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Die Heirat des Herrn Stäudl ist eine Erzählung von Ferdinand von Saar und vor über einem Jahrhundert erschienen. Trotzdem schätzen Kenner bis heute diese Geschichte.
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Seitenzahl: 28
»Danke, Herr Landesgerichtsrat. Ich setze mich nicht. Ich kann aufrecht vor Ihnen stehen.« Und Herr Stäudl richtete seine eingesunkene knochige Hünengestalt in ihrer ganze Höhe empor, so daß ihn der Untersuchungsrichter und sein Schriftführer mit einigem Erstaunen ansahen.
»Nun, wie Sie wollen. Aber Sie haben das Recht, sich auf den Stuhl niederzulassen. Und es wäre mir angenehmer; Sie verdunkeln uns sonst den Tisch. Auch haben Sie ja viel vorzubringen.«
»Das würde mir nichts machen, Herr Landesgerichtrat. Da Sie es aber wünschen so werde ich mich setzen.« Er tat es und legte die unglaublich großen, mit verschrumpften Hautfalten bedeckten Hände vor sich auf die Knie. Der lang hinabfallende, halb ergraute Zottelbart, die kahle, vielfach gehöckerte Schädeldecke, die weit aufgerissenen farblosen Augen, die starr auf den Richter geheftet waren, gaben dem Manne etwas unheimlich Wildes, das nur durch schmerzlichen Ausdruck in seinem schlaffen, bräunlich fahlen Antlitz gemildert wurde.
»Sie können beginnen, Herr Stäudl.«
»Nun alsdann. Aber um alles genau auseinanderzusetzen, werde ich von kleinauf anfangen müssen.«
»Tun Sie das.«
»Nun alsdann. Sehen Sie, Herr Untersuchungsrichter, ich hatte mich seit jeher von den Weibern ferngehalten. Nicht etwa, daß ich keinen Gefallen an ihnen gefunden hätte oder daß ich, wie so mancher, zu schüchtern gewesen wäre, mich an sie heranzumachen. Keineswegs. Aber ich bin immer sehr stolz gewesen auf meine Mannheit und habe es unter meiner Würde gehalten, mich mit ihnen abzugeben. Schon als ich noch die Schule besuchte, war es so. Damals saßen Buben und Mädel in einem Klassenzimmer beisammen, und da suchten bereits die meisten Knirpse mit den kleinen Flittchen anzubandeln. Sie steckten ihnen Zettelchen zu und waren froh; wenn sie in ihrer. Gesellschaft allerlei Schabernack treiben konnten. Ich aber hielt mich vollständig abseits und sprach mit keiner ein Wort. Ich merkte, daß sie sich deshalb über mich lustig machten. Sie spielten. mir allerlei Streiche und legten mir zuletzt förmliche Fallen, um mich an sich zu bringen. Aber ich wußte immer auszuweichen. Das verdroß sie nach und nach. Sie zogen mir schiefe Gesichter, und schließlich taten sie so, als wär ihnen nicht das geringste an mir gelegen. Ich aber fuhr fort, mit Verachtung über sie hinwegzublicken. Nur ein einziges Mal habe ich mich herabgelassen. Es war da ein schmächtiges, flachshaariges Ding, dessen Eltern gleich den meinen ziemlich weit draußen vor der Stadt wohnten. Ich meine Korneuburg, wo ich geboren bin. Die Franzl, so hieß die Kleine, hatte also denselben Weg zu machen. Es fiel mir aber nicht ein,. mich ihr anzuschließen. Ich grüßte sie nicht einmal und überholte sie stets mit langen Schritten. Eines Tages jedoch, im Winter, gab es einen argen Schneesturm. Dabei stellenweise scharfes Glatteis, so daß das arme Mädel nicht wußte, wohin es den Fuß setzen sollte. Sie trippelte und wankte hin und her, bis sie endlich der Länge nach auf den Rücken plumpste. Da hielt ich es denn doch für meine Pflicht, ihr aufzuhelfen und sie nach Hause zu führen, wobei sie sich gleich einer Klette an mich hängte. Seitdem ging ich mit ihr. Denn sie gefiel mir, weil sie ein sanftes, stilles Kind war, keine ausgelassene Schnattergans wie die anderen. Aber ich schloß mich nicht