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Seit Jahrhunderten ist der Knoblauchanbau die Lebensgrundlage der chinesischen Bauern im nordöstlichen Gaomi. Aber nun, im Jahr 1987, verfaulen die Knollen auf den Feldern, weil die Behörden sich weigern, den Knoblauch wie üblich abzunehmen: Es gibt einfach zu viel in diesem Jahr. Statt des würzig-herben Dufts legt sich erstickender Modergeruch über die Dörfer. Die Misswirtschaft der korrupten Behörden bedroht die Existenz der Menschen, und in ihrer unbändigen Wut und Verzweiflung zetteln die Bauern einen blutigen Aufstand gegen die verhassten Bürokraten an – mit dramatischen Folgen.
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Seitenzahl: 525
Die Bauern in Gaomi erwarten die alljährliche Knoblauchernte – doch die Gemeinde weigert sich, den Knoblauch abzunehmen: Es gibt einfach zu viel in diesem Jahr. Statt des würzig-herben Dufts legt sich erstickender Modergeruch über die Dörfer. In ihrer unbändigen Wut revoltieren die Bauern gegen die Misswirtschaft der korrupten Behörden.
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Mo Yan (was so viel heißt wie »keine Sprache«) ist das Pseudonym von Guan Moye (*1956). Spätestens seit der Verfilmung seines Romans Das rote Kornfeld gilt er als einer der wichtigsten Autoren der chinesischen Gegenwartsliteratur. 2012 wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
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Andreas Donath (*1934) studierte Sozialforschung und Sinologie. 1964 entwickelte er das Chinesische Programm der Deutschen Welle, das er bis 1999 leitete. Bei seinen Fernostaufenthalten knüpfte er Kontakte zu chinesischen Schriftstellern, die er ins Deutsche übersetzte.
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Mo Yan
Die Knoblauchrevolte
Roman
Aus dem Chinesischen von Andreas Donath
E-Book-Ausgabe
Unionsverlag
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Originaltitel: T’ ien-t’ ang suan t’ ai chih ko (1988)
© by Unionsverlag, Zürich 2024
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Martina Heuer
ISBN 978-3-293-30554-0
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Cover
Über dieses Buch
Titelseite
Impressum
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Inhaltsverzeichnis
DIE KNOBLAUCHREVOLTE
Erstes Kapitel – Verehrte Dorfbewohner, hört euch an1 – Gao Yang!«2 – Gao Yangs Herz klopfte vom schnellen Laufen …Zweites Kapitel – Knoblauchstangen, knackig und frisch1 – Der Stangenknoblauch war verkauft, der zu Zöpfen geflochtene …2 – Am folgenden Abend stand Gao Ma hinter einem …3 – Später gab Jinjü ihm den verhängnisvollen Heiratsvertrag zu …4 – Gao Ma lag auf seinem Ofenbett. Er fühlte …Drittes Kapitel – Die Bauern wurden durch Knoblauch reich1 – Die beiden Polizisten kamen entmutigt aus dem Wald …2 – Gao Yang trottete hinter dem Polizisten mit dem …3 – Unter den Bäumen, an die sie gefesselt waren …4 – Gao Yang hörte, wie Zhu von seinem Büro …Viertes Kapitel – Knoblauch in die schwarze Erde1 – Onkel Vier schwang seine langstielige Tabakspfeife mit dem …2 – Am folgenden Abend herrschte im Hof der Familie …3 – Eh man sichs versah, nahte schon das Ende …4 – Viele Male trat sie bis an den Rand …Fünftes Kapitel – Zur Sonne dreht sich die Sonnenblume im Wind1 – Überstürzt schleppten die Polizisten den pferdegesichtigen jungen Mann …2 – Im dahinsausenden Polizeiauto machte Gao Yang plötzlich eine …Sechstes Kapitel – Ein Regierungspräsident rottet Sippen aus1 – Halb ohnmächtig hing sie auf Gao Mas Rücken …2 – Sie wurde vom Rauschen einer Welle geweckt …3 – Die Sonne ging unter. Die Farben des Himmels …4 – Es wurde hell. Die Vögel zwitscherten hoch in …Siebtes Kapitel – Der Mond ist nur am Fünfzehnten voll1 – Es war eine ziemlich große Zelle des provisorischen …2 – Kommt, wir machen eine Wette! Wer schafft es …Achtes Kapitel – Seit jeher kennt man streitsüchtige Affen1 – Der Polizeiwagen entschwand in der Ferne. Der Staub …2 – Als sie das andere Ende des Jutefeldes erreichten …3 – In der Morgendämmerung des nächsten Tages betraten Gao …4 – Der Jeep mit der breiten Ladefläche holperte am …Neuntes Kapitel – In der alten Zeit1 – Tante Vier lag in der Mittagsstunde benommen auf …2 – Ein Geräusch schreckte sie auf. Die Mitgefangene erbrach …3 – Wohin brachten sie sie? Tante Vier dachte darüber …4 – Die Paien im Hause Gao Zhilengs schrien zum …Zehntes Kapitel – Kreisdirektor Zhong1 – Jinjü erreichte mit Mühe den Hof Gao Mas …2 – Der Knabe, der Gao Ma wie aus dem …Elftes Kapitel – Im Kreis Paradies gab es in alter Zeit1 – Als Gao Ma von der Mauer fiel …2 – Das erste, was Gao Ma empfand, als er …3 – Die halbe Nacht irrte Gao Ma durch den …4 – Komme, was da wolle, in dieser Nacht musste …Zwölftes Kapitel – Landbewohner, Hand in Hand1 – Gao Yang lag auf der Pritsche. Er hatte …2 – Gegen Morgen musste er eingeschlafen sein. Als er …3 – Die Stunde des Hofgangs war gekommen. Ein schriller …4 – Die Rückkehr in die Zelle war wie der …Dreizehntes Kapitel – Kreisdirektor Zhong1 – Gao Ma versuchte sich aufzurichten, fiel aber sofort …2 – Er überreichte seinem Nachbarn Yu und dessen Frau …Vierzehntes Kapitel – Wer keine Angst hat, dass er zerstückelt wird1 – In sternklarer Nacht führte Gao Yang seinen mit …2 – Als das Morgenrot aufzog, näherten sie sich den …3 – Gegen Abend näherten sich Gao Yangs Eselswagen und …4 – Als sie die Kreisstadt verlassen und die Eisenbahnschienen …Fünfzehntes Kapitel – Ich schlage meine Laute1 – In ihrer zweiten Nacht in der Gefängniszelle träumte …2 – Als der Himmel hell wurde, rollten zwei Pferdewagen …3 – In der dunklen Zelle erinnerte sich Tante Vier …4 – Ich wäre lieber Militäradministrator als Nachlassvollstrecker«, sagte Dorfvorsteher …Sechzehntes Kapitel – Ihr könnt mich verhaften, wenn ihr wollt1 – Ein Beamter ging vorneweg, der zweite hielt sich …2 – Am 28. Mai war der Himmel mit dunklen …3 – Warst du der Anstifter bei der Zerstörung des …4 – Der zum Tode Verurteilte war ein Mann mit …Siebzehntes Kapitel – Arbeitet, Leute, im Schweiß eures Angesichts1 – Gao Ma wurde als Schwerverbrecher in einer Einzelzelle …2 – Gao Ma«, quengelte Jinjü, »erzähl mir von deinem …Achtzehntes Kapitel – Wer mich, Zhang Kou, einen Konterrevolutionär nannte1 – Es war früh am Morgen, als die Zellentür …2 – Als der Verurteilte abgeführt wurde, drehte er sich …Neunzehntes Kapitel – Kreisdirektor, deine Hand ist groß1 – In der Frühe waren auf dem Korridor überall …2 – Gao Yang stützte sich auf die Brüstung der …Zwanzigstes Kapitel – Ich singe vom Mai siebenundachtzig1 – Zhang Kou sang die Strophe zu Ende …2 – Tante Vier ächzte und hustete die ganze Nacht …3 – Am Neujahrstag 1988 wurde im Arbeitslager nicht gearbeitet …4 – Nach Neujahr kam der große SchneeMehr über dieses Buch
Über Mo Yan
Über Andreas Donath
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Gemeinde Nordost-Gaomi:
Dort bin ich geboren, dort bin ich aufgewachsen;
Und obwohl ich dort viel Elend erlebte,
Sind diese traurigen Balladen dir gewidmet.
Romanautoren versuchen immerzu, sich von der Politik zu distanzieren, aber der Roman selbst kreist um die Politik. Romanautoren beschaftigen sich so sehr mit dem »Menschenschicksal«, dass sie dazu neigen, ihr eigenes Schicksal aus den Augen zu verlieren. Darin liegt ihre Tragödie.
Josef Stalin
Verehrte Dorfbewohner, hört euch an
den Bericht des kleinen Zhang
von den Ereignissen im »Paradies«.
Als der große Kaiser Liu Bang
die Dynastie der Han begann,
hat er den Landkreis »Paradies« geschaffen
und den Leuten dort befohlen,
Knoblauch an den Kaiserhof zu holen.
Aus einer Ballade, die der blinde Volkssänger Zhang Kou im Sommer 1987 vortrug
Gao Yang!«
Zwischen Himmel und Erde waberte trüber Staub, Folge der langen Trockenheit. Trotzdem brannte die Sonne in dieser Mittagsstunde besonders stark, und die Luft war angefüllt mit dem beißenden Geruch verfaulender Knoblauchstängel. Ein Schwarm blauer Krähen flatterte träge über den Hof und warf graue Schatten über den schon geernteten, aber noch nicht zu Zöpfen gebundenen Knoblauch, der in unordentlichen Haufen herumlag und in der Sonne dörrte. Schwaden von Gestank stiegen von ihm auf. Im Wohnzimmer hockte Gao Yang an einem kleinen Tisch. Seine Augenbrauen waren unglücklich herabgezogen. Er hob eine Schale Knoblauchsuppe an den Mund und unterdrückte die aufsteigende Übelkeit. Gerade wollte er sich zum Trinken zwingen, da drang durch die angelehnte, kaputte alte Hoftür ein ungeduldiges Brüllen. Es war der Dorfvorsteher Gao Jinjiao, der seinen Namen rief. Er setzte die Schale ab, stand auf und ging zum Hof. In der Tür stehend, rief er: »Bist du es, Onkel Jinjiao? Warum kommst du nicht ins Haus?«
Die Stimme vor dem Hoftor nahm einen weicheren Klang an: »Komm heraus, Gao Yang. Es gibt etwas Dringendes zu besprechen.«
Gao Yang wollte nicht unhöflich wirken. Er wandte den Kopf nach hinten und mahnte: »Fass nichts an, Xinghua, du verbrennst dich sonst.« Am Eßtisch saß seine achtjährige Tochter, die auf beiden Augen blind war. Xinghua saß stocksteif da und wirkte mit ihren weit geöffneten, ausdruckslosen schwarzen Augen wie aus Ebenholz geschnitzt.
Er trat auf den Hof hinaus, und der Boden brannte unter seinen Fußsohlen. In der erhitzten Luft fühlten sich seine Augen wie zugeklebt an. Die Sonne wärmte seinen Rücken. Er rieb sich den Staub von der Brust und hörte aus dem Schlafzimmer das Geschrei seines neugeborenen Kindes. Die Frau murmelte dem Kleinen etwas zu. Endlich ein Sohn, dachte er befriedigt. Der Südwestwind trug ihm den bitteren Geruch des reifen Weizens zu. Es war Zeit, ihn zu schneiden. Ihm wurde schwer ums Herz, und eine plötzliche Kälte kroch ihm über den Rücken. Am liebsten wäre er stehengeblieben, aber seine Füße trugen ihn immer weiter vorwärts. Der scharfe Geruch des Knoblauchs trieb ihm Tränen in die Augen. Er hob den nackten Arm, um sich die Augen zu wischen. Er wollte nicht weinen.
Er stieß die Tür weit auf und fragte: »Onkel, was gibt es … Aua!«
Grüne Streifen flimmerten vor seinen Augen. Sie tanzten in der Luft wie unzählige frische Knoblauchsprossen. Ein heftiger Schlag traf seinen rechten Knöchel, so dumpf und stark, dass ihm war, als zerrisse es ihm das Herz im Leibe. Er schloß die Augen und stieß einen Schreckensruf aus. Er fiel nach rechts, und in diesem Augenblick traf ein zweiter Schlag seine linke Kniekehle. Er schrie auf, krümmte sich zusammen und kniete plötzlich auf den Steinstufen vor seiner Hoftür. Er versuchte die Augen aufzureißen, aber die Lider waren schwer, und der scharfe Geruch des Knoblauchs biss so schmerzhaft in seine Augäpfel, dass die Tränen herausschossen. Er wollte sich die Augen wischen, da legten sich zwei eiskalte Klammern um seine Handgelenke. Ein knakkendes Geräusch bohrte sich ihm wie eine Stahlnadel ins Gehirn.
Als er aufblickte, sah er verschwommen zwei Polizisten. »Ich weine nicht«, dachte er. Es waren hochgewachsene Männer in weißen Jacken und grünen Hosen mit roten Streifen an den Beinnähten. Er hatte ihre Hüften und Knie in Augenhöhe vor sich. Die grünen Oberschenkel waren voll heller Spritzer, und die weißen Jackenschöße hatten schwarze Flecken. An breiten braunen Kunstledergürteln hingen Pistolen und schwarze Knüppel. Die Koppelschlösser glänzten metallisch. Er hob den Kopf und blickte in zwei kalte, ausdruckslose Gesichter. Bevor er den Mund aufmachen konnte, schwenkte der linke Polizist ein weißes Papier mit roten Stempeln und sagte leicht stotternd: »Dddu bist festgenommen.«
Jetzt fielen ihm die blitzenden Stahlreife auf, die seine sonnenverbrannten Handgelenke umklammerten. Zwischen den beiden Metallringen hing eine schwere, hell schimmernde Kette. Als er die Hände hob, schwang die Kette langsam hin und her. Ein Kälteschauer durchdrang ihn und ließ sein Blut erstarren. Nur langsam und stockend floß das eiskalte Blut durch seine Adern. Sein Körper verkrampfte sich, die Hoden zogen sich zusammen, die Eingeweide verspannten sich, und kalter Urin trat aus, obwohl er sich bemühte, ihn zurückzuhalten. Ganz in der Nähe erklang die Geige des blinden Sängers Zhang Kou. Eine weiche, klagende Melodie. Die Anspannung in seinem Körper löste sich, und der Urin floß über seine Oberschenkel, näßte sein Gesäß und besudelte, weil er kniete, auch seine schwieligen Fußsohlen. Er hörte, wie es durch seinen Hosenboden tropfte und davonrann.
Der Polizist streckte eine kalte Hand aus, ergriff seinen Oberarm und zog ihn hoch. Noch immer leicht stotternd, sagte er: »Sssteh auf.«
Er wollte den Arm des Polizisten wegstoßen, aber die klirrenden Stahlreife an seinen Handgelenken schnitten ihm ins Fleisch. Erschrocken hielt er inne und streckte die Arme waagrecht von sich, als hielte er etwas Zerbrechliches und sehr Wertvolles in den Händen.
»Steh auf!« Die Stimme des Polizisten quälte sein Ohr. Er wollte aufstehen, doch als sein rechter Fuß die Erde berührte, explodierte in seinem Fußknöchel ein scharfer, heißer Schmerz. Er taumelte und kniete unversehens wieder auf den Steinstufen. Die Polizisten griffen ihm von beiden Seiten unter die Achseln und zogen ihn hoch. Sein magerer Körper hing in den Armen der Polizisten wie das Pendel einer Standuhr. Der rechte Polizist stieß ihm ein Knie gegen das Steißbein. Wütend sagte er: »Auf die Beine mit dir. Als du die Kreisverwaltung demoliert hast, warst du nicht so zimperlich.«
Diesen Satz verstand Gao Yang nicht sofort. Aber der Stoß des Eisenknies ließ ihn den Schmerz im Fußknöchel vergessen. Er zitterte am ganzen Leibe, und beide Füße landeten auf dem Boden. Er stand. Die Polizisten ließen ihn los. Der stotternde Polizist sagte: »Vorwärts! Beeilung!«
Gao Yang wurde schwindlig, und obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht zu weinen, schossen ihm Tränen in die Augen, und er sah alles nur verschwommen. Die Polizisten drängten ihn vorwärts. Die in seine Gelenke beißenden Handschellen ließen ihn plötzlich begreifen, was vorging. Er nahm allen Mut zusammen, traute sich aber nicht, die Polizisten anzusprechen. Mitleid heischend starrte er den Dorfvorsteher an, der, in sich zusammengesunken, an einer Akazie lehnte.
»Onkel, was will man von mir? Ich habe nichts Böses getan.« Es war ein klagendes Schluchzen. Er wußte jetzt, dass er weinte, aber er hatte keine Tränen mehr. Seine Augen waren trocken und brannten. Er hatte die Frage an den Dorfvorsteher gerichtet, der ihn aus seinem Hof gelockt hatte. Gao Jinjiao lehnte an einem Baum und sah aus wie ein kleines Kind, das eine Ausrede sucht. Mechanisch stieß er immer wieder mit dem Rücken gegen den Baum. Seine Gesichtsmuskeln zuckten.
»Onkel, ich habe nichts verbrochen. Weshalb hast du mich herausgerufen?«
Auf dem halb kahlen Schädel des Dorfvorstehers bildeten sich große Schweißperlen. Er zeigte einen Mund voll gelber Zähne, als wolle er jeden Augenblick weglaufen oder losheulen.
Der Polizist stieß Gao Yang erneut das Knie ins Gesäß und drängte ihn weiter. Gao Yang drehte sich um, blickte ihm ins Gesicht und sagte: »Genosse Polizist, ihr habt den Falschen verhaftet. Ich bin Gao Yang. Ihr habt bestimmt den Falschen.«
Der stotternde Polizist sagte: »Du bist der, den wir festnehmen sollen.«
»Ich heiße Gao Yang.«
»Der Festzunehmende heißt Gao Yang.«
»Was habe ich denn verbrochen?«
»Du warst am Mittag des 28. Mai dieses Jahres als Rädelsführer an der Verwüstung der Kreisverwaltung beteiligt.«
Der stotternde Polizist brachte das fließend heraus.
Gao Yang wurde schwarz vor Augen. Er stürzte mit dem Kopf voran zu Boden. Als die Polizisten ihn hochzogen, verdrehte er die Augen und fragte mutlos: »Das soll ein Verbrechen sein?«
»Jawohl. Gehen wir.«
»Aber ich war nicht der einzige. Wir waren viele, sehr viele.«
»Uns wird keiner entkommen.«
Gao Yang senkte den Blick und wäre am liebsten mit dem Kopf gegen die Hauswand gerannt, um auf der Stelle tot zu sein. Aber die Polizisten hielten ihn an beiden Armen fest. Er konnte sich nicht bewegen. Erstaunt hörte er in der Nähe die Stimme des blinden Sängers, die ein aufpeitschendes und zugleich niederschmetterndes Lied vortrug. Gao Yang kannte den Text. Es war die Ballade von Gao Dayi, der im Jahre zehn der Republik die heißblutigen Männer des Kreises dazu angestiftet hatte, die rote Fahne zu hissen und keinen Pachtzins mehr zu zahlen. Ihr Dorf wurde von den Soldaten umzingelt, und Gao Dayi wurde auf den Richtplatz geschleppt, wo man ihm den Kopf abschlug. Bevor er starb, weitete sich seine Brust, und seine Augen sprühten Blitze. Wir Kommunisten, so schloß das Lied, sind wie Schnittlauch, der immer wieder nachwächst.
Als er das hörte, wurde Gao Yang warm im Bauch. Kraft schoß ihm in die Beine. Mit zitternden Lippen setzte er dazu an, eine Parole herauszubrüllen. Doch als er das Gesicht zur Seite drehte und das hellrote Staatswappen an der Mütze des Polizisten sah, fühlte er sich verwirrt und beschämt. Hastig senkte er den Kopf, streckte die Hände vor und ging mit den Polizisten weiter.
Er hörte ein Klappern hinter sich und drehte sich um. Es war seine Tochter Xinghua. Mit einem Bambusstab, in den ein gelbes Blumenmuster eingebrannt war, ertastete sie den Weg. Als sie sich bis zu den Steinstufen am Hoftor vorgearbeitet hatte, war das Geräusch besonders hart und stach ihn ins Herz. Sein Mund verzog sich unwillkürlich. Heiße Tränen brachen hervor. Jetzt weine ich, wurde ihm bewußt. Er wollte etwas sagen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt.
Xinghua war halb nackt. Sie trug nur eine hellrote kurze Hose und rote Plastikschuhe, deren Riemen notdürftig mit schwarzem Garn geflickt waren. Schmutzflecke bedeckten ihren Bauch und ihren Hals. Der jungenhafte Bürstenhaarschnitt ließ die aufmerksam lauschenden weißen Ohren frei. Energisch schluckte Gao Yang an dem Kloß in seiner Kehle, aber er bekam ihn nicht hinunter.
Als Xinghua das Bein hob, um die Schwelle zu überschreiten, fiel ihm zum ersten Mal auf, was für lange Beine seine Tochter hatte. Sie stand auf den Steinstufen, auf denen er eben noch gekniet hatte, und hielt den Bambusstock lose in der Hand. Der Stock mit dem Blumenmuster war gut einen Fuß höher als sie. Gao Yang bemerkte erstaunt, dass sie schon wieder gewachsen war. Ihr Scheitel reichte bereits bis zur halben Höhe des Türrahmens. Mit aller Gewalt versuchte er, das klebrige Etwas in seiner Kehle hinunterzuschlucken. Die Augen in Xinghuas von Ofenruß geschwärztem Gesicht waren lackschwarz. Um ihre riesigen schwarzen Pupillen gab es fast überhaupt kein Weiß. Das wirkte unheimlich, fast dämonisch. Ein sonderbar reifer, erfahrener Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Sie hielt den Kopf leicht schräg und rief erst leise fragend, dann lauthals weinend: »Papa!«
Gao Yang schluckte immer noch an dem in seiner Kehle stekkenden Kloß und spürte dabei auf seiner Zunge den Geschmack der Tränen, die ihm in den Mund gelaufen waren. Die Polizisten stießen ihn unschlüssig an. »Na komm schon«, sagte der eine, »in ein paar Tagen bist du vielleicht schon wieder frei.«
Beim Anblick der gönnerhaften Miene des Polizisten krampften sich ihm Magen und Hals zusammen, der Mund öffnete sich ganz von selbst, weißer Schaum und hellblaue Speichelfäden quollen heraus, und die Kehle wurde frei. Er rief: »Xinghua, sag deiner Mutter …«
Doch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, steckte der Kloß wieder in seiner Kehle.
Gao Jinjiao trat vor die Steinstufen und beugte sich zu dem Mädchen hinunter: »Geh nach Hause und sag deiner Mutter, das Amt für öffentliche Sicherheit hat deinen Vater abholen lassen.«
Seine Tochter sackte auf der Türschwelle zusammen. Sie drohte mit dem Oberkörper nach hinten zu fallen, fing sich aber sofort mit einer Hand ab, stützte sich mit der anderen auf den Bambusstab und schnellte wieder von der Schwelle hoch. Er sah, dass ihr Mund weit geöffnet war, als ob sie schreien wollte, aber er vernahm keinen Laut. Seine Ohren waren angefüllt mit einem mal ansteigenden, mal abschwellenden Dröhnen. Sonst hörte er nichts. Übelkeit stieg in ihm hoch. Seine Tochter hüpfte in stummer Wut auf und ab, wie ein kleiner Affe, den Schausteller an einer Kette herumzerren und mit Lederpeitschen schlagen. Mit ihrem Bambusstock drosch sie auf die Steinstufen, den harten, trockenen Erdboden und den morschen Türrahmen ein. Staub wirbelte auf. Im Hof war die jammernde Stimme seiner Frau zu vernehmen.
»Dorfvorsteher Gao«, brüllten die Polizisten, »geh voran und zeig uns den Weg.«
Wortlos packten sie Gao Yang unter den Armen. Sie hielten ihn von beiden Seiten wie ein schwächliches, mageres Kind und zerrten ihn eiligst zum anderen Ende des Dorfes.
Gao Yangs Herz klopfte vom schnellen Laufen, und er schnappte nach Luft. Sein ganzer Körper roch nach Schweiß. Sie blieben stehen. Er hob den Kopf und sah dunkle Akazien vor sich. An der Westseite des Waldes standen drei rote Backsteinhäuser mit Ziegeldächern. Gao Yang kam nicht oft in diesen Teil des Dorfes, deshalb wußte er nicht, wer hier wohnte. Die Polizisten, die ihn in den Wald gezerrt hatten, richteten sich auf und holten tief Luft. An den Schultern und um die Gürtel herum waren ihre Jacken von Schweiß durchnäßt. Das flößte ihm ein Gefühl der Achtung und des Mitleids ein. Gao Jinjiao kam geduckt in den Wald geschlichen und flüsterte den Polizisten zu: »Er ist in seinem Haus. Ich habe ihn durchs Fenster beobachtet. Er liegt lang ausgestreckt auf dem Bett und schläft.«
»Wie gehen wir vor bei der Festnahme?« Der stotternde Polizist blickte seinen Kollegen fragend an. »Soll Dorfvorsteher Gao ihn aus dem Haus locken? Der Kerl war bei den Soldaten, es wird nicht leicht sein, ihn zu schnappen.«
Gao Yang erriet sofort, auf wen sie es abgesehen hatten. Bestimmt wollten sie Gao Ma festnehmen. Er blickte verächtlich zum Dorfvorsteher hinüber und bedauerte, dass er ihn nicht beißen konnte.
»Nicht nötig. Wir stürmen rein und nehmen ihn fest. Wenn es nicht anders geht, kriegt er den elektrischen Schlagstock zu spüren«, sagte der andere Polizist.
»Genossen«, sagte der Dorfvorsteher, »für mich gibt es hier nichts mehr zu tun. Ich gehe.«
»Wieso gibt es für dich nichts zu tun? Du musst auf den hier aufpassen.«
Hasserfüllt starrte Gao Yang den Dorfvorsteher an.
»Unmöglich. Wenn er abhaut, kann ich auf keinen Fall die Verantwortung übernehmen.«
Der stotternde Polizist wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht und fragte: »Was ist, Gao Yang, würdest du einen Fluchtversuch riskieren?«
Mit plötzlich aufsteigendem Mut murmelte Gao Yang zähneknirschend: »Und ob!«
Der stotternde Polizist kicherte schrill und ließ zwei helle Reißzähne sehen: »Hast du gehört? Er würde es riskieren abzuhauen. Er würde es wagen wegzulaufen. Kennst du nicht den Spruch: Nimmt der Kerl Reißaus, zurück bleibt sein Haus?«
Der stotternde Polizist löste ein Schlüsselbund vom Gürtel, führte es lässig zwischen die Handschellen und öffnete das Schloß, das knackend aufsprang. Dabei sah er ihn lächelnd an. Gao Yang rieb über die dunkelroten Striemen, die die Fesseln in seine Handgelenke gedrückt hatten. Eine Welle der Dankbarkeit überflutete ihn. Erneut kamen ihm die Tränen. Hartnäckig redete er sich ein: Tränen sind bloß Tränen. Ich weine nicht.
Hoffnungsfroh blickte er dem Polizisten ins Gesicht und fragte: »Genosse, darf ich nach Hause gehen?«
Der Polizist erwiderte: »Nach Hause? Früher oder später wirst du freigelassen, aber jetzt geht es nicht.«
Der stotternde Polizist gab seinem Kollegen ein Zeichen. Der stellte sich hinter Gao Yang und stieß ihn gegen eine Akazie. Als Gao Yangs Nase schmerzhaft mit der rauhen Borke in Berührung kam, packte ihn der stotternde Polizist an den Händen, riss sie nach vorne, und bevor Gao Yang begriffen hatte, was geschah, schlossen sich die zwei Stahlreife wieder um seine Handgelenke. Er umarmte eine Akazie, die so dick war, dass er seine auf der anderen Seite des Baumes aneinandergefesselten Hände nicht mehr sehen konnte. Wütend stieß er mit der Stirn gegen den Baum. Der Stoß ließ die Blätter rascheln. Erschreckt flogen die Zikaden hoch, kühler Zikadenkot tropfte ihm in den Nacken.
»Wolltest du nicht wegrennen?« fragte der stotternde Polizist. »Lauf nur. Reiß den Baum aus, wenn du soviel Kraft hast. Dann kannst du mit dem Baum zusammen weglaufen.«
Als Gao Yang sich nach ihm umdrehen wollte, stach ihn ein harter, spitzer Aststummel in den Bauch, als wollte er ihn aufspießen. Seine Eingeweide zuckten heftig. Unwillkürlich riss er die Arme nach hinten, und die Handschellen schnitten schmerzhaft in seine Handgelenke. Er machte das Kreuz hohl und blickte an sich hinunter. Aus einer kleinen Wunde in seinem Bauch trat ein Tropfen Blut aus, schwarzrot, wie der Aststummel. Als sein Blick weiter nach unten wanderte, bemerkte er, dass seine Hose schon fast wieder trocken war. Die Ränder der Flecken sahen aus wie Wolkenhaufen am Horizont. Er konnte auch seinen rechten Fuß sehen. Der Knöchel war geschwollen und blau verfärbt. Abgestorbene Haut hatte sich von der Schwellung abgeschuppt wie halb durchsichtige Schlangenhaut.
Er drehte sich vorsichtig von dem Aststummel weg und fixierte mit hasserfülltem, ängstlichem Blick die Beine der Polizisten. Sie steckten in schwarzen Lederstiefeln, die glänzten, obwohl sie mit Schmutz bespritzt waren. Er dachte: Wenn sie Stoffschuhe anhätten, wäre mein Knöchel nicht so dick geschwollen. Vorsichtig bewegte er den rechten Fuß. Ein scharfer Schmerz durchfuhr ihn, als wäre der Knochen gespalten. Wieder schossen ihm Tränen in die Augen, aber er schärfte sich ein: Gao Yang, das sind Tränen, aber du weinst nicht.
Vorsichtig schlichen sich die beiden Polizisten an den Hof von Gao Ma heran. Der eine hielt die Pistole in der Hand, der andere einen Schlagstock. Die Hofmauer war an der Ostseite eingestürzt. Stellenweise stand nur noch das einen halben Meter hohe Ziegelfundament. Die Polizisten konnten leicht darübersteigen. Im Hof erhoben sich vor der Westmauer zwei große Götterbäume, die ihre Blätter hängen ließen. Ein paar Hühner hockten schlapp im Schatten der Bäume. Die Sonnenstrahlen überzogen den Boden wie mit geschmolzenem Silber und brachten den Haufen verfaulender Knoblauchsprossen zum Gleißen. Ihr Anblick bereitete Gao Yang Übelkeit. Er hätte sich am liebsten übergeben. Seit dem Preissturz für Knoblauchsprossen im letzten Monat hatte er an diesen glatten, dünnen Dingern genausoviel Freude wie an den Spulwürmern im Mist. Je länger er darüber nachdachte, desto übler wurde ihm.
An der Hauswand stand unter dem Fenster ein umgestülpter Eisentopf mit durchlöchertem Boden. Gao Yang sah, wie der stotternde Polizist mit dem schwarzen Schlagstock in der Hand den Hals lang machte, um durch das Fenster zu blicken. Hinter diesem Fenster lag Gao Ma auf dem Bett, alle viere von sich gestreckt. Der Dorfvorsteher hatte sich wieder an eine Akazie gelehnt und stieß rhythmisch mit dem Rücken gegen den Stamm. Auf einem Unkrauthaufen sonnten sich ein paar schmutzigweiße Hühner. Sie hatten die Flügel ausgebreitet und ließen die Sonne auf ihre gesträubten Federn niederbrennen. »Wenn Hühner ihre Flügel sonnen, wird ein großer Regen kommen.« Ein tröstlicher Gedanke. Gao Yang hielt den Kopf schief, um den vom Gewirr der Äste zerschnittenen Himmel zu studieren. Der Himmel war tiefblau. Purpurrote Sonnenstrahlen strömten wie Regenfäden herab. Nicht eine einzige Wolke war zu sehen. Die Hühner scharrten im Unkraut. Hinter dem stotternden Polizisten stand jetzt sein Kollege. Er hielt die blauglänzende Pistole von sich gestreckt und hatte den Mund weit geöffnet, schien aber kaum zu atmen.
Gao Yang senkte den Kopf, um sich an der Baumrinde den kalten Schweiß von der Stirn zu reiben. Die beiden Polizisten wechselten einen Blick. Sie zauderten, als wollte jeder dem anderen den Vortritt lassen. Gao Yang erriet sofort, weshalb sie zögerten. Dann waren sie sich offenbar irgendwie einig geworden. Der erste rückte seinen Gürtel zurecht. Der andere preßte die Lippen so fest zusammen, dass nur noch ein dünner Strich zu sehen war. Der Dorfvorsteher ließ einen langen Furz gegen den Akazienstamm fahren. Die Polizisten duckten sich, wie Katzen, die eine Maus erblickt haben.
»Pass auf, Gao Ma«, rief Gao Yang laut, »mach, dass du wegkommst, die Polizei will dich holen.«
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, da überlief es ihn kalt, seine Zähne klapperten, und er fürchtete sich. Er bereute, was er getan hatte, und biss sich zitternd auf die Lippen. Hilflos schaute er dem Geschehen zu. Der stotternde Polizist blickte sich um und stolperte dabei über den rostigen Eisentopf. Er taumelte, fiel aber nicht hin. Der Polizist mit der Pistole stürmte ins Haus. Der stotternde Polizist folgte ihm mit erhobenem Knüppel. Die Tür krachte splitternd gegen die Wand.
»Hände hoch!«
Gao Yang hatte Tränen in den Augen. Weine nicht, sagte er sich vor. Weine nicht. Ihm war, als sähe er, wie sich zwei Stahlringe um Gao Mas kräftige Handgelenke schlossen. Sie mussten den Fesseln an seinen eigenen Gelenken gleichen, in denen seine Hände sich schwer und geschwollen anfühlten. Er konnte seine Hände hinter der Akazie nicht sehen, aber er spürte, dass sich das Blut in ihnen ausdehnte und jederzeit die Haut zerreißen und herausspritzen könnte.
Aus dem Zimmer drangen dumpfe Geräusche. Das Fenster sprang krachend auf. Ein schwarzer Schatten kam herausgehuscht. Gao Yang erkannte Gao Ma, der, nur mit einer kurzen grünen Hose bekleidet, über den kaputten Topf stolperte. Er warf sich herum und kam mit einer unbeholfenen, stockenden Bewegung wieder in die Höhe. Den Hintern hochgestreckt, alle viere am Boden, sah er aus wie ein Kleinkind, das krabbeln lernt.
Gao Yang zuckte es in den Mundwinkeln, und er hörte, wie eine fremde und doch vertraute Stimme in seinem Kopf sagte: Du darfst nicht lachen. Merk dir: Du darfst nicht lachen.
Er konnte nicht lachen, er konnte nicht weinen, als er, ein kleiner Junge, barfuß auf der Straße stand, in einem Regenumhang aus Stroh, mit unbedecktem Kopf, der borstig war wie ein Igel. Der große Regen war vorüber, die schweren Wolken rissen auf, und ein breiter Streifen goldenen Sonnenscheins brach hervor. Die Sonne kam von Westen, am Osthimmel baute sich ein Regenbogen auf. Plätschernd floß das Wasser über die Straße und schwemmte Hühnerfedern, Knoblauchschalen und tote Mäuse vorbei. Eine Schar nacktärschiger Kinder hatte sich um einen schwarzen Misthaufen versammelt. Sie hielten Weidenzweige und Holzstücke in den Händen, mit denen sie auf einen Frosch einschlugen. Unter ihren Hieben schwoll der Bauch des Frosches immer mehr an. Der Frosch kniff die Augen zusammen. Er streckte die Beine von sich, der Bauch blähte sich enorm.
Klatsch, klatsch. Schlagt schneller, schlagt schneller. Peng! Der Frosch platzte.
Du darfst nicht weinen, du darfst nicht lachen, Gao Yang!
Der Regenbogen verblasste, der Himmel war dachziegelblau, die Sonne ein Feuerbrand.
Peng!
Der stotternde Polizist sprang aus dem Fenster. Er trat mit seinem schweren Lederstiefel in den Topf und blieb darin stekken. Mit einem Bein stand er im Topf, das andere stemmte er von außen gegen den Topfrand. In der rechten Hand hielt er den Schlagstock, mit der linken stützte er sich vom Boden ab. Der andere Polizist kam zur Tür herausgestürmt. Er hielt die Pistole in der Hand und rief laut:
»Stehenbleiben, stehenbleiben, oder ich schieße!«
Aber er schoß nicht. Gao Ma sprang behende über die eingestürzte Mauer und schnellte mit großen Schritten über den Weg. Die alten Hennen, die auf dem Unkrauthaufen ihre Flügel sonnten, flatterten erschreckt hoch und rannten Gao Ma gackernd hinterher. Die Mütze des stotternden Polizisten fiel von der Fensterbank auf sein hochgerecktes Gesäß und rollte über den Boden, bis der Polizist mit der Pistole sie mit dem Fuß stoppte.
Er stieß die Mütze seines Kollegen mit einem Fußtritt fünf Meter weit weg, dann sprang er über die kaputte Mauer. Der stotternde Polizist hob den Knüppel und schlug auf den Eisentopf, dass die Splitter flogen. Der Topf brach knallend auseinander. Behutsam zog er sein Bein zwischen den Scherben hervor. Der Polizist hat was am Bein, dachte Gao Yang. Der stotternde Polizist nahm seine Mütze vom Boden, setzte sie auf und sprang ebenfalls über die eingefallene Mauer.
Gao Ma lief in den Akazienwald. Gao Yang drehte mühsam den Kopf und sah ihm nach. Gao Ma bewegte sich unbeholfen.
Er wirkte fast wie ein Blinder. Er schwankte vorwärts und blickte im Laufen nach hinten. Dabei stieß er gegen dünne Akazien, die zurückschnellten, und gegen dicke, die knarrten. Gao Yang verzweifelte schier. Warum rennst du so langsam, Gao Ma? Lauf schneller! Die Polizei verfolgt dich. Beweg deine langen Beine und Arme schneller! Im buntgesprenkelten Schatten der Akazien hüpften weiße und gelbe Lichtpunkte über Gao Mas dunkelbraune Haut. Beunruhigt sah Gao Yang, dass Gao Mas Beine langsamer wurden. Er ruderte wild mit den Armen. Sieh nicht nach hinten, dummer Kerl! Mit seinen gebleckten Zähnen und dem mageren verzerrten Gesicht sah Gao Ma wie ein Pferd aus.
Die beiden Polizisten liefen hintereinander durch den Wald. Der stotternde Polizist zog das rechte Bein nach. Das war der Eisentopf, geschieht ihm recht. In Gao Yangs Knöchel saß immer noch ein spitzer scharfer Schmerz, als sei der Knochen zersplittert. Geschieht dir recht, geschieht dir recht. Er knirschte mit den Zähnen. Das Geräusch dröhnte in seinen Ohren.
»Stehenbleiben! Verdammt! Stehenbleiben, oder ich schieße«, schrie der Polizist mit der Pistole. Aber er schoß nicht. Wie ein Hase sprang er geduckt von einem Baum zum anderen, die Pistole immer im Anschlag.
Der Wald endete an einer mannshohen Erdmauer, auf der eine Regenschutzmatte aus Stroh lag. Gao Yang sah mit verdrehtem Kopf, dass Gao Ma die Mauer erreicht hatte und plötzlich verwirrt innehielt. Die beiden Polizisten kamen ihm gefährlich nahe. Jetzt hatten sie beide ihre Pistole in der Hand und riefen laut: »Keine Bewegung!«
Gao Ma stand mit dem Rücken zur Mauer. Aus seinem Mund sickerte Blut, von seinem rechten Handgelenk baumelte eine Stahlkette, die in einer Handschelle endete. Die Polizisten hatten ihn nur an einer Hand fesseln können.
»Stehenbleiben! Keine Bewegung, du Konterrevolutionär !«Schulter an Schulter rückten die beiden Polizisten vor. Der stotternde Polizist hinkte immer noch ein wenig.
Gao Yang fing an zu zittern, und alle Akazienblätter zitterten mit ihm. Er wagte nicht mehr, Gao Ma nachzublicken, der sich so weit entfernt hatte, dass die weißen Rücken der Polizisten, Gao Mas braunes Gesicht und die schwärzlichen Blätter der Akazien ein Flachrelief vor gelbem Hintergrund bildeten.
Was dann geschah, hätten weder Gao Yang noch die Polizisten erwartet. Gao Ma bückte sich blitzschnell, kratzte zwei Handvoll Erde zusammen und schleuderte sie den Polizisten mit aller Kraft ins Gesicht. Die feinkörnige Erde sah aus wie Pulverrauch. Die Polizisten hoben instinktiv die Arme, um die Augen zu schützen, und wichen einen Schritt zurück. Gao Ma drehte sich um und kletterte auf die Mauer. Zwei Schüsse fielen. Rauchwölkchen waren vor der Mauer zu sehen. Gao Ma rief: »Mutter!« und stürzte auf der anderen Seite der Mauer zu Boden.
Auch Gao Yang schrie auf und stieß den Kopf gegen den Baumstamm.
Bei den Akazien hinter Gao Mas Haus ertönte das schrille Weinen eines kleinen Mädchens.
Jenseits des Waldes sah man einen verfallenen Deich. Dahinter befand sich ein mit roten Weidenbüschen bewachsenes sandiges Ufer, das zu einem ausgetrockneten Flußlauf gehörte. Auf der anderen Seite des Flußbetts kam wieder ein sandiges Ufer mit roten Weidenbüschen, und dahinter lag das von weißen Pappeln umsäumte Gebäude der Gemeindeverwaltung, von dem aus eine Asphaltstraße geradewegs zur Kreisstadt führte.
Knoblauchstangen, knackig und frisch,
gehören zum Fleisch auf den Tisch.
Wer Knoblauch zum Verkauf anbaut,
hat neu bald Hemden, Haus und Braut.
Aus einem Lied, das der blinde Zhang Kou in einer Sommernacht des Jahres 1986 vortrug
Der Stangenknoblauch war verkauft, der zu Zöpfen geflochtene Knoblauch hing unter dem Dachvorsprung. Der Weizen war bereits eingebracht, gedroschen, getrocknet und zum Lagern in die großen Tonkrüge abgefüllt. Die Tenne vor Tante Viers Haus war gegen Abend blitzsauber gefegt, ein paar Haufen Weizenstroh erhoben sich schwarz unter dem flimmernden Sternenhimmel und verströmten einen intensiven Duft. Von den Feldern her wehte ein frischer Juniwind. Er ließ die Flamme der Petroleumlampe hinter dem schützenden Glaszylinder unablässig flackern. Grüne Insekten schwirrten heran und prallten in vollem Flug gegen das Lampenglas. Auf das leise prasselnde Geräusch, das sie dabei verursachten, achtete niemand, ausgenommen Gao Ma.
Die Anwesenden, die im Lichtkreis der Petroleumlampe hockten, saßen oder standen, hatten nur Augen für den blinden Zhang Kou, der auf einem Hocker hinter der Lampe Platz genommen hatte. Das goldgelbe Licht übergoß Zhang Kous dunkles, mageres Gesicht und ließ seine hohen Backenknochen glänzen, als wären sie glasiert.
Heute abend muss ich ihre Hand anfassen, schoß es Gao Ma durch den Kopf. In Wellen aufsteigendes Gluck ließ seinen Körper erschauern. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Jinjü, die Tochter von Tante Vier, die drei Schritte entfernt von ihm stand. Ich muss einfach ihre Hand anfassen. Hatte nicht Julien Sorel an einem kühlen Abend darauf gewartet, dass die Kirchturmglocke neunmal schlug, und dann mutig und ohne zu zaudern nach der Hand der Frau des Bürgermeisters gegriffen? Wenn Zhang Kous Geige erklingt und der Blinde sein erstes Lied singt, dann werde ich ihre Hand nehmen, sie ganz fest drücken und jeden ihrer Finger zwischen meinen Fingern spüren, jeden Finger einzeln drücken. Sie hat ein rundes Gesicht, so rund wie eine Sonnenblume, und ihre Haut ist goldgelb wie die Blütenblätter einer Sonnenblume. Auch ihre Ohren haben dieses anmutige Goldgelb. Sie ist nicht groß, aber ihr Körper ist stark und gesund, wie bei einem jungen Kalb. Sie ist bereits zwanzig. Ich muss etwas unternehmen. Ich kann die Wärme ihres Körpers bis hierher spüren. Zhang Kou räusperte sich. Gao Ma rückte einen Schritt in Richtung Jinjü vor. Er bewegte sich unmerklich, seine Augen blieben, wie die Augen aller anderen, starr auf Zhang Kou gerichtet.
Ein frischer Hauch von Pferdemist strich über die Tenne. Ein dattelbraunes Fohlen trappelte am Rande der Tenne hin und her und schnaubte von Zeit zu Zeit laut. Die Sterne funkelten am weit und dicht gespannten Himmelszelt, das weich und zart wie Flaum war. Draußen auf den Feldern knisterte und knackte der kraftvoll wachsende Mais. Alle blickten auf den Blinden. Einige murmelten noch ein paar unverständliche Worte. Zhang Kou richtete sich auf, drehte mit der einen Hand an den Wirbeln der Geige und nahm den Pferdehaarbogen in die andere. Das Pferdehaar strich über die Saiten und brachte ein dumpfes, kratziges Geräusch hervor, das nach und nach immer heller und schöner wurde, bis die Zuhörer ein erwartungsvolles Ziehen in der Brust verspürten. Über Zhang Kous tief eingesunkenen Augen flatterten die Wimpern, er reckte den Hals und drehte das magere Gesicht nach oben, als wollte er die Sterne am Himmel zählen.
Gao Ma rückte wieder einen Schritt in Richtung Jinjü vor. Er hörte ihr feines Atmen, und er spürte noch deutlicher die Wärme ihres sanft gerundeten Körpers. Behutsam, wie die spitze Schnauze eines scheuen Tiers, tastete seine Hand sich vor. Tante Vier, die neben Jinjü auf einem Stuhl saß, begann zu husten. Ein eisiger Schreck durchzuckte Gao Ma. Er fuhr mit der Hand in die Hosentasche und hob die Schultern, als suche er etwas. Gleichzeitig drehte er sein dem Licht ausgesetztes Gesicht in den Schatten eines kräftigen Mannes.
Die Geige Zhang Kous begann zu weinen, aber es war ein sanftes Weinen, das mit einer leichten, seidenweichen Berührung den Ärger von den Herzen der Menschen nahm, wie man den Staub von der Haut wischt. Zhang Kou riss den Mund übertrieben weit auf. Erst brachte er ein heiseres Krächzen heraus, und dann entströmte diesem weit geöffneten Mund ein lauter, klangvoller Gesang.
»Die Geschichte geht« (und dieses »geht« stieg steil in die Höhe, um dann wieder herabzusinken, langsam, als wollte es, dass alle seinen Weg beobachteten, ihm folgten, wie es dahinglitt, bis an einen Ort, den man sich nur noch mit geschlossenen Augen vorstellen konnte) – »die Geschichte geht, dass der Frühlingswind durch das Dritte Plenum des ZK weht; die Menschen im Paradies sind nicht mehr arm.« Die Geige wiederholte die einfache Melodie. Unter den Zuhörern machte sich verstohlene Heiterkeit breit. Sie lachten, weil Zhang Kou beim Singen den Mund so verzog. Er könnte ein ganzes Brötchen auf einmal verschlingen. Dieser blinde Schweinehund ahnte nicht, wie groß sein offener Mund war. Gao Ma hörte Jinjü kichern, er stellte sich ihr lachendes Gesicht vor. Weil sie lacht, zittern ihre Wimpern. Weil sie lacht, schauen ihre Zähne hervor. Sie blitzen wie gesprungene Jade. Gao Ma konnte sich nicht beherrschen. Er drehte den Kopf und blickte sie unauffällig an. Jinjü folgte dem Vortrag Zhang Kous mit großer Aufmerksamkeit. Ihre Wimpern zitterten nicht. Ihre Lippen waren fest geschlossen. Kein Zahn schaute hervor. Sie wirkte vollkommen ernst. Und der Ernst ihres Gesichtes löste in Gao Ma ein vages Gefühl der Beschämung aus.
»Die Kreisregierung ruft uns auf, intensiv Knoblauch anzubauen. Die Verkaufsgenossenschaft stellt Waagen auf. Für ein Pfund Knoblauchsprossen einen Yüan. Die angekauften Knoblauchstängel wandern ins Kühlhaus; zum Neujahrsfest bringt man sie mit Gewinn zum Verkauf.« Zhang Kou traute sich nicht mehr, den Mund aufzureißen, aber die Leute hatten sich schon daran gewöhnt. Niemand lachte mehr. Man hörte ihm gespannt zu. »In allen Häusern feiert man den Profit aus dem Knoblauchgeschäft. Schweinefleisch gebraten und Mehlfladen mit Lauch. Mutter Zhang hält sich den Bauch, so rund wie ein Kübel – ein Kind ist unterwegs.« Die Leute konnten sich vor Lachen nicht halten. Eine Frau schimpfte: »Zhang Kou, du Mistkerl.« Der älteren Schwester Li wurde der Hintern zu eng, sie ließ einen nach dem anderen fahren. Viele Frauen bogen sich vor Lachen.
Jinjü hatte sich auch einmal so gebogen. Verdammt, Zhang Kou, bleib anständig. Als du dich bücktest, strecktest du deinen runden, festen Hintern in die Höhe, und unter deiner dünnen Hose zeichnete sich der Umriss deiner Unterhose ab. Am hellichten Tage, als du auf dem Feld die Bohnen häufeltest, da hab ich es gesehen. Sing lieber vom »Roten Fels«, Zhang Kou! Ich muss unbedingt deine Hand anfassen, ich bin schon siebenundzwanzig, du bist zwanzig, ich will dich zur Frau. Am hellichten Tag, du hacktest die Bohnen, ich spritzte den Mais. Wegen der Trokkenheit war der Mais voller Blattläuse. Die Ungezieferspritze fauchte so laut, wie mein Herz schlug. Weit und breit nichts als Felder. Der kleine ZhouBerg stand direkt im Süden. Auf dem Gipfel des Berges gibt es eine Öffnung, die aussieht wie ein Mund. Eine weiße Wolke verschloß diesen Mund. Ich wünschte mir so sehr, mit dir zu sprechen, aber deine beiden Brüder hatten dich in die Mitte genommen. Ihre nackten Beine und bloßen Oberkörper waren sonnenverbrannt, aber du warst vollständig bekleidet, mit von Schweiß durchfeuchteter Kleidung. Welche Farbe gehört zu dir, Jinjü? Du bist gelb, du bist rot, dein Gesicht hat einen goldenen Farbton, du strahlst wie Gold. Die Geige stimmte eine wohltönende Melodie an. Zhang Kou spuckte aus und legte laut los:
Jiang Xüegin geht den Weg entlang.
Ihr entgegen kommt der Polizeikommandant.
Er trägt eine goldene Armbanduhr.
Sein Hals ist lang wie ein Knoblauchstängel,
dieser Kerl hat einen krummen Buckel.
Sein Vater Chinese, aus England die Mutter.
Heraus kam ein Teufel in Menschengestalt.
Er hat den schiefen Blick
einer Hündin und in
jeder Hand eine Pistole.
Hohnlachend schneidet er ihr den Weg ab
und drückt ihr die Pistolen an die Brust.
Du siehst so schön aus, unmöglich, dich mit Liu Shengli zu verheiraten, das hieße eine frische Blume in Kuhmist stecken, den bunten Schmetterling einem Mistkäfer zur Braut geben. Ich muss unbedingt deine Hand anfassen, heute abend, es muss heute abend geschehen. Gao Ma rückte wieder einen Schritt weiter nach links. Jetzt standen sie schon Schulter an Schulter. Er spürte, wie seine Hose die Hose von Jinjü berührte. Er verhielt sich, als wäre das die natürlichste Sache der Welt, und beobachtete den Mund von Zhang Kou, der auf und zuging. Aber kein Ton drang an sein Ohr. Das einzige, was ich höre, ist das Scheuern der Maisblätter, die der Wind aneinander reibt. Es klingt wie das Klopfen meines Herzens.
Ich lag auf dem Rücken im Mais und blickte durch die wie erhobene Schwerter wirkenden Maisblätter auf die am Himmel ziehenden Wolken. Die Wolken zogen fort, die Sonne brannte, der Boden war so heiß, dass er mir den Rücken sengte. Klarer Pflanzensaft bildete Perlen, die an den Fäden der Maiskolben hingen, unsicher, als wollten sie fallen, aber sie fielen nicht, sie sahen aus wie die Tränen, die zwischen Jinjüs Wimpern hingen, als der Weizen im Wind wogte. Wenn der Wind nachließ, hörten die Weizenwogen auf zu rollen. Der reife Weizen ließ die Köpfe leicht hängen, zwei Elstern huschten über den Weizen, sie verfolgten einander, die hintere versuchte immer wieder, die vordere in den Schwanz zu beißen, dabei kreischten sie laut. Ein neugieriger Spatz folgte dem Elsternpaar und zwitscherte mit. Die Luft war erfüllt vom Geruch der Knoblauchpflanzen, man hatte gerade die Sprossen geerntet. Jinjü schnitt vornübergebeugt den Weizen. Handvoll auf Handvoll griff sie die Halme und klemmte sie sich zwischen die Beine. Die Ähren schwankten vor ihrem Hintern wie ein buschiger, goldener Schweif. Ich war mit dem Mähen fertig und hatte die Garben aufgestellt. Die zwischen den Weizen gesetzten dünnen Maisreihen erblickten jetzt das Sonnenlicht. Als zweitgepflanzte hatte die Tyrannei des Weizens sie dünn und gelb bleiben lassen. Für mich als Alleinstehenden gab es auf den zwei Morgen Land, die ich bekommen hatte, nicht genug zu tun. Seit meiner Entlassung aus der Armee im Jahr zuvor hatte ich ein Auge auf dieses Mädchen geworfen. Sie war keine ausgesprochene Schönheit. Ich war es auch nicht. Aber sie war auch nicht häßlich, genausowenig wie ich. Ich erinnerte mich, wie klein und zart sie war, als ich eingezogen wurde. Inzwischen war sie so groß und stark geworden. Ich mochte ihre Größe und Stärke. Ich hatte mir vorgenommen, am Nachmittag meinen Weizen heimzuschaffen. Ich sah auf die Uhr, eine Armbanduhr der Marke Edelsteinbliite aus Shanghai, die jeden Tag zwanzig Sekunden vorging. Es war genau elf Uhr drei. Vorgestern hatte ich sie nach dem Radio gestellt. Für jeden Tag zwanzig Sekunden abgezogen, musste es jetzt elf Uhr, zwei Minuten und zehn Sekunden sein. Ich hatte es nicht eilig, nach Hause zu gehen. Das war vor einem Jahr.
Gao Ma fühlte sich stark zu ihr hingezogen. Die Sichel in der Hand, stand er hinter Jinjü. Sie ahnte nicht, dass ihr jemand so nah war. Sie bückte sich tief, auf das Mähen konzentriert. Die Elstern kamen aus der Ferne zurück. Der Spatz begleitete sie immer noch. Gao Ma hatte einen Walkman in der Tasche, die Kopfhörer auf den Ohren. Die Batterien waren erschöpft. Die Musik klang verzerrt, die Melodie war aber immer noch zu erkennen. Das Mädchen gleicht mit ihrem feucht schimmernden Haar einer Blume. Ihr Rücken ist breit und flach. Ihr Atem geht schwer. Der junge Bursche hat breite Schultern. Er zog die Kopfhörer herunter. Die entstellte Melodie schepperte jetzt an seinem Hals.
»Jinjü«, sagte er leise. Die Schwämmchen der Kopfhörer klebten an seinem Hals, und die Musik kitzelte seinen Kehlkopf. Er kratzte sich.
Jinjü richtete sich langsam auf. Ihr schweißnasses und staubbedecktes Gesicht hatte einen starren Ausdruck. In der rechten Hand hielt sie die Sichel, mit der linken umklammerte sie ein Büschel Weizen. Sie schaute Gao Ma an und sagte nichts.
Er sah auf ihre abgetragene blaue Männerjacke, in der sich die Umrisse ihres Busens unter den Brusttaschen wölbten, und sagte auch nichts.
Jinjü ließ die Sichel fallen. Sie teilte den Weizen in ihrer Hand in zwei Stränge, die sie auf den Boden legte und mit einem Strohseil zusammenband.
»Jinjü wieso arbeitest du ganz allein?«
»Oh, mein Bruder ist auf dem Markt«, sagte sie leise und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht. Dann klopfte sie sich mit der Faust rechts und links auf den Rücken. Auf ihrem Gesicht zeigten sich vom Schweiß weißgewaschene Stellen. Feuchte Haarsträhnen klebten an den Schläfen.
»Rückenschmerzen ?«
Sie lächelte wortlos. Auf ihren Vorderzähnen waren grüne Flecken, die anderen glänzten weiß. An der Jacke fehlten Knöpfe, so dass ein Stück nackte Haut hervorschimmerte. Es regte ihn auf, den Ansatz ihrer weichen Brüste zu sehen, in den die spitzen Weizenhalme rote Male gestochen hatten. Dort klebten auch ein paar helle Spelzen und Grannen.
»Ist dein großer Bruder auch auf den Markt gegangen ?« fragte er und bereute die Frage sofort. Ihr großer Bruder hinkte. Er war nicht gut zu Fuß. Nur ihr zweiter Bruder besuchte den Markt.
»Nein«, erwiderte sie tonlos.
»Dann könnte er dir doch helfen.«
Ohne etwas zu sagen, hob Jinjü den Kopf und richtete den Blick auf die Sonne. Geblendet kniff sie die Augen zu. Er hatte plötzlich großes Mitleid mit ihr.
»Wie spät ist es, Gao Ma?«
»Viertel nach elf«, sagte er nach einem Blick auf die Uhr. »Aber meine Uhr geht etwas vor.«
Jinjü drehte das Gesicht zur Seite und betrachtete das Weizenfeld, das sie noch zu mähen hatte.
»Du hast es gut, Gao Ma, ein alleinstehender Mann ohne Anhang. So schnell mit der Arbeit fertig, und jetzt hast du Freizeit.«
Sie wandte sich ab, hob die Sichel auf und sagte: »Ich kann mich nicht mit dir unterhalten.« Sie bückte sich und schlug mit der Sichel in den Weizen.
Gao Ma stand bewegungslos hinter ihr, starrte vor sich hin und erklärte nach einer Weile: »Ich helfe dir.«
Jinjü richtete sich sofort auf und sagte: »Nicht nötig, nicht nötig. Warum solltest du für mich arbeiten?« Dabei lief ihr Gesicht tiefrot an.
Ihr in die Augen blickend, erwiderte Gao Ma: »Ich habe sowieso nichts zu tun. Nachbarn sollten einander helfen.«
Jinjü senkte den Kopf. Stockend brachte sie heraus: »Wenn es dir keine Mühe macht …«
Gao Ma zog den Walkman aus der Jackentasche, knipste ihn aus, streifte die Kopfhörer ab und legte alles auf den Boden. »Was spielst du auf diesem Ding?« fragte Jinjü.
»Musik«, antwortete Gao Ma, während er den Gürtel enger schnallte.
»Klingt das schön ?«
»Es geht so. Die Batterien sind schon ziemlich schwach. Wenn ich morgen neue einlege, kannst du es dir mal anhören.«
»Ich trau mich nicht. Wenn ich es kaputtmache, kann ich es dir nicht ersetzen«, sagte Jinjü lächelnd.
»Es ist überhaupt nicht empfindlich, und wenn es wirklich kaputtgeht, will ich von dir nichts dafür haben.«
Darauf bückten sich beide und begannen den Weizen zu mähen, Jinjü vorneweg, Gao Ma hinter ihr. Jinjü schnitt zwei Reihen, Gao Ma drei. Jinjü drehte ein Strohseil, und Gao Ma band die Garbe zusammen.
»Dein Vater ist noch nicht uralt und arbeitsunfähig«, bemerkte Gao Ma vorwurfsvoll. »Er könnte dir ruhig ein bisschen helfen.«
Die Sichel in Jinjüs Hand stockte. »Vater hat heute Besuch.«
Er hörte aus ihrem Tonfall heraus, dass dieser Besuch ihr Kummer bereitete, deshalb fragte er nicht weiter. Er mähte noch schneller. Die Ähren des zwischen Jinjüs Schenkeln eingeklemmten Weizens fuhren immer häufiger über seine Schultern und sein Gesicht. Ungeduldig fragte er: »Kannst du nicht etwas schneller machen? Ich schneide drei Reihen, du nur zwei, und trotzdem stehst du mir im Weg.«
»Ich habe keine Kraft mehr«, stöhnte Jinjü halb weinend.
Gao Ma sagte: »Eigentlich ist das ja auch keine Arbeit für Frauen.«
»Man kann sich an alles gewöhnen.«
»Wenn ich einmal heirate, soll meine Frau im Haushalt nach dem Rechten sehen, Essen kochen, Kleider nähen, Hühner und Enten füttern. Um die Feldarbeit braucht sie sich nicht zu kümmern.«
Sie blickte ihn an und keuchte ein wenig, als sie sagte: »Da wird aber jemand Glück haben.«
»Jinjü, kannst du mir sagen, was die Leute im Dorf über mich reden ?«
»Ich habe nichts gehört.«
»Hab keine Angst, ich kann das für mich behalten.«
»Es gibt welche, die sagen – du darfst nicht böse werden –, sie sagen, du hast in der Armee einen Fehler begangen.«
»Ja, ich habe einen Fehler gemacht.«
»Man sagt, du hast etwas mit der Frau des Regimentskommandeurs gehabt, und er hat euch ertappt.«
Gao Ma lächelte bitter. »Es war nicht seine Frau, es war seine Schwägerin. Aber ich habe sie nicht geliebt. Ich hasse sie, ich hasse sie alle.«
»Du musst viel von der Welt gesehen haben«, sagte Jinjü bewundernd.
»Einen Dreck habe ich gesehen«, blaffte Gao Ma. Er legte die Sichel hin, ergriff ein Bündel Weizen, band es zur Garbe, richtete sich wieder auf und versetzte der Weizengarbe einen Fußtritt. »Einen Dreck.«
Etwa um diese Zeit erschien Jinjus hinkender Bruder, ein etwas über vierzigjähriger Mann, dessen Haare schon grau wurden. Sein ganzes Gesicht bestand aus Falten, das linke Bein war kurz und dünn, so dass sein Gang etwas Schaukelndes hatte. Er blieb in einiger Entfernung stehen und brüllte :
»Jinjü, willst du hier Wurzeln schlagen, warum kommst du nicht essen?« Dabei hielt er, um sie besser beobachten zu können, die flache Hand schützend über die Augen.
Gao Ma fragte leise: »Behandelt dein Bruder dich immer so?« Jinjü biss sich auf die Lippe. Zwei große Tränenperlen rollten über ihre Wangen.
Seither, seit einem Jahr, seit ich dich weinen sah, findet mein Herz keine Ruhe mehr. Jinjü, ich liebe dich, ich will dich zur Frau. Jedesmal, wenn ich mit dir reden will, weichst du mir aus. Ich will dich aus der Hölle befreien. Sing noch zehn Verse, Zhang Kou, dann werde ich ihre Hand nehmen, auch auf die Gefahr hin, dass sie aufschreit, auf die Gefahr hin, dass ihre Mutter, Tante Vier, sich umdreht und mir eine runterhaut, aber sie wird nicht schreien, sie wird auf keinen Fall schreien, sie ist nicht zufrieden mit dieser unglücklichen Verlobung, die an dem Tag vereinbart wurde, als ihr Bruder sie von der Weizenernte, bei der ich ihr half, nach Hause rief, ein drei Familien bindender Vertrag zwischen ihren Eltern, dem Großvater von Liu Shengli und den Eltern von Cao Wen, ein DreiFamilienAbkommen, das drei Männer und drei Frauen wie Heuschrecken zusammenband. Was für ein unseliges Tauschgeschäft. Sie hat nichts gegen mich. Ihr Gefühl für mich ist gut. Jedesmal, wenn ich ihr allein begegne, senkt sie den Kopf und huscht an mir vorüber. Aber mir ist nicht entgangen, dass sie Tränen in den Augen hatte. Mein Herz schmerzt, meine Leber drückt, meine Lunge brennt, meine Eingeweide stechen, alles in meinem Bauch tut weh.
»Kommandeur, erteil sofort Befehl, die Truppen aus den HuayingBergen in Marsch zu setzen, um das Leben von Schwester Jiang zu retten.« Am gelb strahlenden Schirm der Petroleumlampe hatten sich unzählige grüne Insekten zu Tode gestürzt. »Schwester Jiang wurde verhaftet. Die Volksmassen bangen um ihr Leben. Genossen, ihr müßt einen kühlen Kopf bewahren, die Verhaftung von Jiang Jie macht mir das Herz noch schwerer als euch. Die Mutter schwenkt zwei Pistolen, ihr weißes Haar sträubt sich, aus ihren Augen fallen Tränen«, rezitierte Zhang Kou. Er sang weiter: »Bis heute ist mein Mann noch nicht aus dem Gefangenenlager zurück. Die Hinterbliebenen, Witwen und Waisen, müssen die Revolution weiterführen.« Zhang Kou, sing noch zwei Verse, zwei Verse noch, dann habe ich ihre Hand. Ich bin schon ganz durchdrungen von ihrer Körperwärme, ich rieche den Schweiß ihrer Schultern. »Revolution machen heißt nicht blindlings losschlagen, man muss behutsam Schritt für Schritt vorgehen.«
Plötzlich dröhnte es in Gao Mas Kopf, das Lampenlicht vor seinen Augen dehnte sich zu einer rotierenden, farbigen Wolke. Seine Hand schoß vor, und sei es, dass seine Hand Augen hatte, sei es, dass ihre Hand schon lange auf ihn gewartet hatte: Er hielt ihre Hand ganz fest in der seinen. Die Augen versagten ihm den Dienst, sein Körper erstarrte, in seinem Herzen war nichts als graue Leere.
Am folgenden Abend stand Gao Ma hinter einem großen Weizenstrohhaufen neben der Tenne vor Jinjüs Haus und wartete voller Ungeduld. Der Himmel war immer noch voller Sterne. Über den höchsten Baumwipfeln hing der Neumond als augenbrauendünne Sichel, deren Silberglanz noch schwächer war als das Funkeln der Sterne. Das dattelbraune Fohlen hüpfte am Rand der Tenne von einem Ende des Dreschplatzes zum anderen und wieder zurück. Südlich der Tenne lag ein breiter Graben, dessen Böschung mit Purpurquaststräuchern bepflanzt war, aus deren Ästen man Körbe flicht. Das Fohlen sprang in den Graben und kletterte wieder heraus. Während es sich durch die Sträucher zwängte, raschelte das Astwerk. In Jinjüs Haus brannte Licht. Ihr Vater, Onkel Vier, sprach laut im Hof. Tante Vier machte kurze Einwürfe. Gao Ma hörte aufmerksam hin, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Bei den Nachbarn, der Familie Gao Zhileng, kreischten Hunderte von Paien im Hof. Der Lärm ging einem durch und durch. Die Beleuchtung in ihrem Hof musste von einer Gaslampe stammen, denn der Lichtschein, der sehr weiß und hell war, reichte weit. Die Familie Gao Zhileng war durch die Paienzucht reich geworden; sie waren die einzigen im ganzen Dorf, die nicht vom Knoblauchanbau lebten.
Die Paien hatten unangenehme Stimmen. Das dattelbraune Fohlen kam schwanzwedelnd angelaufen. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. Es riss ein paar Halme vom Strohhaufen und kaute spielerisch darauf herum. Gao Ma roch den süßen und etwas fauligen Geruch des Weizenstrohs. Er trat ein Stück zur Seite und beobachtete Jinjüs Hoftor. Das Tor war fest verschlossen. Ein dünner gelber Lichtschein drang durch die Ritzen. Er hob den Arm, um die Uhrzeit festzustellen. Seine Uhr hatte keine Leuchtziffern, er konnte nicht genug erkennen. Es musste ungefähr neun sein. In Gao Zhilengs Haus begann die Standuhr zu schlagen. Er versuchte, das irritierende Paiengeräusch zu überhören, und zählte mit. Es war wirklich neun Uhr. Gestern abend, fiel ihm ein, hatte er sich wieder die Szene aus dem Film »Rot und Schwarz« vorgestellt, den er in einer geschlossenen Vorstellung der Armee gesehen hatte. Julien wartet, bis die Kirchturmuhr neunmal geschlagen hat. Dann greift er nach der Hand der Frau, die er liebt.
Gestern abend hatte er ihre Hand festgehalten, und auch sie hatte seine Hand kräftig gedrückt, bis tief in die Nacht, bis Zhang Kou seinen Vortrag beendet hatte. Erst dann hatten sie sich widerwillig losgelassen. Im Durcheinander des allgemeinen Aufbruchs hatte er ihr zugeflüstert: »Morgen abend warte ich auf dich hinter dem großen Strohhaufen, ich habe etwas mit dir zu besprechen.« Leider konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, daher wußte er nicht, ob sie ihn verstanden hatte. Den ganzen Tag war er geistesabwesend. Beim Hacken auf dem Feld entfernte er mehrmals Sämlinge und ließ das Unkraut stehen. Noch ehe der Nachmittag um war, machte er sich auf den Heimweg. Er suchte seine Schere und stutzte sich den Bart, er drückte die Pickel auf beiden Seiten seiner Nase aus und kratzte mit der Schere den Raucherbelag von seinen Zähnen. Dann wusch er sich Kopf und Hals mit parfümierter Seife. Nach dem Abendessen fand er die schon lange nicht mehr benutzte Zahnbürste und Zahnpasta wieder und putzte sich gründlich die Zähne.
Das Krächzen der Paien ging ihm auf die Nerven. Ein paarmal schlich er sich bis an Jinjüs Hoftor und zog sich ebenso leise wieder zurück.
Das Tor begann zu knarren. Sein Herz klopfte wie eine Marschtrommel. Unbewußt bohrte er eine Hand tief in das Stroh. Das dattelbraune Fohlen kam neugierig herbeigaloppiert. Die von seinen Hufen hochgeschleuderte Erde prasselte auf den Strohhaufen, und das Geräusch ließ ihn zusammenfahren.
»Wo willst du hin, mitten in der Nacht?« hörte Gao Ma Tante Vier rufen.