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Nur heimliche Stunden der Leidenschaft Schon seit der Schulzeit verehrt Prinz Marcel DeLoria die hübsche Kate. Als in seinem Königreich nun der Posten des Klinikchefs zu vergeben ist, kann er die junge Medizinerin endlich zu sich holen! Seine heißen Gefühle aber wird er ihr strikt verheimlichen müssen... Liebe mich - noch heute Nacht Ihr Auftrag war eigentlich ganz klar: Tori soll den Millionär Mitch Warner interviewen. Keineswegs war die Rede davon, mit dem umwerfend attraktiven Mann ins Bett zu gehen! Als sie sich aber in einer Karaoke-Bar zum ersten Mal begegnen, entbrennt in beiden gleich das Feuer der Liebe. Nun sollte Tori fortan besser schweigen. Denn Mitch lehnt Journalisten grundsätzlich ab... Aus purer Liebe? Prinzessin Raina und Scheich Dharr ibn Halim sind einander schon lange versprochen, verschwenden aber keinen Gedanken mehr an diese Pflichtehe. Als sie sich nach Jahren wiedersehen, ist da eine unbekannte erotische Spannung zwischen ihnen. Ungehemmt geben sie sich ihrem Vergnügen hin, das auch die Pflicht wieder in Erinnerung bringt …
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Seitenzahl: 610
Kristi Gold
Die königliche Wette - Ein Prinz, ein König und ein Scheich spielen mit hohen Einsätzen (3teilige Serie)
IMPRESSUM
Nur heimliche Stunden der Leidenschaft erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2004 by Kristi Golderg Originaltitel: „Persuading the Playboy King“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1366 - 2005 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Eleni Nikolina
Umschlagsmotive: Medioimages / Photodisc / Thinkstock
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733786663
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Prinz Marcel Frederic DeLoria hatte eine Vorliebe für schnelle Autos und für seine Freiheit, die er besonders dann genoss, wenn er mit seiner Corvette auf kurvenreichen Straßen unterwegs war. Doch seine größte Freude fand er bei der Liebkosung der noch aufregenderen Kurven des weiblichen Körpers. Sosehr er die Frauen liebte, so sehr hasste er es allerdings, wenn es unweigerlich Zeit wurde, sich von ihnen zu trennen, und so vermied er emotionale Verwicklungen.
Heute stand ihm eine dieser gefürchteten Trennungen bevor, wenn auch von keiner Frau. Er kam sich vor wie ein Mann, den man zur Guillotine führte.
Vor vier Stunden hatte er sein Abschlussdiplom an der Universität von Harvard erhalten. Doch er freute sich nicht besonders darauf, Abschied zu nehmen von Scheich Dharr ibn Halim, der eines Tages sein Land regieren würde, oder von Mitchell Edward Warner dem Dritten, Sohn eines Senators der Vereinigten Staaten und eine Art amerikanischer Aristokrat. Sie hatten zueinandergefunden, weil ihre Lebensumstände ähnlich waren. Daraus hatte sich eine innige Freundschaft entwickelt, die sich während ihrer gemeinsamen Zeit an der Universität stetig vertieft hatte.
Gemeinsam hatten sie sich in den vergangenen Jahren über Kultur, Weltereignisse und ihre jüngsten Abenteuer ausgetauscht, über ihre Versuche, den Paparazzi zu entkommen, und natürlich über ihr Lieblingsthema: Frauen.
An diesem Abend herrschte eine untypische Stille zwischen ihnen, als wären die alterprobten Themen angesichts dessen, was sie jetzt erwartete, völlig belanglos geworden. Sie hatten beschlossen, auf die Party zu verzichten, und hatten sich stattdessen in ihr gemeinsames Apartment zurückgezogen. Von draußen drang Lärm und Partytrubel zu ihnen herein. Die Abschlussfeier signalisierte das Ende einer Zeit, in gewisser Hinsicht das Ende ihrer Jugend.
Marc lehnte sich im Sessel zurück, die Füße auf dem Tisch. Dharr saß in königlicher Haltung im Ledersessel ihm gegenüber. Die traditionelle arabische Kopfbedeckung, die Keffiyeh, hatte er abgelegt, aber er vermittelte immer noch den Eindruck des geborenen Herrschers. Mitch saß wie immer auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. Er war lässig gekleidet und trug Jeans und verschrammte Lederstiefel.
Obwohl die drei Männer so verschieden waren, hatten sie doch eins gemeinsam – sie waren berühmt, und der Grund, weswegen sie sich so oft zusammenfanden, war der Versuch, mit dem Druck dieser Berühmtheit fertig zu werden.
Mitch warf die Zeitschrift, die er seit seiner Ankunft gelesen hatte, zur Seite und griff nach einer Flasche französischen Champagner, den ihnen Marcs Bruder, der König von Doriana, großzügigerweise gespendet hatte. „Wir haben bereits auf unseren Erfolg angestoßen. Jetzt schlage ich vor, dass wir auf ein lange währendes Junggesellendasein trinken.“ Er füllte sein Glas auf, dann das von Dharr und Marc.
Dharr hielt sein Glas zum Toast hoch. „Darauf trinke ich gern.“
Marc überlegte kurz und lächelte dann. „Wie wäre es mit einer Wette?“
Dharr und Mitch wechselten einen Blick. „Was für eine Wette, DeLoria?“, fragte Mitch.
„Nun, da wir uns einig darin sind, dass wir uns so schnell nicht in die Ehefalle locken lassen wollen, schlage ich vor, dass wir schwören, in zehn Jahren immer noch unverheiratet zu sein.“
„Und wenn wir es nicht sind?“, fragte Dharr.
Marc sah nur einen Weg, den Erfolg der Wette zu garantieren. „Dann werden wir unseren kostbarsten Besitz aufgeben müssen.“
„Was, meinen Wallach?“ Mitch verzog sein Gesicht, als hätte er etwas Bitteres geschluckt. „Das wäre hart.“
Dharr sah noch weniger begeistert aus. Sein Blick glitt unwillkürlich zu dem abstrakten Gemälde einer Frau, das hinter Mitch an der Wand hing. „Das wäre dann also wohl mein Modigliani, und ich muss zugeben, dass es mir sehr wehtun würde, den Akt herzugeben.“
„Das ist ja gerade der springende Punkt, meine Herren“, sagte Marc. „Die Wette wäre sinnlos, wenn unser Einsatz uns nichts bedeutete.“
Mitch sah ihn misstrauisch an. „Okay, DeLoria. Und was ist dein Einsatz?“
Marc musste nicht lange überlegen. „Meine Corvette.“
„Du würdest deinen geliebten Schlitten weggeben?“, sagte Mitch ungläubig.
„Ach Quatsch, denn ich werde nicht verlieren.“
„Ich sehe da auch kein Problem“, bemerkte Dharr. „Zehn Jahre müssen mindestens vergehen, bevor ich mich dazu zwingen lasse, wegen der Erbfolge eine Vernunftehe einzugehen.“
„Mir wird es auch nicht schwerfallen“, sagte Mitch.
Dharr hielt wieder sein Glas hoch. „Dann sind wir uns also einig?“
Sie fühlten sich wie moderne Musketiere, die einen Pakt schlossen – einer für alle, alle für einen.
Marc hob sein Glas. „Die Wette gilt.“
Neun Jahre später
Marcel Frederic DeLoria war König geworden. Kate Milner kannte ihn nur als Marc, einen gefährlich charmanten jungen Mann und einen unbegabten Biologiestudenten, wie er selbst zugegeben hatte. Letzteres war der Grund gewesen, weshalb sie ihm in seinem ersten Semester in Harvard Nachhilfestunden gegeben hatte. Und jetzt war Marc der Herrscher von Doriana, einem kleinen Staat in Europa.
Unglaublich.
Und genauso unglaublich war es, dass sie jetzt, fast ein Jahrzehnt später, Meilen entfernt von ihrem Zuhause in einem Bilderbuchschloss stand und ihn gleich wiedersehen würde.
Ihr erwartungsvolles Lächeln verschwand sofort, als er am anderen Ende des prunkvollen Foyers erschien. Neben ihm ging ein elegant gekleideter Mann mittleren Alters. Die Spiegelwände, das glitzernde Licht der Kristallleuchter, alles schien in den Hintergrund zu treten, während Marc näherkam. Sein Selbstbewusstsein und seine bemerkenswerte Gefasstheit waren fast greifbar. Sein Haar war immer noch goldbraun, nur etwas länger als damals. Er war groß, daran hatte sie sich noch gut erinnert, aber jetzt kam er ihr imposanter vor als früher. Seine Brust wirkte kräftiger und seine Schultern schienen breiter zu sein. Vielleicht wurden sie aber auch nur von seinem engen marineblauen Strickhemd besonders gut zur Geltung gebracht. Zu Kates Überraschung trug er ausgeblichene Jeans, die seine schmalen Hüften und die muskulösen Schenkel betonten, genau die gleiche Kleidung wie damals auf dem College. Dabei war er doch ein König!
Du liebe Güte! Hatte sie vielleicht erwartet, dass er mit juwelenbesetzter Krone und roter Samtrobe vor ihr erscheinen würde? Dass er ein Zepter in der Hand halten würde statt einer Sonnenbrille? Schon der Gedanke war albern. Allerdings hatte sie damit gerechnet, dass er zumindest einen teuren Anzug tragen würde und nicht diese legere Kleidung, die seinen durchtrainierten Körper so gut zur Geltung brachte. Dennoch gab es keinen Zweifel, er gefiel ihr ausnehmend gut.
Als er vor ihr stehen blieb, fühlte Kate sich regelrecht von seiner Gegenwart überwältigt. Ihr Puls beschleunigte sich unwillkürlich. Sie bemühte sich, Haltung zu wahren, und sah ihm in die durchdringenden blauen Augen – Augen, die nicht mehr wie früher vor Humor funkelten. Kate spürte eine gewisse Nervosität an ihm, eine Veränderung, die weit über das rein Physische hinausging.
Eins war allerdings ganz deutlich – er gab kein Anzeichen des Wiedererkennens von sich. Warum sollte er auch? Sie hatte sich schließlich auch verändert, und wie sie hoffte, zu ihrem Vorteil.
Sein Begleiter machte abrupt einen Schritt auf sie zu und verbeugte sich kurz vor Kate. „Dr. Milner, ich bin Bernard Nicholas, der Berater Seiner Majestät.“
Kate wäre fast ihrem Impuls gefolgt, zu salutieren oder zu knicksen. Stattdessen entschied sie sich für ein Lächeln. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“
Mr Nicholas wandte sich an den stummen, stoisch dastehenden König. „Euer Majestät, darf ich Ihnen Dr. Katherine Milner vorstellen, unsere jüngste Kandidatin für den Posten im Krankenhaus.“
Marc gab ihr die Hand, und Kate nahm sie nach kurzem Zögern. „Willkommen in Doriana, Dr. Milner, und bitte verzeihen Sie meinen Aufzug. Man hat mich nicht rechtzeitig über Ihre Ankunft informiert.“
Seine Stimme klang in etwa so, wie Kate sie in Erinnerung hatte, verführerisch und mit der gewohnten europäischen Kultiviertheit, nur etwas tiefer als früher. Aber er sah überhaupt nicht erfreut aus und erlaubte sich nicht einmal den Anflug eines Lächelns. Selbst seine Verbeugung kam ihr gezwungen vor. In Anbetracht der frühen Stunde und seiner unrasierten Wangen fragte sie sich unwillkürlich, ob er vielleicht gerade aus dem Bett einer Frau kam.
Dieser Gedanke und der Druck seiner starken Finger um ihre Hand ließen sie leicht erschauern. Sie erinnerte sich noch gut, dass sie diesen Mann sehr gern gehabt hatte. Aber Marc DeLoria war kein gewöhnlicher Mann und war es nie gewesen, und offensichtlich hatte er ihre gemeinsame Zeit völlig vergessen.
Kate beschloss, sein Gedächtnis aufzufrischen. „Es ist sehr schön, Sie wiederzusehen, Euer Majestät.“
Er gab ihre Hand frei und runzelte die Stirn. Kleine Fältchen erschienen um seine Augenwinkel, sie ließen ihn noch attraktiver wirken. „Sind wir uns schon begegnet?“
„Als wir uns das letzte Mal sahen, sezierten wir gemeinsam einen Frosch.“
Seine Miene wurde etwas weicher, und Kate erhaschte einen flüchtigen Blick auf den unbesorgten Charmeur, den sie einmal gekannt hatte. „Katie? Meine Nachhilfelehrerin?“
Kate senkte den Blick. Sekundenlang fühlte sie sich wieder wie das zaghafte Mädchen von damals. Hastig verdrängte sie diesen Gedanken und sah ihn entschlossen an. „Ja, das bin ich. Katie, die Nachhilfelehrerin. Aber jetzt ziehe ich Kate als Anrede vor. Oder Dr. Milner, wenn Ihnen das unter den gegebenen Umständen lieber ist.“
„Den gegebenen Umständen?“
Die musste man ihm doch wohl nicht erst klarmachen? „Sie sind ein König.“
„Ach so, dieser Umstand.“ Er sah sie eine ganze Weile an, als könnte er es nicht fassen, dass sie wirklich da war. Kate musste sich eingestehen, dass sie es selbst kaum fassen konnte.
„Es ist ziemlich lange her, nicht wahr?“, unterbrach sie die peinliche Stille.
„Ja, ziemlich.“ Obwohl er noch immer kein Lächeln zustande brachte, schien er jetzt wenigstens nicht mehr ganz so fassungslos zu sein. Er machte ihr ein Zeichen, den Raum zu ihrer Rechten zu betreten. „Wollen wir das Gespräch in der Bibliothek weiterführen, Doktor?“
Offenbar war ihm nicht danach zumute, in Erinnerungen zu schwelgen. „Natürlich.“
Als Marc ihr Platz machte, ging Kate an ihm vorbei in die Bibliothek. Dabei nahm sie einen Hauch seines wohlriechenden Rasierwassers wahr. Obwohl sie sich nicht erlauben sollte, so heftig auf ihn zu reagieren, raubte alles an ihm ihr den Atem. In seiner Nähe war es ihr nie anders ergangen.
Kate gab sich alle Mühe, Haltung zu bewahren. Um sich abzulenken, sah sie sich in der Bibliothek um und betrachtete die unzähligen Mahagoniregale voller Bücher. „Eine beeindruckende Sammlung.“
„Die Lieblingsbücher meiner Mutter.“ Marc wies auf ein kleines Sofa am Fenster. „Nehmen Sie bitte Platz.“
Kate ließ sich auf das grüne Brokatsofa sinken, während Marc den burgunderroten Ohrensessel ihr gegenüber wählte. Mr Nicholas war an der Tür stehen geblieben.
„Das wäre alles“, wandte Marc sich an ihn.
Der Mann stand unerschütterlich da wie ein Wachtposten, die Schultern gestrafft, die Beine leicht gespreizt, Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Vergeben Sie mir, aber ich denke, es wäre besser, wenn ich bliebe, da doch unser Gast eine Dame ist.“
„Wir befinden uns nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert, Mr Nicholas. Sie sind entlassen.“
„Aber die Königinmutter …“
„… würde mein Bedürfnis nach Privatsphäre verstehen.“
„Aber …“
„Ich versichere Ihnen, dass Dr. Milners Tugend nicht in Gefahr ist.“ Marc wandte sich an Kate. „Oder würden Sie es vorziehen, nicht mit mir allein zu sein?“
Kate zuckte die Achseln. „Es wäre schließlich nicht das erste Mal.“ Und sie hoffte inständig, dass es auch nicht das letzte Mal sein würde.
Marc warf seinem Berater einen warnenden Blick zu. „Bitten Sie Madame Tourreau, Dr. Milner eine Erfrischung zu bringen.“
„Wie Sie wünschen, Ehrwürden“, sagte Mr Nicholas und zog sich zurück.
Kate hob die Augenbrauen. „Ehrwürden?“
„Bitte achten Sie nicht auf Mr Nicholas. Er dient meiner Familie seit langer Zeit, und er hat die Neigung, seine Meinung über mich in abstrusen Titeln zu verpacken. Sie sollten sich allerdings geschmeichelt fühlen. Normalerweise tut er das nicht in der Gegenwart von Fremden, wenn er nicht das Gefühl hat, dass sie seinen ausnehmend britischen Sinn für trocknen Humor zu schätzen wüssten.“
„Es ist also eine Art Spiel zwischen Ihnen.“
„Ein Spiel, das nicht zu spielen ich bei Weitem vorziehen würde.“
Kate konnte sich gut vorstellen, was für Spiele er lieber spielen würde – sinnliche Spiele –, und sie hätte überhaupt nichts dagegen, dabei mitzumachen. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Du bist nicht hier, um zu spielen, sondern um zu arbeiten.
Marc setzte sich lässig im Sessel zurück, kreuzte die Beine und verschränkte seine Hände vor dem Bauch. „Sagen Sie mir also, Dr. Milner, wie Sie entdeckt haben, dass wir in Doriana auf der Suche nach Ärzten sind.“
Kate zupfte nervös am Saum ihres Rocks und spürte Marcs Blick auf sich. Vermutlich fragte er sich, ob jemand sie an den Haaren durch die königlichen Gärten geschleift hatte. Ihr fliederfarbenes Seidenkostüm war nach der langen Reise zerknittert, und sie ging davon aus, dass ihr Haar ziemlich zerzaust war. Als sie seinen Blick auf ihrem Mund verweilen spürte, befürchtete Kate, dass sie ihren Lippenstift verschmiert hatte.
Sie räusperte sich. „Ich habe den Artikel über Sie gelesen, der gleich nach Ihrer Krönung in der Studentenzeitung der Harvard Universität erschienen ist“, sagte sie und wurde nervös, weil er ihr direkt in die Augen sah. „Sie erwähnten in dem Interview, dass Ihre erste Maßnahme die Einstellung neuer Ärzte sein würde, also setzte ich mich mit dem Krankenhaus in Verbindung, und hier bin ich. Der Autounfall Ihres Bruders tut mir sehr leid …“
Kate war sich nicht sicher, ob Marc sich den Ausdruck von Trauer erlaubte. Wenn überhaupt, dann nicht länger als für eine Sekunde. Er fasste sich sofort.
„Haben Sie in Harvard Medizin studiert?“, fragte er kühl.
Kate nahm sich vor, den Tod seines Bruders nicht wieder zu erwähnen. „Ich bin nach Tennessee zurückgekehrt und ging an die Vanderbilt Universität. Ich musste in der Nähe meiner Familie bleiben.“
„War jemand krank?“, fragte er.
„Nicht wirklich.“ Nur sehr überfürsorglich, was einer der Gründe war, weshalb Kate beschlossen hatte, sich um diese Stellung zu bewerben – der andere Grund saß ihr in diesem Moment gegenüber. Sie hatte es sattgehabt, die brave zuverlässige Tochter zu sein, auf die sich ihre Eltern in allem verließen. Sie liebte beide von ganzem Herzen, aber manchmal wünschte sie sich, sie hätte Geschwister, die sich diese Last mit ihr teilten.
Marc verschränkte die Arme vor der Brust und sah sehr eindrucksvoll und sehr sexy aus. „Sie sagen, Sie mussten in der Nähe Ihrer Familie sein, und doch sind Sie Tausende von Meilen gereist, um in unserem Krankenhaus zu arbeiten?“
„Ich brauchte eine Abwechslung.“ Einen Tapetenwechsel. Noch besser, ein anderes Leben.
„Worauf sind Sie spezialisiert?“, fragte er nicht besonders interessiert.
„Allgemeinmedizin. Aber am liebsten habe ich mit Kindern zu tun.“
„Kinder sind unsere Hoffnung für eine bessere Zukunft“, erwiderte er. „Wir haben einige Fortschritte in der pädiatrischen Gesundheitsfürsorge gemacht, aber ich bin noch nicht zufrieden.“
„Diese Herausforderung würde mir gefallen, Marc … ich meine, Euer Majestät.“ Ihr erster Verstoß gegen das königliche Protokoll und vielleicht auch ihr letzter. „Entschuldigen Sie.“
„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Dr. Milner.“
„Ich ziehe es wirklich vor, wenn Sie mich Kate nennen. Ich bin ein einfacher Mensch.“
„Aber Sie sind auch Ärztin. Das ist keine geringe Leistung.“
Kate errötete. Es war ihr nie leicht gefallen, Komplimente entgegenzunehmen, aber man hatte ihr auch nicht oft welche gemacht.
„Können Sie mir von Ihren Erfahrungen erzählen?“
„Was für Erfahrungen meinen Sie?“ Kate biss sich auf die Unterlippe und wurde rot. Wie hatte sie nur eine so blöde Frage stellen können? Ein Blick von dem Mann genügte, und sie konnte nicht mehr klar denken.
Sie bemerkte ein leises Lächeln um seine Mundwinkel, aber es war nicht so ausgeprägt, dass seine berühmten Grübchen in den Wangen erschienen.
„Medizinische selbstverständlich. Es sei denn, Sie haben andere Erfahrungen gemacht, die mich Ihrer Meinung nach interessieren könnten.“
Wenn das nur so wäre. „Medizinisch gesprochen habe ich gerade erst meine Assistenzzeit beendet.“
Sein durchdringender Blick war fest auf sie gerichtet. „Ich nehme an, Sie sind qualifiziert?“
Kate setzte sich unwillkürlich auf. „Ich war an einer der besten Universitäten des Landes.“
„Dann würde ich sagen, dass Sie mit unserer Klinik keine Probleme haben dürften.“
„Selbstverständlich.“ Und jetzt zur Sache. „Und wie steht es mit der Bezahlung?“
Marc beugte sich vor, und wieder erhaschte sie den Duft seines Rasierwassers. „Wenn wir zu einer Vereinbarung kommen, bin ich bereit, Ihr bisheriges Gehalt zu verdoppeln.“
Es wurde immer besser. „Warum sollten Sie das tun?“
„Weil wir gute Ärzte brauchen. Und schließlich sind wir alte Freunde.“
„Laborpartner“, verbesserte sie ihn. „Ich habe uns nie wirklich für Freunde gehalten.“
Er lehnte sich zurück, den Blick nachdenklich auf sie gerichtet. „Und warum nicht, Kate?“
„Das ist ziemlich offensichtlich, wenn man bedenkt, dass Sie König sind und ich … na ja, ich.“
„Aber als wir uns kennenlernten, war ich noch kein König.“
„Nein, Sie waren ein Prinz. Ich habe mich deswegen nie besonders wohl gefühlt in Ihrer Gegenwart.“
„Geht es Ihnen jetzt auch so?“, fragte er mit tiefer Stimme, in der eine leise Herausforderung mitklang.
„Nicht wirklich. Ich betrachte diese Gelegenheit als ein Abenteuer.“
„Dann sind Sie also auf der Suche nach einem Abenteuer?“
„Und einem Job.“
„Den Job kann ich Ihnen geben. Und was für ein Abenteuer suchen Sie außerdem noch?“
Sie sahen sich einen Moment an. „Ich bin nicht sicher“, sagte Kate dann. „Haben Sie einen Vorschlag?“
Der Blick aus seinen aufregenden Augen verriet ihr, dass er sogar viele Vorschläge hatte. „Leider ist Doriana um diese Jahreszeit ein eher geruhsamer Ort. Aber wenn Sie zur Wintersaison herkommen, können Sie unsere Skipisten besuchen. Es gibt viele verlockende Abhänge, wenn Sie nicht zu ängstlich sind, sich an etwas zu versuchen, das gefährlich werden könnte.“
Warum hatte das jetzt wie eine Einladung zur Sünde geklungen? „Sind Sie denn gut?“ Sehr geschickt, Kate, sehr taktvoll, dachte sie verlegen. „Im Skifahren, meine ich.“
Sein amüsiertes Lächeln ließ ihr Herz höher schlagen. „Ja.“
„Ich stelle mir vor, dass Sie in allem was sie tun sehr gut sein müssen.“ Und sie hatte es sich sogar in allen Einzelheiten vorgestellt. „Abgesehen von Biologie natürlich.“
„Das trifft bestimmt auch auf Sie zu, Kate. Wenn ich daran denke, wie gut Sie mich in meinem ersten Semester im Griff hatten.“
Sie fuhr sich mit leicht zitternder Hand durchs Haar. „Komisch, ich erinnere mich gar nicht daran, Sie im Griff gehabt zu haben.“
Er nahm eine fast unverschämte Haltung an, sein Blick heftete sich auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. „Nun, wenn Sie mich buchstäblich im Griff gehabt hätten, hätte ich das jedenfalls nicht vergessen.“
Wenn er wüsste, wie oft sie sich in ihren Träumen vorgestellt hatte, ihn im wahrsten Sinn des Wortes in die Hände zu bekommen.
Es folgte eine kurze Stille, bis Kate sich zwang, wieder auf die Erde herunterzukommen. Sie durfte nicht zulassen, wieder in seinen Bann zu geraten. Damals hatte sie sich schon in ihn verliebt, obwohl sie gewusst hatte, dass er niemals etwas für sie empfinden würde. Diesen Fehler wollte sie nicht wiederholen.
Sie war jetzt sehr viel reifer und weit über kindische Verliebtheiten hinaus. Sie fühlte nur Zuneigung für Marc DeLoria.
Na schön, vielleicht war Zuneigung nicht das richtige Wort. Tatsächlich hätte sie nichts dagegen gehabt, seinen aristokratischen Körper zu vernaschen. Aber sie würde es natürlich nicht tun. Marc DeLoria war ein dynamischer Mensch, ein Mann mit großer Ausstrahlung. Und nach allem, was man über ihn hörte, war er außerdem ein Mann, dem keine Frau trauen konnte. Er war einer der berüchtigtsten Playboys der Welt. Daran musste sie denken, selbst wenn sie sich gegen ihren Willen immer noch zu ihm hingezogen fühlte.
Kate versuchte den Eindruck von Gelassenheit zu vermitteln, obwohl ihr heiß wurde unter seinen prüfenden Blicken. „Müssen Sie sonst noch etwas über mich wissen?“
„Es gäbe da etwas, was ich gern mit Ihnen tun würde, wenn Sie nicht zu müde sind von Ihrer Reise.“
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Und das wäre?“
„Ich möchte Ihnen das Krankenhaus zeigen, sobald ich mir etwas Passenderes angezogen habe.“
Himmel noch mal, eine Sekunde lang hatte Kate geglaubt, dass er ihr etwas Aufregenderes hatte vorschlagen wollen. „Ja, das wäre sehr freundlich.“
„Und ich sehe keinen Grund, warum Sie den Job nicht haben sollten, wenn Sie es wollen.“
Sie runzelte die Stirn. „Einfach so?“
Er strich sich kurz über das Kinn. „Um die Wahrheit zu sagen, Sie sind mir bereits von der Krankenhausverwaltung empfohlen worden. Unser Treffen ist eine reine Formalität.“
„Ich werde Ihr Angebot auf jeden Fall in Betracht ziehen“, sagte sie. „Aber zuerst möchte ich einen Blick auf alles werfen und mich vergewissern, dass es das Richtige für mich ist.“
„Haben Sie schon eine Unterkunft?“
„Ich habe ein Hotelzimmer.“
„Sie sollten als unser Gast im Palast wohnen. Hier wären Sie sicher bequemer untergebracht.“
Nein, das wäre sie nicht. Nicht, wenn er denselben Palast bewohnte, selbst wenn der hundert Zimmer haben sollte. „Ich weiß Ihre Gastfreundschaft zu schätzen, aber ich ziehe das Hotel vor.“
„Lassen Sie es mich bitte wissen, sollten Sie Ihre Meinung ändern.“
Nach kurzem Klopfen betrat eine korpulente grauhaarige Frau den Raum, ein Tablett mit Teegeschirr und Gebäck in den Händen. Sie hielt den Blick gesenkt, während sie Kate den Tee servierte.
Marc trank keinen Tee, aber als die Frau gegangen war, nahm er eine Süßigkeit und hielt sie an Kates Lippen. „Probieren Sie die Rollitos. Es sind spanische Kekse, einer meiner beiden Lieblingsgenüsse.“
Sie schluckte mühsam. „Wirklich? Und was ist der andere?“
Marcs Lächeln vertiefte sich, sodass seine Grübchen erschienen. „Ein Mensch darf doch wohl noch Geheimnisse haben, Kate. Sogar ein König.“
Kate konnte sich vorstellen, dass ein so sinnlicher Mann wie Marc sehr viele Geheimnisse hatte. Sie ahnte auch, dass sein anderer Lieblingsgenuss nichts mit seinen Essvorlieben zu tun hatte, sondern sehr viel mehr mit den körperlichen Begierden eines Mannes. Er war verführerischer, als vielleicht gut für ihn war – auf jeden Fall aber viel verführerischer, als gut für sie war.
Seit seiner Zeit auf der Universität hatte Marcel DeLoria fast acht Jahre damit zugebracht, die Welt zu bereisen und ihre Wunder zu bestaunen. In den vergangenen neun Monaten hatte er erfahren müssen, wie es war, ständig von der Öffentlichkeit unter die Lupe genommen zu werden. Aber bis jetzt war ihm noch nichts so Erstaunliches begegnet wie die Frau, die ihm jetzt auf dem Rücksitz des Rolls-Royce gegenübersaß.
Vor Jahren hatte er sie als scheue, intelligente Studentin kennengelernt, die sich hinter zu weiten Kleidern und einer großen Brille versteckt hatte, die ihr ein eulenhaftes Aussehen verliehen hatte. Nichts an dieser selbstbewussten eleganten Frau erinnerte an das Mädchen von damals. Die unglaubliche Veränderung hatte ihn überwältigt, und er musste sich zwingen, Kate nicht so auffällig zu bewundern, weil sie ihn sonst noch dabei ertappen würde.
Während sie auf ihrem Weg zum Krankenhaus durch St. Simone fuhren, richtete Marc seine Aufmerksamkeit auf die malerischen bunten Läden, die sich wie Perlen auf einer Schnur rechts und links der Straße aneinanderreihten. Es gab nur wenige Autos, aber die Straßen waren voller Touristen und viele Einheimische waren unterwegs. Alle blieben stehen, um die Wagenkolonne vorbeifahren zu sehen. Würde er sich je an das Aufsehen gewöhnen, das er erregte, wo immer er auch hinkam? Wahrscheinlich nicht.
„Diese Stadt ist unglaublich, Euer Majestät.“
Kates Stimme riss ihn aus seinen melancholischen Gedanken und erinnerte ihn wieder an ihre gemeinsame Studienzeit. Damals hatte er ihren weichen Südstaatenakzent sehr attraktiv gefunden, aber in Kate hatte er nie mehr als eine Freundin gesehen und seine Retterin in der Not. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte er sein erstes Jahr in Harvard vielleicht nicht überstanden.
Sie deutete aus dem Fenster. „Was ist das für ein Gebäude dort drüben?“
Gegen sein besseres Wissen setzte Marc sich neben sie, behielt aber einen gewissen Abstand zu ihr bei. „Das ist die Kathedrale von St. Simone. Meine Eltern wurden dort getraut.“
Sie sah aus unglaublich grünen Augen zu ihm auf. „Sie ist wunderschön. All diese herrlichen Bleiglasfenster.“
„Ich bin den Anblick so gewöhnt, dass sie mir kaum noch auffällt“, sagte er und bemühte sich um einen höflichen, gelassenen Ton, während er in Wirklichkeit mit seinem Mund etwas ganz anderes tun wollte als reden.
„Das ist verständlich“, sagte sie. „Man übersieht die Schönheiten seiner Umgebung, wenn man sie tagtäglich um sich hat.“
Sie sah wieder aus dem Fenster, und Marc stellte erstaunt fest, dass sie sehr schön war. Viele Menschen würden sie vielleicht nur als niedlich bezeichnen mit ihrer Stupsnase, den Sommersprossen und dem runden Gesicht. Aber ihre großen Augen, die die Farbe der Kiefern auf den Gipfeln der Pyrenäen hatten, und das kastanienbraune Haar, das ihr in seidig glänzenden Locken auf die Schultern fiel, waren seiner Meinung nach mehr als nur hübsch.
Obwohl er versuchte, nach draußen zu schauen, ertappte Marc sich dabei, wie er sie schon wieder musterte. Das fliederfarbene Seidenkostüm passte ihr wie angegossen, und ihre Beine konnten die Aufmerksamkeit jedes Mannes auf sich ziehen. Sie war ziemlich klein, hatte zierliche Hände und Füße und, soweit er sehen konnte, keine üppigen Rundungen, aber perfekte Brüste.
Sie war eine sehr attraktive Frau, die er gern sehr viel besser kennenlernen würde. Am liebsten unter den kühlen Laken seines Bettes. Aber das war natürlich unmöglich.
Sosehr er Kate Milner als Mann auch begehrte, der König durfte sich diesen Wunsch nicht erfüllen. Er musste stark bleiben, damit man ihn als Herrscher seines Landes respektierte.
Und doch, wie einfach wäre es, einen Knopf auf der Konsole zu drücken, damit sich die Scheibe, die sie vom Fahrer und Nicholas trennte, schloss und ihnen ein wenig Schutz vor den neugierigen Blicken gewährte.
Eine sexuelle Fantasie überfiel ihn plötzlich. Marc sah vor seinem geistigen Auge, wie er sich über Kate beugte, mit seinen Lippen über ihren schlanken Hals strich, sich bis zu ihrem Mund vortastete und sie dann herausfordernd küsste. In seiner Vorstellung reagierte sie sehr empfänglich auf seine Zärtlichkeiten. In Gedanken schob er eine Hand unter den Saum ihres Rockes und hörte sie erregt aufseufzen. Er stellte sich vor, über die zarte Haut an ihrem Oberschenkel hinaufzustreichen, bis er den Seidenstoff ihres Slips berührte und dann ihre Hitze darunter spürte. Er reizte sie mit den Fingern, kniete sich dann vor sie, streifte ihr den Slip ab und verlockte sie mit seinen Lippen, bis sie aufstöhnte und ihm zuflüsterte, dass sie ihn in sich spüren wollte. Er hatte absolut nichts dagegen, ihren Wunsch zu erfüllen, und verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, wer er war und wo er war. Er dachte keine Sekunde an die möglichen Folgen. Er wollte sie lieben, bis sie beide Befriedigung fanden, wenn auch nur vorübergehend.
Der Wagen hielt so abrupt, dass Marc in die nüchterne Wirklichkeit zurückgerissen wurde. Leider verschwanden die Folgen seiner sinnlichen Fantasie nicht genauso abrupt. Marc war äußerst erregt und konnte nichts gegen seine missliche Lage tun, außer vielleicht, sich eine Handvoll Eiswürfel aus dem Kühlfach der Bar im Auto über den Schoß zu schütten. Er konnte nur hoffen, dass Kate nichts merkte, bis sich seine Erregung gelegt hatte, und dass seine Anzugjacke das Schlimmste verbarg, wenn sie den Wagen verließen.
Marc straffte die Schultern und setzte seine höflich distanzierte Miene auf, während er innerlich gegen das starke Verlangen ankämpfte, Kate zu berühren, obwohl es absolut keinen Sinn hätte. Er führte das Erwachen seiner sexuellen Sehnsüchte auf das übermäßig lange Zölibat zurück, das ihm durch den tragischen Tod seines Bruders aufgezwungen worden war, und durch die Umstände, die ihm die Rolle des Herrschers wider Willen beschert hatten.
Er richtete seine Krawatte, zerrte an seinem Kragen und schenkte Kate ein höfliches Lächeln. „Wie es aussieht, haben wir unser Ziel erreicht.“ Und keinen Augenblick zu früh. Sonst hätte er vielleicht vergessen, wer er war und was ihm fehlte – nämlich ein Leben, das er nach seinen Vorstellungen führen konnte.
Kate schien sein Unbehagen nicht aufzufallen. Sie sah aus dem Fenster zu dem schlichten einstöckigen Gebäude. „Das Krankenhaus sieht sehr nett aus.“
Marc glaubte, einen Hauch von Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören; das half seinem Körper wenigstens, wieder zu einem Zustand relativer Schicklichkeit zurückzufinden. „Es ist klein, und es fehlen moderne Apparate, aber ich bin entschlossen, das bald zu ändern.“
Doriana brauchte ganz allgemein bessere Einrichtungen jeder Art und mehr Ärzte. Wenn das Krankenhaus besser ausgestattet wäre und besseres Personal hätte, wäre sein Bruder vielleicht noch am Leben, und er, Marc, könnte noch immer seiner Reiselust frönen, statt sich als Regent zu beweisen.
Kate lächelte verständnisvoll. „Solche Dinge brauchen Zeit.“
Marc konnte ihr nur recht geben, aber er hatte das ungute Gefühl, dass er keine Zeit hatte.
Als Nicholas die Wagentür öffnete, nahm Marc Kates Hand und half ihr beim Aussteigen. Ihre schlanken Finger schlossen sich um seine, und diese Berührung spornte ihn zu weiteren Fantasien über andere, nicht ganz so unschuldige Berührungen an. Wie sollte er weiterhin in Kates Nähe sein und es trotzdem schaffen, seine Beherrschung zu wahren?
Nur mit äußerster Willenskraft und Selbstbeherrschung.
Nachdem sie ausgestiegen waren, legte Marc wie selbstverständlich eine Hand auf Kates Rücken, womit jeder Gedanke an Willenskraft und Selbstbeherrschung im Keim erstickt wurde. Er bemühte sich verzweifelt, sich nicht lächerlich zu machen und sich nicht von seinem Verlangen zu einer Dummheit hinreißen zu lassen.
Er konzentrierte sich auf die dicht gedrängte Menge, die sich versammelt hatte, um ihn zu bestaunen. Die Menschen wurden von seinen Leibwächtern auf Abstand gehalten. Wie immer war Marc auch jetzt gezwungen, die Rolle des Königs zu spielen und sein offizielles Lächeln aufzusetzen. Kate blieb an seiner Seite, als er stehen blieb und einigen Neugierigen die Hand schüttelte. Es folgte spontaner Applaus, und einige Frauen deuteten auf Kate und flüsterten hinter vorgehaltener Hand.
Marc wurde klar, dass sie annahmen, Kate sei seine gegenwärtige Geliebte. Was sogar verständlich war, da er schon wieder eine Hand auf ihren Rücken gelegt hatte.
Marc brachte etwas Abstand zwischen sich und Kate und wurde gleich darauf von Dr. Jonathan Renault begrüßt – in Marcs Augen war der Mann ein ständiges Ärgernis.
„Guten Tag, Euer Majestät“, sagte Renault mit vor Sarkasmus triefender Stimme.
Marc traute ihm nicht, und die unverhohlene Art, mit der Renault Kate von Kopf bis Fuß musterte, gefiel ihm ganz und gar nicht. „Guten Tag, Dr. Renault“, erwiderte er mit gezwungener Höflichkeit.
Als er Kate weiterführen wollte, hielt Renault ihn auf, indem er sagte: „Je voudrais faire la connaissance de votre nouvelle petite amie.“
Petite amie. Offenbar noch jemand, der Kate für seine Geliebte hielt. Und neben dem Mangel an gutem Benehmen hatte Renault auch noch die Frechheit, eine Vorstellung zu verlangen.
„Zu Ihrer Information, Dr. Renault“, erwiderte Marc kühl, „das ist Dr. Katherine Milner, eine ausgezeichnete Ärztin.“
Renault schien der gereizte Ton nicht im Geringsten aus der Fassung zu bringen. Er schenkte Kate ein öliges Lächeln und schüttelte ihr die Hand. „Enchanté, Dr. Milner. Es würde mich freuen, Sie in meinem Stab begrüßen zu dürfen.“
Kate entzog ihm schnell die Hand, was Marc große Befriedigung verschaffte. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Doktor“, sagte sie ohne große Begeisterung.
Renault zwinkerte ihr zu. „Und ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung.“
Und damit schlenderte er gelassen davon.
Kate beugte sich zu Marc hinüber, bis ihre Lippen fast sein Ohr berührten. „Was hat er zu Ihnen gesagt?“
„Gehen Sie weiter.“ Marc nahm sie am Ellbogen und führte sie zum Eingang des Krankenhauses. Als sie die Stufen erreicht hatten, sagte er mit gesenkter Stimme: „Er äußerte die Ansicht, wir seien ein Liebespaar. Eine völlig absurde Annahme, aber Renault mangelt es leider an Zurückhaltung.“
Doch dann fragte er sich, ob irgendetwas an seiner eigenen Haltung, an der Art, wie er Kate ansah und sie berührte, diese Vermutung nahe gelegt hatte, womöglich nicht nur bei Renault.
Wenn das so war, dann würde er sehr viel vorsichtiger sein müssen. Er durfte niemanden glauben lassen, dass er Kate Milner zu seiner Geliebten gemacht hatte, selbst wenn er sich danach sehnte, genau das zu tun.
Himmel, was für absurden Fantasien hing sie nach! Sie träumte ja wie ein Teenager.
Kate blinzelte und riss sich aus ihrem Tagtraum. Bis zu diesem Moment hatte sie sich vorgestellt, eine Prinzessin zu sein, die ihre Untertanen zusammen mit ihrem Prinzen begrüßte, der sie ständig berührte, als wollte er jedem zu verstehen geben, dass sie zu ihm gehörte.
Er ist König, verbesserte sie sich, und ganz offensichtlich das Objekt der Begierde aller Frauen in diesem Land. Und er hat die freie Wahl. Du bist keine Figur in einem Märchen, und dieser Monarch ist nicht an der kleinen Kate Milner interessiert, die nicht dem Adel entstammt.
Dr. Renault hingegen hatte großes Interesse gezeigt. Der Gedanke an ihn ließ sie zusammenzucken. Der Mann jagte ihr Angst ein.
Doch nichts davon war jetzt wichtig. Sie war aus beruflichen Gründen hier, nicht um sich in Tagträumen zu verlieren, in denen sie die Geliebte eines Königs war. Sie war überzeugt, Marc DeLoria würde diese Vorstellung äußerst albern finden.
Kate folgte Marc ernüchtert die Stufen zum Eingang hinauf, an dem zwei Wachen zurückblieben. Sie war angenehm überrascht über die modernen Innenräume. Das fast leere Wartezimmer war mit praktischen und doch bequemen Möbeln ausgestattet. Ein Schild am Fahrstuhl wies in französischer und spanischer Sprache auf die verschiedenen Abteilungen hin. Kate sprach nur sehr wenig Spanisch und gerade genügend Französisch, um sich nach Restaurants zu erkundigen. Sie hatte Sprachkassetten und Lehrbücher mitgebracht, um dem abzuhelfen, denn sie würde sich mit den Patienten verständigen müssen.
Sie gingen zur Anmeldung, wo Marc die freundliche ältere Dame, die vor einem Computerbildschirm saß, liebenswürdig anlächelte. Die Frau griff zum Telefon und kurz darauf kam ein distinguiert wirkender Mann mit schütterem grauem Haar zu ihnen. „Ah, Dr. Milner, wie ich annehme. Ich bin Dr. Louis Martine, der Oberarzt. Wir sprachen am Telefon miteinander, als Sie sich bewarben.“
Kate gab ihm die Hand. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie endlich kennenzulernen, Dr. Martine.“
Er neigte den Kopf und sah sie dann nachdenklich an. „Sie haben einen wirklich einzigartigen Akzent.“
Offenbar machte der starke Südstaatenakzent hier großen Eindruck. „Aus dem Süden der Vereinigten Staaten.“
Dr. Martine lächelte. „Très charmant, ce qu’il faut pour une si belle femme.“
„Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht.“
„Sehr charmant und passend für eine so schöne Dame“, erklärte Marc mit einem anerkennenden Blick.
Kate spürte, wie sie rot wurde. Sie hatte sich äußerlich vielleicht verändert, indem sie statt einer Brille Kontaktlinsen benutzte, femininere Kleidung trug und sich von einer guten Kosmetikerin beraten ließ, aber ansonsten war sie immer noch das unauffällige, bescheidene Mädchen von früher. Oft genug fand sie sich selbst jetzt noch zu dünn, zu klein, zu ungeschickt, zu schüchtern. Was hatte sie bloß hier bei einem König verloren?
Dummes Zeug! rief sie sich zur Ordnung. Du wirst dich gefälligst nicht von deiner Unsicherheit unterkriegen lassen.
Marc machte eine einladende Handbewegung in Richtung auf eine verglaste Tür. „Wollen wir jetzt die Führung fortsetzen?“
Kate folgte Marc und Dr. Martine durch ein Labyrinth von Fluren, bis sie eine Station erreichten, in der sich Eltern mit ihren Kindern aufhielten. Bei den vertrauten Krankenhausgerüchen begann Kate sich wieder in ihrem Element zu fühlen und entspannte sich.
Sie gingen auf eine Tür zu, neben der eine attraktive dunkelhaarige Schwester mit riesigen blauen Augen und großen Brüsten stand, die Marc mit so gierigen Blicken bedachte, als wäre er das Tagesgericht auf ihrer Speisekarte. Er achtete nicht weiter auf sie, sondern führte Kate in ein kleines Büro.
„Das wäre Ihre Station, wenn Sie sich entscheiden sollten, den Posten anzunehmen“, sagte er.
Kate bemerkte, dass auf dem Schreibtisch ein einziges Durcheinander aus Krankenberichten und Kaffeebechern herrschte. „Wem gehört das Büro im Moment?“
„Jonathan Renault, unserem jetzigen Arzt für Allgemeinmedizin“, sagte Dr. Martine. „Ich fürchte, Sie werden es sich mit ihm teilen müssen, bis wir einen anderen Raum für Sie einrichten können.“
Na, herrlich. Kate freute sich nicht besonders auf die gemeinschaftliche Büronutzung.
„Sie werden sich doch sofort darum kümmern, Louis, nehme ich an“, sagte Marc.
„Aber natürlich, Euer Majestät. Es sollte nicht länger als ein, zwei Tage dauern, falls sie sich entschließt, zu uns zu kommen.“
Das blieb noch abzuwarten. Kate sah sich schon jetzt zwei sehr schwierigen Herausforderungen gegenüber – der Sprachbarriere und dem Ungeheuer namens Renault. Und vielleicht waren es sogar drei, wenn sie Marcs Ausstrahlung dazuzählte.
Dr. Martine betrachtete das Stethoskop auf seiner Brust. „Dr. Renault ist ein guter Arzt, aber ich fürchte, er ist nicht so sehr an der Praxis und seinen Patienten interessiert, wie wir uns wünschen würden.“
Marc runzelte die Stirn. „Das ist wohl eine große Untertreibung, Louis.“ Er sah Kate mit einem ironischen Lächeln an. „Renault interessiert sich sehr viel mehr für das weibliche Personal. Ich habe ihn bereits gewarnt, dass er nach Paris wird zurückkehren müssen, wenn mir noch eine Beschwerde zu Ohren kommt.“
„Oh. Und zu welchen Zeiten arbeitet er?“ Wenn sie Glück hatte, würde sie ihm gar nicht begegnen – falls sie überhaupt blieb.
„Da das Krankenhaus nur tagsüber geöffnet ist, werden Sie mit ihm zusammenarbeiten“, sagte Dr. Martine.
Zu früh gefreut, dachte Kate.
„Wenn er sich daneben benehmen sollte, sagen Sie mir Bescheid“, erklärte Marc. „Dann übernehme ich ihn.“
„Ich bin sicher, dass ich allein mit ihm fertig werde“, erwiderte sie ein wenig spitz. Sie mochte ja zierlich sein, aber sie wusste, wohin man sein Knie platzieren musste, um den Liebeshunger eines Mannes zu dämpfen.
Es klopfte an der Tür, und die Schwester mit dem Schlafzimmerblick kam herein. Sie wechselte einige Worte mit Dr. Martine, der sich dann an Marc wandte. „Sie haben einen Anruf vom Palast, Euer Majestät. Auf Leitung eins.“
Nachdem er das Telefon unter dem Durcheinander auf dem Schreibtisch entdeckt hatte, nahm Marc den Hörer ab. Kate verstand wieder nichts von dem, was er sagte, aber es war ihm nur allzu deutlich anzumerken, dass ihm etwas Sorgen bereitete. Als er auflegte, sagte er zu ihr: „Wir müssen sofort zum Palast zurück. Es hat einen Vorfall gegeben.“
„Soll ich nicht besser bleiben? Dr. Martine kann mir den Rest der Station zeigen.“
„Ich werde vielleicht Ihre Dienste als Ärztin brauchen.“
Kate runzelte die Stirn. „Ist jemand verletzt worden?“
„Nicht ganz. Aber es geht um ein Kind.“
Marc betrat den Empfangssalon des Palastes, und Kate folgte ihm auf dem Fuß. Seine Mutter saß auf dem Sofa, das Kind im Arm, das der Grund für Marcs eilige Rückkehr war. „Ich hoffe sehr, dass du mir das erklären kannst, Marcel“, sagte die Königinmutter.
„Erklären? Es scheint sich um ein Kind zu handeln, Mutter.“
Sie erhob sich mit der ihr eigenen Anmut und legte Marc zu dessen Bestürzung das Baby in die Arme. „Und es scheint sich um deine Tochter zu handeln, mein Sohn.“
Marc hörte, wie Kate scharf Luft holte. Er selbst hatte sekundenlang keine Kraft zu atmen. Nachdem er sich ein wenig von dem Schock erholt hatte, sagte er: „Das ist nicht mein Kind.“
In diesem Moment hob das Baby den Kopf, wurde tiefrot und begann aus vollem Hals zu schreien. Marc hatte bisher nicht gewusst, dass ein so winziges Geschöpf einen so großen Lärm machen konnte. Und er wusste auch nicht, was er tun sollte, als es anfing, sich in seinen Armen zu winden. Je stärker er es festhielt, desto verzweifelter kämpfte es gegen ihn an.
„Lassen Sie mich mal.“ Kate nahm ihm das Kind ab, legte es sich an die Schulter und tätschelte ihm den Rücken. Die Kleine beruhigte sich sofort, und das Schluchzen verwandelte sich in leises Schnüffeln.
Kate hatte ihn wieder gerettet. Marc bemerkte den missbilligenden Ausdruck auf dem Gesicht seiner Mutter. „Ich verstehe nicht, wie du glauben kannst, dass das mein Kind ist, Mutter.“
Sie wandte sich an ihre Begleiterin, die betreten dastand und aussah, als würde sie sich liebend gern in Luft auflösen. „Beatrice, bringen Sie mir bitte den Brief.“
Die junge Frau eilte herbei und reichte ihr ein schlichtes Blatt Papier. Marcs Mutter nahm es entgegen und gab es ihrem Sohn. „Das Baby wurde in einem Kinderwagen am Tor stehen gelassen, mit einer Tüte voller Kleider und einem Babyfläschchen. In der Tüte fanden wir diesen Zettel.“
Marc starrte auf die wenigen Zeilen. Sie waren in Englisch abgefasst worden und kurz, aber deutlich.
„Sie heißt Cecile. Sie ist eine DeLoria“, las er vor.
Er stopfte den Zettel in seine Jackentasche. „Das beweist nichts. Es ist offensichtlich nur ein Schwindel.“
„Sieh sie dir doch an, Marcel.“
Marc besah sich die Kleine, die jetzt auf Kates Hüfte saß und sich mit einem Knopf an ihrer Jacke beschäftigte. Sicher, sie hatte seine Haarfarbe und seine blauen Augen, aber das hieß nicht, dass sie sein Kind war. Er war immer sehr vorsichtig gewesen. Und er war seit Elsa Sidleberg – einem internationalen Supermodel – mit keiner Frau intim gewesen, und das war über ein Jahr her. Das Ganze ergab überhaupt keinen Sinn.
„Auch ihr Aussehen beweist gar nichts“, sagte er.
„Aber es beweist auch nicht das Gegenteil“, erwiderte seine Mutter.
Kate kam einen Schritt näher. „Vielleicht kann ich helfen.“
Marc fiel ein, dass seine Mutter und Kate sich noch nicht vorgestellt worden waren. Aber unter diesen Umständen konnte man ihm diesen Fehler vielleicht nachsehen. „Kate, darf ich Ihnen die Königinmutter vorstellen, Mary Elizabeth Darcy DeLoria. Mutter, das ist Dr. Kate Milner.“
Kate lächelte und gab ihr die freie Hand. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Entschuldigen Sie, aber wie darf ich Sie ansprechen?“
Marcs Mutter schüttelte Kate kurz die Hand. „Ich ziehe es vor, wenn Sie mich Mary nennen.“ Sie warf Marc einen spöttischen Blick zu. „Jetzt kennen Sie schon unsere Familiengeheimnisse, also denke ich, dass wir uns die Formalitäten sparen können.“
Marc schloss sekundenlang resigniert die Augen. „Ich habe keine Geheimnisse, Mutter. Das ist nicht mein Kind.“
Mary strich dem Baby über das Haar. „Warum sollte das dann jemand einfach behaupten, Marcel?“
Marc fiel nur eine Antwort ein, und obwohl es ein Risiko war, sie auszusprechen, musste er es tun. „Vielleicht ist sie Philippes Kind.“
Seine Mutter warf ihm einen so entsetzten Blick zu, als hätte er behauptet, ein Heiliger habe sich unsittlich betragen. „Das wäre unmöglich. Philippe ist seit fast einem Jahr nicht mehr unter uns.“
Marc wandte sich an Kate. „Was würden Sie sagen, wie alt sie ist?“
„Mindestens sechs Monate, vielleicht auch älter, falls sie klein ist für ihr Alter.“
„Also ist sie kurz vor oder kurz nach Philippes Tod zur Welt gekommen. In jedem Fall wurde sie empfangen, als er noch am Leben war.“
„Philippe war mit der Countess Jacqueline Trudeau verlobt.“
„Dann ist sie ja vielleicht die Mutter.“
„Unsinn. Sie hat nicht lange nach Philippes Tod einen anderen Mann geheiratet.“
Wahre Liebe, dachte Marc zynisch. „Dann hat Philippe vielleicht mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt.“
„Philippe hätte niemals sein eigenes Kind verleugnet“, sagte Mary aufgebracht.
„Aber ich würde es tun?“, warf Marc gereizt ein.
„Als seine Mutter hätte ich gewusst, wenn er etwas verbergen wollte. Er war nie sehr geschickt im Lügen. Es fehlte ihm an der Gerissenheit, die du in großem Ausmaß demonstrierst.“
„Willst du damit sagen, dass ich dazu neige, meine Mitmenschen zu belügen?“
„Ich will sagen, dass du immer geschickter und nicht so leicht zu durchschauen warst. Bei Philippe war das anders.“
„Natürlich. Philippe war ein Heiliger.“ Marc konnte den Sarkasmus und die Verbitterung nicht unterdrücken, obwohl auch er seinen Bruder bewundert hatte. Aber er hatte auch immer in seinem Schatten gestanden.
Der Ausdruck in den Augen seiner Mutter wurde weicher. „Mein lieber Marcel, wir haben dich in den vergangenen Jahren kaum zu Gesicht bekommen. Wir wussten nur, was wir in den Zeitungen über dich lesen konnten.“
„Und wusstet du zu jedem Zeitpunkt alles über Philippes Kommen und Gehen, Mutter? Darf ich dich daran erinnern, dass niemand wusste, wo er in der Nacht hinwollte, als er starb?“
„Deine Unterstellung, dass dein Bruder mit einer Frau eine Affäre hatte, von der ich nichts wusste, ist zutiefst verletzend.“
Kate verfolgte den Wortwechsel bedrückt, und obwohl es sie überhaupt nichts anging, beschloss sie, etwas zu unternehmen. „Es gibt Möglichkeiten, festzustellen, wer der Vater des Kindes ist“, warf sie ein.
Marc und seine Mutter sahen Kate an.
„Vielleicht durch ein Muttermal?“, fragte die Königinmutter hoffnungsvoll. „Marc hat ein sehr ungewöhnliches Muttermal auf …“
„Mutter, ich glaube, Dr. Milner bezog sich eher auf etwas Wissenschaftlicheres.“
Das stimmte, aber Kate musste zugeben, dass sie gern gewusst hätte, wo Marcs königliches Muttermal sich befand. „Ich beziehe mich auf einen DNA-Test.“
Marc rieb sich den Nacken. „Dafür sind wir leider noch nicht ausgerüstet. Wir werden mit Paris zusammenarbeiten müssen.“
„Das geht nicht“, sagte seine Mutter erschrocken. „Wir müssen es geheim halten, bis wir wissen, was wir tun wollen. Die Zeitungen würden dich in Stücke reißen, wenn sie auch nur ahnen sollten, dass du ein uneheliches Kind gezeugt haben könntest. Du würdest den Respekt unseres Volkes verlieren.“
Kate konnte das sehr gut verstehen. Sie war selbst beunruhigt. „Ich kann ihr eine Blutprobe abnehmen und ihre Blutgruppe bestimmen, aber ohne die Blutgruppe ihrer Mutter wird uns das nicht viel verraten.“
„Meine Blutgruppe ist ziemlich selten“, sagte Marc. „Würde das etwas ändern?“
„Ja, wenn das Baby die gleiche hat. Das könnte beweisen, dass es ein Mitglied Ihrer Familie ist, aber es schließt immer noch keinen aus. Welche Blutgruppe hatte Philippe?“
„Die gleiche wie Marc“, sagte Mary. „In der Nacht, als er starb …“ Ihre Stimme brach, und sie wandte sich etwas ab.
Marc stieß einen Seufzer aus. „Meine Mutter wollte sagen, dass ich in der Nacht, als Philippe starb, wegen eines diplomatischen Auftrags in Deutschland war. Er erlitt bei einem Autounfall schwere innere Verletzungen und verlor sehr viel Blut. Und ich kehrte nicht rechtzeitig zurück, um ihn mit einer Blutspende zu retten.“
Kates Herz zog sich voller Mitleid zusammen, aber sie konnte nichts sagen, um Marcs Schmerz zu mildern.
„Dr. Martine kann uns alle ärztlichen Unterlagen geben, da er der offizielle Arzt des Königshauses ist“, meinte Mary. „Wir können uns darauf verlassen, dass er diskret ist.“ Sie zögerte, bevor sie hinzufügte: „Und ich nehme an, wir können uns auch auf Sie verlassen, Dr. Milner?“
Marc machte instinktiv einen Schritt auf Kate zu, als wollte er sie beschützen. „Mutter, Kate ist Ärztin und untersteht somit der Schweigepflicht.“
Mary hob leicht ihr zartes Kinn. „Kate? Wie gut kennt ihr beide euch denn?“
„Kate, verzeihen Sie meiner Mutter. Sie stammt zwar aus einer vornehmen aristokratischen Familie, aber sie wäre trotzdem ein guter schonungsloser und kaltschnäuziger Staatsanwalt geworden.“
Die Königinmutter tätschelte ihm voller Zuneigung die Wange. „Genau wie du, mon fiston.“
„Falls es dir entgangen sein sollte, Mutter. Ich bin nicht mehr dein kleiner Junge.“
„Ja, du bist jetzt ein Mann und selbst verantwortlich für alles, was du tust.“
„Kate und ich kennen uns von der Universität“, fuhr Marc fort, ohne auf die versteckte Anspielung einzugehen. „Ich versichere dir, dass wir uns seit Jahren nicht gesehen haben.“
„Wir waren nur Laborpartner“, warf Kate verlegen ein.
Marc lächelte. „Und sie ist gekommen, um sich dem Ärztestab in Doriana anzuschließen.“
Das Baby wand sich auf Kates Hüfte und jammerte protestierend. „Ich glaube, wir sollten bis morgen mit den Tests warten“, sagte Kate. „Die Kleine hat heute schon genug durchgemacht.“ Und ich nicht weniger, dachte sie.
Die Königinmutter lächelte Kate freundlich an. „Willkommen, meine Liebe. Wir freuen uns sehr, Sie bei uns zu haben.“
Kate hätte am liebsten gesagt, dass sie sich noch nicht entschieden hatte, aber Mary und ihr Sohn sahen sie so erwartungsvoll an, dass sie es nicht übers Herz brachte.
Sie würde erst einmal bleiben, doch wenn sich herausstellen sollte, dass das Baby von Marc war und er eine arme Frau im Stich gelassen hatte, dann würde sie ihre Meinung ändern. Sie konnte keinen Mann respektieren, der zu so etwas fähig war.
„Danke. Ich bin froh, hier zu sein.“ Fürs Erste, fügte sie im Stillen hinzu.
Marc verbrachte den Rest des Nachmittags damit, zahlreiche Erkundigungen einzuholen, die allerdings nur ergaben, dass niemand zu wissen schien, wer das Baby vor das Schlosstor gelegt hatte. Er traf sich mit Louis Martine, erklärte ihm die Situation und vereinbarte, sich am nächsten Morgen im Krankenhaus mit ihm zu treffen, damit Kate die Tests machen konnte. Martine versicherte ihn seiner Vertrauenswürdigkeit, und Marc blieb nichts anderes übrig, als ihm zu glauben. Leider konnte er nicht dasselbe vom übrigen Krankenhauspersonal erwarten, deshalb würden sie sehr vorsichtig vorgehen müssen.
Enttäuscht und erschöpft kehrte Marc zurück ins Schloss, und Beatrice führte ihn zu den Räumen hinauf, die früher einmal Philippes und sein Kinderzimmer gewesen waren, jetzt aber als Gästezimmer dienten. Kate saß in einem Schaukelstuhl und hielt das schlafende Baby an ihrer Schulter. Sie hielt einen Finger an ihre Lippen, stand behutsam auf und legte die Kleine in eine Wiege. Das Baby rührte sich kurz, aber Kate rieb ihr beruhigend den kleinen Rücken, und gleich darauf war es wieder still. Kate machte Marc ein Zeichen, ihr in den Flur hinaus zu folgen.
Dort schloss sie die Tür zum Kinderzimmer hinter ihnen und seufzte. „Ich denke, dass sie jetzt wohl endlich schlafen wird. Es hat eine ganze Weile gedauert. Offenbar ist sie es gewöhnt, dass jemand sie in den Schlaf wiegt.“
Marc rieb sich den schmerzenden Nacken, aber die Anspannung ließ nicht nach. „Wahrscheinlich von ihrer Mutter, wer immer sie sein mag.“
„Ja, sicher. Und sie hat sich gut um Cecile gekümmert. Sie ist kerngesund, soweit ich sehen kann. Morgen mache ich alle nötigen Tests, um sicherzugehen.“
Marc sah kurz auf die geschlossene Tür. „Ich bin überrascht, wie schnell Sie das Zimmer wieder in ein Kinderzimmer verwandelt haben.“
Kate zuckte die Achseln. „Ich habe bloß mit Cecile gespielt, während das Personal die Möbel herumschob.“
„Meine Mutter hat ja wohl ihre Beziehungen spielen lassen, um so schnell eine Wiege geliefert zu bekommen.“
„Das war früher Ihre Wiege.“
„Ich wusste gar nicht, dass meine Mutter sie behalten hat.“
„Ihr liegt offensichtlich sehr viel an Ihnen“, sagte Kate leise.
Marc nickte. An der Liebe seiner Mutter hatte er nie gezweifelt, aber nach dem heutigen Tag war er nicht so sicher, dass er noch ihren Respekt hatte. „Wo ist sie übrigens?“
„Sie hatte Kopfschmerzen, also bestand ich darauf, dass sie zu Bett geht. Es ist wahrscheinlich die Aufregung.“
„Ich hoffe, wir klären die ganze Sache bald auf. Seit Philippes Tod hat sie viel durchgemacht. Und jetzt auch noch das hier.“
Kate nickte verständnisvoll. „Ja, sie hat viel durchgemacht, aber Sie auch.“
Wie nett von ihr, an meine Gefühle zu denken, dachte Marc. Ein seltenes Ereignis in diesem Palast. „Ich habe mich daran gewöhnt.“ Er war dazu gezwungen gewesen. Es blieb ihm keine Zeit, an mehr als an seine Pflicht zu denken. Es blieb ihm auch keine Zeit, zu trauern.
„Und sind Sie sicher, dass Sie sich daran gewöhnt haben?“, fragte Kate.
„Natürlich.“
Kate gähnte und hielt sich die Hand vor. „Entschuldigung.“
„Aber nein, eine Entschuldigung ist nicht nötig“, sagte er. „Sie müssen erschöpft sein von der Reise.“ Ihr Lächeln brachte seinen Puls zum Rasen.
„Ja, ich bin müde. Beatrice war einverstanden, im Zimmer neben Ceciles zu schlafen, falls das Baby in der Nacht aufwacht. Glauben Sie, Mr Nicholas könnte mich zu meinem Hotel fahren?“
Marc wollte sie noch nicht gehen lassen. Er wollte mehr Zeit mit ihr verbringen, obwohl er wusste, dass es egoistisch und unklug von ihm war. „Wollen Sie nicht lieber hier bleiben? Es ist doch schon so spät.“
„Meine Sachen sind im Hotel, und ich möchte gern ein Bad nehmen.“
Marc stellte sich unwillkürlich vor, wie sie in der Wanne lag – und zwar in jeder Einzelheit. Er sah ihre sanft gerundeten Hüften, die schlanken Schenkel und die festen Brüste, auf denen sein Blick jetzt prompt verweilte.
Kate wies auf einen Flecken über ihrer rechten Brust. „Erbsenbrei. Die kleine Cecile hat einen guten Appetit, und sie wirft gern mit ihrem Essen. Ihre Treffsicherheit ist bemerkenswert.“
Marc berührte eine Locke von Kates dunklem Haar. „Ja, ich glaube, hier entdecke ich auch einige Reste.“
Ihre Blicke trafen sich, und Kate sagte: „Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie mich brauchen.“
Marc brauchte sie jetzt schon, aber er durfte seinem Impuls nicht nachgeben. Er ließ die Hand sinken und trat einen Schritt zurück. „Ich werde Sie selbst zum Hotel fahren.“
Sie sah ihn beunruhigt an. „Sind Sie sicher? Sie sehen ziemlich müde aus.“
„Ich verspreche Ihnen, ich bleibe lange genug wach, um Sie sicher abzuliefern.“
Und er versprach sich, dass er sie vor ihrer Hoteltür allein lassen würde, weil sonst die Gefahr bestand, dass er die ganze Nacht bei ihr blieb.
Eine kühle Brise strich über Kates Gesicht, während sie in Marcs Sportwagen durch die dunklen Straßen von St. Simone fuhren. Kates Füße in den neuen engen Pumps schmerzten sie schon eine ganze Weile, und sie war versucht, sie einfach auszuziehen. Aber dann sagte sie sich, dass es besser war, das sein zu lassen, damit Marc nicht auf falsche Gedanken kam.
Als ob sie in ihrem jetzigen Zustand je auf die Idee verfallen könnte, ihn zu verführen. Ihr Kostüm war zerknittert, ihr Haar zerzaust, und sie war völlig erschöpft.
Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Er wirkte sehr gelassen. Der Wind wehte ihm sein blondes Haar in die Stirn, und damit sah er so verwegen und sexy aus wie James Bond. Kate atmete tief ein und genoss den Augenblick.
Kurz darauf fuhr Marc vor dem kleinen Hotel an den Straßenrand und stellte den Motor ab. Sofort parkten zwei weitere Wagen, einer vor ihnen, einer hinter ihnen. Marc sah in den Rückspiegel und sagte leise: „Ich wünschte, sie würden mich dieses eine Mal zufriedenlassen.“
„Sie sind nur um Ihre Sicherheit besorgt.“
„Ich bezweifle sehr, dass irgendwelche Terroristen im Hotel auf mich warten, in der Hoffnung, dass ich mitten in der Nacht hier auftauchen könnte. Sie scheinen zu vergessen, dass ich mein ganzes Leben auf mich selbst aufgepasst habe.“
„Aber das war, bevor Sie König wurden.“
„Es kommt mir vor, als wären seitdem Jahrzehnte vergangen.“ Er drehte sich ihr zu. „Ich möchte Ihnen noch einmal danken, Kate.“
„Keine Ursache, und ich habe ja auch kaum etwas getan.“
„Unterschätzen Sie Ihre Hilfe nicht. Ich bin nicht sicher, dass meine Mutter mit der Situation fertig geworden wäre, wenn Sie nicht bei ihr gewesen wären.“
„Was glauben Sie, wird jetzt geschehen? Mit dem Baby, meine ich.“
„Im Moment bin ich viel zu müde, um mir darüber Gedanken zu machen.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. „Und Sie sicher genauso. Und trotzdem sehen Sie sehr schön aus.“
Kate hielt den Atem an. „Sie machen Witze, nicht wahr?“
„Nein, ich meine es sehr ernst.“
Kate ermahnte sich, daran zu denken, dass Marc DeLoria ein Meister der Verführungskunst war und offensichtlich verzweifelt, wenn er ausgerechnet sie für schön hielt. Sie lächelte. „Natürlich, Euer Majestät. Und jetzt gute Nacht.“
„Kate, wenn wir allein sind, könnten wir uns eigentlich duzen, meinst du nicht? Wir sind schließlich alte Bekannte.“
„Und wenn ich mich im falschen Moment verplappere?“
Er lachte. „Dann heißt es natürlich Kopf ab!“
Kate legte eine Hand an ihre Kehle. „Vielleicht bleibe ich doch lieber bei Euer Majestät. Es wäre sehr schwer, ohne Kopf meine Patienten zu behandeln.“
Er wurde plötzlich ernst. „Wirklich, du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du mich duzt und mich Marc nennst. Ich könnte einen Freund gut gebrauchen.“
Und sie konnte mehr innere Stärke gut gebrauchen. „Okay, Marc. Wir können gern Freunde sein.“
„Danke.“
Er sah so erleichtert aus, so ehrlich, so verdammt sexy, dass Kate den heftigen Wunsch verspürte, sich ihm an den Hals zu werfen und ihn zu küssen, bis sie beide keine Luft mehr bekamen.
Jetzt ist aber genug, sagte sie sich energisch.
Sie musste nach oben gehen, ein Bad nehmen und ins Bett gehen. Auf keinen Fall durfte sie so etwas Dummes tun und sich davon überzeugen, ob er sie vielleicht begehrenswert fand. Wie albern. „Danke fürs Herfahren. Den Rest schaff ich schon allein.“
„Unsinn.“
Er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Wildkatze, stieg aus und ging um den Wagen herum. Kate sah ihn fassungslos an, als er ihr die Tür öffnete.
„Na?“, fragte er. „Worauf wartest du?“
Darauf, dass mein Puls sich beruhigt, zum Beispiel. „Wirklich, ich kann allein hineingehen.“
Er lächelte auf seine umwerfende Art. „Du willst dich dem König widersetzen?“
„Wenn du es so ausdrückst, werde ich wohl nachgeben müssen, bevor du mich in den Kerker werfen lässt.“
Aber nur bis in die Lobby, sagte sie sich. Dort würde sie sich von ihm verabschieden und allein nach oben gehen. Marc folgte ihr in die leere Eingangshalle. Nur ein Mann von Mitte vierzig stand hinter der Rezeption. Er blieb beim plötzlichen Erscheinen des Königs und seines Gefolges völlig teilnahmslos. War Marcs Anwesenheit in diesem Hotel vielleicht gar nicht so ungewöhnlich?
Kate war zu müde, um jetzt darüber nachzudenken. Sie brauchte dringend Schlaf. Als sie sich an Marc wandte, um ihn fortzuschicken, fragte er: „Hast du deinen Zimmerschlüssel?“
Sie wühlte in ihrer Tasche, holte den Schlüssel heraus und hielt ihn hoch. „Da ist er, also habe ich alles, was ich brauche. Bis morgen.“
Er nahm ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, den Schlüssel aus der Hand. „Ich bringe dich hinauf.“
Nur das nicht, dachte sie. Dann kann ich für nichts garantieren. „Ich finde auch allein zu meinem Zimmer, Marc.“ Sie versuchte, ihm den Schlüssel abzunehmen, aber er schob ihn schnell in seine Hosentasche, wo sie sich natürlich nicht hinwagte. In der Hosentasche des Königs herumzuwühlen wäre vermutlich ein nie da gewesener Verstoß gegen die Etikette. Aber Spaß würde es sicher machen.
Marc nahm sie seelenruhig beim Ellbogen und führte sie die Treppe hinauf. Als sie ihr Zimmer erreichten, sah er sie an und sagte: „Hast du Angst vor mir, Kate?“
„Natürlich nicht.“ Sie hatte eher Angst vor sich selbst und ihrer Schwäche für ihn.
„Das brauchst du auch nicht. Ich verspreche dir, dass meine Absichten ehrenhaft sind.“
„Wie schade.“ Wer hatte denn das gesagt? Doch nicht etwa sie, Kate, die Unzugängliche, die jeden Annäherungsversuch mit einer einzigen scharfen Abfuhr vereiteln konnte. Dabei hatte er sich gar nicht an sie herangemacht. Vielleicht hatte sie es sich unbewusst gewünscht. Was sonst war der Grund für ihre anzügliche Bemerkung?
Marc beugte sich leicht zu ihr hinab. „Inwiefern wäre das schade?“
„Ach, es ist mir nur so rausgerutscht, mehr nicht.“
„Mehr nicht?“, wiederholte er mit rauer Stimme.
Oder doch, sehr viel mehr, dachte Kate, als er näher kam und näher, bis seine Lippen nur Zentimeter von ihrem Mund entfernt waren.
Sie wünschte sich so sehr, dass er sie küsste, dass er mehr in ihr sah als nur eine tüchtige Ärztin, mehr als eine gute Freundin.
Aber statt sie zu küssen nahm Marc ihr Gesicht zwischen beide Hände und lehnte seine Stirn an ihre. „Es geht nicht, Kate.“
Sie sah zur Seite, wo ein Leibwächter an der Treppe stand. „Ich verstehe. Wir haben Publikum.“
„Es ist nicht nur das. Zwischen uns kann es nichts geben.“
Kate senkte den Blick, um ihre Betroffenheit zu verbergen. „Ich weiß. Ich wäre sicher nicht die beste Wahl.“
„Das stimmt nicht.“ Er hob ihr Kinn sanft an, damit sie ihn ansehen musste. „Du bist eine schöne, bemerkenswerte Frau, Kate. Und es wäre jetzt so unglaublich leicht für mich, dich zu küssen, mit dir ins Zimmer zu gehen, dich auszuziehen und dich die ganze Nacht lang leidenschaftlich zu lieben. Aber weil ich bin, der ich bin, ist es mir nicht erlaubt. Ich habe noch zu viel zu beweisen.“
„Was musst du beweisen?“
„Dass ich nicht mit jeder Frau auf diesem Erdball geschlafen habe.“
„Ach nein?“
Er lächelte schief. „Nein. Ich bin mit vielen Frauen ausgegangen, und ich war früher nie für lange Zeit allein, aber ich habe nicht so viele Geliebte gehabt, wie man allgemein annimmt.“