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Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. E-Book 1769: Wir beide gegen den Rest der Welt E-Book 1770: Für mich wärst du ein Supervater E-Book 1771: Ich will einen Papi - keinen Onkel E-Book 1772: Liebe, aber freche Gäste E-Book 1773: Große Liebe zu kleinen Tieren E-Book 1774: Eine neue Zeit - ein anderes Leben E-Book 1775: Melanie geht ihren Weg E-Book 1776: Dita, das Findelkind E-Book 1777: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben E-Book 1778: Er nannte es Vaterliebe E-Book 1: Wir beide gegen den Rest der Welt E-Book 2: Wir beide gegen den Rest der Welt E-Book 3: Für mich wärst du ein Supervater E-Book 4: Für mich wärst du ein Supervater E-Book 5: Ich will einen Papi - keinen Onkel E-Book 6: Ich will einen Papi - keinen Onkel E-Book 7: Liebe, aber freche Gäste E-Book 8: Liebe, aber freche Gäste E-Book 9: Große Liebe zu kleinen Tieren E-Book 10: Große Liebe zu kleinen Tieren E-Book 11: Eine neue Zeit - ein anderes Leben E-Book 12: Eine neue Zeit - ein anderes Leben E-Book 13: Melanie geht ihen Weg E-Book 14: Melanie geht ihren Weg E-Book 15: Dita, das Findelkind E-Book 16: Dita, das Findelkind E-Book 17: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben E-Book 18: Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben E-Book 19: Er nannte es Vaterliebe E-Book 20: Er nannte es Vaterliebe
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Seitenzahl: 1240
Wir beide gegen den Rest der Welt
Wir beide gegen den Rest der Welt
Für mich wärst du ein Supervater
Für mich wärst du ein Supervater
Ich will einen Papi - keinen Onkel
Liebe, aber freche Gäste
Große Liebe zu kleinen Tieren
Eine neue Zeit - ein anderes Leben
Melanie geht ihen Weg
Dita, das Findelkind
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben
Er nannte es Vaterliebe
»Und das willst du wirklich tun? Ich meine, eigentlich hat er dir doch gesagt, daß er nicht mehr will…«
»Ich kann nicht anders. Ich muß Klarheit haben. Und außerdem gibt es noch einen anderen Grund.«
Corinna wandte den Kopf ab, damit ihre Freundin Melanie die Tränen nicht sah, die ihr jetzt in die Augen schossen.
»Und welchen?«
»Ich bin… schwanger.«
»O Gott, das ist ja schrecklich!«
Corinna schüttelte den Kopf. Als sie Melanie jetzt ansah, war ihr Ausdruck nicht länger verzweifelt, sondern sehr entschlossen.
»Wie kann es schrecklich sein, wenn man ein Kind erwartet? Wenn er mich dann trotzdem nicht mehr will, ziehe ich es allein auf. Das müssen Millionen Frauen.«
Melanie hatte ihre Zweifel, ob ihre empfindliche Freundin dazu stark genug wäre, aber das sprach sie jetzt nicht aus. Corinna stand ihrer Meinung nach am Rande einer Hysterie.
»Ich werde es ihm sagen, und wenn er verlangt, daß ich das Baby nicht bekommen soll, dann hat es sich sowieso erledigt. Wenn er aber zögert, bekommt er noch eine Chance.«
Melanie hätte Corinna in diesem Moment darauf aufmerksam machen können, daß eigentlich eher sie die Chance suchte und nicht Bernd. Bernd hatte sich in ihren Augen so gemein verhalten, daß er gar keine Chance mehr verdiente. Er hatte Corinna die große Liebe vorgespielt und sie dann sitzenlassen, weil er bereits verlobt war.
Das hatte er ihr natürlich verschwiegen, als er sie kennenlernte und ihr wirklich von einer Stunde zur nächsten den Kopf verdreht hatte. Die Umstände waren auf seiner Seite gewesen, denn er wohnte nicht hier in Hamburg, sondern in Berlin, kam aber regelmäßig auf Geschäftsreise hierher. Wie hätte Corinna also wissen sollen, daß er bereits ein absolut durchorganisiertes Familienleben führte? Er arbeitete für den Vater seiner zukünftigen Ehefrau für einen großen pharmazeutischen Betrieb und wohnte mit dieser zusammen. Corinna hätte es wohl noch lange nicht gemerkt, wenn sie nicht die Idee gehabt hätte, ihn zu überraschen, indem sie nach Berlin fuhr.
Es war ihr Gott sei Dank erspart geblieben, auf die Verlobte zu stoßen, die an diesem Abend gerade mit einer Freundin im Theater gewesen war. Bernd hatte sie voller Panik und tausend Ausreden in einem Hotel untergebracht und dann schließlich beichten müssen.
Corinna hatte sich natürlich erst einmal die Augen aus dem Kopf geheult und bei Melanie angerufen. Die beiden hatten zusammen beratschlagt, was nun zu tun sei. Melanie war der Meinung gewesen, daß Corinna sofort zurückkommen solle. Aber Corinna glaubte Bernd noch immer, der behauptete, daß sie natürlich seine »wahre Liebe« sei. Er müsse aber trotzdem erst einmal verlobt bleiben, weil er zuerst einen neuen Job brauchte.
Melanie hatte alle Überredungskunst aufgebracht, doch es war nichts zu machen gewesen. Corinna wollte Bernd glauben und nicht ihr.
Dann hatte er drei Tage später bei Corinna angerufen und unter großem Bedauern mitgeteilt, daß er sie leider nicht mehr sehen könne, wenn sie auch immer seine große Liebe bleiben würde. Das war vor einer Woche gewesen, in der Corinna zwischen Hoffen und Bangen geschwankt war wie ein Blatt im Wind. Und nun hatte sie also festgestellt, daß sie schwanger war.
Melanie hoffte nur inständig, daß sie die Liebe nicht eines Tages »anfallen« würde. Es schien mehr krankhaft als beglückend zu sein.
»Soll ich mitkommen, wenn du hinfährst?« fragte sie beklommen.
»Nein, das schaffe ich schon allein. Mach dir keine Gedanken.«
Keine Gedanken! Melanie tat ja nichts anderes, als sich ständig um Corinna Gedanken zu machen! Am liebsten hätte sie ihre Freundin darauf hingewiesen, daß sie seit Tagen kein anderes Thema mehr kannten als Bernd und immer wieder Bernd. Aber wozu sollte sie ihre Kraft verschwenden? Corinna hörte nur, was sie hören wollte, und das waren jetzt sicher nicht Bedenken und Ermahnungen.
»Wann willst du fahren?«
»Morgen. Am liebsten natürlich noch heute abend, aber da kann ich ja sowieso nicht bei ihm anrufen, weil bestimmt diese Frau da ist.«
»Diese Frau ist seine Verlobte, Corinna. Sie ist zu recht da, denn es ist doch sicher ihre Eigentumswohnung, oder nicht?«
»Warum sagst du das in diesem Ton? Sie hält ihn fest. Sie hat ihn mit Geld geködert, obwohl er sie gar nicht wirklich liebt. Das muß man doch merken, oder nicht? Warum läßt sie ihn nicht gehen, wenn er das will? Findest du es vielleicht anständig von ihr, daß sie ihn damit erpreßt, daß er seine Arbeit verliert, wenn er geht?«
»Tut sie das denn? Ich dachte, sie weiß gar nichts von dir…«
»Er sagt, sie würde das sofort tun, wenn sie es erführe. Aber er hat so viel Arbeit investiert, um den Job zu erreichen, den er jetzt hat, daß er ihn nicht einfach aufgeben kann. So schnell findet Bernd in der Position nichts Neues.«
Wieso merkte Corinna eigentlich nicht, wie dünn die Argumente klangen? Glaubte sie das alles denn wirklich? Melanie war fassungslos.
»Ich kann wohl jetzt sagen, was ich will, du wirst mir nicht glauben, oder? Dann mußt du wohl wirklich fahren und sehen, was passiert. Aber mach dich bitte auch darauf gefaßt, daß es schiefgehen könnte.«
»Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
»Immer auf deiner, wenn du es schon fragen mußt.«
Corinna schwieg und preßte die Lippen zusammen. Melanie nahm es ihr nicht übel. Es war wie eine Krankheit über Corinna gekommen, und mit Kranken mußte man Geduld haben und warten, bis sie wieder gesund waren.
»Entschuldige, Melanie. Ich bin blöd. Ich weiß ja, daß du es gut meinst. Aber im Moment kann ich nicht anders handeln. Nimm es mir nicht übel.«
Melanie umarmte ihre Freundin erleichtert. Vielleicht war ja doch noch nicht Hopfen und Malz verloren.
»Ich glaube, wir sollten mal wieder nach vorn gehen. Unsere Pause ist schon überzogen.«
»Und bitte nichts zu den anderen, ja? Ich will von der Schwangerschaft noch nichts sagen.«
»Das versteht sich doch von selbst.«
Die Apotheke, in der Melanie als angestellte Apothekerin und Corinna als Pharmazie-Studentin arbeitete, gehörte Melanies Onkel. Er war immer bereit, ein Auge zuzudrücken, wenn die beiden sich ein paar Extrarechte herausnahmen. Sie durften es nur nicht übertreiben.
Corinna hatte natürlich äußerste Mühe, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie mußte nicht unbedingt Kunden bedienen, sondern war auch oft mit dem Einräumen der Ware und dem Sortieren der bestellten Medikamente beschäftigt. Dabei mußte sie zwar aufpassen, konnte ihre Gedanken aber hin und wieder doch abschweifen lassen.
Sie freute sich trotz aller Probleme auf das Baby. Ein Abbruch war für sie undenkbar. Selbst wenn Bernd wirklich nicht mit ihr leben würde, konnte sie sich das nicht vorstellen. Sie liebte es jetzt schon. Es würde sie immer an Bernd erinnern. Aber schöner wäre es natürlich, wenn er sich endlich zu seiner großen Liebe bekennen und zu ihr kommen könnte.
Andererseits verstand sie na-türlich, daß er auf seinen Beruf nicht verzichten konnte. Wovon sollten sie leben? Er wäre der einzige Verdiener. Corinna konnte zwar mit dem, was sie in der Apotheke verdiente, einiges kaufen, was sie so brauchte, aber es würde nicht einmal für sie und das Baby reichen, geschweige denn auch noch für Bernd.
Vielleicht sollte sie ihr Studium aufgeben? Aber sie brauchte nicht mehr allzu lange, dann konnte sie ihre Prüfungen ablegen und wäre Apothekerin wie Melanie. Sie hatte sowieso schon viel Zeit verbummelt. Bevor sie sich letztendlich für die Pharmazie entschieden hatte, wollte sie Ärztin werden und hatte Medizin studiert. Irgendwann war ihr das so endlos erschienen, zumal die Aussicht, sich in einer Klinik zu schinden, weil die eigene Praxis völlig illusiorisch war, nicht sehr verlockend auf sie gewirkt hatte. Nein, ihr Studium sollte sie schon beenden. Sonst würde vermutlich auch die Unterstützung von den Eltern wegfallen. Und als Apothekenhelferin wollte sie auch nicht enden. Ihre Tochter sollte doch eines Tages stolz auf sie sein, daß sie genügend Kraft gehabt hatte, ihren Weg zu gehen…
Corinna lächelte. Es könnte natürlich auch ein Junge sein, aber ein Mädchen wäre ihr lieber. Wenn sie an ihre zwei Brüder dachte, wußte sie auch warum.
»Corinna? Ist die Bestellung für Lemhold fertig?«
Oje, jetzt hatte der Onkel von Melanie sie beim Träumen er-wischt. Gar nichts war fertig, sie hatte noch nicht einmal angefangen.
»Sofort, ich bin gleich soweit.«
Sie fischte das Rezept heraus und verfiel in hektische Aktivität. Sie wollte ihren Chef auf keinen Fall verärgern, wenn er schon so großzügig gewesen war, ihr für ein paar Tage freizugeben.
Wie es ihr wohl ginge, wenn sie zurückkam? Wenn Bernd sich auf das Baby freute und die Notwendigkeit einsah, sich nun für sie zu entscheiden, würde sie überglücklich die Schwangerschaft bekanntgeben. Wenn nicht… daran wollte sie lieber nicht denken.
»Hier, die Medikamente für Lemhold.«
Sie brachte die Plastiktüte mit den Medikamenten nach vorn und ließ Melanie alles überprüfen, damit sichergestellt war, daß ihr kein Irrtum unterlaufen war. Melanie nickte und blinzelte ihr zu. Corinna ging wieder nach hinten und setzte ihre Arbeit jetzt fort, ohne sich weiterhin von ihren eigenen Gedanken ablenken zu lassen.
Kurz vor Feierabend kam Melanie nach hinten.
»Laß uns noch etwas essen gehen, ich lade dich ein.«
»Ich muß noch Haare waschen und so…«
»Das kannst du dann noch. Es muß ja nicht spät werden.«
»Na gut, dankend angenommen. Ich muß ja jetzt auch für zwei essen.«
Melanie lächelte. Sie hoffte allerdings, mit ihrer Freundin noch einmal ernsthaft reden zu können. Was das Baby anging, machte sie sich wenig Illusionen. Corinna war viel zu romantisch, um an einen Abbruch auch nur zu denken. Aber sie sollte wenigstens ihre Reise verschieben und diesen Bernd erst einmal herzitieren. Es wäre zu Corinnas Vorteil, wenn sie auf heimischem Boden mit ihm spräche und nicht nach dem Fiasko, das Melanie erwartete, auch noch allein in einer fremden Stadt herumsäße. Das würde wieder eine Menge Telefongeld kosten, und Melanie konnte ihren Onkel jetzt unmöglich im Stich lassen, indem sie auch noch überstürzt nach Berlin fuhr, um Corinna abzuholen.
Leider erreichte sie nichts bei ihrer Freundin. Sie saßen in ihrer Lieblingspizzeria, aber Corinna erlaubte Melanie nicht, auch nur einen Zweifel an dem guten Ende ihrer Fahrt nach Berlin zu äu-ßern. Schließlich trennten sie sich mit dem Gefühl, daß sogar ihre Freundschaft auf dem Spiel stand, wenn der Name Bernd noch einmal fiel. Melanie sah ihrer Freundin nach, als diese abfuhr. Sie hatte Angst um Corinna.
*
»Hast du den Anzug schon aus der Reinigung geholt, Bernd? Sonst kann ich das heute in der Mittagspause machen.«
Julia räumte gerade den Frühstückstisch ab, während Bernd im Badezimmer stand und sich überlegte, ob er sich jetzt rasieren sollte oder es bis zum Abend Zeit hatte.
»Ich hole ihn schon selbst. Danke«, rief er zurück.
Julia nickte. Sie hatte ihm entgegenkommen wollen, aber im Moment war er ständig auf Abwehr, ohne ihr den Grund dafür zu nennen. Sie wußte nicht, was sie falsch gemacht haben könnte. Es belastete sie, daß ihr gutes Verhältnis gestört war.
»Fahren wir zusammen?«
»Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Fahr nur allein«, lautete seine Antwort.
»Ist gut. Dann bis später.«
Sie würden sich in der Firma ihres Vaters sehen – meistens aßen sie zusammen, wenn Bernd nicht gerade auf einer der vielen Geschäftsreisen war, die er machen mußte. Julia hatte ihren Vater schon einmal gebeten, Bernd nicht dauernd dafür einzusetzen. Es gab auch noch andere, gleichbedeutende Posten in der Firma, die er bekleiden konnte. Aber ihr Vater hatte nur gelacht.
»Das ist wohl auch eine Entscheidung, die Bernd tragen muß, mein Schatz. Ich habe bisher den Eindruck, daß er diese Reisen ganz gern macht. Er hat sich jedenfalls noch nicht beschwert. Und er macht seine Sache sehr gut.«
Julia wollte Bernds Freiheit nicht beschneiden. Sie hätte es nur einfach schöner gefunden, wenn sie mehr Zeit füreinander gehabt hätten.
Ihr kleiner Sportwagen stand vor dem Haus, in dem sie ihre Eigentumswohnung hatte. Wenn Bernd und sie heirateten, wollten sie die Wohnung vermieten und sich ein Haus kaufen. Sie war bereits auf der Suche danach, obwohl noch kein Termin für die Hochzeit feststand. Bernd war der Meinung, daß sie ja auch so alles hatten, was sie wollten. Daran erkannte sie, daß es glücklicherweise nicht unbedingt die Firma ihres Vaters war, hinter der er her war, sondern daß er doch wohl sie meinen mußte. Sonst hätte er es bestimmt eiliger gehabt, sein »goldenes Täubchen«, wie er sie manchmal nannte, in den Ehe-Käfig zu setzen.
Lächelnd startete sie den Motor und fuhr los. Sie machte sich einfach immer zuviel Sorgen. Das war bestimmt nicht gut und nervte Bernd vermutlich. Damit mußte Schluß sein. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne schien bereits von einem blitzeblauen Himmel, obwohl die Luft noch sehr kühl war. Der Herbst hielt Einzug…
Der Radfahrer überquerte die Straße, in die Julia einbiegen wollte, ohne nach rechts oder links zu schauen. Julia hatte allerdings auch nicht richtig aufgepaßt, und so mußte sie eine Notbremsung machen. Durch den Schreck, als er den Wagen wahrnahm, verriß er den Lenker und fiel doch noch hin, obwohl ihr Auto ihn nicht berührt hatte.
Julia saß sekundenlang wie unter Schock da, dann stieg sie aus. Er versuchte gerade aufzustehen.
»Verdammt, können Sie nicht aufpassen?« schrie er sie an, als Julia sich jetzt über ihn beugen wollte, um ihm zu helfen.
»Gleichfalls! Sie sind gerast wie ein Irrer!«
Natürlich wußte sie, daß sie im Unrecht war, aber der Schreck und sein Gebrüll raubten ihr die Fassung.
»Na, Sie sind vielleicht gut! Haben Sie Ihren Führerschein im Lotto gewonnen oder was? Gelten für Sie vielleicht andere Verkehrsregeln als für andere Leute?«
»Ent… schuldigen Sie bitte. Ich weiß, ich war im Unrecht. Kann ich Sie zum Arzt bringen? Haben Sie sich den Knöchel verletzt?«
Er konnte offensichtlich auf dem rechten Fuß nicht stehen.
»Scheint so. Wenn wir keinen Unfallwagen rufen wollen, müssen Sie mich wohl fahren. Aber mein Rad müßte angeschlossen werden.«
»Kommen Sie, setzen Sie sich ins Auto. Ich mache das mit dem Rad.«
Er sah sie etwas skeptisch an, ließ sich dann aber zum Auto helfen, indem er ihr schwer den Arm um die Schultern legte. Julia keuchte leicht, als er endlich saß.
Sie lehnte sein Fahrrad gegen einen Baum, schloß es mit der dicken Kette an, die auf dem Sattel lag und ging zum Wagen zu-rück.
»Möchten Sie ins Krankenhaus oder soll ich sie zu meinem Hausarzt in der Nähe bringen?«
»Der Hausarzt genügt vermutlich. Gebrochen ist er bestimmt nicht, nur verstaucht.«
»Gut. Es ist nicht weit.«
»Wie heißen Sie?«
»Ich bin Julia Thomsen.«
»Aha. Ich heiße Sven Lundgren.«
»Angenehm.«
»Wirklich? Sollte mich wundern. Sie hatten sicher etwas anderes vor, als arme Studenten umzufahren und zum Arzt zu karren.«
Julia mußte lachen. Wie gut, daß der »arme Student« Humor hatte. Er erinnerte sie ein bißchen an ihren Bruder Felix, das schwarze Schaf der Familie. Sie hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört, fiel ihr jetzt ein. Wo er sich wohl gerade wieder herumtrieb?
»Ja, ich wollte eigentlich zur Arbeit fahren. Aber das macht nichts, ich kann ruhig etwas später kommen.«
»Was sind Sie denn? Managerin oder so etwas?«
»Ich? Wie kommen Sie denn darauf? Ich bin Chefsekretä-rin…«
Das war die Antwort, die Julia immer gab. Es war ihr schon zur Gewohnheit geworden. Seit sie ein paarmal Männer kennengelernt hatte, die bei dem, was ihr Vater darstellte, sofort von Liebe gesprochen hatten, stellte sie auch ihr eigenes Licht unter den Scheffel. Tatsächlich arbeitete sie im Management der Firma. Allerdings hatte sie es von der Pike auf lernen müssen.
»Und Ihr Chef muß jetzt seine Briefe allein öffnen, wenn Sie später kommen?«
»Sieht so aus.«
Er grinste und schaute aus dem Fenster. Julia musterte ihn kurz von der Seite. Seine Haare waren ein bißchen zu lang, die Kleidung jedoch normal und sauber. Alles in allem kein aufregender Mann, aber durchaus sympathisch und nicht auf den Mund gefallen.
»Musterung beendet?« fragte er grinsend und schaute sie wieder an.
Er hatte ihre Blicke im Seitenfenster gespiegelt gesehen.
Julia wurde rot, mußte dann aber wieder lachen.
»Ja, beendet. Wir sind jetzt auch gleich da.«
Sie hielt vor dem roten Klinkerbungalow. Der Arzt war ein Freund der Familie. Sie würden nicht lange warten müssen.
Dr. Moll ließ Julia sofort vor. Sie half Sven Lundgren ins Sprechzimmer und erklärte kurz, was passiert war.
»Ich hoffe, Sie können ihm helfen. Ich warte draußen…«
»Geht es dir gut, Julia? Brauchst du etwas zur Beruhigung?« wollte der alte Arzt wissen.
»Nein, nein, es geht schon. Ich rufe nur eben meinen Chef an, daß ich später komme.«
Dr. Moll lächelte. Er hatte schon verstanden, daß der Student nicht wissen sollte, wen er vor sich hatte. Seine Lebenserfahrung sagte ihm, daß die Vorsicht der jungen Frau durchaus angebracht war.
»Gut, Julia. Mach dir keine Sorgen, der Kopf ist ja noch dran.«
Es stellte sich dann heraus, daß der Student viel Glück gehabt hatte. Es war nur eine Verstauchung. Mit einem dicken Verband um den Knöchel kam er wieder herausgehumpelt.
»Ich zahle Ihnen natürlich alles, was Sie an Kosten durch die Verletzung haben«, versicherte Julia ihm, als sie wieder im Auto saßen.
»So doll ist das nicht. Laden Sie mich mal zum Essen ein, dann ist das schon okay.«
»Überlegen Sie sich das in Ruhe, ich möchte nicht, daß Sie es hinterher bedauern.«
»Wenn ich mit Ihnen essen gehe? Wie könnte ich das bedauern? Sie gefallen mir.«
Julia wurde wieder verlegen. Sven Lundgren hatte eine Art, die sie verwirrte. Es war schon lange her, daß Bernd ihr gegenüber so offen seine Bewunderung geäu-ßert hatte.
»Na schön. Dann gehen wir also essen. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, ich rufe Sie an.«
»Wäre es nicht praktischer, wenn wir es umgekehrt machen?«
»Nein… das möchte ich nicht.«
»Oh, gibt es da einen Ehemann?«
»Nein, aber einen festen Partner. Doch deswegen sage ich es nicht… es ist nur, weil…«
»Ja?«
Julia wußte keinen Grund. Es war ihr einfach lieber, wenn Bernd gar nichts davon erfuhr. Letztendlich gab sie Sven Lundgren doch ihre Privatnummer. Es war besser, als wenn er sie in der Firma anrufen würde.
Sie setzte ihn bei seinem Fahrrad ab, weil er der Meinung war, daß er auch mit dem verstauchten Knöchel fahren konnte. Julia schaute ihm hinterher, wie er davonradelte und ihr noch einmal zuwinkte. Dann fuhr sie in die Firma.
Bernd stand bei ihrer Sekretärin und lachte gerade über etwas, was Frau Bertels gesagt hatte. Als sie hereinkam, sah er sie vorwurfsvoll an.
»Sag mal, wo bleibst du nur so lange? Ich wollte mich noch verabschieden, weil ich heute den ganzen Tag in Potsdam zu tun habe. Hat sich gerade ergeben.«
»Ich hatte einen kleinen Unfall. Nichts Schlimmes, aber ich mußte den Radfahrer noch zu Dr. Moll bringen.«
»Hast du Schuld gehabt?«
»Ich fürchte ja, aber er hat sich sehr kulant gezeigt.«
»Jetzt vielleicht. Wenn er erst erfährt, wer du bist, wird sich das bestimmt ändern. Hast du die Polizei gerufen?«
»Nein, das war nicht nötig. Bernd, ich weiß schon, was ich tue, glaub mir.«
Es war ihr peinlich, das vor Frau Bertels zu diskutieren. Bernd kniff auch gleich die Lippen zusammen, weil er sich gemaßregelt fühlte. Er reagierte da immer sehr empfindlich, wenn sie das »Cheftöchterchen« herauskehrte, wie er das nannte.
»Gut. Dann fahre ich jetzt. Bis heute abend irgendwann.«
»Ja, Bernd, bis dann.«
Komisch, heute machte es ihr gar nichts aus, daß er ein bißchen sauer war, als er abfuhr.
»Ich habe jetzt ein Privatgespräch zu führen, Frau Bertels. Bitte stellen Sie keine anderen Anrufe durch. Ich sage Ihnen dann Bescheid, wenn ich wieder frei bin.«
»Ist recht, Frau Thomsen.«
Julia ging in ihr Büro und freute sich wieder einmal an der Schönheit des Raumes. Es war sparsam und sehr hell möbliert und hatte zwei große Fenster, die viel Licht hereinließen. Sie setzte sich an den Schreibtisch mit der Glasplatte und wählte die Nummer ihres Bruders Felix.
Zur Zeit lebte er in Schleswig-Holstein auf dem Land. Er schrieb und malte, wobei er mehr Geld mit dem Schreiben verdiente. Als freier Journalist war es allerdings nicht einfach, doch Felix war von klein auf eigensinnig gewesen, und schließlich hatten sie ihn nach einem großen Familienkrach gehen lassen müssen.
»Felix? Hier ist Julia.«
»Julia, das ist ja eine Überraschung! Hast du mal wieder Sehnsucht nach deinem großen Bruder gehabt? Ist etwas schiefgegangen?«
»Warum glaubst du, daß ich dich nur dann anrufe?« fragte sie ein bißchen pikiert, weil es natürlich stimmte.
»Weil du dann immer anrufst. Geht es um deinen Bernd oder den lieben Herrn Papa?«
»Um gar nichts. Ich wollte einfach mal hören, wie es dir geht.«
»Sehr gut. Ich bin auf dem Sprung nach Italien. Ich schreibe einen Reisebericht. Ist das nicht toll?«
»Das klingt sehr gut. Dann geht es dir also gut.«
»Ja, so könnte man sagen.«
»Und was macht die Liebe?«
»Danke der Nachfrage. Im Moment stört kein weibliches Wesen meine Kreise. Und bei dir?«
»Gut. Dann will ich dich nicht länger stören. Melde dich doch mal, wenn du zurück bist.«
»Das mache ich. Bis dann, meine liebe Julia. Und halt die Ohren steif.«
Er hatte also wieder einmal herausgehört, daß es ihr wohl doch nicht so besonders ging. Julia legte den Hörer auf. Ihr war zum Heulen zumute, aber sie hatte keine Ahnung, warum.
*
Corinna traf am späten Nachmittag in Berlin ein. Sie hatte sich Zeit gelassen, weil sie wußte, daß sie Bernd tagsüber doch nicht erreichen würde. Jetzt allerdings brannte sie darauf, ihn zu sehen.
Sie hatte sich ein Zimmer in dem Hotel genommen, in dem er sie vor kurzem einquartiert hatte. Der Portier erinnerte sich offensichtlich noch an sie, denn er
war besonders freundlich und bemüht. Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatte, saß sie unschlüssig vor dem Telefon.
Sollte sie einfach schon einmal versuchen, ihn zu erreichen? Es konnte ja sein, daß er heute im Haus zu tun hatte. Manchmal arbeitete er dort, hatte er ihr erzählt, wenn es ihm in der Firma zu trubelig war.
Corinna wählte die Nummer und lauschte auf das Freizeichen. Dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein, und sie legte schnell auf. Wie gern hätte sie ihm eine Nachricht hinterlassen. Aber das war unmöglich. Er würde sofort sauer sein, weil sie ihn hier so überfiel.
Um die Zeit zu überbrücken, machte sie sich ein wenig frisch und verließ das Hotel, um einen Bummel über den Kurfürstendamm zu machen. Sie schaute sich die Auslagen in den Schaufenstern an, versuchte sich auf andere Dinge zu konzentrieren und konnte doch immer nur an das bevorstehende Gespräch mit Bernd denken. Wie würde er reagieren, wenn er hörte, daß er Vater wurde? Sie war ja gerade erst im zweiten Monat, aber das Kind bestimmte bereits ihr Denken und Handeln. Sonst hätte Corinna wohl auch nie den Mut gefunden, noch einmal hierherzukommen.
Es wäre doch schön gewesen, Melanie hierzuhaben. Sie hätten zu zweit viel mehr Spaß an dieser verrückten, quirligen Stadt. Aber andererseits mußte sie auch vernünftig sein. Wenn sie sich auf solche Abenteuer einließ, gehörte auch die Kraft dazu, sie durchzusetzen.
Corinna lächelte allen Müttern zu, die ihr mit Kinderwagen oder kleinen Kindern an der Hand entgegenkamen. Bald würde sie auch ein Kind haben…
Gegen sechs kam sie ins Hotel zurück. Länger hielt sie es nicht aus. Wenn sie Bernd jetzt nicht erreichte, würde sie zu Abend essen und ihn dann alle halbe Stunde anrufen. Wenn die Verlobte am Apparat wäre, wollte sie so tun, als wäre sie eine Ärztin, die noch Fragen wegen eines von ihm angebotenen Medikamentes hatte. Das war zwar ziemlich durchsichtig, aber etwas anderes fiel ihr nicht ein.
Doch Corinna hatte Glück. Bernd nahm den Hörer selbst ab.
»Bernd, hier ist Corinna.«
Ihre Stimme zitterte vor Anspannung. Wenn er nun einfach auflegte, würde sie nie den Mut haben, es noch einmal zu versuchen.
»Oh, warum rufst du hier an? Ich habe dir gesagt, daß das nicht geht. Wir waren uns doch einig gewesen, daß ich so nicht weitermachen kann.«
»Bernd, ich bin hier im Hotel in Berlin. Bitte komm her, ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.«
»Das ist unmöglich!«
»Es muß gehen, weil es uns beide betrifft. Du kannst dich nicht drücken. Komm bitte her, jetzt. Ich warte in dem Zimmer, das ich neulich hatte.«
Um ihm keine Zeit zu einem Widerspruch zu lassen, legte sie mit wild klopfendem Herzen den Hörer auf. Ihre Hände waren eiskalt und feucht.
Würde er kommen?
Corinna lief immer wieder ins Badezimmer, um ihr Aussehen zu überprüfen. Sie zupfte an ihren Haaren herum, malte die Lippen nach und wischte den Lippenstift schließlich wieder ab, weil sie ihm keine Flecken an die Kleidung machen wollte, falls er sie in die Arme nähme und küßte, wie sie es erhoffte.
Es dauerte fast eine Stunde, bis es klopfte. Corinna war nicht sicher, ob sie es bis zur Tür schaffen würde. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub.
»Da bist du…«, hauchte sie und kam sich unendlich dumm vor. Wieso wußten die Frauen im Film immer so genau, was sie sagen und tun mußten?
»Ja, aber nur, weil du mich dazu zwingst. Es ist nicht gut, daß wir uns wiedersehen.«
Er nahm sie nicht in den Arm, und Corinna traute sich nicht, ihn ihrerseits zu umarmen. Der Gedanke, daß er sie zurückstoßen könnte, war wirklich zu schmerzhaft.
»Bitte, setz dich, Bernd. Ich habe dir etwas zu sagen.«
Diese Einleitung hatte sie sich lange überlegt. Gott sei Dank stotterte sie jetzt wenigstens nicht mehr. Es ging nun um alles oder nichts.
»Was ist denn nun? Warum machst du es so geheimnisvoll?« fragte er kühl und wagte es sogar, auf die Uhr zu sehen.
Corinna schnürte es fast die Luft ab. War das noch derselbe Mann, der sie so zärtlich im Arm gehalten und ihr seine Liebe geschworen hatte? Der Vater ihres ungeborenen Kindes? Wie konnte er behaupten, daß er sie liebe und sich dann so abweisend verhalten?
Oder verhielt er sich so, weil er ebenso litt und es nicht zeigen wollte? Da war sie wieder, die Hoffnung, die sie immer noch hatte, die sie überhaupt bis hierher gebracht hatte.
»Ich bekomme ein Kind von dir.«
So schonungslos hatte Corinna es nicht sagen wollen, aber Bernd verwirrte sie durch sein Verhalten. Jetzt traute sie sich nicht, ihn anzusehen, weil sie befürchtete, daß ihm die Ablehnung im Gesicht geschrieben sein könnte.
»Wie… bitte?«
Wenigstens klang er jetzt nicht mehr so gleichgültig. Corinna drehte sich wieder zu ihm um und schaute ihn an. Er war blaß geworden und sah aus, als wolle er am liebsten aufspringen und hinausrennen.
»Ja, es ist so. Ich bin schwanger. Wir bekommen in sieben Monaten ein Kind. Ich weiß es erst seit vorgestern.«
»Aber… ich habe doch aufgepaßt.«
»Ach, Bernd, du weißt doch sicher auch, daß es trotzdem passieren kann… einmal… da haben wir…«
»Schon gut, schon gut, du brauchst es nicht auszuführen. Und nun? Ich habe dir meine Situation doch geschildert!«
»Ja, ich weiß. Aber verändert das nicht alles? Ich meine, eigentlich kann dich der Vater deiner… dieser Frau doch gar nicht kündigen. Es gibt so etwas wie ein Arbeitsrecht.«
Er lachte auf, aber es klang nicht fröhlich.
»Meinst du, das kümmert ihn?«
»Das muß es doch. Du könntest sonst vor Gericht gehen und…«
»Vergiß es. Ich bekomme so einen Job nie wieder. Sollen wir vielleicht von deinem Bafög leben?«
»Bitte, red nicht so mit mir. Glaubst du, für mich ist das nicht schwer?«
Sie spürte, daß die Tränen schon wieder hochkamen. Corinna war aber fest entschlossen, nicht zu weinen. Sie biß sich auf die Lippen.
»Also schön, ich werde mir überlegen, was wir tun sollen. Ich kann dir natürlich Geld geben, damit du…«
»Sprich es gar nicht erst aus. Das kommt für mich nicht in Frage«, entgegnete sie laut.
»Aber wie willst du das allein schaffen?«
»Werde ich also allein sein?«
»Ich… weiß nicht. Ja, vermutlich. Corinna, es ist nicht so einfach, wie du denkst!«
»Für mich auch nicht, Bernd. Aber wenn du mich liebst, wie du sagst, kann es ja nur eine Entscheidung geben, oder? Und die wirst du dann treffen müssen. Sprich mit deiner… dieser Frau und sag ihr, was passiert ist. Dann wird sie einsehen, daß sie dich jetzt nicht mehr festhalten kann. So ein Biest wird sie doch nicht sein, daß sie dann immer noch darauf besteht, daß du bei ihr bleibst.«
»Du hast ja keine Ahnung, wie rachsüchtig sie sein wird! Keine Ahnung hast du! Sonst hätte ich es ihr ja längst sagen können.«
»Dann spreche ich mit ihr«, gab Corinna entschlossen zurück. Warum war sie darauf nicht längst gekommen? Von Frau zu Frau müßte sich doch eine Lösung finden lassen…
»Um Gottes willen, tu das ja nicht, Corinna!«
Sein Entsetzen war echt. Er hatte Angst vor seiner Verlobten. Corinna war etwas irritiert. Sie hatte Bernd immer als mutigen Mann gesehen, obwohl er das ja nicht gerade bewiesen hatte. Jetzt dagegen schien er richtiggehend Panik zu haben.
»Schon gut. Wenn du es tust, muß ich das ja auch nicht.«
»Gut, aber laß mir noch etwas Zeit. Ich muß den richtigen Moment abwarten.«
»Warte nicht zu lange.«
»Nein, aber leg mir nicht die Daumenschrauben an. Und ruf nicht bei mir zu Hause an. Das ist zu gefährlich. Vielleicht kann ich bald eine andere Stelle finden, ich habe mich ja schon umgehört…«
»Das hast du?« fragte Corinna sofort voller Hoffnung.
»Ja, sicher. Ich wollte dich doch auch. Das habe ich dir gesagt.«
Er meinte es also noch ernst, auch wenn er auf die Aussicht, Vater zu werden, nicht so reagiert hatte, wie Corinna es sich erträumt hatte. Aber nun würde alles gut werden. Wo ein Wille war, würde sich auch ein Weg finden lassen.
»Dann fahr jetzt erst einmal zurück. Ich melde mich nächste oder spätestens übernächste Woche bei dir, Corinna.«
»Aber rufst du mich nicht einfach mal so an? Das haben wir vorher doch auch immer gemacht…«
»Ja gut. Aber jetzt fahr nach Hause. Ich kann nicht klar denken, wenn du hier bist.«
»Dann… kannst du mich doch jetzt einmal umarmen, oder?«
»Natürlich kann ich das.«
Endlich stand er auf und zog sie an sich. Corinna sah ihn forschend an. Sein Gesicht wirkte noch immer angespannt. Aber als er sie jetzt küßte, war ihr das egal.
*
Als Corinna nach Hamburg zurückkam, lag Melanie bereits auf der Lauer.
»Mensch, habe ich mir Sorgen gemacht. Warum hast du denn gar nicht angerufen?«
»Weil es nicht nötig war…«, gab Corinna lächelnd zurück. »Komm erst einmal herein, dann erzähle ich dir alles.«
Melanie merkte, daß Corinna ziemlich entspannt wirkte. Es wunderte sie, denn sie glaubte keine Sekunde daran, daß jetzt plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen herrschte.
»Also? Was hat er gesagt? Oder hast du ihn gar nicht gesehen?«
»Doch, das habe ich. Und er wird mich nächste Woche anrufen, nachdem er alles geklärt hat.«
»Wie? Das verstehe ich nicht.«
»Na ja, er sucht sich jetzt eine neue Stelle, spricht mit seiner… Verlobten und wird dann zu mir kommen.«
»Aha. Und was sagt er zu der Aussicht, Vater zu werden?«
»Er… freut sich«, schwindelte Corinna. Aber sie sah, daß Melanie ihr nicht glaubte.
»Er war zumindest nicht so geschockt, wie du glaubst.«
»Hat er keinen Abbruch vorgeschlagen?«
Melanie war völlig verunsichert. Hatte sie Bernd doch falsch eingeschätzt? Das sollte sie allerdings sehr wundern. Sie sah Männer immer sehr nüchtern, deshalb konnten sie ihr auch nichts vormachen.
»Nei… nein, jedenfalls nicht richtig.«
Aha, also doch, dachte Melanie, beruhigt, daß ihre Wahrnehmung noch funktionierte. Corinna war dabei, sich wieder einmal eine ordentliche Portion Sand in die Augen zu streuen.
»Und nun?«
»Jetzt warte ich einfach. Ich weiß, daß alles gut wird.«
Melanie konnte in diese leuchtenden Augen hinein nicht sagen, was sie dachte. Sie schluckte es also herunter und wußte, daß sie sich bereithalten mußte. Der Aufprall würde hart werden für Corinna.
Ihre Freundin hatte sich eine Pizza aufgebacken und teilte sie jetzt mit Melanie. Dabei sprachen sie über das Baby, wie es wohl aussehen würde und wo es schlafen sollte.
»Ich werde es zuerst mit ins Schlafzimmer nehmen. Natürlich brauchen wir eine größere Wohnung, Bernd kann ja hier nicht auch noch wohnen. Aber erst einmal, solange das Baby noch nicht da ist, muß es eben gehen. Ich weiß nicht, ob er etwas Geld gespart hat. Meinen Eltern sage ich es erst dann, wenn Bernd bei mir ist.«
Dann werden sie es ja nie erfahren, hätte Melanie erwidern können.
»Was meinst du, läßt mich dein Onkel trotz der Schwangerschaft weiterarbeiten?«
»Natürlich. Er ist doch immer sehr nett zu dir. Warum sollte er dich hinauswerfen?«
»Ich bin ja nur als Aushilfskraft angestellt.«
»Das spielt keine Rolle. Du wirst doch dein Studium fortsetzen, oder?«
»Ja, auf jeden Fall.«
»Das ist gut«, antwortete Melanie erleichtert.
Corinna schien also doch noch einen Rest von Vernunft zu besitzen. Ihr Onkel hatte Melanie versprochen, Corinna dann eine Stelle anzubieten. Dann hätte sie wenigstens genug Geld, um für das Kind eine Tagesmutter zu bezahlen.
»Sag mal, was macht eigentlich Jürgen?«
Melanie war über den plötzlichen Themenwechsel gar nicht erfreut. Jürgen war ihre Archillesferse. An einem feucht-fröhlichen Abend hatte sie Corinna nämlich gestanden, daß sie Jürgen Kunert sehr gern mochte, wenn es auch keine Liebe war. Er war Kunde in der Apotheke und hatte eine kranke Mutter, die er versorgte. Das bewunderte Melanie.
»Dem geht es gut, warum fragst du?«
»Hat er dich schon mal gefragt, ob ihr euch treffen wollt?«
»Nee, warum sollte er?«
»Läßt du ihn denn immer noch nicht merken, daß du ihn magst?«
»Nein, ich behandele ihn wie andere Kunden auch. Daran wird sich auch nichts ändern.«
»Warum bist du nur so hart, Melanie? Fehlt dir das nicht? Gestreichelt werden und alles?«
Melanie trank einen Schluck Wein und überlegte, wie Corinna wohl mit der Wahrheit umgehen würde. Die Ehe ihrer Eltern war furchtbar gewesen. Melanie hatte nicht die geringste Veranlassung, an eine immerwährende Liebe zu glauben. Wenn man sich umschaute, zerbrachen so viele Ehen, die einmal aus Liebe geschlossen worden waren, daß das auch nicht ermutigend wirkte. Da hielt sie sich lieber an ihre Arbeit und ihre Hobbies.
»Manchmal schon. Aber damit komme ich gut zurecht. Was meinst du, wollen wir noch ins Kino gehen? Wenn du dich beeilst, schaffen wir das noch.«
Corinna wollte erst nein sagen, weil sie gern im Hause wäre, falls Bernd anrief. Aber andererseits könnte er ihr ja auch auf den Anrufbeantworter sprechen. Sie wußte genau, daß Melanie sie doch überreden würde, mitzukommen.
»Na gut. Ich ziehe mir nur noch etwas anderes an.«
Es wurde noch ein recht netter Abend. Corinna schaffte es sogar, für einige Zeit nicht an Bernd und die ausstehende Entscheidung zu denken. Aber das lag wahrscheinlich nur daran, daß sie sich ziemlich sicher war.
In den nächsten Tagen kam auch kein Anruf von ihm. Sie war mehrmals in Versuchung, ihn anzurufen. Doch im letzten Moment ließ Corinna es, weil sie es versprochen hatte. Er hatte es ja auch nicht leicht und litt sicher genauso unter der Trennung.
Erst als auch in der zweiten Woche nichts geschah, sank ihre Stimmung auf den Nullpunkt. Außerdem hatte eine morgendliche Übelkeit eingesetzt, die ihr sehr zu schaffen machte. Sie ging zu ihrem Frauenarzt, der ihr bestätigte, daß alles in Ordnung war. Gegen die Übelkeit half nicht viel, sie mußte sie ertragen.
»Wenn es zu schlimm wird, kann ich Ihnen etwas verschreiben. Aber ich habe das Gefühl, Sie sind auch so nicht besonders glücklich. Wahrscheinlich liegt es dann eher daran, daß Sie sich so verkrampfen.«
»Ich… kann mit dem Mann noch nicht zusammenleben, von dem ich das Kind bekomme.«
Ihr Frauenarzt kannte sie schon lange, deshalb war Corinna sicher, daß er sie verstehen würde. Außerdem tat es gut, auch noch mit jemandem anderen darüber sprechen zu können als nur mit Melanie.
»Oh, das ist natürlich traurig. Ist er gebunden?«
»Ja. Und seine Verlobte läßt ihn nicht gehen. Sie droht ihm damit, daß er seinen Job verliert, weil die Firma ihrem Vater gehört.«
»Das ist ja übel. Aber sicher wird der Mann doch zu Ihnen halten…«
»Das glauben Sie auch, nicht wahr? Wenn man ein Kind bekommt, zählt das doch mehr…«
Der Arzt machte ein besorgtes Gesicht. Er wußte, daß Corinna Schmale nicht sehr widerstandsfähig war. Die hormonelle Veränderung, die in ihrem Körper vor sich ging, war noch ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Also hielt er seine wahre Meinung lieber zurück und nickte nur.
Corinna ging einigermaßen getröstet wieder zur Uni zurück. Sie wußte, daß sie bald von der Schwangerschaft erzählen mußte, aber noch sah man ihr nichts an. Wenn sich Bernd nicht bis zum Ende der Woche gemeldet hätte, würde sie ihn noch einmal anrufen. Dann galt ihr Versprechen nicht mehr. Und falls dann seine Verlobte am Telefon wäre, würde sie ihr die Wahrheit sagen.
Dieser Entschluß gab ihr einigermaßen Kraft, noch zu warten. Niemand konnte ihr verübeln, daß sie ihre Interessen vertreten mußte, ihre und die des Kindes. Das war eine starke Einheit. Sogar Bernd mußte das verstehen.
Melanie schlich dauernd um sie herum. Das machte Corinna ganz nervös. Am Sonnabend, als die Arbeit getan war und sich alle für das Wochenende vorbereiteten, nahm Melanie Corinna zur Seite.
»Hat er noch nicht angerufen?«
»Nein.«
»Und was willst du tun?«
»Ich rufe ihn heute an. Und wenn seine Verlobte am Apparat ist, spreche ich mit ihr.«
»Ja, das ist dann wohl auch richtig.«
Melanie nahm sich vor, abends noch einmal bei Corinna vorbeizuschauen. Sie hatte sowieso nichts Aufregendes vor. Vielleicht würde Corinna sie nach ihrem Telefonat brauchen.
Corinna hielt es noch bis halb sechs aus, dann war ihre Widerstandskraft dahin. Sie wählte die vertraute Nummer und wartete, daß jemand abnahm.
»Hier Julia Thomsen…«
O Gott, was sollte sie jetzt tun?
»Ist das für mich, Julia?« hörte Corinna Bernd im Hintergrund rufen.
»Es meldet sich niemand.«
»Leg einfach auf, hat sich sicher jemand verwählt.«
Corinna stockte der Atem. Bernd mußte sich doch denken können, daß sie das war! Sicher würde er gleich eine Gelegenheit finden, um zurückzurufen.
Sie legte auf und wartete. Nach einer Stunde war immer noch kein Anruf gekommen. Statt dessen klingelte es aber an der Tür.
»Hallo, Corinna. Hast du Zeit? Laß uns ein bißchen klönen.«
»Melanie…, ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich früh schlafen gehen.«
»Hast du angerufen?«
Corinna kamen die Tränen. Sie fühlte sich völlig zermürbt.
»Ja, aber die Verlobte war dran, und dann konnte ich doch nichts sagen.«
»Dann versuch es noch einmal. Ich bin ja jetzt hier und stärke dir den Rücken.«
Melanie wollte, daß Corinna endlich die Augen geöffnet wurden, bevor sie noch mehr von den Füßen kam. Es konnte kaum noch schlimmer werden. Offenbar hatte Corinna den Eindruck, daß man ihr nichts anmerkte, aber das stimmte nicht. Sie schlich herum wie ein Gespenst und hatte Schatten unter den Augen, die natürlich auch von der Schwangerschaft kommen konnten.
»Meinst du wirklich?«
»Ja, klar. Das wolltest du doch. Bernd hat jetzt zwei Wochen Zeit gehabt. Seine Verlobte ist ja wohl nicht herzkrank, daß er sie besonders schonen müßte.«
»Du bist immer so unerbittlich, Melanie.«
»Das solltest du auch sein, sonst drehst du nämlich bald durch. Komm, ruf an.«
Corinna wählte erneut. Und wieder meldete sich Julia Thomsen.
»Kann… ich bitte Herrn Holdorf sprechen?«
»Darf ich fragen, wer Sie sind?« wollte die Frau wissen.
Ihre Stimme klang recht freundlich und überhaupt nicht mißtrauisch.
»Ich bin eine Bekannte. Corinna Schmale.«
Sie mußte sich hinsetzen, weil ihre Beine sie nicht mehr trugen.
»Einen Moment, ich hole ihn. Schatz? Hier ist eine Frau Schmale für dich…«
Corinna konnte von der Reaktion ihres Freundes nichts hören, vielleicht hatte es ihm auch die Sprache verschlagen. Er meldete sich aber ziemlich schnell.
»Was wollen Sie denn?«
»Wieso siezt du mich? Hast du immer noch nicht mit ihr gesprochen?«
»Dazu hatte ich noch keine Gelegenheit. Ich werde mich nächste Woche bei Ihnen melden.«
»Versprichst du es mir? Bis Mittwoch, sonst spreche ich selbst mit deiner Julia«, fügte sie dann hinzu, weil Melanie ihr wilde Zeichen machte.
»Ja, ja, selbstverständlich.«
Sie legte auf. In ihren Augen standen Tränen, die langsam über ihre Wangen rollten.
»Ach, Melanie, ich glaube, er tut es nie…«
Melanie legte ihr die Arme um die Schultern.
»Nein, Corinna, das befürchte ich auch. Und deshalb sollten wir jetzt überlegen, wie es weitergeht. Mit mir kannst du rechnen.«
Das war zwar ein gewisser Trost, doch Corinna wollte noch immer niemand anderen als Bernd. Auch wenn sie bis weit nach Mitternacht diskutierten, kam nichts anderes dabei heraus.
*
Julia hatte bisher keinen Grund gehabt, an Bernds Treue zu zweifeln, aber seit diesem Anruf benahm er sich merkwürdig. Immer wenn abends das Telefon klingelte, sprintete er an den Apparat und wurde ganz hektisch. Weil sie selbst ein nicht ganz reines Gewissen hatte, war sie nun plötzlich überzeugt, daß diese Corinna Schmale, die neulich angerufen hatte, mehr als eine Bekannte sein mußte, die ihm zudem noch ziemlich lästig war, wie er behauptet hatte.
Julia hatte sich zweimal mit Sven getroffen, der inzwischen nicht mehr humpelte und wieder putzmunter war. Das erste Mal hatte sie natürlich nur ihr Versprechen einhalten wollen, mit ihm essen zu gehen. Aber das zweite Mal, vorgestern, war sie aus eigenem Antrieb mitgegangen. Es hatte nämlich viel Spaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein. Sven war ein wirklich sehr unterhaltsamer, lustiger Typ, und die Art, in der er seine Bewunderung für sie zeigte, gefiel ihr und tat ihr gut. Er hatte sie zum Abschied überrumpelt und ihr einen Kuß gegeben, doch auch das nahm sie ihm nicht wirklich übel. Im Gegenteil, wenn sie daran dachte, prickelte es noch immer auf ihren Lippen.
Julia war sich natürlich klar darüber, daß sie ihn nicht wiedersehen durfte. Eine Freundschaft schloß sich aus, dazu verwirrte er sie zu sehr, und sicher war das auch nicht in seinem Sinn. Also mußte sie verzichten, denn sie wollte Bernd ja nicht verlieren.
An diesem Abend kam er später als sonst. Er war ziemlich ruhig, strahlte aber gleichzeitig eine gewisse unterdrückte Gereiztheit aus.
»Bernd, hast du irgendwelchen Ärger?«
»Nein, wie kommst du darauf?«
»Ich weiß nicht. Seit diese Frau hier angerufen hat, kommt es mir so vor, als ob du ständig auf dem Sprung bist. Jedesmal, wenn das Telefon klingelt, rennst du hin.«
»Darf ich jetzt nicht mehr ans Telefon gehen?«
»Sei nicht albern. Natürlich darfst du. Aber du nimmst das Telefon ja sogar mit, wenn du duschst.«
»Na und? Damit erspare ich dir doch, mich rufen zu müssen, wenn jemand anruft.«
»Du vergißt, daß ich hier zu Hause bin und auch Anrufe bekomme.«
Ihre Stimme war jetzt merklich kühler geworden. Sein Verhalten ärgerte sie. Wollte er sie für dumm verkaufen?
»Julia, entspann dich. Ich bin vielleicht etwas überarbeitet. Das hat nichts zu bedeuten. Laß uns heiraten, ja? Laß uns endlich heiraten, eine schöne Reise machen und unser Haus suchen.«
Sie war so verblüfft, daß es ihr für einen Moment die Sprache verschlug.
»Du willst jetzt plötzlich heiraten? Aber du warst doch immer derjenige, der das nicht wollte…«
»Ich will es jetzt. Und auch nicht mehr warten. Ich habe nur keine Lust auf diesen Rummel, den dein Vater ganz sicher vorhat.«
»Nun, das bestimmen ja wohl wir, wie wir die Hochzeit ausrichten wollen. Aber ein bißchen feiern möchte ich schon.«
Plötzlich zog er sie in die Arme und begann sie leidenschaftlich zu küssen. Julia war verwirrt, wehrte sich zuerst dagegen, gab dann aber nach, weil es schön und vertraut war.
Bevor er dazu kam, ihre Seidenbluse aufzuknöpfen, klingelte schrill das Telefon. Er ließ sie ruckartig los und starrte den Apparat an.
Julia hatte sich schneller gefangen. Sie erwartete einen Anruf ihrer Freundin und stand auf, um den Hörer abzunehmen.
»Laß mich!«
»Bernd, ich bitte dich.«
Sie meldete sich. Bernd stand hinter ihr und versuchte, ihr den Hörer wegzunehmen. Ärgerlich wehrte Julia ihn ab. Jetzt ging Bernd wirklich zu weit.
»Hier spricht Corinna Schmale, Frau Thomsen. Ich würde Ihnen gern etwas sagen.«
Julia war plötzlich ganz ruhig. Sie ahnte, was sie jetzt zu hören bekommen würde. Es machte Sinn.
»Einen Moment, bitte.«
Sie wandte sich zu Bernd um.
»Es ist für mich, Bernd. Laß mich bitte allein.«
»Wer ist es denn?«
Wie mißtrauisch er sie ansah…
»Eine Freundin.«
»Ach so. Ich warte… im Schlafzimmer auf dich.«
Julia nickte nur. Ihr war übel.
Bernd verließ das Zimmer. Sie meldete sich wieder, bereit sich anzuhören, was die andere ihr sagen wollte.
»Frau Schmale? Sie können jetzt sprechen.«
»Es tut mir sehr leid, aber ich muß Ihnen sagen, daß Bernd und ich uns lieben. Jedenfalls glaube ich ihm noch, daß er mich liebt und nur keinen Mut findet, mit Ihnen zu sprechen. Ich… bekomme ein Kind von Bernd.«
Julia mußte sich setzen. Sie hatte das Gefühl, als würde sie in zwei Teile gerissen. Bernd hatte sie nicht nur betrogen sondern wurde auch Vater. Ihr hatte er immer erzählt, daß er keine Kinder wolle, weil sie ihm Zeit nehmen würden, die sie sonst für ihn hätte…
»Sind Sie noch dran, Frau Thomsen?«
»Ja, ich bin noch dran. Ich hatte keine Ahnung…«
»Er hat überhaupt nichts gesagt? Wahrscheinlich, weil er noch immer Angst hat, daß Sie ihm dann den Job nehmen. Weil Ihr Vater ihn dann entlassen würde. Aber das können Sie ja gar nicht so einfach. Es gibt immerhin ein Arbeitsrecht! Ich habe mich genau erkundigt…«
Wovon sprach diese Frau? Hatte Bernd sie vor ihr wirklich so klein und rachsüchtig gemacht? Julia fand langsam wieder zu sich.
»Bitte, entschuldigen Sie, Frau Schmale, aber das ist einfach Unsinn. Wofür halten Sie mich? Bernd und ich sind nicht verheiratet, wenn er mich auch gerade vor zehn Minuten genau darum gebeten hat. Jetzt weiß ich auch warum. Er fürchtete genau das, was jetzt eingetreten ist. Und er wollte sichergehen, daß ich dann schon seine Frau bin, wenn ich es erfahre. Wollen Sie ihn wirklich haben? Dann bin ich gern bereit, auf ihn zu verzichten. So einen Mann möchte ich nicht.«
Die andere schwieg verblüfft. Julia war selbst erstaunt über sich. Konnte sie so leichten Herzens verzichten? Hatte sie nicht geglaubt, daß Bernd ihre große Liebe sei?
Oder lag es vielleicht daran, daß es Sven gab? Dieser Gedanke war immerhin nicht ganz unmöglich…
»Sie… verzichten einfach so?«
»Ja, ich verzichte. Ob einfach so, weiß ich nicht. Ich bin ja etwas überrumpelt von Ihrem Anruf.«
»Ich… schäme mich eigentlich, daß ich Sie so überfalle, aber ich wußte mir keinen Rat mehr. Bernd ruft nicht an, obwohl er es versprochen hat.«
»Ja, so ist er wohl. Überlegen Sie sich gut, ob Sie wirklich eine Hilfe an ihm haben.«
Julia fand es selbst ziemlich merkwürdig, daß sie der anderen Frau gute Ratschläge gab. Aber etwas in ihr war zerbrochen und sie wußte, daß es nie wieder zu kitten wäre.
»Ich… lege dann jetzt auf. Es wäre nett, wenn Sie Bernd sagen, daß er sich endlich melden soll.«
»Ich richte es aus.«
Wie betäubt legte Julia den Hörer auf die Gabel zurück. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Bernd lag im Bett und sah ihr erwartungsvoll entgegen.
»Es war deine Freundin. Du möchtest sie bitte zurückrufen und dich endlich um sie und das Kind, das sie erwartet, kümmern.«
Ihre Stimme klang ganz klar und bestimmt. Innerlich fühlte sich Julia jedoch keineswegs so gut. Sie ahnte, daß der Schock ihr im Moment half, diese Situation einigermaßen zu überstehen. Aber es war damit noch nicht ausgestanden.
Bernd richtete sich auf und starrte sie fassungslos an. Er war blaß, Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.
»Julia, es ist nicht, wie du denkst… Wir haben nur einmal… Sie hat mich reingelegt. Ich liebe doch nur dich!«
»Oh, bitte, erspare dir das. Und mir. Ich glaube nicht, daß Corinna Schmale so eine Frau ist. Sie hat einen ganz anderen Eindruck auf mich gemacht. Würdest du jetzt bitte meine Wohnung verlassen? Ich möchte allein sein.«
»Und wo soll ich hingehen? Julia, bitte, ich liebe dich! Laß uns heiraten, wie wir es vorhatten. Ich zahle für das Kind, aber ich habe mit dieser Frau nichts mehr zu tun.«
Julia wurde wieder übel. Sie ging ins Badezimmer, schloß die Tür hinter sich ab und überlegte, wie sie mit der Situation umgehen sollte.
*
Corinna wußte, daß sie Bernd verloren hatte. Sie hatte es im Grunde schon gewußt, als sie seine Verlobte anrief. Seine Stimme im Hintergrund, daß er im Schlafzimmer auf Julia warten wollte, hatte ihr fast das Herz zerrissen. Nun mußte sie sich mit den Tatsachen abfinden, denn er rief auch in den nächsten Tagen nicht an, nicht einmal um ihr zu sagen, daß sie sein angenehmes Leben zerstört habe mit ihrem Anruf. Corinna wollte für ihr Kind stark sein, es durchstehen, aber wie das gehen sollte, wußte sie nicht.
Melanie war immer zur Stelle, wenn Corinna gerade wieder einmal in ein tiefes Loch fiel. Sie war dann kaum in der Lage, etwas anderes zu tun, als im Bett zu liegen und an die Decke zu starren. Alles war so… schrecklich, so leer, so dumpf. Wie sollte man damit leben, den Mann verloren zu haben, mit dem man sein Leben verbringen wollte, dessen Kind man erwartete?
Ihr Frauenarzt machte sich Sorgen um Corinna. Sie hatte immer noch nicht zugenommen, obwohl sie nun schon Ende des dritten Monats war. Er wollte sie krankschreiben, doch Corinna wußte, daß sie ohne die Uni oder ihre Arbeit überhaupt nicht mehr zurechtkommen würde. Sie durfte sich nicht gehenlassen – wenn sie es nicht für sich tat, dann doch zumindest dem Kind zuliebe.
Als ihre Eltern endlich erfuhren, daß sie ein Kind erwartete, waren sie zuerst entsetzt, doch als sie Corinna dann besuchten und sahen, wie schlecht es ihr ging, änderten sie ihr Verhalten. Ihre Mutter hätte sie am liebsten sofort mitgenommen, um sie zu pflegen und aufzumuntern, doch auch das konnte Corinna nicht. Sie brauchte ihre eigenen vier Wände, in die sie sich bei Bedarf verkriechen konnte und wo niemand sie ständig fragte, wie es ihr ging. Auch Melanie hatte sie verboten, dauernd einfach vor der Tür zu stehen.
Nachdem Corinna wieder ein scheinbares Gleichgewicht durch Rückzug und Teilnahme am Studium und bei der Arbeit gewonnen hatte, ging es aufwärts. Sie hatte sich sehr verändert. Aus der leicht zu begeisternden, romantischen Corinna war eine nachdenkliche, ruhige Frau geworden, die sich nun genau überlegte, wie es weitergehen sollte. Sie wollte gut für das Kind sorgen können, was bedeutete, daß sie ihr Studium schnellstens zum Abschluß bringen mußte. Das Lernen half ihr auch weiter, denn sie hatte das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Melanies Onkel hatte ihr inzwischen eine Festanstellung angeboten, jetzt erst einmal als Apothekenhelferin, dann als Apothekerin. Sie begann, sich nach einer Tagesmutter umzuschauen. Ihre Eltern waren bereit, diese erst einmal zu bezahlen, damit sie ihr Studium auch nach der Geburt des Kindes weiterführen konnte. Allerdings bestanden sie darauf, daß der Vater des Kindes seinen Anteil beitrug. Melanie lag ihr auch ständig damit in den Ohren.
»Du bist jetzt schon fast im siebten Monat. Du kannst den Kerl nicht ungeschoren lassen. Ruf noch einmal an, damit er seinen Verpflichtungen nachkommt!«
Corinna wollte nicht mehr mit Bernd sprechen müssen. Sie wollte ihn nie wiedersehen, weil er ihr so weh getan hatte. Aber schließlich half Melanies Argument, daß sie das Geld ja nicht für sich forderte, sondern daß das Baby ein Recht darauf hatte. Sie schrieb einen Brief an Bernd.
Zwei Wochen später bekam sie einen Anruf von Julia Thomsen.
»Es tut mir leid, Frau Schmale, aber Bernd hat es abgelehnt, den Brief, den Sie an meine Adresse geschickt haben, anzunehmen. Ich habe ihn hier immer noch liegen.«
Corinna war dadurch nicht mehr zu erschüttern. Sie hatte Bernds Charakter inzwischen erkannt.
»Dann muß ich auf rechtlichem Wege versuchen, ihn zur Zahlung für das Kind zu verpflichten. Können Sie mir seine Adresse geben?«
»Ja, er wohnt noch immer hier in Berlin. Übrigens arbeitet er auch noch für meinen Vater. Sie sehen also, seine Gründe, mir nichts von Ihnen zu erzählen, waren vorgeschoben. Ich habe kein Interesse daran, mich an ihm zu rächen. Inzwischen habe ich einen anderen Freund.«
»Wie schön für Sie«, entgegnete Corinna gleichgültig.
Sie wollte das alles nicht hören. Was ging sie diese Frau an?
Nachdem sie die Adresse notiert hatte, verabschiedete sie sich. Sie schrieb einen weiteren Brief an Bernd, ein letzter Versuch, ohne Anwalt auszukommen. Da sie auch jetzt keine Antwort erhielt, blieb ihr jedoch keine andere Wahl. Bei dem Anwalt erfuhr sie, daß sie erst einmal die Geburt abwarten müsse. Sie ließ die Unterlagen bei ihm.
Natürlich gab es andere Männer, die sich für Corinna interessierten. Trotz ihrer deutlich sichtbaren Schwangerschaft versuchten Kommilitonen mit ihr zu flirten oder sie einzuladen. Sie lehnte alles ab und verhielt sich damit noch rigider als Melanie, die mit ihrem Kunden auch noch keinen Schritt weitergegangen war.
Die Geburt rückte immer nä-her. Corinna fühlte sich schwerfällig wie ein gestrandeter Wal. Das Baby bewegte sich so lebhaft, daß sie oft keinen Schlaf fand, weil sie auch nicht wußte, wie sie liegen sollte. Überall drückte und zerrte und schmerzte es in ihrem Rücken. Melanie war immer noch ihre Vertraute und half ihr, so gut das möglich war, indem sie Corinna zuhörte und sie tröstete.
»Du hast es ja bald geschafft. Dann wird alles besser.«
»Ich habe mich jetzt für eine Tagesmutter entschieden. Beate Zander hat selbst zwei Kinder. Sie ist sehr nett.«
»Ist sie verheiratet?«
»Ja, sie ist Hausfrau, und mein Baby wird das erste sein, das sie zu sich nimmt. Ihr Sohn Jan ist vier und Lorina zwei.«
»Da hat sie sich ja allerhand vorgenommen.«
»Du kannst ja mal mitkommen, wenn ich sie besuche. Ich gehe morgen wieder hin.«
Melanie nickte. Sie machte sich noch immer Sorgen um Corinna, die jetzt so still und ergeben wirkte. Konnte das wirklich so bleiben? Oder war es nur eine Schutzhaltung, die Corinna eingenommen hatte, bevor der große Zusammenbruch kam? Sie rechnete stets damit und fürchtete sich immer mehr, je länger er auf sich warten ließ.
Beate Zander empfing sie mit einem Kind auf dem Arm und einem an der Hand.
»Wenn ich die beiden nicht ständig im Auge habe, stellen sie mir das Haus auf den Kopf. Kommt doch herein. Ich habe schon Kaffee gekocht.«
Ihr Mann war an diesem Sonnabendnachmittag nicht da, er spielte Handball. Melanie fühlte sich sofort wohl in dem leicht chaotischen Haushalt. Hier würde das Baby es guthaben, denn die junge Mutter ließ auch einmal fünfe gerade sein, was bei den wirklich temperamentvollen Kindern gar nicht anders möglich war.
Jan kletterte Melanie sofort auf den Schoß. Er stellte ihr tausend Fragen auf einmal. Melanie beantwortete sie so gewissenhaft, daß Beate Zander lachen mußte.
»Glauben Sie bloß nicht, daß Sie ihn jetzt noch loswerden. Er wird an Ihnen kleben wie eine Klette. Nein, Lorina, die Torte kannst du nicht haben. Hier, da ist ein Keks für dich.«
Lorina wollte keinen Keks, sie patschte energisch in das Tortenstück auf dem Teller ihrer Mutter und leckte dann hingebungsvoll ihre Hand ab.
»Du kleines Monster! Wir müssen die Hände waschen, bevor du sie an mir abwischst.«
Auch dazu war es zu spät, Lorina schien die Idee zu gefallen und setzte sie sofort in die Tat um. Beate Zander seufzte und sah Corinna an.
»Sehen Sie, worauf Sie sich da einlassen, wenn Sie ein Kind bekommen? Aber es macht ja auch Spaß, vor allem, wenn ich sie beim Schlafen betrachte. Da sehen sie aus wie die Engelchen.«
Corinna lächelte und legte die Hände auf ihren Bauch. Melanie setzte Jan neben sich und überlegte, wie Corinna es wohl schaffen wollte, Studium, Arbeit und Baby unter einen Hut zu bekommen. Ihr erschien das ganz unmöglich.
»Wie gefällt dir Beate?« wollte Corinna wissen, als sie wieder im Auto saßen.
»Sehr gut. Sie wird gut für das Baby sorgen.«
»Ja, ich glaube auch. Sie wird eine gute Mut… Ersatzmutter sein.«
Melanie zuckte zusammen. Corinnas Stimme klang merkwürdig, und die Art, wie sie geantwortet hatte, gefiel ihr ebensowenig. Was plante Corinna? Was war los mit ihr?
»Ist alles in Ordnung?«
Corinna schaute sie mit diesem Blick an, der durch Melanie hindurchzugehen schien und ihr noch mehr Angst machte.
»Ja, natürlich ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.«
Dabei blieb sie. Melanie glaubte keine Sekunde daran. Sie beschloß, mit Bernd Verbindung aufzunehmen. Corinna behauptete zwar, daß sie nichts mehr von ihm wissen wollte, doch Melanie ahnte, daß sie Bernd trotz seines grausamen Verhaltens noch immer liebte.
Melanie wunderte sich etwas darüber, daß er sich nicht gemeldet hatte, wenigstens, um Corinna Vorwürfe zu machen. Konnte das vielleicht bedeuten, daß er sich schämte? Auch wenn sie das nicht wirklich glaubte, wollte sie sich überzeugen, um Corinna zu helfen. Die Versteinerung ihrer Freundin, wie sie es empfand, mußte irgendwie durchbrochen werden.
»Ich bin morgen übrigens nicht da und komme am Montag auch erst ab Mittag oder vielleicht gar nicht in die Apotheke. Nur, damit du Bescheid weißt.«
»Ja, gut.«
Normalerweise hätte Corinna gefragt, was sie vorhabe. Daß sie es nicht tat, war ebenfalls ein Alarmzeichen für Melanie.
Sie kannte die Telefonnummer, unter der Corinna früher mit Bernd Kontakt aufgenommen hatte und wußte auch, daß dessen ehemalige Verlobte ganz hilfsbereit war. Also rief sie diese am Abend an, als sie wieder zu Hause war.
»Ich bin eine enge Freundin von Corinna Schmale. Frau Thomsen, es tut mir leid, wenn ich Sie belästigen muß, aber ich komme morgen nach Berlin und will unbedingt mit Bernd sprechen. Können Sie mir sagen, wo ich ihn erreiche?«
»Ja, das kann ich. Aber was versprechen Sie sich davon? Wenn er sich bis jetzt nicht bei Corinna gemeldet hat, wird er das auch dann nicht tun.«
»Ich muß ihm sagen, daß ich Angst um Corinna habe. Sie benimmt sich sehr merkwürdig.«
»Wie meinen Sie das?«
Melanie war angenehm überrascht, daß Julia Thomsen wirklich ernsthaftes Interesse zu haben schien.
»Ich habe Angst, daß sie sich etwas antut.«
Jetzt, wo sie es endlich einmal ausgesprochen hatte, wurde ihr eiskalt vor Schreck. Genau das war es, was sie befürchtete.
»Mein Gott, das ist Bernd doch gar nicht wert!«
»Corinna tut zwar so, als ob es ihr egal ist, aber ich glaube es nicht. Ich muß es ihm sagen. Vielleicht kann es ihn erweichen, wenigstens einmal mit ihr zu sprechen und ihr zu sagen, daß es ihm leid tut.«
»Kommen Sie zu mir, ja? Vielleicht sollten wir zusammen hingehen. Ich glaube, er will mich noch immer zurück. Kein Wunder, er weiß ja auch, was er gewonnen hätte, wenn wir verheiratet wären. Möglicherweise kann ich helfen.«
»Das würden Sie tun?«
»Ich liebe ihn nicht mehr. Er hat mein Vertrauen verloren.«
»Ja, gut, dann komme ich zu Ihnen. Ich treffe morgen um elf in Berlin ein.«
»Ich hole Sie am Flughafen ab, dann verlieren wir keine Zeit. Ich werde am Lufthansa-Schalter auf Sie warten.«
Melanie war erleichtert. Sie fühlte sich nicht wohl bei ihrer Mission, hielt sie aber unbedingt für nötig. Wenn sich Corinna tatsächlich etwas antäte, wenn das Kind geboren war, würde sie sich das nie verzeihen. Sie mußte alles versuchen, was in ihrer Macht stand, um ihrer Freundin zu helfen.
*
Julia und Melanie verstanden sich gut. Beide waren tatkräftige Frauen, die wußten, was sie wollten. Außerdem war Julia längst über Bernds Verrat hinweg, denn Sven und sie waren jetzt ein Paar und sehr verliebt. Sogar ihr Vater hatte sich anerkennend geäußert, obwohl Sven zumindest vom Äußeren nicht seinen Vorstellungen entsprach. Sein BWL-Studium würde ihn jedoch für die Firma sehr wertvoll machen…
»Bernd ist zu Hause. Ich habe ihn angerufen und ihm erzählt, daß ich vorbeikomme«, teilte sie Melanie mit.
»Gut. Ich muß sagen, daß ich ganz schönen Bammel habe.«
»Das brauchen Sie nicht. Er ist leicht zu durchschauen.«
Bernd öffnete ihnen und machte ein ziemlich verblüfftes Gesicht, als er Melanie sah. Er hatte sie nur einmal mit Corinna zusammen getroffen, wußte aber, daß er in ihr nicht gerade eine Bewunderin hatte.
»Was machen Sie denn hier?«
»Ich komme, um Sie an ein paar Pflichten zu erinnern.«
So hatte Melanie nicht anfangen wollen, doch es reizte sie, ihn wiederzusehen. Er machte nicht den Eindruck eines Menschen, der ein schlechtes Gewissen hatte oder dem gar etwas leid täte.
»Oh, wenn Sie meinen, daß Sie das können.«
»Bitte, Bernd, es ist zu ernst. Melanie meint, daß sich Corinna etwas antun könnte«, mischte sich Julia ein.
Das schien ihn doch ein wenig zu treffen. Sie setzten sich und Julia fuhr gleich fort.