Die Handschrift von Saragossa - Jan Graf Potocki - E-Book

Die Handschrift von Saragossa E-Book

Jan Graf Potocki

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Beschreibung

Das Kultbuch der Kultbücher, das Tausendundeine Nacht des Abendlandes - 66 abenteuerliche und schaurige Tage voller Phantastik, Kabbalistik, Komik und Erotik -, neu ergänzt mit einem ausführlichen Nachwort von René Radrizzani. In formaler Anlehnung an Tausendundeine Nacht und Bocaccios Decamerone hat Jan Graf Potocki seinen Roman in die Erzählungen von 66 Tagen unterteilt, in denen der junge Hauptmann van Worden die Sierra Morena überquert, um in Madrid seinen Dienst anzutreten. Auf diesem Weg wird er nicht bloß in schaurige Abenteuer verwickelt, sondern darüber hinaus in die Erzählung von anderen Abenteuern ähnlicher, häufig erotisch-phantastischer Natur. Die Schauergeschichten entpuppen sich als das Machwerk der Gomolez, eines einst aus Granada verstoßenen Geschlechts, das einen neuen Führer braucht und hofft, ihn in van Worden zu finden, dessen Tauglichkeit sie auf die Probe stellen wollen.Diese Rahmenhandlung bildet das Gerüst für eine faszinierende Erzählkonstruktion ineinander verschachtelter Geschichten (aus der ersten erwächst die zweite, aus der zweiten die dritte ...). Potockis grandioser Roman bietet nicht nur eine verblüffende Sammlung unzähliger Erzählgattungen, sondern sprengt auch ideen- und geistesgeschichtlich jeden Rahmen.

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INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Buch lesen

» Inhaltsverzeichnis

» Nachwort, Bericht des Übersetzers, Siebenundvierzigster Tag (Fassung A), Chronologie, Anmerkungen, Impressum

» Weitere eBooks von Kein & Aber

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

Jan Graf Potocki, geboren 1761, war polnischer Adliger, Offizier, progressiver Citoyen und Anhänger der Französischen Revolution, Historiker, Sprachforscher, Dichter und Weltreisender. Seine einzige Spezialisierung war sein erstaunliches Generalistentum, das zu einer beeindruckenden geistigen Horizontbreite führte. Er publizierte zahlreiche Reiseberichte und wissenschaftliche Arbeiten. Potocki schloss die 1797 begonnene Arbeit an diesem Werk, seinem einzigen Roman, erst kurz vor seinem Freitod 1815 ab.

ÜBER DAS BUCH

In formaler Anlehnung an Tausendundeine Nacht und Bocaccios Decamerone hat Jan Graf Potocki seinen Roman in Erzählungen von 66 Tagen unterteilt, in denen der junge Hauptmann van Worden die Sierra Morena überquert, um in Madrid seinen Dienst anzutreten. Auf diesem Weg wird er nicht bloß in schaurige Abenteuer verwickelt, sondern darüber hinaus in die Erzählung von anderen Abenteuern ähnlicher, häufig erotisch-phantastischer Natur. Die Schauergeschichten entpuppen sich als das Machwerk der Gomolez, eines einst aus Granada verstoßenen Geschlechts, das einen neuen Führer braucht und hofft, ihn in van Worden zu finden, dessen Tauglichkeit sie auf die Probe stellen wollen. Diese Rahmenhandlung bildet das Gerüst für eine faszinierende Erzählkonstruktion ineinander verschachtelter Geschichten (aus der ersten erwächst die zweite, aus der zweiten die dritte …). Potockis grandioser Roman bietet nicht nur eine verblüffende Sammlung unzähliger Erzählgattungen, sondern sprengt auch ideen- und geistesgeschichtlich jeden Rahmen. Neu ergänzt mit einem ausführlichen Nachwort von René Radrizzani.

»Der totale Roman – ein Werk, das in der neueren europäischen Literatur keinen Vergleich kennt.«

NZZ

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Erster Tag

Die Geschichte Eminas und ihrer Schwester Zubeida

Die Geschichte des Schlosses Kasr Gomelez

Zweiter Tag

Die Geschichte des verhexten Pacheco

Dritter Tag

Die Geschichte des Alfonso van Worden

Die Geschichte des Trivulzio aus Ravenna

Die Geschichte des Landolfo aus Ferrara

Vierter Tag

Fünfter Tag

Die Geschichte Zotos

Sechster Tag

Fortsetzung der Geschichte Zotos

Siebenter Tag

Fortsetzung der Geschichte Zotos

Achter Tag

Die Erzählung Pachecos

Neunter Tag

Die Geschichte des Kabbalisten

Zehnter Tag

Die Geschichte des Thibaud de la Jacquière

Die Geschichte der hübschen Dariolette vom Schlosse Sombre

Elfter Tag

Die Geschichte des Menippos aus Lykien

Die Geschichte des Philosophen Athenagoras

Zwölfter Tag

Die Geschichte des Pandesowna, Zigeunerhauptmann

Die Geschichte des Giulio Romati und der Fürstin von Monte Salerno

Dreizehnter Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des Giulio Romati

Die Geschichte der Fürstin von Monte Salerno

Vierzehnter Tag

Die Geschichte Rebekkas

Fünfzehnter Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Die Geschichte der Maria de Torres

Sechzehnter Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte der Maria de Torres

Siebzehnter Tag

Fortsetzung der Geschichte der Maria de Torres

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Achtzehnter Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Die Geschichte des Grafen von Peña Velez

Neunzehnter Tag

Die Geschichte des Geometers

Zwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Einundzwanzigster Tag

Die Geschichte des Ewigen Juden

Zweiundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Dreiundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Velásquez

Vierundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Velásquez

Fünfundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Velásquez

Sechsundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Siebenundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Die Geschichte der Herzogin von Medina Sidonia

Achtundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte der Herzogin von Medina Sidonia

Die Geschichte des Marqués von Val Florida

Neunundzwanzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte der Herzogin von Medina Sidonia

Die Geschichte des Hermosito Giraldo

Dreißigster Tag

Einunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Zweiunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Die Geschichte des López Soarez

Die Geschichte des Hauses Soarez

Dreiunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des López Soarez

Vierunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des López Soarez

Fünfunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des López Soarez

Die Geschichte des Don Roque Busqueros

Die Geschichte der Frasqueta Salero

Sechsunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des López Soarez

Siebenunddreißigster Tag

Velásquez’ Gedanken über die Religion

Achtunddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Darstellung des Systems von Velásquez

Neununddreißigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Fortsetzung der Darstellung des Systems von Velásquez

Vierzigster Tag

Einundvierzigster Tag

Die Geschichte des Marqués von Torres Rovellas

Zweiundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Marqués von Torres Rovellas

Die Geschichte des Monsignore Ricardi und der Laura Cerella, genannt Marchesa Paludi

Dreiundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Marqués von Torres Rovellas

Vierundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Marqués von Torres Rovellas

Fünfundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Marqués von Torres Rovellas

Sechsundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Ewigen Juden

Siebenundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Achtundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Die Geschichte des Cornádez, erzählt von Busqueros

Die Geschichte des Diego Hervás, erzählt von seinem Sohn, dem verdammten Pilger

Neunundvierzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Diego Hervás, erzählt von seinem Sohn, dem verdammten Pilger

Fünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Diego Hervás, erzählt von seinem Sohn, dem verdammten Pilger

Einundfünfzigster Tag

Die Geschichte des Blas Hervás, dem verdammten Pilger

Zweiundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fortsetzung der Geschichte des verdammten Pilgers

Dreiundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des verdammten Pilgers

Die Geschichte des Komturs von Toralva

Vierundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Fünfundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Sechsundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Siebenundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Achtundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Neunundfünfzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Sechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Einundsechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Zigeunerhauptmanns

Zweiundsechzigster Tag

Die Geschichte des Großscheichs der Gomelez

Dreiundsechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Großscheichs der Gomelez

Vierundsechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Großscheichs der Gomelez

Fünfundsechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Großscheichs der Gomelez

Die Geschichte der Familie Uzeda

Sechsundsechzigster Tag

Fortsetzung der Geschichte des Großscheichs der Gomelez

Epilog

Nachwort

Bericht des Übersetzers

Siebenundvierzigster Tag (Fassung A)

Chronologie

Anmerkungen

VORWORT

Als Offizier der französischen Armee nahm ich an der Belagerung von Saragossa teil. Als ich einige Tage nach Einnahme der Stadt in ein etwas abgelegeneres Gelände geriet, erblickte ich ein recht wohlgebautes kleines Haus, das, wie ich zunächst glaubte, noch von keinem Franzosen betreten worden war.

Die Neugier trieb mich dazu, hineinzugehen. Ich klopfte an die Tür; aber ich sah, daß sie nicht verschlossen war. Ich stieß sie auf und trat ein. Ich rief, ich suchte, ich fand niemanden. Alles, was von Wert war, hatte man anscheinend schon weggeschafft; auf den Tischen und in den Schränken waren nur ganz wertlose Dinge liegengeblieben. Nur in einer Ecke auf dem Boden erblickte ich mehrere beschriebene Hefte; ich überprüfte kurz ihren Inhalt. Es war ein spanisches Manuskript. Ich beherrschte diese Sprache nur sehr dürftig; jedoch kannte ich sie hinlänglich, um zu begreifen, daß dieses Buch unterhaltsam sein konnte. Es war darin von Räubern, Gespenstern, Kabbalisten die Rede, und nichts war besser geeignet, mich nach dem erschöpfenden Feldzug zu zerstreuen, als die Lektüre eines wunderlichen Romans. Da ich überzeugt war, daß dieses Buch nie mehr in die Hände seines rechtmäßigen Eigentümers gelangen werde, zögerte ich nicht, es mir anzueignen.

In der Folge mußten wir Saragossa verlassen. Da ich unglücklicherweise von der Hauptmacht der Armee weit entfernt war, wurde ich zusammen mit meiner Abteilung vom Feind gefangengenommen; ich glaubte, es sei um mich geschehen. Als wir an dem Ort, zu dem die Spanier uns führten, ankamen, begannen sie, uns unsere Habseligkeiten wegzunehmen. Ich bat darum, nur einen einzigen Gegenstand behalten zu dürfen, der ihnen gar nicht von Nutzen sein konnte, nämlich das Buch, das ich gefunden hatte. Zunächst machten sie Schwierigkeiten, dann wandten sie sich an den Hauptmann, der, kaum hatte er einen Blick auf das Buch geworfen, auf mich zukam und mir dafür dankte, daß ich ein Werk unversehrt bewahrt hatte, dem er einen hohen Wert beimaß, da es die Geschichte eines seiner Ahnen enthalte. Ich erzählte ihm, wie es in meine Hände gelangt war, er nahm mich mit in sein Haus, und während der beträchtlich langen Zeit, die ich dort verbrachte, wobei ich recht gut behandelt wurde, bat ich ihn, mir dieses Werk ins Französische zu übersetzen; ich schrieb es nach seinem Diktat.

ERSTER TAG

Der Graf von Olavidez hatte in der Sierra Morena noch keine Siedlungen begründet; diese hochragende Bergkette, die Andalusien von der Mancha trennt, war damals nur bewohnt von Schmugglern, Räubern und ein paar herumstreifenden Zigeunern, die angeblich die Reisenden, die sie ermordet hatten, verzehrten; daher das spanische Sprichwort: Las gitanas de Sierra Morena quieren carne de hombres.

Das ist noch nicht alles. Der Reisende, der sich in dieses wilde Land traute, sah sich dort, heißt es, von tausend Schrecken bedrängt, die auch den dreistesten Mut erstarren lassen konnten. Er mußte hören, wie sich in das Tosen der Gießbäche und das Heulen des Sturms erbärmliche Klagerufe mischten, trügerische Lichter führten ihn in die Irre, und unsichtbare Hände stießen ihn in bodenlose Abgründe.

Zwar lagen an dieser heillosen Straße weit verstreut einige einsame ventas oder Herbergen, aber Gespenster, die teuflischer waren als die Wirte selbst, hatten diese gezwungen, ihnen ihre Stelle zu überlassen und sich in Länder zurückzuziehen, wo ihre Ruhe nur noch von den Vorhaltungen ihres Gewissens gestört wurde – eine Art Schemen, mit denen die Wirte sich arrangiert haben; der Wirt von Andújar rief den Heiligen Jakobus von Compostela als Zeugen für die Wahrheit dieser unglaublichen Geschichten an. Er fügte schließlich hinzu, daß die Schergen der Heiligen Hermandad sich geweigert hätten, irgendwelche Aufträge für die Sierra Morena zu übernehmen, und daß die Reisenden die Straße über Jaen oder durch die Estremadura einschlügen.

Ich erwiderte ihm, daß diese Wahl wohl gewöhnlichen Reisenden genehm sein möge, aber da der König Don Philipp V. die Gnade gehabt habe, mich mit dem Hauptmannspatent bei den Wallonischen Garden zu beehren, schrieben mir die heiligen Gesetze der Ehre vor, mich auf dem kürzesten Wege nach Madrid zu verfügen, ohne danach zu fragen, ob es etwa der gefährlichste sei.

»Mein junger Herr«, erwiderte der Wirt, »Euer Gnaden werden mir die Bemerkung erlauben, daß es, wenn der König Euch mit einer Gardekompanie beehrt hat, bevor die Jahre das Kinn von Euer Gnaden mit dem leichtesten Flaum beehrt haben, nützlich wäre, Beweise Eurer Umsicht zu erbringen; nun sage ich aber, wenn die bösen Geister sich eines Landes bemächtigen …«

Er hätte noch mehr gesagt, aber ich gab meinem Pferd die Sporen und zügelte es erst wieder, als ich mich außer Reichweite seiner Vorhaltungen glaubte. Als ich mich dann umdrehte, sah ich ihn immer noch gestikulieren und mir von weitem die Straße zur Estremadura weisen. Mein Diener López und Mosquito, mein zagal, sahen mich erbärmlich an, was ungefähr dasselbe ausdrückte. Ich gab mir den Anschein, als verstände ich sie nicht, und dort, wo seither die Siedlung La Carlota errichtet wurde, ritt ich in die Heide hinaus.

Damals gab es an der Stelle, wo heute das Posthaus steht, eine Hütte, den Maultiertreibern wohlbekannt, die sie Los Alcornoques oder die Steineichen nannten, weil dort eine ergiebige Quelle, die sich in einen Marmortrog ergoß, von zwei schönen Bäumen dieser Art beschattet wurde. Dies war das einzige Wasser und der einzige Schatten zwischen Andújar und der Herberge, die Venta Quemada hieß. Diese Herberge war mitten in einer Einöde errichtet, aber sie war groß und geräumig. Eigentlich war sie eine alte Maurenburg, die der Marqués von Peña Quemada wieder hatte herrichten lassen, und daher hatte sie den Namen Venta Quemada. Der Marqués hatte sie einem Bürger von Murcia verpachtet, der darin ein Gasthaus eingerichtet hatte, das ansehnlichste überhaupt an dieser Straße. Die Reisenden brachen also morgens in Andújar auf, speisten in Los Alcornoques von den mitgebrachten Vorräten und schliefen dann in der Venta Quemada. Oft verbrachten sie dort auch noch den nächsten Tag, um sich auf die Überquerung der Berge vorzubereiten und neue Vorräte zu beschaffen. Nichts anderes beabsichtigte auch ich zu tun.

Doch als wir uns schon den Steineichen näherten und ich mit López von der kleinen Mahlzeit sprach, die wir dort einnehmen wollten, bemerkte ich, daß Mosquito mit dem Maultier, das unsere Vorräte trug, nicht mehr bei uns war. López sagte, der Bursche sei etwa hundert Meter zurückgeblieben, um etwas am Packsattel seines Tiers in Ordnung zu bringen. Wir warteten auf ihn, gingen dann ein paar Schritte weiter, blieben stehen, um wieder auf ihn zu warten, riefen nach ihm, kehrten dann um, um ihn zu suchen: alles umsonst. Mosquito war verschwunden und hatte unsere teuersten Hoffnungen, das heißt unser ganzes Mittagessen, mitgenommen. Ich war der einzige mit nüchternem Magen, denn López hatte immerfort an einem Tobosaner Käse geknabbert, den er eingesteckt hatte, aber er war deswegen um nichts aufgeräumter und knurrte zwischen den Zähnen hervor, daß der Wirt von Andújar schon ganz recht gehabt habe und daß die bösen Geister den unglücklichen Mosquito gewiß entführt hätten.

Als wir in Los Alcornoques ankamen, fand ich auf der Tränke einen mit Weinlaub gefüllten Korb; er war offenbar mit Früchten gefüllt gewesen und von einem Reisenden vergessen worden. Neugierig durchwühlte ich ihn und fand zu meinem Vergnügen vier schöne Feigen und eine Orange. Ich bot López zwei Feigen an, aber er schlug sie aus und meinte, er könne bis zum Abend warten; ich aß also alle Früchte auf, worauf ich an der Quelle, die gleich daneben lag, meinen Durst stillen wollte. López hielt mich zurück und meinte, nach den Früchten werde mir das Wasser schaden, und er könne mir einen Rest Alicantewein anbieten. Ich nahm das Angebot an, aber kaum war der Wein in meinen Magen gelangt, so verspürte ich einen starken Druck auf dem Herzen. Himmel und Erde drehten sich um mich, und ich wäre sicher in Ohnmacht gefallen, wenn López mir nicht schleunigst zu Hilfe gekommen wäre; er sorgte dafür, daß ich mich von der Schwäche erholte, und sagte, ich solle nicht darüber erschrecken, da sie nur eine Wirkung der Müdigkeit und Entkräftung sei.

Tatsächlich fand ich mich nicht nur wiederhergestellt, sondern sogar von so viel Kraft und Tatendrang belebt, daß es schon sonderbar war. Das Land, schien mir, leuchtete in den lebhaftesten Farben; die Dinge funkelten vor meinen Augen wie die Sterne in der Sommernacht, und das Blut klopfte mir in den Adern, vor allem an Schläfen und Hals.

Als López sah, daß mein Unwohlsein folgenlos blieb, konnte er sich nicht enthalten, wieder mit seinem Gejammer anzufangen:

»Ach«, sagte er, »warum habe ich mich nicht auf Fray Gerónimo de la Trinidad verlassen, den Mönch, Prediger, Beichtiger und das Orakel unserer Familie. Er ist der Schwager des Schwiegersohns der Schwägerin des Schwiegervaters meiner Stiefmutter, und da er also der nächste Verwandte ist, den wir haben, geschieht nichts in unserem Haus ohne seinen Rat. Ich wollte nicht auf ihn hören und empfange dafür die gerechte Strafe. Er hatte mir schon oft gesagt, daß die Offiziere der Wallonischen Garden ein ketzerischer Haufen sind, was man ja leicht an ihren blonden Bärten, an den blauen Augen und den roten Backen erkennt, während die wirklichen Christen die Farben Unserer lieben Frau von Atocha haben, wie sie der Heilige Lukas gemalt hat.«

Ich brachte diesen Sturzbach von Unverschämtheiten zum Versiegen, indem ich López befahl, mir meine Doppelbüchse zu geben und bei den Pferden zu bleiben, während ich auf einen nahe gelegenen Felsen steigen wollte, um zu versuchen, Mosquito oder wenigstens eine Spur von ihm zu entdecken. Auf diese Ankündigung hin brach López in Tränen aus, warf sich vor mir auf die Knie und beschwor mich im Namen aller Heiligen, ihn an einem von so viel Gefahren bedrohten Ort nicht allein zu lassen. Ich erbot mich, selbst die Pferde zu hüten, während er auf Erkundung ginge, aber diese Rolle erschien ihm noch fürchterlicher. Ich nannte ihm indessen so viele gute Gründe dafür, Mosquito zu suchen, daß er mich gehen ließ. Er zog einen Rosenkranz aus der Tasche und begann bei der Tränke zu beten.

Die Gipfel, die ich ersteigen wollte, waren weiter entfernt, als ich gedacht hatte. Ich brauchte fast eine Stunde, um hinaufzugelangen, und oben sah ich immer noch nichts als die unbewohnte, wilde Ebene: keine Spur von Menschen, Tieren oder Behausungen, kein Weg als die Straße, auf der ich gekommen war, und auch auf ihr zeigte sich niemand; überall absolute Stille. Ich unterbrach sie mit meinen Rufen, die das Echo aus der Ferne zurückwarf. Schließlich kehrte ich wieder zur Tränke zurück und fand dort mein Pferd, das an einem Baum angebunden war; López jedoch war verschwunden.

Ich hatte zwei Möglichkeiten: nach Andújar zurückzukehren oder die Reise fortzusetzen. Die erstere Möglichkeit fiel mir nicht einmal ein. Ich schwang mich aufs Pferd, trieb es zum stärksten Trab an und gelangte nach zwei Stunden an die Ufer des Guadalquivir, der dort keineswegs jener stille und prächtige Fluß ist, dessen majestätischer Lauf die Mauern Sevillas umschmeichelt. Wo der Guadalquivir den Bergen entströmt, ist er ein regellos strudelnder wilder Strom, der immerfort gegen die Felsen tost, die sich seiner Gewalt entgegenstellen.

Das Tal von Los Hermanos beginnt dort, wo der Guadalquivir in die Ebene hinaustritt; es hatte seinen Namen von drei Brüdern, die weniger durch Blutsbande als durch ihre gemeinsame Neigung zu räuberischen Überfällen zusammenhielten und es schon lange zum Schauplatz ihrer Untaten gemacht hatten. Zwei von ihnen waren gefaßt worden, und ihre Leiber konnte man am Eingang des Tals am Galgen hängen sehen; der älteste aber, Zoto, war dem Gefängnis von Córdoba entflohen, und es hieß, er habe sich in die Berge von Alpujarras geflüchtet.

Von den zwei gehenkten Brüdern erzählte man absonderliche Geschichten; man sprach über sie nicht wie von Gespenstern, sondern es wurde behauptet, ihre Körper, von wer weiß welchen bösen Geistern zum Leben erweckt, machten sich des Nachts los und stiegen vom Galgen herab, um die Lebenden zugrunde zu richten. Das galt als so sicher, daß ein Theologe aus Salamanca eine Abhandlung geschrieben hatte, in der er bewies, daß die Gehenkten eine Art Vampire seien und daß der eine nicht unglaubwürdiger sei als der andere, was ihm selbst die größten Freigeister mühelos einräumten. Auch lief ein gewisses Gerücht um, diese zwei Männer seien unschuldig, und da sie zu Unrecht verurteilt worden waren, rächten sie sich nun, mit der Billigung des Himmels an den Reisenden und anderen, die gerade vorbeikamen. Da ich in Córdoba von all dem viel hatte reden hören, war ich vorwitzig genug, mich dem Galgen zu nähern. Der Anblick, der sich mir bot, war um so ekelhafter, als die abscheulichen Kadaver, die der Wind in Schwingungen versetzte, sonderbare Pendelbewegungen ausführten, während widerliche Geier an ihnen zerrten, um sich Fleischfetzen herauszureißen; mit Grausen wandte ich den Blick davon ab und schlug den Weg in die Berge ein.

Man muß schon sagen, das Tal von Los Hermanos schien sehr geeignet als Zuflucht für die Banditen und günstig für ihre Handstreiche. Bald wurde man durch Felsbrocken aufgehalten, die sich oben am Berg gelöst hatten, bald von Bäumen, die der Sturm umgeknickt hatte. Häufig überquerte der Weg das Bett des Wildbachs oder führte an tiefen Höhlen vorbei, deren verdächtiger Anblick meinen Argwohn hervorrief.

Am Ausgang dieses Tals gelangte ich sofort in das nächste und entdeckte dort die Venta, die mein Quartier sein sollte; aber so weit sie auch noch entfernt war, ihr Aussehen ließ mich nichts Gutes ahnen. Denn ich erkannte, daß es weder Fenster noch Fensterläden gab; kein Rauch stieg aus den Kaminen; in der Umgebung sah ich keinerlei Bewegung, und als ich mich näherte, gab kein Hund Laut. Ich vermutete daher, die Herberge sei eine von den aufgegebenen, von denen der Wirt von Andújar gesprochen hatte.

Je näher ich der Venta kam, desto tiefer erschien mir die Stille. Endlich langte ich an und erblickte einen Opferstock und darauf die Inschrift: »Hochzuverehrende Herren Reisende, wollet die Barmherzigkeit haben, für die Seele von González aus Murcia, ehemals Wirt der Venta Quemada, ein Gebet zu sprechen. Vor allen Dingen setzt Euren Weg fort und verbringt hier nicht die Nacht, unter welchem Vorwand auch immer.«

Ich beschloß auf der Stelle, den Gefahren zu trotzen, vor denen die Inschrift mich warnte. Nicht daß ich überzeugt gewesen wäre, daß es keine Gespenster gibt; aber im Fortgang der Geschichte wird man erkennen, daß meine ganze Erziehung auf die Ausbildung der Ehre abgezielt hatte, und ich machte es mir daher zur Regel, mir niemals Furcht anmerken zu lassen.

Da die Sonne sich gerade erst anschickte unterzugehen, wollte ich den Rest der Helligkeit dazu ausnützen, alle Winkel dieser Behausung zu erkunden, weniger um mich über die höllischen Mächte zu beruhigen, die davon Besitz ergriffen hatten, als um etwas Eßbares zu suchen, denn das wenige in Alcornoques Verzehrte hatte das Bedürfnis danach, das sich gebieterisch meldete, zwar zeitweilig unterdrücken, aber nicht stillen können. Ich durchquerte viele Zimmer und Säle. Die meisten waren bis in Mannshöhe mit Mosaiken bedeckt, und die Decken waren von jener schönen Tischlerarbeit, in der die Mauren ihre ganze Pracht entfalten. Ich betrat Küchen, Speicher und Keller; letztere waren in den Fels gehauen, einige mündeten in unterirdische Gänge, die tief in den Berg hineinzureichen schienen; Eßbares fand ich nirgends.

Als der Tag schließlich ganz zur Neige ging, holte ich mein Pferd, das ich im Hof angebunden hatte, führte es in einen Stall, in dem ein wenig Heu lag, und ich selbst richtete mich in einer Kammer ein, in der es eine Lagerstatt gab, die einzige, die in der ganzen Herberge übriggeblieben war. Ich hätte schon gern ein Licht gehabt, aber der Hunger, der mich quälte, hatte ein Gutes: Er hielt mich vom Schlafen ab.

Je schwärzer indessen die Nacht wurde, desto finsterer waren meine Gedanken. Bald dachte ich an das Verschwinden meiner zwei Diener, bald überlegte ich, wie ich mir Nahrung verschaffen könne. Ich nahm an, die Räuber seien unversehens aus einem Busch oder einer unterirdischen Deckung hervorgebrochen und hätten López und Mosquito, als sie allein waren, einen nach dem anderen angegriffen, und ich sei nur verschont worden, weil mein militärischer Aufzug ihnen keinen so leichten Sieg versprach. Mein Hunger beschäftigte mich mehr als alles andere; indessen hatte ich auf dem Berg Ziegen gesehen; es mußte einen Hirten geben, der sie hütete, und dieser Mann hatte sicher einen kleinen Vorrat an Brot, das er mit seiner Milch verzehrte. Ein wenig zählte ich auch auf meine Büchse. Denn dorthin zurückkehren, wo ich hergekommen war, mich dem Gespött des Wirts aussetzen, das wollte ich keinesfalls. Ich war vielmehr ganz fest entschlossen, meinen Weg fortzusetzen.

Alle Überlegungen waren erschöpfend durchgespielt, und ob ich wollte oder nicht, vor meinem inneren Auge zog die berühmte Geschichte von den Falschmünzern vorüber und noch andere ähnliche Erzählungen, die mir aus meiner Kindheit lieb waren. Ich grübelte auch über die Inschrift auf dem Opferstock nach. Ich glaubte nicht, daß der Teufel dem Wirt den Hals umgedreht habe, aber ich begriff auch nicht, welch tragisches Ende er genommen hatte.

So vergingen die Stunden in tiefer Stille, als das Anschlagen einer Glocke mich vor Überraschung zusammenfahren ließ. Zwölf Schläge ertönten, und Gespenster haben ihre Gewalt bekanntlich nur von Mitternacht bis zum ersten Hahnenschrei. Ich sage, ich war überrascht, und ich war es aus gutem Grund, denn zu den vorangegangenen Stunden hatte die Glocke nicht geschlagen; so schien mir ihr Ertönen etwas Unheilvolles zu haben.

Einen Augenblick später öffnete sich die Tür meiner Kammer, und ich sah eine ganz schwarze, aber gar nicht bedrohliche Gestalt eintreten: Es war eine schöne, halbnackte Negerin, die in jeder Hand eine Fackel trug.

Die Negerin kam auf mich zu, verbeugte sich tief und sagte in sehr gutem Spanisch: »Mein Herr Kavalier, zwei Damen aus dem Ausland, die in dieser Herberge die Nacht verbringen, bitten Euch, mit ihnen ihr Abendessen einzunehmen. Habt die Güte, mir zu folgen.«

Ich folgte der Negerin durch immer neue Gänge und schließlich in einen hell erleuchteten Saal, in dessen Mitte ein Tisch mit drei Gedecken stand, den japanisches Porzellan und Karaffen aus Bergkristall zierten. Im Hintergrund stand ein prachtvolles Bett. Zahlreiche Negerinnen standen zur Bedienung bereit, traten dann aber achtungsvoll zurück, und ich sah zwei Damen eintreten, deren Lilien- und Rosenfarben aufs vollkommenste mit dem Ebenholzteint ihrer Zofen kontrastierten. Die zwei Damen gingen Hand in Hand; ihre Kleidung zeugte von sonderbarem Geschmack, so schien es mir wenigstens, aber er ist tatsächlich in mehreren Städten an der Küste der Berberei gang und gäbe, wie ich später feststellte, als ich dort reiste. So war diese Tracht beschaffen: Sie bestand eigentlich nur aus Hemd und Mieder. Bis unterhalb des Gürtels war das Hemd aus Leinen, darunter aus Meknès-Gaze, einem Gewebe, das ganz transparent wäre, wenn man nicht breite Seidenbänder hineingewunden hätte, um Reize zu verhüllen, die, wenn sie bloß zu ahnen sind, nur gewinnen können. Das Mieder, perlenbestickt und mit Diamantenspangen verziert, bedeckte recht knapp den Busen, es hatte keine Ärmel; die des Hemds, ebenfalls aus Gaze, waren gerafft und im Nacken hochgebunden. Am Handgelenk und über dem Ellenbogen waren ihre nackten Arme mit Armreifen geschmückt. Die Füße dieser Damen hätten, wenn sie Teufelinnen gewesen wären, Klauen oder Krallen tragen müssen; nichts dergleichen war der Fall, sondern sie steckten nackt in kleinen gestickten Pantoffeln, und das Fußgelenk war von einem Reifen mit dicken Brillanten geziert.

Die zwei unbekannten Damen bewegten sich ungezwungen und liebenswürdig auf mich zu. Es waren zwei vollkommene Schönheiten, die eine groß, schlank, eine blendende Erscheinung, die andere rührend schüchtern. Die majestätischere war von bewundernswerter Gestalt und ebensolchen Gesichtszügen. Der Wuchs der jüngeren war voller, ihre Lippen ein wenig gewölbt, die Lider halb geschlossen, und was man von den Augen erkannte, war von ungewöhnlich langen Wimpern verdeckt.

In kastilischer Mundart wandte sich die Ältere an mich: »Mein Herr Kavalier, wir danken Ihnen für Ihre Güte, dieses bescheidene Mahl mit uns einnehmen zu wollen, ich glaube, Sie sind seiner bedürftig.«

Die letzten Worte sagte sie mit so schelmischem Ausdruck, daß ich fast den Verdacht hatte, sie selbst habe uns das mit allen Vorräten beladene Maultier entführt, aber sie entschädigte mich so vorzüglich, daß man ihr unmöglich böse sein konnte.

Wir setzten uns zu Tisch, und eben diese Dame bot mir eine der japanischen Schüsseln an und sagte: »Mein Herr Kavalier, dies ist eine olla podrida, die aus allen Fleischsorten außer einer besteht, denn wir sind glaubenstreue Muselmaninnen.«

»Schöne Unbekannte«, erwiderte ich, »Ihr habt sicher wahr gesprochen. Gewiß seid Ihr treu, denn das ist die Religion der Liebe. Aber habt die Güte, vor meinem Appetit meine Neugier zu stillen, sagt mir doch, wer Ihr seid.«

»Eßt nur, mein Herr Kavalier«, erwiderte die schöne Maurin, »Euch gegenüber wollen wir unser Incognito nicht wahren. Ich heiße Emina, meine Schwester Zubeida; wir haben in Tunis unseren Wohnsitz genommen, aber unsere Familie stammt aus Granada, und einige unserer Verwandten blieben in Spanien, wo sie insgeheim den Glauben ihrer Väter bekennen. Vor acht Tagen verließen wir Tunis; an einem einsamen Strand in der Nähe Málagas gingen wir an Land. Wir haben dann zwischen Loja und Antequera die Berge überquert und sind nun an diesen abgelegenen Ort gekommen, um die Kleider zu wechseln und alle für unsere Sicherheit notwendigen Maßnahmen zu treffen. Ihr seht, mein Herr Kavalier, daß unsere Reise ein Geheimnis von bedeutendem Gewicht ist, das wir Eurer Ehrenhaftigkeit anvertrauen.«

Ich versicherte den Schönen, daß sie von meiner Seite keinerlei Indiskretion zu fürchten hätten, und dann machte ich mich ans Essen, ein wenig heißhungrig, muß ich gestehen, aber doch mit dem gewissen unerläßlichen Anstand, den ein junger Mann gern aufbringt, wenn er sich als einziger seines Geschlechts in Damengesellschaft befindet.

Als man bemerkt hatte, daß mein erster Hunger gestillt war und ich mich dem zuwandte, was in Spanien los dulces heißt, forderte die schöne Emina die Negerinnen auf, mir vorzuführen, wie man in ihrem Lande tanzt. Kein Befehl konnte ihnen offenbar angenehmer sein. Sie gehorchten mit einem Feuer, das schon an Zügellosigkeit grenzte. Ich glaube, es wäre sogar schwer gewesen, ihrem Tanz ein Ende zu setzen, aber ich fragte ihre schönen Herrinnen, ob sie auch manchmal tanzten. Statt einer Antwort erhoben sie sich und verlangten nach Kastagnetten. Ihre Schritte hatten etwas vom Murcianer Bolero und von der Fofa, die man in der Algarve tanzt; wer in diesen Provinzen war, wird eine Vorstellung davon haben. Und doch wird er nie den ganzen Reiz begreifen, den die natürliche Anmut der zwei Afrikanerinnen ihren Bewegungen verlieh und den die Durchsichtigkeit ihrer Gewänder noch erhöhte.

Eine Weile sah ich ihnen ganz gelassen zu. Dann aber wurden ihre Bewegungen von einem heftigeren Rhythmus beschleunigt, die maurische Musik schrillte betäubender, die plötzliche Nahrungsaufnahme hatte meine Lebensgeister erregt, und all das, in mir und außer mir, kam zusammen, um meine Vernunft zu trüben. Ich wußte nicht mehr, ob ich es mit Frauen oder mit hinterhältigen Sukkuben zu tun hatte. Ich wagte nicht mehr aufzublicken, wollte nichts sehen. Ich bedeckte die Augen mit der Hand, und die Sinne wollten mir schwinden.

Die beiden Schwestern näherten sich mir, jede von ihnen ergriff eine meiner Hände. Emina fragte, ob mir nicht wohl sei. Ich beruhigte sie. Zubeida wollte wissen, welche Bedeutung ein Medaillon habe, das sie an meiner Brust entdeckte, und ob es das Bildnis einer Geliebten sei.

»Es ist ein Kleinod«, erwiderte ich, »das mir meine Mutter gab und das ich ihr immer zu tragen versprach; es enthält einen Splitter vom wahren Kreuz.«

Ich sah, wie Zubeida erbleichte und zurückwich.

»Ihr seid beunruhigt«, sagte ich ihr, »jedoch kann das Kreuz nur den Geist der Finsternis erschrecken.«

Für ihre Schwester antwortete Emina: »Mein Herr Kavalier, Ihr wißt, daß wir Muselmaninnen sind, und dürft nicht über die Betroffenheit erstaunt sein, die Ihr an meiner Schwester wahrgenommen habt. Ich teile sie; wir sind sehr bekümmert, in Euch, der Ihr unser nächster Verwandter seid, einen Christen zu sehen. Meine Rede setzt Euch in Erstaunen, aber war Eure Mutter nicht eine Gomelez? Wir gehören zur selben Familie, die nur ein Zweig des Geschlechts der Abencérages ist; aber setzen wir uns doch auf dieses Sofa, und ich berichte Euch mehr davon.«

Die Negerinnen zogen sich zurück. Emina wies mir den Platz in der Ecke des Sofas an und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben mich. Zubeida setzte sich auf die andere Seite, stützte sich auf meine Lehne, und wir waren einander so nah, daß ihr Atem sich mit meinem vermischte.

Emina schien einen Augenblick in ihre Gedanken zu versinken, dann sah sie mich mit dem Ausdruck der lebhaftesten Teilnahme an, faßte meine Hand und sagte: »Lieber Alfonso, es ist nutzlos, es vor Euch zu verbergen, nicht der Zufall führte uns hierher. Wir haben Euch hier erwartet. Wenn die Furcht Euch veranlaßt hätte, eine andere Straße zu wählen, hättet Ihr für immer unsere Achtung verloren.«

»Ihr schmeichelt mir, Emina«, antwortete ich ihr, »ich begreife nicht, was für ein Interesse Ihr an meinem Mut nehmen könnt.«

»Wir nehmen großen Anteil an Eurem Geschick«, fuhr die schöne Maurin fort, »aber vielleicht fühlt Ihr Euch weniger geschmeichelt, wenn Ihr erfahrt, daß Ihr fast der erste Mann seid, den wir zu Gesicht bekommen. Was ich sage, setzt Euch in Erstaunen, und Ihr scheint daran zu zweifeln. Ich hatte Euch die Geschichte meiner Ahnen versprochen, aber ich fange vielleicht besser mit unserer eigenen an.«

Die Geschichte Eminas und ihrer Schwester Zubeida

Wir sind die Töchter von Djasir Gomelez, dem Onkel mütterlicherseits des gegenwärtigen Deys von Tunis; wir hatten nie einen Bruder, kannten unseren Vater überhaupt nicht, so daß wir hinter den Mauern des Serails keinerlei Vorstellung von Eurem Geschlecht gewannen. Da wir indessen beide mit einer außerordentlichen Neigung zur Zärtlichkeit geboren wurden, liebten wir einander mit großer Leidenschaft. Diese Zuneigung begann schon in frühester Kindheit. Sobald wir getrennt werden sollten, sei es auch nur für Augenblicke, weinten wir. Wenn eine gescholten wurde, brach die andere in Tränen aus. Die Tage verbrachten wir damit, am selben Tisch zu spielen, und wir schliefen im selben Bett.

Diese lebhafte Empfindung schien zugleich mit uns selbst größer zu werden und gewann durch einen Umstand, den ich Euch gleich berichten will, neue Kraft. Damals zählte ich sechzehn Jahre, meine Schwester vierzehn. Seit langem hatten wir bemerkt, daß es Bücher gab, die meine Mutter sorgfältig vor uns verschloß. Anfangs hatten wir wenig darauf geachtet, da uns schon die Bücher, in denen man uns das Lesen beibrachte, verdrießlich genug waren; aber mit den Jahren waren wir neugierig geworden. Als der verbotene Bücherschrank einen Augenblick offenstand, ergriffen wir die Gelegenheit und nahmen schnell einen kleinen Band heraus, zufällig Die Liebe Leilas und Medjnouns, aus dem Persischen übersetzt von ben Omri. Dieses göttliche Buch, das in flammenden Worten alle Wonnen der Liebe schildert, erhitzte unsere jungen Köpfe. Wir konnten es kaum verstehen, weil wir Wesen Eures Geschlechts fast nie gesehen hatten, aber wir sprachen uns immer wieder seine Worte vor. Wir sprachen die Sprache der Liebenden; schließlich wollten wir einander auch auf ihre Weise lieben. Ich übernahm die Rolle Medjnouns, meine Schwester die Leilas. Zuerst gestand ich ihr meine Leidenschaft, indem ich einen Strauß aus bestimmten Blumen zusammenstellte, eine geheime Zeichenschrift, die man in ganz Asien pflegt. Dann ließ ich meine Blicke sprechen, warf mich ihr zu Füßen, küßte die Spur ihrer Schritte, beschwor Zephir, ihr meine zärtlichen Klagen zuzutragen, und glaubte, seinen Atem mit meinen Seufzern zur Glut zu entfachen.

Treu den Lehren ihres Autors, gewährte mir Zubeida ein Rendezvous. Ich warf mich vor ihr nieder, küßte ihre Hände, netzte ihre Füße mit meinen Tränen; meine Geliebte leistete zunächst sanften Widerstand, erlaubte mir dann, ihr ein paar Gunstbezeigungen abzuschmeicheln, ergab sich schließlich meiner brennenden Ungeduld. Unsere Seelen schienen tatsächlich miteinander zu verschmelzen, und selbst jetzt wüßte ich nicht, was uns glücklicher machen könnte, als wir es damals waren.

Ich weiß nicht mehr, wie lange wir diese leidenschaftlichen Auftritte genossen, aber schließlich ließen wir ruhigere Empfindungen an ihre Stelle treten. Wir fanden Gefallen am Studium der Wissenschaften, vor allem an der Kunde von den Pflanzen, die wir in den Schriften des berühmten Averroës studierten.

Meine Mutter glaubte, daß man sich nicht genug gegen die Langeweile in den Serails wappnen könne, und sah mit Vergnügen, daß wir uns gern mit etwas beschäftigten, und um uns bei den Studien zu fördern, ließ sie von Mekka eine heilige Person kommen, die man Hazrata oder die Heilige der Heiligen nannte. Hazrata lehrte uns das Gesetz des Propheten; ihre Lehren erteilte sie in der reinen und klangvollen Sprache, die man im Stamme Koraïch spricht. Wir wurden nicht müde, ihr zu lauschen, und kannten fast den ganzen Koran auswendig. Meine Mutter brachte uns dann selbst die Geschichte unseres Hauses bei und legte in unsere Hände zahlreiche Lebenserinnerungen, von denen manche arabisch, andere spanisch verfaßt waren. Lieber Alfonso, wie verhaßt erschien mir doch Euer Gesetz; wie haßten wir Eure Priester und ihre Verfolgungen. Aber wie mitfühlend nahmen wir auf der anderen Seite Anteil an so vielen hochgerühmten Unglücklichen, deren Blut auch in unseren Adern floß.

Einmal begeisterten wir uns leidenschaftlich für Said Gomelez, der in den Kerkern der Inquisition das Martyrium erlitt, dann wieder für seinen Neffen Leiz, der lange Zeit in den Bergen und fern von den Menschen sein Leben fristete, das sich wenig von dem der wilden Tiere unterschied. Solche Charaktere ließen uns voller Zuneigung an die Männer denken; wir hätten endlich welche sehen wollen, und oft stiegen wir auf unsere Terrasse, um aus der Ferne die Männer zu schauen, die sich auf dem See von La Goletta einschifften oder die auf dem Weg zu den Bädern von Hammam Nef waren. Wenn wir auch die Lehre des verliebten Medjnouns nicht ganz vergessen hatten, so sprachen wir sie ihm doch nicht mehr nach. Meine Zärtlichkeit für meine Schwester schien sogar ihren leidenschaftlichen Charakter verloren zu haben; ein neuer Vorfall bewies mir jedoch das Gegenteil.

Eines Tages brachte uns meine Mutter eine Prinzessin von Tafilet, eine nicht mehr ganz junge Dame, ins Haus. Wir empfingen sie aufs liebenswürdigste. Als sie uns wieder verlassen hatte, teilte mir meine Mutter mit, die Prinzessin habe für ihren Sohn um meine Hand angehalten und meine Schwester werde einen Gomelez heiraten. Diese Nachricht traf uns wie ein Blitz; zuerst brachte sie uns so außer Fassung, daß wir sprachlos waren. Dann führten wir uns das Unglück, ohne einander weiterleben zu müssen, in so lebhaften Farben vor Augen, daß wir in die schrecklichste Verzweiflung verfielen. Wir rauften uns die Haare, wir erfüllten das Serail mit unseren Wehrufen. Schließlich nahmen die Äußerungen unseres Schmerzes gefährlich überspannte Züge an. Meine Mutter erschrak und versprach uns, unseren Neigungen keinen Zwang anzutun; sie versicherte, wir dürften Jungfrauen bleiben oder denselben Mann heiraten. Diese Zusicherungen beruhigten uns ein wenig.

Etwas später berichtete meine Mutter, sie habe mit dem Oberhaupt unserer Familie gesprochen, und er habe erlaubt, daß wir denselben Mann heiraten dürften, vorausgesetzt er sei ein Mann vom Geschlecht der Gomelez. Zuerst gaben wir keine Antwort, aber die Aussicht, einen einzigen Gatten für uns beide zu gewinnen, bereitete uns von Tag zu Tag mehr Vergnügen. Einen Mann, ob jung oder alt, hatten wir immer nur aus großer Ferne gesehen, aber da junge Frauen uns angenehmer erschienen als alte, wünschten wir auch einen jungen Gatten zu haben. Wir hofften auch, er werde uns ein paar Stellen aus dem Buch ben Omris erklären, deren Sinn wir nicht recht erfaßt hatten …

Hier unterbrach Zubeida ihre Schwester, zog mich in ihre Arme und sagte: »Ach, lieber Alfonso, daß Ihr doch kein Muselman seid! Wie glücklich wäre ich, Euch in Eminas Armen zu sehen, ihre Wonnen noch zu steigern und an Euren Umarmungen teilzunehmen. Denn, lieber Alfonso, in unserem Haus hat wie in dem des Propheten der Sohn einer Tochter dieselben Rechte wie die männliche Linie. Vielleicht kommt es nur auf Euch an, ob Ihr das Oberhaupt unseres Hauses werdet, das im Begriff ist auszusterben. Dazu wäre es nur unerläßlich, daß Ihr vor den heiligen Wahrheiten unseres Glaubens die Augen nicht verschließt.«

Das schien mir so entschieden einer Einflüsterung Satans zu gleichen, daß ich auf Zubeidas hübscher Stirn schon Hörner zu sehen glaubte. Ich stammelte ein paar Worte über meine Religion. Die zwei Schwestern wichen ein wenig zurück.

Emina nahm eine strengere Haltung an und fuhr fort: »Herr Alfonso, ich habe zu viel von meiner Schwester und mir gesprochen. Das lag nicht in meiner Absicht, ich habe mich nur zu Euch gesetzt, um Euch die Geschichte der Gomelez mitzuteilen, von denen Ihr in weiblicher Linie abstammt. Ich habe Euch also folgendes zu sagen:«

Die Geschichte des Schlosses Kasr Gomelez

Der Begründer unseres Stammes war Massud ben Taher, der Bruder Yussufs ben Taher, der an der Spitze der Araber in Spanien einfiel und von dem der Berg Djebel Taher seinen Namen hat, den Ihr wie Gibraltar aussprecht. Massud, der viel zum Erfolg der arabischen Waffen beitrug, erhielt vom Kalifen von Bagdad die Herrschaft über Granada, wo er bis zum Tod seines Bruders blieb. Er wäre noch länger geblieben, denn ihn liebten Muselmanen wie Mozaraber, das heißt die Christen, die unter der Herrschaft der Araber verblieben waren; aber in Bagdad hatte Massud Feinde, die ihn beim Kalifen anschwärzten. Er erfuhr, daß sein Untergang beschlossene Sache war, und faßte den Entschluß, das Feld zu räumen. Massud berief also die Seinen zu sich und zog sich in die Alpujarras zurück, die, wie Ihr wißt, eine Fortsetzung der Sierra Morena sind und die Königreiche von Granada und Valencia voneinander trennen.

Im Kampf mit den Westgoten hatten wir Spanien erobert; sie waren nie in die Alpujarras vorgedrungen. Die meisten Täler waren menschenleer. Nur drei waren von den Nachkommen eines alten iberischen Volkes besiedelt. Man nannte sie Turduler. Sie erkannten weder Mohammed noch Euren nazarenischen Propheten an; ihre religiösen Überzeugungen und ihre Gesetze wurden in Liedern überliefert, die von den Vätern an ihre Kinder weitergegeben wurden. Einst hatten sie Bücher besessen, die verlorengegangen waren.

Massud machte sich die Turduler mehr durch Überzeugungskraft als durch Gewalt untertan. Er lernte ihre Sprache und lehrte sie das muselmanische Gesetz. Durch Heirat vermischten sich die beiden Völker; dieser Mischung und der Bergluft verdanken wir die lebhafte Gesichtsfarbe, die Ihr an meiner Schwester und mir seht und die alle Töchter der Gomelez auszeichnet. Man kann bei den Mauren sehr viele hellhäutige Frauen sehen, aber immer sind sie blaß.

Massud nahm den Titel eines Scheichs an und ließ eine stark befestigte Burg errichten, die er Kasr Gomelez nannte. Eher Richter als Herrscher seines Stammes, war Massud jederzeit und für jedermann ansprechbar, und das machte er sich zur Pflicht; aber am letzten Freitag jeden Monats beurlaubte er sich von seiner Familie, schloß sich in eine unterirdische Kammer seiner Burg ein und hielt sich dort bis zum folgenden Freitag auf. Diese Abwesenheiten gaben Anlaß zu mancherlei Mutmaßungen: Manche sagten, unser Scheich pflege Zwiesprache mit dem zwölften Imam, der am Ende der Zeiten auf Erden erscheinen soll. Andere glaubten, in unserem Keller liege der Antichrist in Ketten. Wieder andere dachten, die sieben Schläfer ruhten dort mit ihrem Hund Kaleb. Massud kümmerte sich nicht um diese Gerüchte; er regierte weiter sein kleines Volk, so gut es ihm seine Kräfte erlaubten. Endlich wählte er den umsichtigsten Mann seines Stammes aus, ernannte ihn zu seinem Nachfolger, übergab ihm den Schlüssel zu der unterirdischen Kammer und zog sich in eine Einsiedelei zurück, in der er noch viele Jahre lebte.

Der neue Scheich regierte ganz so, wie es sein Vorgänger gehalten hatte, und am letzten Freitag des Monats zog auch er sich von allen zurück. Alles nahm seinen Fortgang wie bisher, bis zu der Zeit, da Córdoba seine eigenen Kalifen erhielt, die von denen Bagdads unabhängig waren. Da nämlich begannen die Bergbewohner der Alpujarras, die an dieser Umwälzung beteiligt waren, sich auch in der Ebene anzusiedeln, wo sie unter dem Namen Abencérages bekannt wurden, während der Name Gomelez denen vorbehalten blieb, die weiter zum Scheich von Kasr Gomelez hielten.

Die Abencérages kauften indessen die schönsten Ländereien des Königreichs Granada und die schönsten Häuser der Stadt. Der Aufwand, mit dem sie lebten, erregte allgemeines Aufsehen; man vermutete, die unterirdischen Gemächer des Scheichs enthielten einen unermeßlichen Schatz, konnte sich dessen aber nicht vergewissern, denn die Abencérages kannten selbst nicht die Quelle ihrer Reichtümer.

Schließlich fielen diese schönen Königreiche, da sie die Rache des Himmels auf sich gezogen hatten, den Ungläubigen in die Hände. Granada fiel, und acht Tage später erreichte der berühmte Gonzalo von Córdoba an der Spitze von dreitausend Mann die Alpujarras. Damals war unser Scheich Hatem Gomelez; er trat vor Gonzalo und händigte ihm die Schlüssel seiner Burg aus; der Spanier verlangte die Schlüssel der unterirdischen Magazine. Der Scheich gab sie ihm ebenfalls ohne Zögern. Gonzalo wollte selbst hinuntersteigen: Er fand nur eine Grabstätte und Bücher, spottete verächtlich über alle Geschichten, die er darüber gehört hatte, und beeilte sich, nach Valladolid zurückzukehren, wo Liebe und Frauendienst auf ihn warteten.

Dann herrschte Frieden in unseren Bergen, bis zu der Zeit, als Karl V. den Thron bestieg. Damals war unser Scheich Sefi Gomelez. Aus Gründen, die niemandem wirklich bekannt wurden, ließ dieser Mann den neuen Kaiser wissen, wenn er ihm in die Alpujarras einen Mann schicken wolle, dem er vertraue, werde er, Sefi, ihm ein bedeutsames Geheimnis enthüllen. Es vergingen keine vierzehn Tage, als Don Ruiz von Toledo im Auftrag Seiner Majestät bei den Gomelez erschien, doch er mußte erfahren, daß der Scheich am Tag zuvor ermordet worden war. Don Ruiz nahm die Verfolgung einiger verdächtiger Personen auf, wurde dessen aber bald müde und kehrte zum Hof zurück.

Das Geheimnis des Scheichs war jedoch im Besitz von Sefis Mörder geblieben. Dieser Mann, der Billah Gomelez hieß, rief die Stammesältesten zusammen und bewies ihnen die Notwendigkeit, neue Vorkehrungen zur Wahrung eines so wichtigen Geheimnisses zu treffen. Man beschloß, mehrere Angehörige der Familie Gomelez einzuweihen, aber jeder von ihnen sollte nur einen Teil des Geheimnisses erfahren, und auch das nur, nachdem er überzeugende Beweise für seinen Mut, seine Umsicht und seine Treue erbracht hätte.

Hier unterbrach Zubeida ihre Schwester wieder und sagte: »Liebe Emina, glaubt Ihr nicht auch, daß Alfonso alle Proben bestanden hätte? Ach, wer könnte daran zweifeln! Lieber Alfonso, warum seid Ihr kein Muselman? Vielleicht wären unermeßliche Schätze in Eurer Hand …«

Das sah wiederum ganz und gar dem Geist der Finsternis ähnlich, der mich durch die Wollust nicht hatte in Versuchung führen können und mich nun durch die Liebe zum Gold zu Fall zu bringen suchte. Aber die zwei Schönen rückten mir wieder näher, und es erschien mir, daß ich nicht Geister, sondern lebendige Körper berührte.

Nach einem Augenblick des Schweigens nahm Emina den Faden der Erzählung wieder auf:

Lieber Alfonso, sagte sie, Ihr kennt hinlänglich die Verfolgungen, die wir unter Philipp, Karls Sohn, zu erleiden hatten. Man nahm uns die Kinder weg und erzog sie im christlichen Glauben. Man gab ihnen alle Güter ihrer Eltern, die ihrem Glauben treu geblieben waren. Damals wurde ein Gomelez in den teket der Derwische des heiligen Dominicus aufgenommen und stieg zum Amt des Großinquisitors auf …

In diesem Augenblick ertönte ein Hahnenschrei, und Eminas Rede stockte … Der Hahn krähte noch einmal … Ein abergläubischer Mensch wäre darauf gefaßt gewesen, die zwei Schönen durch den Kamin davonfliegen zu sehen. Sie taten nichts dergleichen, aber sie schienen gedanken- und sorgenvoll.

Emina brach das Schweigen als erste: »Liebenswürdiger Alfonso«, sagte sie zu mir, »gleich bricht der Tag an, und die Stunden, die wir noch gemeinsam verbringen können, sind zu kostbar, um sie mit Geschichtenerzählen hinzubringen. Wir können nur dann Eure Gattinnen sein, wenn Ihr Euch unserem heiligen Glauben zuwendet. Aber es ist Euch erlaubt, uns im Traum zu sehen. Seid Ihr einverstanden?«

Ich stimmte allem zu.

»Das ist noch nicht alles«, fuhr Emina mit dem Ausdruck höchster Würde fort, »das ist noch nicht alles, lieber Alfonso; Ihr müßt Euch auch auf die heiligen Gesetze der Ehre verpflichten, niemals unsere Namen, unsere Existenz und all das, was Ihr von uns wißt, preiszugeben. Seid Ihr bereit, diese feierliche Verpflichtung einzugehen?«

Ich versprach alles, was sie wollten.

»Das genügt«, sagte Emina. »Schwester, bringt den Kelch herbei, den Massud, das erste Oberhaupt unserer Familie, geweiht hat.«

Während Zubeida den Zauberkelch herbeiholte, hatte Emina sich zu Boden geworfen und sprach Gebete in arabischer Sprache. Zubeida kam zurück und trug einen Kelch, der aus einem einzigen Smaragd geschliffen schien; sie benetzte daran ihre Lippen. Emina tat es ihr gleich und hieß mich den Rest des Elixiers in einem Zug austrinken.

Ich gehorchte ihr.

Emina dankte mir für meine Folgsamkeit und umarmte mich mit sehr zärtlichem Ausdruck.

Dann heftete Zubeida heftig ihre Lippen auf die meinen und schien sich nicht mehr davon lösen zu können. Schließlich verließen sie mich, wobei sie mir versicherten, ich würde sie wiedersehen, und mir rieten, so bald wie möglich einzuschlafen.

Derart sonderliche Ereignisse, wundersame Erzählungen und unerwartete Gefühle wären sicher dazu angetan gewesen, mich für den Rest der Nacht darüber nachsinnen zu lassen, aber ich muß gestehen, daß die Träume, die mir verheißen waren, mich mehr beschäftigten als alles andere. Ich entkleidete mich schnell und legte mich in ein Bett, das schon für mich vorbereitet war. Als ich es mir darin bequem machte, stellte ich mit Vergnügen fest, daß es sehr breit war und daß Träume so viel Platz nicht nötig haben. Aber kaum hatte ich Zeit, diese Überlegungen anzustellen, als der Schlaf sich unwiderstehlich auf meine Lider legte, und alle Trugbilder dieser Nacht ergriffen meine Sinne. Ich fühlte, wie sie durch phantastische Vorspiegelungen in die Irre geleitet wurden, und meine Gedanken trugen mich auf den Schwingen der Begierde unwillkürlich davon und hinein in Afrikas Serails, bemächtigten sich der hinter ihren Mauern verborgenen Reize und bildeten daraus Gaukelspiele meiner Lust. Ich fühlte, daß ich träumte, und war mir doch bewußt, daß es nicht Ausgeburten des Traums waren, die ich umarmte. Ich verlor mich in den Wolken der tollsten Einbildungen, aber meinen schönen Cousinen begegnete ich immer wieder. An ihrem Busen schlief ich ein, in ihren Armen erwachte ich wieder.

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen schönen Wechsel zu empfinden glaubte …

ZWEITER TAG

Endlich wachte ich wirklich auf; die Sonne brannte mir schon auf den Lidern. Nur mit Mhe konnte ich sie heben. Ich sah den Himmel; also war ich im Freien. Aber der Schlaf lag noch schwer auf meinen Augen; ich schlief nicht mehr, war aber auch noch nicht munter. Unablssig zogen Bilder von Martern und Hinrichtungen an mir vorber. Ein Grausen packte mich. Mit einem Ruck fuhr ich hoch und setzte mich auf

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