes zu tun hatte, was allerdings meist mit diesem italienischen Lover zu tun hatte, von dem Grit besessen war und der sie ausnahm, wie man so schön sagte, wie eine Weihnachtsgans.

Bettina liebte ihre Nichte und ihren Neffen und freute sich auf sie. Das war nicht das Problem. Sie ärgerte sich insgeheim über ihre Schwester, die einfach Forderungen stellte und erwartete, daß sie die Kinder abholen sollte.

»Was ist nun, nimmst du die beiden? Für mein Lebensglück ist das wichtig.«

»Lebensglück… dein Lebensglück sind deine Kinder, nicht dieser italienische Gigolo.«

»Hör auf mit deinen Belehrungen, du hast doch von nichts eine Ahnung und weißt nicht, was Leidenschaft ist. Das habe ich dir oft genug gesagt… also was ist jetzt, ja oder nein?«

Grit war dreist und unverschämt, und wenn es nicht um die Kinder gegangen wäre, hätte Bettina jetzt einfach aufgelegt. Aber die Kleinen sollten nicht darunter leiden.

»Ich nehme die Kinder… aber warum bringst du sie nicht? Weil dieser teure Schuhladen keine neuen Modelle hat?«

Grit atmete insgeheim erleichtert auf, sie wurde die Kinder los und hatte freie Bahn für Roberto, der herumzickte und den sie unbedingt wieder ganz für sich gewinnen mußte. Ohne ihn konnte sie nicht mehr sein, und sie mußte alles tun, um ihn zu halten.

Sie bedankte sich nicht bei ihrer Schwester, sondern sagte leicht ironisch: »Wenn du modisch nur ein klitzekleines bißchen auf dem Laufenden wärst, dann wüßtest du, daß diese Modelle niemand mehr trägt. Wer auf sich hält, zieht nur noch Schuhe von Gordon Sharp an, diesem wilden jungen englischen Designer.«

»Und wahrscheinlich kosten die Schuhe dieses jungen Wilden noch einige Euro mehr.«

»Einige tausend Euro, Herzchen, schließlich sind seine Modelle sozusagen die Ferraris… sie sind ihren Preis wert, alle Male.«

Bettina drehte sich fast der Magen um. Was war bloß aus ihrer Schwester geworden. Sie war doch früher normal, fast klassisch gewesen, und jetzt flippte sie geradezu aus.

»Grit, wenn Papa das wüßte, der würde sich im Grab umdrehen.«

Grit lachte, ein bißchen zu schrill, ein bißchen zu laut.

»Stimmt, würde er. Aber glücklicherweise geht das ja nicht. Aber er hat ja dich als seine mahnende Stimme auf der Erde zurückgelassen… nur, allmählich werden deine Vorhaltungen langweilig.«

Grit war verletzend und merkte es nicht einmal.

Als deren Handy klingelte, unterbrach sie kurzerhand das Telefonat mit Bettina. Wahrscheinlich war es Robertino, für den sie alles stehen und liegen ließ.

Grit hatte einfach aufgelegt.

Bettina nutzte das, sich mit Leni zu beraten, die sofort vorschlug, mit Arno die Kinder abholen zu wollen.

»Dann haben wir sie doch früher hier.«

Bettina lachte.

»Wir haben sie nicht früher hier, sondern du siehst sie eher… aber meinetwegen. Ich werde Grit sagen, daß ihr die Kinder abholen werdet. Ich komme gleich nochmal rüber, um alles Weitere mit dir zu besprechen.«

Sie hatte gerade wieder aufgelegt, als das Telefon läutete.

»Sag mal, bist du verrückt…«

Diesmal unterbrach Bettina ihre Schwester.

»Ja, ich bin verrückt«, rief sie heftig, »verrückt, weil ich mich von dir behandeln lasse wie die letzte Putzfrau, nein, selbst die würde sich das Benehmen von dir nicht gefallen lassen, sondern gehen. Du willst etwas von mir und benimmst dich, als müsse ich dir dankbar dafür sein, Merit und Niels abholen zu dürfen. Was ist los mit dir? Hast du alle Anstandsregeln vergessen?«

»Ich bin halt genervt, mit Robertino ist es nicht einfach.«

»Es zwingt dich doch niemand, mit ihm zusammen zu sein. Es liegt in deiner Hand, ihn zu verlassen.«

»Bist du verrückt? Ich liebe ihn, außerdem habe ich schon viel zu viel in ihn investiert.«

»Grit!« rief Bettina ganz entsetzt. »Wie bist du denn drauf, ein… Liebhaber ist doch keine Geldanlage.«

Wieder klingelte das Handy, das offenbar unmittelbar neben Grit lag.

»Holst du die Kinder?«

»Leni und Arno werden sie holen.«

»Auch gut… sie können doch eigentlich schon am Donnerstag kommen, die Kinder haben bereits nach der zweiten und vierten Stunde Unterrichtsschluß.«

»Ich werde es mit Leni besprechen.«

»Versuch sie zu beschwatzen, schon am Donnerstag zu kommen. Gut, daß mir das noch rechtzeitig eingefallen ist… dann haben die Kinder mehr von euch.«

»Und du von deinem Liebhaber«, dachte Bettina, sprach es aber nicht aus.

Grit hatte es sehr eilig, das Telefonat zu beenden. Ein Dankeschön, das ja nun wirklich nicht viel Zeit kostete, hatte Bettina allerdings nicht gehört.

Bettina war traurig. Ihre gute Laune, die sie nach den mit Linde verbrachten Stunden gehabt hatte, war dahin.

Grit hatte sich, ebenso wie ihre Brüder, auf erschreckende Weise verändert. Das viele Geld, den Besitz, den sie geerbt hatten, war ihnen wirklich nicht bekommen. Es hatte sie egoistisch und rücksichtslos werden lassen.

Grit forderte und erwartete, daß man ihre Wünsche sofort erfüllte. Dabei war eigentlich nichts im Leben selbstverständlich, und man mußte Dankbarkeit auch für Kleinigkeiten zeigen.

Ihre Familie wurde ihr immer fremder. Oder waren ihre Geschwister immer so gewesen und es war ihr vorher nur nicht so aufgefallen?

Doch ihr Vater war herzensgut gewesen und immer ein Vorbild. Nun ja, für sie, für die anderen wohl nicht.

Sie schaute auf das Foto ihres Vaters.

»Ach, Papa, hast du das vorausgeahnt? Hast du es immer gewußt?« flüsterte sie. »Wir haben über so vieles nicht geredet, obschon ich immer geglaubt hatte, dir so nahe zu sein, deine Vertraute… dabei gab es auch in deinem Leben Geheimnisse. Warum hast du mit mir nicht über Frau Dr. von Orthen gesprochen? Warum…?«

Sie brach ab, es machte doch keinen Sinn, mit einem Bild zu reden. Sie hatte ihren Vater in ihrem Herzen, sie würde ihn immer lieben, und sie mußte sich damit abfinden, daß sie das Rätsel, das ihn umgab, niemals lösen würde.

Sie konnte weiter nach seinen Wertvorstellungen, die er ja auch an seine Kinder weitergegeben hatte, leben. Und was ihre Geschwister taten, darauf hatte sie keinen Einfluß, auch nicht darauf, daß die Familie immer mehr auseinander brach, weil es keine starke Hand mehr gab, die sie zusammenhielt.

Bettina stand auf, um zu Leni zu gehen, mit der sie besprechen wollte, wann die Kinder abgeholt werden sollten.

Sie freute sich auf Merit und Niels und würde sich liebevoll um sie kümmern. Aber bei der Gunstvergabe hatte sie ja starke Mitbewerber – Leni bei Merit und Toni bei Niels.

Als sie in das Haus der Dunkels kam, saßen Leni und Arno gerade bei einem Kaffee in der gemütlichen Küche.

»Willst du auch einen Kaffee trinken?«

Bettina schüttelte den Kopf.

»Nein, danke, mein Bedarf für heute ist gedeckt, ich bin nur hier, um mit euch zu besprechen, wie wir das mit den Kindern machen. Jetzt will Grit sogar, daß wir sie schon am Donnerstag abholen.«

»Um so besser«, rief Leni, »am Donnerstag ist das Haus noch leer, da haben wir keine Gäste, erst am Freitag reisen welche an. Irgendein Kegelklub, denen es zu teuer war, in Bad Helmbach zu wohnen. Sie werden sich aber dort die meiste Zeit über aufhalten.«

Schnell besprachen sie die Abholung der Kinder, dann wollte Bettina wieder gehen, weil sie sich auch noch für den Abend mit Jan zurechtmachen wollte.

Arnos Stimme hielt sie zurück.

»Bettina, ich will dich nicht nerven, aber hast du schon etwas wegen der Bilder unternommen?«

Ach ja, die schrecklichen Ölgemälde mit den Seeschlachten. Hätte Arno sie doch bloß nicht in der alten Truhe entdeckt. Wenn es nach Bettina gegangen wäre, hätten sie noch hundert Jahre dort weiter schlummern können. Es interessierte sich doch kein Mensch für solche Ölschinken, auch wenn sie von bestechender Qualität waren, aber die Motive… nur Seeschlachten von anno Tobak, damit lockte man niemanden hinter dem Ofen hervor.

Sie hatte ja bereits einmal den Versuch unternommen, über Babsi, eine junge Künstlerin, etwas in Erfahrung zu bringen. Doch Babsi war nicht daheim gewesen, und dann hatte Bettina es vergessen und keinen weiteren Versuch unternommen, weil sie es auch nicht wirklich interessierte.

Sie war auch so felsenfest davon überzeugt, daß diese Bilder nichts wert waren, daß sie sich auch nicht traute, einen Experten zu fragen. Sie hatte diese Gemälde ja schon Arno schenken wollen, doch selbst der hatte sie nicht haben wollen.

Doch er würde keine Ruhe geben und sie immer wieder erinnern.

Also versprach sie ihm erneut: »Ich werde mich darum kümmern, sofort morgen…«

Es hätte sie sehr gewundert, wenn nicht Leni auch etwas dazu zu sagen hatte, und das tat sie sehr gern in Sprichwörtern.

»Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.«

Bettina lachte.

»Ich weiß, aber diesmal muß es wirklich morgen sein, denn jetzt muß ich mich umziehen und fertig machen, damit Jan nicht auf mich warten muß.«

Sie winkte beiden zu und wirbelte aus dem Haus.

Hektor und Lady kamen sofort angeschossen.

»Nein, jetzt gibt es nichts mehr«, rief Bettina ihnen zu, und diesmal bleib sie standhaft.

Beleidigt zogen die beiden ab. Doch das beunruhigte Bettina nicht, die zwei würden sich schon wieder beruhigen.

*

Obschon Bettina sich immer wieder sagte, die Verabredung mit Jan van Dahlen sei absolut ohne Bedeutung, verwandte sie doch sehr viel Zeit für ihr Äußeres, aber das tat wohl jede Frau, gleichgültig, mit welchem Mann sie verabredet war und ob wichtig oder unwichtig.

Sie wollte hübsch aussehen, in erster Linie für sich selbst.

Als sie die Hälfte ihres Kleiderschrankes ausgeräumt hatte und sich die Berge auf ihrem Bett türmten, sah sie die Unsinnigkeit ihres Tuns ein und räumte brav alles wieder zurück.

Sie entschied sich für eine Jeans, ein einfaches T-Shirt und darüber einen Blazer. So sah sie gut, aber nicht gestylt aus, und Blazer hatte sie noch aus ihrer Zeit in der Firma ihres Vaters genug.

Sie schlüpfte in bequeme flache Schuhe und band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.

Doch etwas Lippenstift, etwas von dem neuen Parfüm, fertig.

Ein letzter Blick in den Spiegel. Sie gefiel sich, und das Parfüm roch ganz toll.

Bettina hatte gerade ihre Tasche umgeräumt, als es klingelte.

Sie schaute auf die Uhr.

Jan war erstaunlich pünktlich, bis neunzehn Uhr fehlte noch eine Minute.

Sie ging zur Tür.

»Pünktlich wie die Maurer«, bemerkte sie leichthin, weil sie sich in seiner Nähe immer etwas unsicher fühlte.

Hingerissen schaute er sie an.

»Du siehst umwerfend aus, und wie du riechst…«, er schnupperte, »traumhaft… ein Duft, wie für dich gemacht.«

Bettina errötete vor Freude, aber auch vor lauter Verlegenheit. Er war so direkt und zeigte seine Bewunderung ganz offen. Das gefiel ihr einerseits, andererseits irritierte es sie.

Wenn es Thomas nicht gäbe…

Nein, so weit durfte sie überhaupt nicht denken. Es gab Thomas, und den liebte sie, ihn und sonst keinen.

Bettina schob sich an ihm vorbei, schloß die Haustür ab, dann folgte sie ihm zu seinem Wagen.

»Ich habe herausgefunden, daß es eine zweite Vorstellung gibt, und ich habe außerdem herausgefunden, daß, ganz in der Nähe des Kinos, eine Tapas-Bar aufgemacht hat. Wir könnten also vorher dort etwas picken, einen edlen Rioja trinken und die zweite Vorstellung besuchen. Wie findest du das?«

»Super«, stimmte Bettina sofort zu, der eingefallen war, daß sie seit dem Mittagessen beim Italiener nichts mehr zu sich genommen hatte. Und Tapas mochte sie sehr, gleichgültig ob warm oder kalt. Und ein Gläschen Wein war auch nicht zu verachten. Auch wenn sie selbst ein eigenes Weingut in der Nähe von Bordeaux hatten – nein, Jörg hatte es ja jetzt –, trank Bettina lieber spanische Weine, besonders die Rioja-Weine, die nicht umsonst weltberühmt waren.

Jan half ihr höflich ins Auto, strahlte sie an. Jetzt strahlte Bettina zurück.

Der Mann war höflich, charmant, interessant, und er lag ihr zu Füßen. Ihrem Selbstbewußtsein tat diese Bewunderung wohl.

Sie freute sich auf einen unterhaltsamen Abend.

Während der Fahrt unterhielten sie sich über den Film, über Filme, die sie beide gesehen und interessant gefunden hatten.

Da gab es viel zu erzählen, denn es stellte sich heraus, daß sie einen sehr ähnlichen Geschmack hatten, was Kino anbelangte.

Für welche Filme Thomas sich wohl interessierte? schoß es Bettina durch den Kopf und dabei fiel ihr auf, daß sie das nicht wußte.

Sie hatten sich nicht darüber unterhalten, und als sie jung gewesen waren, hatten sie zwar mehrmals ein Kino besucht, aber nicht eigentlich, um den Film zu sehen, sondern um Händchen zu halten und sich verstohlen zu küssen.

Es erschütterte Bettina, daß es zwischen Thomas und ihr noch nicht einmal so etwas Banales gab, wie über Filme zu reden.

Sie hatten keinen Alltag, weder einen miteinander gelebten, noch einen verbalen.

Sie beschworen ihre Liebe herauf – im Grunde genommen lebten sie in einer Traumwelt mit Bildern, die in diese Welt paßten.

»Bitte denk nicht an ihn, nicht jetzt«, bat Jan und lenkte das Auto auf den kleinen Parkplatz vor der Tapas-Bar.

Konnte er Gedanken lesen?

Sie antwortete nicht, weil sie ihm schlecht sagen konnte, was ihr gerade mit großem Erschrecken aufgefallen war.

Wieder war er ganz Kavalier und half ihr aus dem Auto, und wieder wurden sie von dem Wirt begrüßt, als seien sie Stammgäste.

»Wie oft warst du schon hier?« wollte sie wissen, und es wunderte sie überhaupt nicht, daß es auch diesmal nur ein einziges Mal gewesen war.

Auch hier wurden sie vom Wirt, einem rührigen Spanier, wie Stammgäste begrüßt und wurden an den besten Tisch geführt.

»Wie schaffst du es nur, alle Leute sofort für dich einzunehmen«, wunderte Bettina sich.

Er schaute sie einen Moment lang sehr ernst an.

»Leider gelingt es mir nicht immer. An dir beiße ich mir die Zähne aus, dabei würde ich alles tun, deine Gunst zu erringen, die Chance zu bekommen, dich ganz behutsam zu erobern.«

Ihr Gesicht verschloß sich.

»Jan, wenn du willst, daß wir einen netten Abend miteinander verbringen, dann fang bitte nicht so an. Ich liebe Thomas, und daran wird sich niemals etwas ändern.«

»Der Glückliche… du hältst an ihm fest, ohne daß er etwas für dich tut. Warum ist er nicht bei dir? Warum läßt er dich über eure Zukunft im unklaren?«

Bettina wurde blaß.

»Woher weißt du all das?«

Er lächelte sie an, ergriff behutsam ihre rechte Hand, die nervös auf dem Tisch herumgetrommelt hatte.

»Es ist mein Beruf, alles zu erfahren, das weißt du doch. Und Fahrenbach ist kleiner als du denkst, und es wird auch hier, wie überall sonst auch, geredet. Und die Fahrenbachs sind bekannt, wie sagt man so schön, wie die bunten Hunde.«

Es ärgerte Bettina, daß sie ihm jetzt nicht etwas Konkretes sagen konnte, was sie und Thomas betraf. Er hatte ja recht – sie wußte nur, daß er sie liebte. Das war zwar wunderbar und viel, aber eben nicht genug.

Glücklicherweise kam der Wirt, um ihnen zu sagen, welche Köstlichkeiten er noch anzubieten hatte, die nicht auf der Tafel standen.

Der Wein, den er ihnen serviert hatte, war köstlich, und nachdem sie sich zugeprostet hatten, kam Jan noch einmal auf das Thema zurück.

»Bettina, ich höre gleich damit auf, aber laß mich bitte noch etwas sagen. Du bist die erste Frau seit langem, für die ich mich nicht nur interessiere, sondern in die ich mich auch Knall auf Fall verliebt habe. Ich meine es wirklich ernst mit allem, was ich sage.«

»Jan, übermorgen bist du weg, und spätestens nächste Woche wirst du mich vergessen haben.«

»Das ist nicht wahr. Ich würde alles tun, um dir nahe zu sein. Ich würde sogar meinen Wohnsitz in deine Nähe verlegen, um dich kennenzulernen, um dir eine Chance zu geben, mich näher kennenzulernen. Im übrigen ist es heutzutage überhaupt nicht schwierig, eine Beziehung selbst auf weiteste Entfernungen hin aufzubauen. Selbst wenn ich in Australien leben müßte, würde ich alles tun, um so oft wie möglich bei dir zu sein. Wozu gibt es Flugzeuge?«

Sollte das ein Seitenhieb auf Thomas sein, der es nicht schaffte, öfter nach Fahrenbach zu kommen, warum auch immer?

Sie blickte ihn an, aber nein, er war nicht hinterhältig, statt Australien hätte es auch China oder etwas anderes sein können, er hatte es nur als Beispiel genannt.

Glücklicherweise rettete sie wieder der Wirt, der die ersten Tapas servierte, und bald waren sie in ein neues Gespräch verwickelt, das sich erst um diese kleinen Köstlichkeiten drehte, dann um Spanien allgemein, und dann redeten sie schließlich über Gott und die Welt.

Jan war wirklich unbeschreiblich nett und in keiner Weise aufdringlich.

Sie unterhielten sich angeregt und merkten überhaupt nicht, wie die Zeit verflog.

Fast hätten sie sich verplaudert. Jan bemerkte im letzten Augenblick, daß sie sich sputen mußten, um nicht die zweite Vorstellung des Filmes zu verpassen, dessentwegen sie ja auch hierher gekommen waren.

Der Wirt verabschiedete sich überschwenglich von ihnen. Allmählich begriff Bettina, warum Jan überall auf Anhieb beliebt war, er hatte einen umwerfenden Charme und verstand es, seine Aufmerksamkeit so ausschließlich auf einen Menschen zu fokusieren, daß derjenige sich geschmeichelt fühlte.

Als sie in das kleine Kino kamen, das nur mäßig besucht war, hatte der Vorfilm gerade begonnen.

Bettina war froh, daß sie noch Plätze in der letzten Reihe in der Mitte fanden, denn darin war sie ein wenig zwanghaft. Der Kinobesuch war für sie besonders genußreich, wenn sie gerade dort sitzen konnte.

Natürlich war das albern, aber sie hatte irgendwann einmal damit angefangen, und dann war es zur Gewohnheit, ja beinahe zu einem Zwang geworden, der von anderen immer wieder belächelt wurde. Aber Jan van Dahlen konnte sie verstehen. Wenn möglich, setzte er sich selbst auch am liebsten in die letzte Reihe in die Mitte. Wieder etwas, was sie gemeinsam hatten.

Ihre Gedanken wanderten zu Thomas. Was er wohl bevorzugte? Sie wußte es nicht, und als sie jung gewesen waren und verliebt, war es unerheblich gewesen, wo sie saßen, Hauptsache, sie waren beieinander.

Bettina brachte sich in die richtige Sitzposition, dann verfolgte sie das Geschehen auf der Leinwand.

Zuerst ein wenig unaufmerksam, dann aber immer interessierter, verfolgte sie den Vorfilm. Es zeigte ein Bergsteigerteam, das den Nanga Parbat erklomm. Unabhängig von den spektakulären Aktionen der tollkühnen Männer war es das Naturschauspiel, das da gefilmt worden war. Das grandiose, majestätische Himalajamassiv.

Bettina war angeregt, und die Spannung hielt an, als nahezu nahtlos der Hauptfilm begann. Es war das Psychodrama um eine junge Frau, die aus einem behüteten Leben immer mehr in die Kriminalität und in den Drogensumpf abgleitet.

Normalerweise mochte Bettina solche Filme nicht, aber die Schauspielerin, durch die der Film fast ausschließlich getragen wurde, spielte so realistisch, verkörperte den Verfall so authentisch, daß Bettina wie gebannt den Ablauf verfolgte, und es ihr gar nicht bewußt geworden war, daß sie nach Jans Hand gegriffen hatte – oder war es umgekehrt gewesen?

Erst als der Film beendet war und die Beklemmung wich, merkte sie, daß ihre linke Hand von seiner Rechten behutsam umschlossen war und warm und beschützt darin ruhte.

Bettina seufzte tief auf, dann entzog sie ihm ihre Hand. Das Kino begann sich zu leeren, sie gehörten zu den letzten, die hinausgingen.

Sie waren schon ein Stück schweigend nebeneinander hergelaufen, als er wissen wollte: »Sollen wir noch irgendwo einkehren?«

Bettina schüttelte den Kopf.

»Nein, danke. Bitte laß uns nach Hause fahren. Wir können uns unterwegs noch etwas über den Film unterhalten, der mich mehr aufgewühlt hat, als gedacht… ich könnte jetzt nicht in irgendein Lokal gehen.«

»Okay, dann laß uns doch noch ein wenig laufen.«

Damit war Bettina sofort einverstanden.

»Aber da biete ich dir Fahrenbach an. Für den See ist es zu spät. Aber vom Hof durch die Felder, hinunter zum Fluß, das ist ein wunderbarer Weg.«

»Also gut, machen wir das«, stimmte Jan sofort zu.

Sie gingen zum Auto, die Fahrt nach Fahrenbach verlief ziemlich schweigend, weil beide wohl ihren Gedanken nachhingen und nur hier und da eine Äußerung machten, wenn ihnen eine Szene besonders erwähnenswert war.

Als sie auf den Hof kamen, lag dieser, bis auf die Laternen, die immer angezündet wurden, seit das alte Gesindehaus vermietet wurde, im Dunkel.

Bettina schloß ihre Haustür auf, stellte ihre Tasche in die Diele. Sie hätte sie aber auch ebenso gut draußen auf die Bank stellen können.

Der Fahrenbach-Hof war noch niemals von Dieben heimgesucht worden, und Bettina wünschte sich von ganzem Herzen, daß es weiterhin so bleiben würde.

Aber es hatte sich doch einiges geändert. Übernachtungsgäste kamen, und Leni sagte immer wieder, was ja auch stimmte, denen könne man nur vor den Kopf gucken.

»Wir können«, sagte Bettina und dann führte sie Jan zu ihrem Lieblingsweg.