Die Insel des Dr. Moreau - Herbert George Wells - E-Book
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Die Insel des Dr. Moreau E-Book

Herbert George Wells

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Beschreibung

Wells' vielleicht visionärste Roman – Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Wie weit darf Wissenschaft gehen? Wie leben wir mit den Konsequenzen? Ein wahnsinniger Chirurg betreibt auf einer abgelegenen Insel abscheuliche Experimente: Er kreuzt Tiere mit Menschen. Doch irgendwann drohen seine Kreaturen sich gegen ihn zu wenden. Mehrmals verfilmt hat diese Geschichte Generationen von Lesern in ihren Bann geschlagen. Niemals zuvor und auch selten danach gelang es einem Autor, die unheilvollen Ergebnisse skrupellosen, wissenschaftlichen Handelns so eindrucksvoll zu schildern. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 211

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H. G. Wells

Die Insel des Dr. Moreau

H. G. Wells

Die Insel des Dr. Moreau

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020Übersetzung: Felix Paul Greve 2. Auflage, ISBN 978-3-954189-22-9

null-papier.de/432

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ein­lei­tung

1. Im Ret­tungs­boot der Lady Vain

2. Der Mann der nir­gends hin­ging

3. Das un­heim­li­che Ge­sicht

4. An Bord des Scho­ners

5. Der Mann, der nicht wuss­te, wo­hin ge­hen

6. Die ver­däch­ti­gen Boots­leu­te

7. Die ver­schlos­se­ne Tür

8. Der Schrei des Pu­mas

9. Un­heim­li­che Be­geg­nun­gen

10. Der Schrei des Men­schen

11. Die Jagd auf den Men­schen

12. Die Spre­cher des Ge­set­zes

13. Eine Un­ter­re­dung

14. Dok­tor Mo­reau er­klärt

15. Über das Tier­volk

16. Wie das Tier­volk Blut kos­te­te

17. Eine Ka­ta­stro­phe

18. Mo­re­aus Auf­fin­dung

19. Mont­go­me­rys Fei­er­tag

20. Al­lein mit dem Tier­volk

21. Die Ver­wil­de­rung des Tier­volks

22. Der Mensch al­lein

Dan­ke

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Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Einleitung

Am 1. Fe­bru­ar 1887 ging die La­dy Vain durch Kol­li­si­on mit ei­nem Wrack ver­lo­ren, als sie sich etwa auf 1° süd­li­cher Brei­te und 107° west­li­cher Län­ge be­fand.

Am 5. Ja­nu­ar 1888 – das heißt, elf Mo­na­te und vier Tage spä­ter – wur­de mein On­kel Ed­ward Pren­dick, ein Pri­vat­mann, der ganz be­stimmt in Cal­lao an Bord der La­dy Vain ge­gan­gen war und für er­trun­ken ge­hal­ten wur­de, un­ter 5° 3' süd­li­cher Brei­te und 101° west­li­cher Län­ge in ei­nem klei­nen, of­fe­nen Boot auf­ge­fischt, des­sen Name un­les­bar war, das aber ver­mut­lich zu dem ver­miss­ten Scho­ner1I­pe­ca­cuan­ha ge­hört hat­te. Sein Be­richt klang so selt­sam, dass man ihn für wahn­sin­nig hielt. Spä­ter er­klär­te er, vom Mo­ment des Ver­las­sens der La­dy Vain an kön­ne er sich an nichts mehr er­in­nern. Sein Fall wur­de da­mals als ein merk­wür­di­ges Bei­spiel für Ge­dächt­nis­schwund in­fol­ge von phy­si­scher und geis­ti­ger Übe­r­an­stren­gung un­ter Psy­cho­lo­gen viel be­spro­chen. Die fol­gen­de Er­zäh­lung fand der Un­ter­zeich­ne­te, sein Nef­fe und Erbe, un­ter sei­nen Pa­pie­ren; sie war je­doch von kei­ner de­fi­ni­ti­ven Bit­te um Ver­öf­fent­li­chung be­glei­tet.

Die ein­zi­ge In­sel, von der man in der Ge­gend, wo mein On­kel auf­ge­fischt wur­de, weiß, ist No­bles Is­le, eine klei­ne un­be­wohn­te vul­ka­ni­sche In­sel. Sie wur­de 1891 von I. M. S. Scor­pio be­sucht. Eine Schar von Ma­tro­sen lan­de­te, fand aber nichts Le­ben­di­ges au­ßer merk­wür­di­gen wei­ßen Nacht­schmet­ter­lin­gen, ei­ni­gen Schwei­nen und Ka­nin­chen und ein paar ziem­lich ei­gen­tüm­li­chen Rat­ten. Von die­sen nahm man kei­ne Exem­pla­re mit. Also bleibt die­se Er­zäh­lung in ih­rem we­sent­lichs­ten Punkt un­be­stä­tigt. Dies vor­aus­ge­schickt, scheint es mir un­ge­fähr­lich, die­se un­heim­li­che Ge­schich­te im Ein­klang, wie ich glau­be, mit den Ab­sich­ten mei­nes On­kels vor das Pub­li­kum zu brin­gen. We­nigs­tens das lässt sich für sie sa­gen: mein On­kel ver­schwand auf etwa 5° süd­li­cher Brei­te und 105° west­li­cher Län­ge aus den Au­gen der Men­schen, und er er­schi­en nach elf Mo­na­ten in der­sel­ben Ge­gend des Ozeans wie­der. Wäh­rend der Zwi­schen­zeit muss er auf ir­gend­ei­ne Wei­se ge­lebt ha­ben. Und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass ein Scho­ner na­mens I­pe­ca­cuan­ha mit ei­nem be­trun­ke­nen Ka­pi­tän John Da­vis tat­säch­lich im Ja­nu­ar 1887 mit ei­nem Puma und an­de­ren Tie­ren an Bord von Ari­ca aus­ge­lau­fen ist: das Fahr­zeug war in ver­schie­de­nen Hä­fen der Süd­see wohl­be­kannt, und es ver­schwand (mit ei­ner be­trächt­li­chen La­dung Ko­pra an Bord) end­gül­tig aus die­sen Mee­ren, als es im De­zem­ber 1887, ei­nem Da­tum, das völ­lig zu mei­nes On­kels Er­zäh­lung stimmt, von Ba­n­ya aus sei­nem un­be­kann­ten Schick­sal ent­ge­gen­se­gel­te.

Charles Ed­ward Pren­dick

1. Im Rettungsboot der Lady Vain

Ich habe nicht die Ab­sicht, dem, was be­reits über den Ver­lust der La­dy Vain ge­schrie­ben ist, noch et­was hin­zu­zu­fü­gen. Wie je­der­mann weiß, kol­li­dier­te sie zehn Tage nach ih­rer Aus­fahrt aus Cal­lao mit ei­nem Wrack. Das Lang­boot wur­de nach acht­zehn Ta­gen von I. M. Ka­no­nen­boot Myrt­le mit sie­ben Mann von der Mann­schaft auf­ge­fischt, und die Ge­schich­te ih­rer Lei­den und Ent­beh­run­gen ist fast eben­so be­kannt ge­wor­den wie der weit schreck­li­che­re Fall der Me­du­sa. Ich habe je­doch jetzt der be­reits ver­öf­fent­lich­ten Ge­schich­te der La­dy Vain eine an­de­re, eben­so grau­en­haf­te und je­den­falls viel merk­wür­di­ge­re hin­zu­zu­fü­gen. Man hat bis­her an­ge­nom­men, die vier Leu­te, die in dem Ret­tungs­boot wa­ren, sei­en um­ge­kom­men. Aber das ist nicht rich­tig. Ich habe den bes­ten Be­weis für die­se Be­haup­tung: Ich bin ei­ner von den vier Leu­ten.

Aber zu­nächst muss ich fest­stel­len, dass im Ret­tungs­boot nie­mals vier Leu­te ge­we­sen sind; die Zahl be­trug drei. Const­ans, den »der Ka­pi­tän in die Gig sprin­gen sah« (Dai­ly News, 17. März 1887), er­reich­te uns zu un­se­rem Glück, zu sei­nem Un­glück nicht. Er sprang aus dem Ge­wirr von Tau­en un­ter den Stre­ben des zer­schmet­ter­ten Bugs­priets her­aus; ein klei­nes Tau fass­te sei­nen Ab­satz, als er loss­prang, und er hing einen Au­gen­blick mit dem Kopf nach un­ten, dann fiel er und schlug auf einen Block oder Bal­ken, der im Was­ser schwamm. Wir ru­der­ten zu ihm, aber er kam nicht wie­der an die Ober­flä­che.

Ich sage, zum Glück für uns er­reich­te er uns nicht, und ich könn­te bei­na­he hin­zu­fü­gen, zum Glück für ihn, denn wir hat­ten nur ein klei­nes Fass Was­ser und et­was nass­ge­wor­de­nen Schiffs­zwie­back bei uns – so plötz­lich war der Alarm ge­we­sen, so un­vor­be­rei­tet das Schiff auf je­den Un­glücks­fall. Wir mein­ten, die Leu­te im Lang­boot sei­en bes­ser ver­se­hen (frei­lich scheint das nicht der Fall ge­we­sen zu sein), und wir ver­such­ten, sie zu ru­fen. Sie hat­ten uns nicht hö­ren kön­nen, und als sich am an­de­ren Tage der Sprüh­ne­bel auf­klär­te – was erst nach Mit­tag ge­sch­ah–, war nichts mehr von ih­nen zu se­hen. Wir konn­ten we­gen des Schau­kelns des Boo­tes nicht auf­ste­hen, um uns um­zu­bli­cken. Die See lief in großen Roll­wo­gen, und wir hat­ten viel Ar­beit, um ih­nen die Spit­ze des Boots ent­ge­gen­zu­hal­ten. Die zwei an­de­ren Leu­te, die sich mit mir zu­sam­men ge­ret­tet hat­ten, wa­ren ein Mann na­mens Hel­mar, wie ich ein Pas­sa­gier, und ein Ma­tro­se, des­sen Na­men ich nicht mehr weiß, ein kur­z­er, stäm­mi­ger Mann, der stot­ter­te.

Wir trie­ben hun­gernd und, nach­dem uns das Was­ser aus­ge­gan­gen war, von ei­nem un­er­träg­li­chen Durst ge­quält, acht Tage lang um­her. Nach dem zwei­ten Tage leg­te sich die See zu gla­si­ger Ruhe. Der Le­ser kann sich die­se acht Tage wohl kaum vor­stel­len. Nach dem ers­ten Tage spra­chen wir nur noch we­nig mit­ein­an­der; wir la­gen auf un­se­ren Plät­zen im Boot und starr­ten auf den Ho­ri­zont oder be­ob­ach­te­ten mit Au­gen, die von Tag zu Tag wei­ter und hoh­ler wur­den, das Elend und die Schwä­che, die un­se­re Ge­fähr­ten über­wäl­tig­ten. Die Son­ne wur­de er­bar­mungs­los. Das Was­ser war am vier­ten Tag zu Ende, und wir dach­ten schon un­heim­li­che Din­ge; aber ich glau­be, erst am sechs­ten gab Hel­mar dem Aus­druck, wor­an wir alle drei dach­ten. Un­se­re Stim­men wa­ren so tro­cken und dünn, dass wir uns zu­ein­an­der hin­neig­ten und mit den Wor­ten spar­sam um­gin­gen. Ich wi­der­setz­te mich mit al­ler Macht, woll­te lie­ber, wir bohr­ten das Boot an und kämen zu­sam­men un­ter den Hai­en um, die uns folg­ten; aber als Hel­mar sag­te, wenn man sei­nem Vor­schlag fol­ge, hät­ten wir zu trin­ken, schloss der Ma­tro­se sich ihm an.

Ich woll­te aber kein Los zie­hen, und nachts flüs­ter­te der Ma­tro­se im­mer wie­der mit Hel­mar, und ich saß im Bug, mein Klapp­mes­ser in der Hand – frei­lich zweifle ich, ob ich das Zeug zum Kampf in mir hat­te. Und am Mor­gen stimm­te ich Hel­mars Vor­schlag zu und wir war­fen einen Gro­schen, um den Über­zäh­li­gen zu fin­den.

Das Los fiel auf den Ma­tro­sen, aber er war der Stärks­te von uns und woll­te sich nicht fü­gen; er griff Hel­mar an. Sie ran­gen mit­ein­an­der und stan­den da­bei auf. Ich kroch durchs Boot zu ih­nen hin und woll­te Hel­mar hel­fen, in­dem ich den Ma­tro­sen am Bein pack­te; aber der Ma­tro­se stol­per­te, weil das Boot so schwank­te, und die bei­den fie­len auf den Rand und roll­ten zu­sam­men über Bord. Sie san­ken wie die Stei­ne. Ich er­in­ne­re mich, dass ich dar­über lach­te und mich wun­der­te, warum ich lach­te. Das La­chen pack­te mich wie et­was, das gar nicht zu mir ge­hör­te, son­dern von au­ßen kam.

Ich lag, ich weiß nicht wie lan­ge, auf ei­ner der Ru­der­bän­ke und dach­te, wenn ich nur die Kraft hät­te, woll­te ich Meer­was­ser trin­ken und mich wahn­sin­nig ma­chen, um schnell zu ster­ben. Und wäh­rend ich noch so dalag, sah ich ein Se­gel über den Ho­ri­zont zu mir her­auf­kom­men, aber ich be­trach­te­te es völ­lig un­be­tei­ligt, als hand­le es sich um ein Bild. Mein Geist muss ge­wan­dert sein, und doch be­sin­ne ich mich ganz deut­lich auf al­les, was ge­sch­ah. Ich er­in­ne­re mich, wie mein Kopf mit den Wel­len schwank­te, und wie der Ho­ri­zont mit dem Se­gel dar­über auf und nie­der tanz­te. Aber ich ent­sin­ne mich nicht min­der deut­lich, dass ich über­zeugt war, ich sei tot, und dass ich dach­te, welch ein Scherz es sei, dass die­se Leu­te, die nur umso we­nig zu spät ka­men, mich nicht mehr le­ben­dig vor­fin­den wür­den.

Eine end­lo­se Zeit, so schi­en es mir, lag ich mit mei­nem Kopf auf der Ru­der­bank und be­ob­ach­te­te den tan­zen­den Scho­ner – es war ein klei­nes Schiff, vorn und hin­ten wie ein Scho­ner ge­ta­kelt –, der aus dem Meer her­auf­kam. Er la­vier­te in im­mer wei­te­ren Bo­gen hin und her, denn er se­gel­te tot in den Wind. Es fiel mir kei­nen Au­gen­blick ein, den Ver­such zu ma­chen und die Auf­merk­sam­keit auf mich zu len­ken, und ich er­in­ne­re mich an nichts mehr deut­lich, bis ich mich in ei­ner klei­nen Ka­bi­ne wie­der­fand. Ich habe eine dunkle Erin­ne­rung, dass ich das Fall­reep1 hin­auf­ge­ho­ben wur­de und ein großes, ro­tes Ge­sicht sah, das mit Som­mer­spros­sen be­deckt und von ro­tem Haar um­ge­ben war und mich über die Re­ling her an­starr­te. Ich hat­te auch den zu­sam­men­hang­lo­sen Ein­druck, ein dunkles Ge­sicht mit merk­wür­di­gen Au­gen zu er­ken­nen, die mir ganz nahe wa­ren; aber das hielt ich für einen Alp, bis ich es wie­der­sah. Ich ent­sin­ne mich fer­ner, dass mir ir­gen­det­was zwi­schen die Zäh­ne ge­gos­sen wur­de. Und das ist al­les.

an der Bord­wand ei­nes Schif­fes her­ab­lass­ba­re Trep­pe  <<<

2. Der Mann der nirgends hinging

Die Ka­bi­ne, in der ich mich be­fand, war klein und ziem­lich un­sau­ber. Ein noch jun­ger Mann mit Flachs­haar, ei­nem bors­ti­gen, stroh­far­be­nen Schnurr­bart und hän­gen­der Un­ter­lip­pe saß bei mir und hielt mein Hand­ge­lenk. Eine Mi­nu­te lang blick­ten wir ein­an­der an, ohne zu spre­chen. Er hat­te wäß­ri­ge, graue, merk­wür­dig aus­drucks­lo­se Au­gen.

Dann hör­te ich ge­ra­de über uns ein Geräusch, wie wenn eine ei­ser­ne Bett­stel­le um­her­ge­wor­fen wird, und dann das lei­se, wü­ten­de Knur­ren ei­nes großen Tie­res. Zu­gleich sprach der Mann wie­der.

Er wie­der­hol­te sei­ne Fra­ge: »Wie füh­len Sie sich?«

Ich glau­be, ich sag­te, dass ich mich ganz wohl fühl­te. Ich konn­te mich nicht be­sin­nen, wie ich hier­her­ge­kom­men war. Er muss mir die Fra­ge vom Ge­sicht ab­ge­le­sen ha­ben, denn ich selbst brach­te kein Wort her­vor.

»Sie wur­den in ei­nem Boot ge­fun­den – am Ver­hun­gern. Auf dem Boot stand der Name La­dy Vain, und auf dem Bor­d­rand wa­ren Blut­fle­cken.« Zu glei­cher Zeit fiel mein Blick auf mei­ne Hand: Sie war so dünn, dass sie wie ein schmut­zi­ger Haut­sack voll lo­ser Kno­chen aus­sah, und die gan­ze Sa­che mit dem Boot fiel mir wie­der ein.

»Neh­men Sie et­was hier­von«, sag­te er und gab mir eine Do­sis von ei­nem ge­fro­re­nen ro­ten Zeug.

Es schmeck­te wie Blut, aber es schi­en mich zu stär­ken.

»Sie ha­ben Glück ge­habt«, sag­te er, »dass Sie von ei­nem Schiff mit ei­nem Arzt an Bord auf­ge­fischt wur­den.« Er sprach mit sab­bern­der Ar­ti­ku­la­ti­on und ei­ner Spur von Lis­peln.

»Was für ein Schiff ist dies?«, frag­te ich lang­sam, von mei­nem lan­gen Schwei­gen hei­ser.

»Es ist ein klei­ner Kauf­fah­rer1 von Ari­ca und Cal­lao. Ich habe nicht ge­fragt, wo­her er ur­sprüng­lich ge­kom­men ist. Aus dem Land der Nar­ren, ver­mut­lich. Ich sel­ber bin Pas­sa­gier von Ari­ca. Der al­ber­ne Esel, dem es ge­hört – er ist zu­gleich Ka­pi­tän, heißt Da­vis –, hat sein Pa­tent ver­lo­ren oder so­was. Sie ken­nen die Art Mann – nennt das Ding die I­pe­ca­cuan­ha. Frei­lich, wenn viel See ist und kein Wind, da läuft es ganz or­dent­lich.«

Da be­gann oben der Lärm von Neu­em: ein knur­ren­des Brum­men und zu­gleich die Stim­me ei­nes mensch­li­chen We­sens. Dann sag­te eine an­de­re Stim­me ei­nem »gott­ver­las­se­nen Idio­ten«, er sol­le auf­hö­ren.

»Sie wa­ren fast tot«, sag­te mein Ge­gen­über. »Es hing wirk­lich an ei­nem Haar. Aber ich habe Ih­nen ei­ni­ges Zeug ein­ge­ge­ben. Se­hen Sie die Arm­wun­den? In­jek­tio­nen. Sie sind seit fast drei­ßig Stun­den ohn­mäch­tig ge­we­sen.«

Ich dach­te lang­sam. Jetzt lenk­te mich das Bel­len ei­ner An­zahl Hun­de ab. »Kann ich fes­te Nah­rung zu mir neh­men?«, frag­te ich.

»Und mir ha­ben Sie’s zu dan­ken«, sag­te er. »Das Ham­mel­fleisch kocht schon.«

»Ja«, sag­te ich mit Zu­ver­sicht, »ich könn­te ein we­nig Ham­mel­fleisch es­sen.«

»Aber«, sag­te er mit mo­men­ta­nem Zö­gern, »wis­sen Sie, ich möch­te um mein Le­ben gern er­fah­ren, wie es kam, dass Sie al­lein in dem Boot wa­ren.« Ich glaub­te in sei­nen Au­gen einen ge­wis­sen Ver­dacht zu ent­de­cken.

»Ver­damm­tes Heu­len!«

Er ver­ließ die Ka­bi­ne plötz­lich, und ich hör­te ihn hef­tig mit je­man­dem schel­ten, der ihm in Rot­welsch zu ant­wor­ten schi­en. Es klang, als en­de­te die Sa­che mit Schlä­gen, aber dar­in, glau­be ich, täusch­ten mei­ne Ohren sich. Dann rief er den Hun­den zu und kam in die Ka­bi­ne zu­rück.

»Nun?«, frag­te er in der Tür. »Sie woll­ten ge­ra­de an­fan­gen, mir zu er­zäh­len.«

Ich nann­te ihm mei­nen Na­men, Ed­ward Pren­dick, und sag­te ihm, wie ich mich auf die Na­tur­wis­sen­schaft ver­legt hat­te, um die Lan­ge­wei­le mei­ner be­hag­li­chen Un­ab­hän­gig­keit los­zu­wer­den. Das schi­en ihn zu in­ter­es­sie­ren. »Ich habe sel­ber ein we­nig Na­tur­wis­sen­schaft ge­trie­ben – habe mei­ne Bio­lo­gie auf der Uni­ver­si­tät ge­macht – dem Re­gen­wurm den Eier­stock raus­ge­holt und der Schne­cke die Ra­du­la und all das. Him­mel! Es sind zehn Jah­re her. Aber fah­ren Sie fort, fah­ren Sie fort – er­zäh­len Sie mir von dem Boot.«

Er war of­fen­bar be­züg­lich der Auf­rich­tig­keit mei­ner Er­zäh­lung be­frie­digt, ob­gleich ich in ziem­lich knap­pen Sät­zen be­rich­te­te – denn ich fühl­te mich furcht­bar schwach –, und als sie zu Ende war, kam er so­fort auf das The­ma der Na­tur­wis­sen­schaft und sei­ne ei­ge­nen bio­lo­gi­schen Stu­di­en zu­rück. Er be­gann mich ge­nau nach der Tot­ten­ham Court Road und der Gower Street zu be­fra­gen. »Exis­tiert Ca­b­lat­zi noch? Was für ein La­den das war!« Er war of­fen­bar ein sehr durch­schnitt­li­cher Stu­dent der Me­di­zin ge­we­sen, und un­auf­halt­sam steu­er­te er das The­ma Ver­gnü­gungs­lo­ka­le an. Er er­zähl­te mir ein paar An­ek­do­ten. »Al­les auf­ge­ge­ben«, sag­te er. »Vor zehn Jah­ren. Wie ul­kig al­les war! Aber ich habe einen Esel aus mir ge­macht … Hab’ mich raus­ge­spielt, eh’ ich ein­und­zwan­zig war. Ich kann mir den­ken, jetzt ist al­les an­ders … Aber ich muss mal nach dem Esel von Koch se­hen, was er mit Ihrem Ham­mel­fleisch macht!«

Das Knur­ren oben be­gann so plötz­lich und mit so wil­der Wut von Neu­em, dass es mich er­schreck­te. »Was ist das?«, rief ich ihm nach, aber die Tür hat­te sich ge­schlos­sen. Er kam mit dem ge­koch­ten Ham­mel­fleisch zu­rück, und ich war von dem ap­pe­tit­li­chen Duft so er­regt, dass ich den Lärm des Tie­res bald ver­gaß.

Nach ei­nem Tag ab­wech­seln­den Schla­fens und Es­sens war ich so weit er­holt, dass ich aus mei­ner Koje stei­gen, an das Och­sen­au­ge tre­ten und die grü­nen Wel­len se­hen konn­te, die mit uns Schritt zu hal­ten ver­such­ten. Mont­go­me­ry – so hieß der flachs­haa­ri­ge Mann – kam wie­der her­ein, als ich dort stand, und ich bat ihn um Klei­der. Er lieh mir ein paar Se­gel­tuchs­a­chen von sich, denn die, die ich im Boot ge­tra­gen hat­te, sag­te er, wa­ren über Bord ge­wor­fen wor­den. Sie sa­ßen mir ziem­lich lose, denn er war breit und lang­glied­rig.

Er sag­te mir ge­le­gent­lich, der Ka­pi­tän läge drei­vier­tel be­trun­ken in sei­ner Ka­bi­ne. Als ich die Klei­der an­nahm, be­gann ich ihn über das Ziel des Schif­fes zu be­fra­gen. Er sag­te, das Schiff sol­le nach Ha­waii fah­ren, aber es habe ihn erst zu lan­den.

»Wo?«, frag­te ich.

»Auf ei­ner In­sel … Ich lebe da. So­weit ich weiß, hat sie kei­nen Na­men.«

Er starr­te mich mit hän­gen­der Un­ter­lip­pe an und sah plötz­lich so ei­gen­sin­nig und bor­niert aus, dass mir schi­en, er wol­le mei­nen Fra­gen aus­wei­chen. Ich war so dis­kret und frag­te nicht wei­ter.

Han­dels­schiff  <<<

3. Das unheimliche Gesicht

Wir ver­lie­ßen die Ka­bi­ne. An der Ka­jüt­strep­pe stie­ßen wir auf einen Mann, der uns den Weg ver­sperr­te. Er stand, den Rücken ge­gen uns ge­kehrt, auf der Schiffs­lei­ter und späh­te über die Scher­stö­cke der Luke. Es war ein miss­ge­stal­te­ter, kur­z­er, brei­ter, plum­per Kerl mit ei­nem Bu­ckel, be­haar­tem Na­cken und zwi­schen die Schul­tern ge­sun­ke­nem Kopf. Er war in dun­kelblaue Ser­ge ge­klei­det und hat­te merk­wür­dig dickes, gro­bes, schwar­zes Haar. Ich hör­te die un­sicht­ba­ren Hun­de wü­tend knur­ren, und als­bald duck­te er sich zu­rück und stieß ge­gen die Hand, die ich aus­ge­streckt hat­te, um ihn ab­zu­weh­ren. Er dreh­te sich mit tie­ri­scher Be­hän­dig­keit um.

Auf ir­gend­ei­ne un­be­stimm­te Wei­se wi­der­te mich die­ses Ge­sicht zu­tiefst an. Es war selt­sam ent­stellt, sprang vor und er­in­ner­te dun­kel an eine Schnau­ze; der große, halb­of­fe­ne Mund zeig­te so star­ke wei­ße Zäh­ne, wie ich sie noch nie in ei­nem mensch­li­chen Mun­de ge­se­hen hat­te. Die Au­gen wa­ren an den Rän­dern blut­un­ter­lau­fen, und kaum ein Streif Weiß blieb um die nuss­brau­nen Pu­pil­len. Eine selt­sa­me Glut und Auf­re­gung spie­gel­te sich in die­sem Ge­sicht.

»Zum Hen­ker!«, sag­te Mont­go­me­ry. »Wa­rum gehst du nicht aus dem Wege?« Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht sprang ohne ein Wort zur Sei­te.

Ich stieg wei­ter die Trep­pe hin­auf und starr­te ihn da­bei in­stink­tiv an. Mont­go­me­ry blieb einen Mo­ment am Fuß ste­hen. »Du weißt, du hast hier nichts zu su­chen«, sag­te er be­däch­tig. »Dein Platz ist vorn.«

Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht kau­er­te nie­der. »Sie … wol­len mich vorn nicht ha­ben.« Er sprach lang­sam, mit ei­nem wun­der­li­chen, hei­se­ren Klang in der Stim­me.

»Wol­len dich vorn nicht ha­ben!«, sag­te Mont­go­me­ry mit dro­hen­der Stim­me. »Aber ich sage dir, du gehst!« Er war nahe dar­an, noch et­was hin­zu­zu­fü­gen, blick­te aber plötz­lich zu mir auf und folg­te mir die Lei­ter hin­auf. Ich war still­ge­stan­den und blick­te zu­rück, noch im­mer maß­los über die gro­tes­ke Häss­lich­keit die­ses schwarz­ge­sich­ti­gen Ge­schöp­fes er­staunt. Ich hat­te nie zu­vor ein so ab­sto­ßen­des und au­ßer­or­dent­li­ches Ge­sicht ge­se­hen, und den­noch – wenn der Wi­der­spruch zu glau­ben ist – hat­te ich zu glei­cher Zeit die merk­wür­di­ge Emp­fin­dung, als sei ich ir­gend­wie doch schon ge­nau den Zü­gen und Ges­ten be­geg­net, die mich jetzt ent­setz­ten. Spä­ter fiel mir ein, dass ich das Ge­schöpf wahr­schein­lich ge­se­hen hat­te, als ich an Bord ge­ho­ben wur­de, doch be­frie­dig­te das mei­nen Arg­wohn, es schon frü­her wo er­blickt zu ha­ben, kaum. Aber wie man ein so ei­gen­tüm­li­ches Ge­sicht vor Au­gen ge­habt und ver­ges­sen ha­ben kann, wann und wo das war, das ging über mei­ne Vor­stel­lungs­kraft.

Die Be­we­gung, die Mont­go­me­ry mach­te, um mir zu fol­gen, lenk­te mei­ne Auf­merk­sam­keit ab, und ich wand­te mich und sah mich auf dem glat­ten Deck des klei­nen Scho­ners um.

Ich war durch die Töne, die ich ge­hört hat­te, schon halb auf das, was ich sah, vor­be­rei­tet. Je­den­falls hat­te ich noch nie ein so schmut­zi­ges Deck ge­se­hen. Es war mit Rü­ben­ab­fall, Fet­zen von grü­nem Zeug und un­be­schreib­li­chem Schmutz be­deckt. An den Haupt­mast wa­ren mit Ket­ten eine An­zahl grau­er Hetz­hun­de ge­fes­selt, die jetzt ge­gen mich zu sprin­gen und zu bel­len be­gan­nen, und ein rie­si­ger Puma war in einen klei­nen ei­ser­nen Kä­fig am Be­san­mast ge­sperrt, der viel zu eng war, um dem Tier auch nur Raum zum Wen­den zu las­sen. Fer­ner gab es auf Steu­er­bord ei­ni­ge große Stäl­le, die eine An­zahl Ka­nin­chen ent­hiel­ten, und ein ein­zel­nes Lama war vorn in eine viel zu klei­ne Kis­te ge­quetscht. Die Hun­de hat­ten Le­der­rie­men um die Schnau­zen. Das ein­zi­ge mensch­li­che We­sen auf Deck war ein ha­ge­rer, schweig­sa­mer See­mann, der das Steu­er be­dien­te.

Die ge­flick­ten, schmut­zi­gen Treib­se­gel stan­den straff vor dem Win­de; über­haupt schi­en das klei­ne Schiff all sei­ne Se­gel ge­setzt zu ha­ben. Der Him­mel war klar, die Son­ne halb­wegs den west­li­chen Ho­ri­zont hin­un­ter; lan­ge, schaum­ge­krön­te Wo­gen be­glei­te­ten uns. Wir gin­gen am Steu­er­mann vor­bei nach Back­bord und blick­ten auf das Was­ser, das schäu­mend un­ter den Stern lief, und auf die Bla­sen, die im Kiel­was­ser tanz­ten und ver­schwan­den. Ich dreh­te mich um und blick­te das ekel­haf­te Schiffs­deck ent­lang.

»Ist dies eine Mee­res­me­na­ge­rie?«, frag­te ich.

»Sieht fast so aus«, sag­te Mont­go­me­ry.

»Was sol­len die wil­den Tie­re? Ware? Meint der Ka­pi­tän, er wird sie ir­gend­wo in der Süd­see los­wer­den?«

»Es sieht so aus, nicht wahr?«, sag­te Mont­go­me­ry und wand­te sich wie­der dem Kiel­was­ser zu.

Plötz­lich hör­ten wir von der Schott­lu­ke her einen Schrei und eine La­dung von Flü­chen, und der un­ge­stal­te Mensch mit dem schwar­zen Ge­sicht klet­ter­te ei­lig her­auf. Dicht hin­ter ihm folg­te ein un­ter­setz­ter, rot­haa­ri­ger Mann mit ei­ner wei­ßen Müt­ze. Beim An­blick des ers­te­ren wur­den die Hetz­hun­de, die mitt­ler­wei­le alle des Bel­lens müde ge­wor­den wa­ren, wü­tend auf­ge­regt, heul­ten und spran­gen an ih­ren Ket­ten. Der Schwar­ze zö­ger­te vor ih­nen, und das gab dem Rot­haa­ri­gen Zeit, ihn ein­zu­ho­len und ihm einen furcht­ba­ren Stoß zwi­schen die Schul­ter­blät­ter zu ver­set­zen. Der arme Teu­fel flog hin wie ein ge­fäll­ter Ochs und roll­te un­ter die wü­tend auf­ge­reg­ten Hun­de. Es war sein Glück, dass ih­nen das Maul ver­bun­den war. Der Rot­haa­ri­ge grunz­te tri­um­phie­rend, tau­mel­te und ge­riet, wie mir schi­en, in ernst­li­che Ge­fahr, ent­we­der rück­wärts die Ka­jüt­strep­pe hin­un­ter­zu­stür­zen, oder vor­wärts über sein Op­fer zu stol­pern.

Als der zwei­te Mann er­schi­en, fuhr Mont­go­me­ry hef­tig auf. »Sach­te da vorn!«, rief er war­nend. Ein paar Ma­tro­sen er­schie­nen am Bug.

Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht roll­te un­ter den Pfo­ten der Tie­re um­her und heul­te mit merk­wür­di­ger Stim­me. Nie­mand ver­such­te ihm zu hel­fen. Die Tie­re ta­ten ihr Bes­tes, um ihn zu zer­rei­ßen, in­dem sie mit den Schnau­zen nach ihm stie­ßen. Ihre ge­schmei­di­gen grau­en Lei­ber voll­führ­ten einen be­hän­den Tanz über der plum­pen, ge­stürz­ten Ge­stalt. Die Ma­tro­sen vorn rie­fen ih­nen zu, als sei es ein aus­ge­zeich­ne­ter Ulk. Mont­go­me­ry stieß einen zor­ni­gen Aus­ruf aus und ging wei­ter über das Deck. Ich folg­te ihm.

In der nächs­ten Se­kun­de hat­te sich der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht auf­ge­rafft und tau­mel­te vor­wärts. Er stol­per­te bei den Wan­ten, blieb keu­chend ste­hen und sah sich über die Schul­ter weg nach den Hun­den um. Der Rot­haa­ri­ge lach­te ein be­frie­dig­tes La­chen.

»Hö­ren Sie, Ka­pi­tän«, sag­te Mont­go­me­ry, stär­ker lis­pelnd als ge­wöhn­lich, wäh­rend er den Rot­haa­ri­gen bei den El­len­bo­gen pack­te: »Das geht nicht.«

Ich stand hin­ter Mont­go­me­ry. Der Ka­pi­tän dreh­te sich halb um und sah ihn mit den stump­fen und fei­er­li­chen Au­gen ei­nes Be­trun­ke­nen an. »Was geht nicht?«, frag­te er; und nach­dem er Mont­go­me­ry eine Mi­nu­te lang schläf­rig ins Ge­sicht ge­blickt hat­te, füg­te er hin­zu: »Ver­damm­ter Kno­chen­sä­ger!«

Mit ei­ner plötz­li­chen Be­we­gung woll­te er die Arme frei­schüt­teln, und nach zwei wir­kungs­lo­sen Ver­su­chen steck­te er die mit Som­mer­spros­sen be­deck­ten Hän­de in die Sei­ten­ta­schen.

»Der Mann ist Pas­sa­gier«, sag­te Mont­go­me­ry. »Ich rate Ih­nen, die Hän­de von ihm zu las­sen.«

»Ge­hen Sie zur Höl­le!«, rief der Ka­pi­tän laut. Plötz­lich dreh­te er sich um und tau­mel­te zur Sei­te. »Tu was ich will auf mei­nem ei­ge­nen Schiff«, sag­te er.

Ich mei­ne, Mont­go­me­ry hät­te ihn jetzt las­sen kön­nen – da der Kerl nun ein­mal be­trun­ken war. Aber er wur­de nur um einen Schat­ten blas­ser und folg­te dem Ka­pi­tän zur Re­ling.

»Hö­ren Sie, Ka­pi­tän«, sag­te er. »Der Mann da soll nicht miss­han­delt wer­den. Er ist ge­quält wor­den, seit er an Bord kam.«

Eine Mi­nu­te lang war der Ka­pi­tän sprach­los in sei­nen al­ko­ho­li­schen Düns­ten. »Ver­damm­ter Kno­chen­sä­ger!«, war al­les, was er dazu zu sa­gen hat­te.

Ich konn­te se­hen, dass Mont­go­me­ry von je­nem lang­sa­men, hart­nä­cki­gen Tem­pe­ra­ment war, das sich all­mäh­lich auf­heizt, bis es zur Weiß­glut kommt und sich nie wie­der bis zur Ver­zei­hung ab­kühlt; und ich sah auch, dass die­ser Streit seit ei­ni­ger Zeit schwelte. »Der Mann ist be­trun­ken«, sag­te ich, viel­leicht auf­dring­lich, »Sie wer­den nichts aus­rich­ten.«

Mont­go­me­ry zog sei­ne hän­gen­de Lip­pe häss­lich schief. »Er ist im­mer be­trun­ken. Mei­nen Sie, das ent­schul­dig­te ihn, wenn er sei­ne Pas­sa­gie­re an­greift?«

»Mein Schiff«, be­gann der Ka­pi­tän, in­dem er die Hand un­si­cher ge­gen die Kä­fi­ge hob, »war ein sau­be­res Schiff. Se­hen Sie’s jetzt an.« Es war si­cher­lich al­les an­de­re als sau­ber. »Mann­schaft«, fuhr der Ka­pi­tän fort, »sau­be­re, eh­ren­wer­te Mann­schaft.«

»Sie wa­ren be­reit, die Tie­re mit­zu­neh­men.«

»Ich woll­t’, mir wär’ Ihre höl­li­sche In­sel nie vor Au­gen ge­kom­men. Was zum Teu­fel … brau­chen Sie Tie­re für so eine In­sel? Und dann Ihr Mann da … Wohl­ver­stan­den, wenn er ’n Mann war. Er ist ’n Ver­rück­ter. Und er hat­te hin­ten nichts zu su­chen. Mei­nen Sie, das gan­ze Sa­t­ans­schiff ge­hört Ih­nen?«

»Ihre Leu­te be­gan­nen den ar­men Teu­fel zu quä­len, so­wie er an Bord kam.«

»Er ist ’n Teu­fel, ’n häss­li­cher Teu­fel. Mei­ne Leu­te kön­nen ihn nicht aus­ste­hen. Ich kann ihn nicht aus­stehn. Kei­ner von uns kann ihn aus­stehn. Und Sie auch nicht.«

Mont­go­me­ry wand­te sich ab. »Sie las­sen den Mann auf je­den Fall in Ruhe«, sag­te er und nick­te beim Spre­chen mit dem Kopf.

Aber jetzt woll­te der Ka­pi­tän strei­ten. Er er­hob die Stim­me: »Wenn er noch mal auf dies Ende vom Schiff kommt, kehr’ ich ihm die Ge­där­me nach au­ßen, sage ich Ih­nen. Schnei­d’ ihm sei­ne ver­damm­ten Ge­där­me her­aus. Wer sind Sie, dass Sie mir sa­gen wol­len, was ich tun soll? Ich sage Ih­nen, ich bin Ka­pi­tän auf dem Schiff – Ka­pi­tän und Ei­gen­tü­mer. Ich bin das Ge­setz hier, sag’ ich Ih­nen – das Ge­setz und die Pro­phe­ten. Ich hab’ mich ver­pflich­tet, einen Mann und sei­nen Die­ner nach Ari­ca und wie­der zu­rück zu brin­gen und noch ein paar Tie­re mit­zu­neh­men. Ich hab’ mich nie ver­pflich­tet, einen tol­len Teu­fel und einen al­ber­nen Kno­chen­sä­ger zu trans­por­tie­ren, einen …«

Nun, ei­ner­lei, wie er Mont­go­me­ry nann­te. Ich sah, dass die­ser einen Schritt vor­wärts tat, und ich trat da­zwi­schen. »Er ist be­trun­ken«, sag­te ich. Der Ka­pi­tän be­gann noch schlim­mer zu schimp­fen. »Hö­ren Sie auf«, sag­te ich, wäh­rend ich mich scharf zu ihm wand­te, denn ich hat­te in Mont­go­me­rys weißem Ge­sicht Ge­fahr ge­se­hen. Da­mit lenk­te ich den Guß auf mich sel­ber.