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Umweht vom betörenden Duft des Jasmins betritt Gina den Palast von Kabuyadir. Der Scheich hat sie eingeladen, weil ihr Auktionshaus kostbare Juwelen für ihn verkaufen soll. Was für ein Schock, als sie entdeckt, dass ihr Gastgeber kein Unbekannter ist! Er ist der geheimnisvolle Zahir, mit dem sie vor Jahren eine magische Liebesnacht unter dem sternenübersäten Himmel der Wüste verbrachte. Sofort ist die Anziehung wieder da, hingebungsvoll genießt Gina Zahirs heiße Küsse. Bis sie erfährt, dass ihr Traummann eine arrangierte Ehe mit der Tochter des Emirs plant!
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Seitenzahl: 202
Maggie Cox
Die Juwelen des Scheichs
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2011 by Maggie Cox Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2005 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Rita Koppers
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 01/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86494-017-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE
Wer liebte je, wenn nicht beim ersten Blick?
William Shakespeare: „Wie es euch gefällt“
Königreich von Kabuyadir
Der Wind trug das Schluchzen zu Zahir. Zuerst glaubte er an eine Einbildung. Doch als er auf den Balkon trat, der auf den Innenhof mit dem Mosaikboden hinausging, hörte er es wieder.
Eigentlich hatte er sich entschlossen, die Party zu verlassen, da er nicht in der richtigen Stimmung zum Feiern war und nach Hause fahren wollte. Er hatte sich in den Salon seines Freunds Amir zurückgezogen, um ein paar Minuten dem oberflächlichen Geplauder zu entkommen, an dem er sich nur mit größter Mühe beteiligen konnte. Kurz darauf hatte er sich beim Gastgeber entschuldigt, dass er früher gehen würde. Und Amir, der Zahirs Situation zu Hause kannte, verstand ihn voll und ganz.
Doch jetzt ging Zahir plötzlich in den Innenhof hinunter, wo ihn warme Luft und betörende Düfte umfingen. Neugierig sah er sich um. Aber wonach sollte er eigentlich suchen? War es ein Kind gewesen, das geschluchzt hatte? Oder vielleicht ein verwundetes Tier? Möglicherweise hatten sein müder Geist und sein bedrücktes Herz ihm aber auch einen Streich gespielt und er hatte sich das leise Schluchzen nur eingebildet.
Für einen Moment übertönte das plätschernde Wasser, das aus dem Mund einer Meerjungfrau in den wie eine Muschel geformten Springbrunnen lief, jedes andere Geräusch.
Plötzlich sah Zahir aus dem Augenwinkel etwas Rosafarbenes aufblitzen. Er kniff die Augen ein wenig zusammen und starrte zu der im Dunkel liegenden Ecke mit der Steinbank, die beinahe ganz von einem großen Jasminstrauch verdeckt wurde. Zwei ausgesprochen hübsche Füße lugten darunter hervor. Interessiert trat er näher.
„Wer ist da?“
Um nicht bedrohlich zu klingen, hatte er bewusst leiser gesprochen. Trotzdem schwang die ihm eigene Autorität in seiner Stimme mit. Ein Schniefen, ein leises Luftholen, dann tauchte ein langer, schlanker Arm aus dem Busch auf und schob die schützenden Zweige zur Seite. Zahir holte zischend Luft.
„Ich bin’s … Gina Collins.“
Dieser mit lieblicher Stimme gegebenen Erklärung folgte der Anblick der erstaunlichsten blauen Augen, die er je gesehen hatte. Sie leuchteten mit der gleichen kristallklaren Stärke wie der helle Mond.
„Gina Collins?“ Mit dem Namen konnte Zahir nichts anfangen, dafür umso mehr mit der hellhaarigen Schönheit, die barfuß in einem bodenlangen Kleid in Rosa vor ihm stand.
Ein Abbild von Schönheit, das kein Mann so schnell vergessen würde. Kein Wunder, dass sie sich hier draußen vor den Blicken der anderen versteckt. Kein heißblütiger Mann könnte dieser Versuchung widerstehen.
Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über die feuchten Wangen.
„Jetzt weiß ich immer noch nicht, wer Sie sind“, erklärte Zahir und hob eine Braue.
„Ich … tut mir leid. Ich bin Professor Moyles Assistentin. Wir sind hier, um Mrs Husseins Bücher zu katalogisieren.“
Vage erinnerte Zahir sich daran, dass Amirs Frau Clothilde, die als Dozentin an der Kunstakademie arbeitete, erwähnt hatte, dass sie sich für ihre große und kostbare Bibliothek Hilfe holen wollte.
„Ist die Arbeit denn so entsetzlich, dass Sie sich hier draußen verstecken müssen?“, zog er die schöne Fremde sanft auf.
Ihre großen blauen Augen weiteten sich. „Ganz und gar nicht. Die Arbeit macht mir Spaß.“
„Dann würde ich gern wissen, warum Sie geweint haben?“
„Ich … ich habe einfach …“
Zahir spürte, dass es ihm nicht das Geringste ausmachte, auf die Antwort zu warten. Für Ungeduld war jetzt kein Platz, als er ihre exquisiten Züge betrachtete. Sie wirkten, als wären sie von einem göttlichen Künstler geschaffen worden, der sie angebetet hatte. Besonders ihre vollen Lippen, die leicht zitterten.
Auch in ihrem leisen Seufzer schwang ein Zittern mit. „Ich habe heute erfahren, dass es meiner Mutter nicht gut geht und sie im Krankenhaus liegt. Meine Arbeitgeber haben mir freundlicherweise sofort einen Flug gebucht, sodass ich morgen früh nach England zurückfliegen kann.“
Eine Welle aus Mitgefühl und Verständnis erfasste Zahir. Er wusste nur zu gut, wie es war, wenn die Mutter erkrankte, wie es sich anfühlte, hilflos zusehen zu müssen, wie es ihr mit jedem Tag schlechter ging, ohne etwas tun zu können. Was ihn aber zutiefst entsetzte war die Verwirrung, die ihn bei ihrer Erklärung befallen hatte, dass sie wieder nach Hause fliegen würde.
„Es tut mir sehr leid, dass Sie diese traurige Nachricht bekommen haben … und trotzdem ist es sehr bedauerlich, dass Sie wieder nach Hause fliegen, bevor wir uns richtig kennengelernt haben.“
Eine Falte erschien auf ihrer glatten Stirn. „Obwohl meine Mutter krank ist, würde ich lieber bleiben. Finden Sie das sehr schlimm von mir? Mir war bisher gar nicht bewusst, wie schmerzlich der Abschied für mich sein würde. Aber über diesem Ort liegt eine Art Zauber, der mich in seinen Bann zieht.“
Ihre Antwort überraschte ihn so sehr, dass Zahir einen Moment kaum wusste, was er denken oder sagen sollte. „Also gefällt Ihnen dieser Teil der Welt? Dann müssen Sie bald zurückkommen, Gina … sehr bald. Vielleicht wenn Ihre Mutter wieder ganz gesund ist?“ Er verschränkte die Arme über der Brust, ein freundliches, wohlwollendes Lächeln auf den Lippen.
„Ja, das würde ich tatsächlich sehr gern. Auch wenn ich es nicht erklären kann, habe ich das Gefühl, hier mehr zu Hause zu sein als in meiner Heimat. Ich liebe dieses Land.“
Plötzlich leuchtete ihr Gesicht auf, als würde es von innen erstrahlen. Und Zahir hatte es mit einem Mal gar nicht mehr eilig, Amirs Anwesen zu verlassen.
„Sie halten mich jetzt sicher für sehr unhöflich, weil ich allein hier draußen sitze, während alle anderen im Haus sind. Aber die Feier zu Ehren von Mr Husseins Neffen, der seinen Abschluss gemacht hat, sollte eine fröhliche Angelegenheit sein, die ich durch meine traurige Stimmung nicht verderben wollte. Mir fiel es plötzlich schwer, mich zu unterhalten, weil ich so aufgewühlt bin.“
„Es gibt hier sicher keine Menschenseele, die nicht Verständnis für Ihre Lage hätte, Gina. Aber es ist schön, dass Sie an der Party teilgenommen haben. Es ist hier üblich, Freunde und Bekannte einzuladen, um sie daran teilhaben zu lassen, wenn in der Familie etwas gefeiert wird.“
„Das gefällt mir ja so an den Menschen hier. Die Familie ist ihnen sehr wichtig.“
„Ist es anders, da wo Sie herkommen?“
Sie zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. „Einige empfinden vielleicht genauso … aber nicht alle.“
„Jetzt habe ich Sie wieder traurig gemacht.“
„Nein, das haben Sie nicht. Sicher bin ich traurig, weil meine Mutter krank ist. Aber ehrlich gesagt haben wir nicht das liebevolle Verhältnis, das ich mir wünschen würde. Meine Eltern sind eingefleischte Akademiker. Bei ihnen geht es um Fakten, nicht um Gefühle. Die stehen ihnen nur im Weg. Doch jetzt habe ich Sie lange genug mit meinen Problemen gelangweilt. Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, aber Sie sollten wohl besser wieder hineingehen.“
„Das eilt nicht. Haben Sie Lust, noch ein bisschen mit mir hier draußen zu bleiben? Ganz egal, was gerade in unserem Leben passiert, es ist doch eine wunderschöne Nacht, oder nicht?“
Als Zahir die Hand ausstreckte, um sie zurückzuhalten, weiteten sich ihre lebhaften blauen Augen überrascht. Er reagierte auf ihren verwunderten Blick nicht nur mit Faszination. Gina Collins’ seidenweiche Haut machte ihn fast schwindelig vor Verlangen. Ihm war, als würde ein heißer Wüstenwind durch seinen Blutkreislauf jagen. Er schaffte es kaum, den Blick von ihr zu lösen.
„Na schön, dann bleibe ich noch ein oder zwei Augenblicke. Sie haben recht, es ist wirklich eine wunderschöne Nacht.“ Gina verschränkte die Arme vor der Brust und trat ein Stück zurück, als wäre ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie sich viel zu nah waren. „Sind Sie mit Mr Husseins Familie verwandt?“
Zahir bemerkte den Anflug von Neugier in ihrem Blick.
„Nein, verwandt sind wir nicht, aber Amir und ich sind seit Langem befreundet. Für mich ist er wie ein Bruder. Ich heiße übrigens Zahir“, stellte er sich mit einer respektvollen Verbeugung vor.
Ob sie wohl wegen der Verbeugung errötet oder weil ich nur meinen Vornamen genannt habe? dachte Zahir. In der westlichen Welt mochte man sich so leger verhalten, wenn man sich ungezwungen auf einer Party kennenlernte. Aber hier in Kabuyadir benahmen sich Männer in seiner Position nicht so – vor allem dann nicht, wenn sie dazu bestimmt waren, einmal ein Königreich zu regieren.
„Zahir …“ Leise wiederholte sie seinen Namen, als wäre er etwas ganz Besonderes. Der sinnliche Klang ihrer Stimme sandte Zahir einen Schauer über den Rücken. „Selbst die Namen hier umgibt ein geheimnisvoller Zauber“, fügte sie schüchtern hinzu.
„Kommen Sie.“ Sein Blut erhitzte sich noch mehr bei dem Gedanken, sie für eine Weile ganz für sich allein zu haben. „Spazieren wir ein bisschen über das Anwesen. Es wäre doch zu schade, diesen herrlichen Vollmond einem leeren Garten zu überlassen, ohne dass jemand ihn gebührend bewundert. Meinen Sie nicht auch?“
„Wird man Sie denn im Haus nicht vermissen?“
„Sollten meine Gastgeber sich Gedanken machen, dass ich so unerwartet verschwunden bin, werden sie zu höflich sein, um es zu sagen. Außerdem muss ich niemandem außer Allah über mein Tun und Lassen Rechenschaft ablegen.“
Die Frau vor ihm verstummte bei diesen Worten. Zahir blickte auf ihre schlanken Füße, deren Nägel den gleichen bezwingenden Farbton hatten wie ihr Kleid.
„Wenn wir zusammen spazieren gehen wollen, brauchen Sie Ihre Schuhe.“
„Sie stehen drüben bei der Bank.“
Gina ging zurück zu dem steinernen Sitz, versteckt hinter grünen Blättern und umweht vom berauschenden Duft weißen Jasmins. Dort schlüpfte sie in ihre flachen Sandalen. Als sie wieder zu Zahir sah, fiel ihr eine goldene Haarsträhne in die Stirn. Lächelnd strich sie die Haare aus dem Gesicht.
Noch nie zuvor hatte ihn das Lächeln einer Frau sprachlos gemacht, so wie jetzt. Er räusperte sich. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er seine Hand aus. Als sie ihre Hand vertrauensvoll in seine legte, verlor Zahir jedes Gefühl für Raum und Zeit. Die Trauer und der Gefühlsaufruhr, der seit dem Tod seiner Mutter in ihm tobte, lösten sich auf.
Aber auch Gina war fasziniert von ihrem Gegenüber. Ihr gefielen das markante Gesicht mit den unergründlichen dunklen Augen und das lange, glänzend schwarze Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Mit dem langen Gewand, jalabiya genannt, und dem locker um die schmalen Hüften geschlungenen hellbraunen Gürtel hätte er an den Hof eines reichen Kalifen aus längst vergangenen Zeiten gepasst.
Auch wenn es gefährlich sein mochte, einem Mann zu vertrauen, den sie eben erst kennengelernt hatte, glaubte Gina, dass es ihr vom Schicksal bestimmt war, diesen Mann getroffen zu haben. In diesem Teil der Welt nannte man es Kismet. Gerade jetzt brauchte sie ein starkes, verständnisvolles Gegenüber, das ihr die Unsicherheit nahm. Und etwas sagte ihr, dass Zahir ein Mann war, der Gefühle wirklich verstand – was für ein berauschender Gedanke.
Sie nahmen einen gepflasterten Weg, der sich durch den Garten schlängelte. Eine hohe Steinmauer umgab das Gelände und ließ das gesamte Gebäude wie eine Festung wirken. Während das helle Mondlicht ihnen leuchtete, überlegte Gina einmal mehr, wie sie das lähmende Einerlei des Alltags ertragen sollte, wenn sie wieder zu Hause war.
Sobald ihre Mutter sich wieder erholt hätte, würden ihre Tage zweifellos wieder nach dem gleichen Muster ablaufen – als ob lediglich und unabsichtlich eine falsche Note gespielt worden wäre, die schnell berichtigt und vergessen wurde. Doch in Gina wuchs eine Sehnsucht nach etwas Tieferem in ihrem Leben.
Vermutlich hatte sie sich nur etwas vorgemacht, als sie glaubte, dass ein fleißiges Studium und akademische Grade vor ihrem Namen ausreichen würden, um sie zu begeistern und ihr zu einem erfüllten Leben zu verhelfen. Denn seit sie in Kabuyadir war, fragte sie sich, ob sie tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Natürlich liebte sie ihre Arbeit immer noch. Doch hier, auf der anderen Seite der Erde, hatte sie ein ganzes Paradies an Eindrücken, Klängen und Düften entdeckt, die sie in ihren historischen Büchern nie in dieser Weise kennengelernt hatte.
Ihre Eltern – beide Professoren in ihrem jeweiligen Fachgebiet – fanden genügend Erfüllung in ihren Studien, die sie auch menschlich miteinander verbanden. Ihre Ehe beruhte auf gleichen Interessen und professioneller Bewunderung, aber tiefer gehende Gefühle waren wohl nie im Spiel gewesen. Verantwortungsbewusst hatten sie Gina großgezogen, sie vor Leid und Gefahr beschützt und getan, was richtig war. Es verstand sich von selbst, dass sie eine akademische Karriere einschlug. Nur sehr selten hatte Gina von ihren Eltern gehört, dass sie sie lieb hatten.
Jetzt war ihre Mutter krank, und Gina ahnte genau, wie ihr Vater damit umging. Er würde sich noch mehr in die Welt des Intellekts zurückziehen, anstatt Gefühle zu zeigen. Sie selbst würde verlegen im Krankenhaus am Bett ihrer Mutter sitzen und kaum wissen, was sie sagen oder worüber sie reden sollte.
Ihr Herz war voller Mitgefühl, aber sie hätte schon längst gegen den Weg aufbegehren müssen, den ihre Eltern ihr vorgegeben hatten. Um die akademische Welt voller Bücher hätte sie einen großen Bogen machen sollen. Was hat sie mir denn gebracht? dachte Gina. Ich bin völlig abgestumpft. Eine sechsundzwanzigjährige, alleinstehende Frau, die sich von Fertiggerichten ernährt, weil sie nie gelernt hat zu kochen – noch ein Erbe meiner ständig beschäftigten Eltern. Und die bis heute noch nie eine Beziehung zu einem Mann gehabt hat, die wirklich von Bedeutung gewesen wäre.
Sie hatte ein paar Freunde, die ähnlich lebten und dachten. Doch seit Gina in Kabuyadir war, wusste sie, dass der Wunsch nach gegenseitiger Liebe in ihrem Herzen immer stärker wurde. So stark, dass sie ihn nicht länger ignorieren konnte.
„Wussten Sie eigentlich, dass die alten Seher und Astrologen das Schicksal der Könige anhand der Sterne bestimmt haben?“ Ihr Begleiter deutete zu der dunkelblauen Himmelskugel, die übersät war mit kleinen leuchtenden Diamanten.
Ein hilfloser Schauer erfasste Gina. Daran war nicht nur Zahirs dunkles, attraktives Äußeres schuld, sondern auch seine Stimme, in der Kraft und Magie mitschwangen. Zusammen mit der traumhaften Atmosphäre der warmen Wüstennacht wob sich mit zarten, aber unzerstörbaren Fäden ein Zauber um ihr Herz, der seine willige Gefangene für lange, lange Zeit fesseln würde.
„Und was ist mit all denen, die ein normales Leben führen so wie ich, die keine Könige, Königinnen oder etwas Besonderes sind? Offenbart sich deren Schicksal auch in den Sternen?“, fragte sie.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als Zahir auch ihre zweite Hand nahm und die Handflächen nach oben drehte. Sein dunkler Blick war eindringlich auf die feinen Linien gerichtet, die ihre sonst glatte Haut durchzogen. Eine warme Brise strich durch den Garten und zerzauste ihre blonden Haare.
„Ich glaube nicht, dass Sie in irgendeiner Weise ein gewöhnlicher Mensch sind. Ihnen ist ein wunderbares Schicksal bestimmt, rohi. Wie könnte es auch anders sein?“
„Sie wollen nur freundlich sein. Schließlich kennen Sie mich gar nicht. Mir ist noch nie etwas Außergewöhnliches passiert, außer dass ich hierhergekommen bin.“
„Es betrübt mich, dass Sie offenbar kein Gespür für Ihren Wert haben, Gina … für Ihre strahlende Schönheit.“
„Das hat noch niemand zu mir gesagt.“
„Dann müssen die Menschen in Ihrem Leben blind sein – abgestumpft gegen Schönheit und Anmut.“
Mit großen Augen starrte sie ihn an, als er seinen Kopf zu ihr hinunterbeugte. Ihr kam nicht einmal der Gedanke, sich gegen das zu wehren, was unausweichlich schien. Ginas Trauer und Enttäuschung über das Leben waren gänzlich vergessen und machten einer lächerlichen Hoffnung und Sehnsucht Platz, als Zahir seine starken Hände auf ihre Hüften legte.
Die sinnliche Berührung war wie ein Feuer, das sich durch den dünnen Kleiderstoff brannte. Als sie Zahirs Mund auf ihrem spürte, waren seine Lippen weicher als Daunen und zärtlicher, als Gina es sich hätte ausmalen können.
Er ging sehr behutsam mit ihr um, als wäre sie ein unruhiges Lämmchen oder ein kleiner Vogel, den er mit seiner Kraft nicht ängstigen wollte. Trotzdem spürte sie eine Hitze in sich, die sie dahinschmelzen ließ. Das dunkle gestutzte Haar an Kinn und über der Oberlippe war weicher, als sie gedacht hatte.
Seine Wärme und sein männlicher Duft berauschten ihre Sinne wie eine Droge, und sie spürte, dass ihre Knie zitterten. Dass sie mehr wollte, war eine schockierende Erkenntnis für sie … viel mehr von diesem mächtigen Zauber, den er bot.
„Ist dir kalt?“, fragte er besorgt. Seine Hände lagen immer noch auf ihren Hüften, während er sie ansah und lächelte.
„Nein, mir ist nicht kalt … ich bin nur nervös, das ist alles.“
„Entschuldige, Gina, ich wollte zu viel auf einmal.“
Als Zahir sich respektvoll zurückziehen wollte, streckte Gina die Hand aus und legte sie auf sein Herz. Sein Gewand aus feinster Baumwolle fühlte sich so sinnlich an wie teuerster Samt. Darunter fühlte sie seine Muskeln, die die Stärke und Energie eines geübten Kriegers ausstrahlten.
Das Flackern in den nachtdunklen Augen verriet ihr, was ihre Berührung in ihm auslöste. Im nächsten Moment schlang Zahir seine Arme um ihre Taille, sodass ihr zitternder Körper seiner harten Männlichkeit mit einem Mal sehr nahe war.
Ihre Gedanken verloren sich in einem Abgrund, als sie von unbekannten Gefühlen überwältigt wurde. Würde er sie jetzt loslassen, müsste sie ihn anflehen, sie festzuhalten. Sie würde alles aufs Spiel setzen – ihren Stolz, ihre Angst, ihr ganzes Herz.
Kurz bevor er ihren Mund eroberte, umwehte sie plötzlich ein Duft nach Jasmin, Rosen und Orangenblüten, der vom Garten herüberkam. Diesen intensiven Moment würde sie für immer in ihrer Seele und ihrem Herzen bewahren. Sie verspürte ein Gefühl von Wildheit, ein ursprüngliches Verlangen nach Zahirs leidenschaftlichem Kuss. Ihre Lippen fanden sich, und ihre Zungen tanzten in wildem Spiel.
Sein Atem kam stoßweise, als er sich von ihrem Mund löste und sie mit flackerndem Blick ansah. „Du reist morgen ab, und ich …“ Er wirkte hin und her gerissen. „Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, dich gehen lassen zu müssen.“
„Ich will ja nicht gehen … aber ich muss, Zahir.“
„Müssen wir auf diese Weise auseinandergehen? Bei meiner Ehre, Gina, ich habe noch bei keiner anderen Frau so etwas gefühlt … Es ist, als ob … als ob du ein Teil von mir wärst, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn verloren habe, bis ich dich gesehen habe.“
Während sie ihn mit ihrem Blick verschlang, spürte Gina, wie ihr Herz sich bei dem Gedanken, von ihm getrennt zu sein, schmerzhaft zusammenzog. Würde man sie als herzlos, als kalt und gefühllos verurteilen, weil sie lieber bei Zahir bleiben würde, anstatt zu ihrer kranken Mutter nach Hause zu fliegen? In diesem Moment war es ihr egal. Und warum sollte sie sich auch Gedanken darüber machen, da sie schon so lange der Liebe und jeder warmen menschlichen Berührung beraubt worden war.
Warum sollte sie sich schuldig fühlen und sich mit einer schmerzlichen Verantwortung beladen, wenn sein leidenschaftliches Geständnis genau ihre tiefe Sehnsucht nach etwas Wildem, Warmem und Wundervollem ansprach, das jenseits jeder Vorstellungskraft lag?
„Du wohnst vermutlich in einem der Häuser hier auf dem Anwesen, nicht wahr?“ Er zog sie in den Schutz eines schattigen Baums und warf einen Blick über die Schulter, um nachzusehen, ob sie vielleicht beobachtet wurden. Doch der Garten lag verlassen und still da, nur das Zirpen der Zikaden und das Plätschern des Brunnens waren zu hören.
Gina biss sich auf die Unterlippe und nickte.
„Können wir dorthin gehen?“ Zahir strich mit seinem Daumen an ihren Fingern entlang, sodass die Spannung zwischen ihnen fast unerträglich wurde.
„Ja.“
Schweigend gingen sie bis zum Ende des Gartens, wo ein von Weinranken bewachsener Laubengang zu einem weiteren gepflasterten Bereich führte. Ein Stück weiter, unter hohen Dattelpalmen, lag das imposante weiße Gästehaus mit den Adobeziegeln.
Als Gina nach dem Schlüssel in ihrer Tasche griff, erfasste sie ein seltsam wildes Gefühl, weil sie noch nie so spontan einem Verlangen gefolgt war.
Sie betraten die Eingangshalle, hinter der sich ein großer Wohnraum erstreckte.
„Und wo schläfst du?“, fragte er mit leiser Stimme.
Sie legte ihre Hand in seine, dann führte sie ihn in ihr angenehm kühles Schlafzimmer mit dem Marmorboden und weiter zu dem großen Bett mit dem seidenen Baldachin, der in dramatischen Tönen von Orange und Glutrot flammte. Wandlampen aus Messing tauchten den Raum in ein warmes Licht.
Zahir umfasste Ginas Gesicht mit seinen Händen – starke, warme, vertrauenerweckende Hände. Zweifellos die Hände eines Beschützers. Und sein Blick, sein fester Blick … er war wie ein dunkler Ozean, in den Gina aus freien Stücken eintauchen wollte.
Dass er eine Frau noch nie so sehr gewollt hatte, stimmte tatsächlich. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Wie kann eine solch starke Anziehungskraft so plötzlich entstehen und so heftig sein? überlegte er. Mit all seinen Sinnen war er gefangen und konnte kaum noch klar denken, ganz zu schweigen davon, auf irgendeine verständliche Erklärung zu hoffen. Er ertappte sich dabei, wie er jede Einzelheit dieser fesselnden Züge vor ihm betrachtete. Im Gegensatz zu dem hellen Goldton ihrer Haare waren Ginas Brauen dunkel. Sie besaß eine Schönheit, die er nie vergessen würde.
Vielleicht ist das die einzige Nacht für lange Zeit, in der wir zusammen sein können, dachte Zahir. Wer konnte schon wissen, wie lange Ginas Mutter im Krankenhaus bleiben musste und wann deren bildschöne Tochter nach Kabuyadir zurückkehren konnte? Bei dem Gedanken zog sich sein Magen schmerzlich zusammen. Warum hatte das Schicksal ihm solch einen wertvollen Schatz gereicht, wenn er ihm bald wieder entrissen würde?
„Ich hätte nie erwartet …“
Ginas zitternde Lippen zeigten Zahir, wie nervös sie war. Wie konnte er ihr nur verständlich machen, dass er sie nie wissentlich verletzen oder beschämen würde? Darum hatte er sich eben im Garten umgesehen, ob jemand sie beobachtete. Er würde freiwillig die Schuld auf sich nehmen, sollte jemand auch nur daran denken, sie zu verurteilen.
„Ich auch nicht, rohi.“ Er strich mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe. „Und wenn das Schicksal uns für eine lange Zeit nur diese eine Nacht zugesteht … dann will ich dafür sorgen, dass es eine Nacht wird, die unsere Körper und Seelen nie vergessen werden. Dieses Versprechen gebe ich dir, von ganzem Herzen.“
Drei Jahre später …
„Dad, bist du da? Ich bin’s nur“, rief Gina, nachdem sie mit ihrem Schlüssel die Tür des dreistöckigen Hauses im viktorianischen Stil aufgeschlossen hatte.
Stirnrunzelnd sammelte sie den Stoß Briefe ein, die auf der Matte innen an der Tür lagen. Dann ging sie durch den halbdunklen Flur nach hinten, wo ihr Vater sein Arbeitszimmer hatte. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte versunken auf ein altes, vergilbtes Dokument. Mit den wirren grauen Haaren und den knochigen Schultern in dem blauen Hemd wirkte er einsam und unendlich traurig.
Ein Anflug von Schuldbewusstsein mischte sich in Ginas eigene Trauer. Ihr neuer Job bei einem renommierten Auktionshaus hatte sie ganz gefordert, sodass sie ihren Vater zwar jeden Abend angerufen, aber seit einer Woche nicht mehr bei ihm vorbeigeschaut hatte.
„Wie geht es dir?“ Sie beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf seine unrasierte Wange.
Schockiert sah er sie an … als hätte er einen Geist gesehen. Dann verzog er das Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich dachte, du wärst Charlotte. Du siehst deiner Mutter mit jedem Tag ähnlicher, Gina.“
Diese Bemerkung überraschte sie so sehr, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte. Es waren seit Wochen die ersten Worte, die einer persönlichen Bemerkung nahekamen. Gerade seine Frau erwähnte er kaum. Ihr Tod vor drei Jahren hatte ihn härter getroffen, als Gina es sich je hätte vorstellen können. Daher war Gina etwas verwirrt über seine Bemerkung.
Jeremy legte das vergilbte Dokument beiseite und versuchte ein Lächeln. „Wie läuft die Arbeit im Auktionshaus?“