Die Kunst der Filmkomödie Band 1 - Franz Stadler - E-Book

Die Kunst der Filmkomödie Band 1 E-Book

Franz Stadler

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Beschreibung

Worüber der Filmzuschauer lacht und wie die Gagmaschine Kino funktioniert - das erklären Filmjournalist Manfred Hobsch und Programmkino-Pionier Franz Stadler im zweibändigen Handbuch "Die Kunst der Filmkomödie": kenntnisreich, aber subjektiv, geleitet von persönlichen Einschätzungen, dennoch orientiert an Fakten - und ohne mit übersteigerter Interpretationssucht den Spaß am Lesen verderben zu wollen. Im ersten Band stellen die Autoren die Grundformen, Stilmerkmale und Hauptthemen der Filmkomödie in ihrer geschichtlichen Entwicklung von der Stummfilmgroteske bis zur Comedy von heute vor. Sie erläutern in einem systematischen Überblick die feinen Unterschiede zwischen Slapstick und Satire, Gesellschaftskomödie und Sophisticated Comedy, Parodie und Klamotte, Romantic Comedy und Tragikomödie, analysieren die Mechanismen der Komik und die Möglichkeiten von Gags, und sie porträtieren 60 der besten Komödienregisseure von Almodovar bis Zucker-Abrahams-Zucker sowie 70 bedeutende Filmkomiker von Abbott & Costello bis Robin Williams. Im zweiten Band über "Die Kunst der Filmkomödie" präsentieren die Autoren die eintausend besten Filmkomödien.

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Franz Stadler / Manfred Hobsch

Die Kunst der Filmkomödie

Band 1: Komiker, Gags und Regisseure

Inhalt

Prolog

TEIL 1: GRUNDFORMEN UND HANDLUNGSMUSTER DER FILMKOMÖDIE

Grundformen der Filmkomödie

Die Slapstickkomödie

Die Gesellschaftskomödie

Die Tragikomödie

Die Parodie

Die Satire

Personelle Grundkonstellationen der Filmkomödie

Komische Typen

Komische Paare

Ensemblekomödien

Grundthemen der Filmkomödie

David gegen Goliath

Romantic Comedies

Serenade zu dritt

Der Reigen

Make love, not war

Der Verführer lässt schön grüßen

Sex on the Beach

Screwball Comedies

Familienkomödien

Hochzeitstrouble

Situationskomödien

Culture Clash

Missverständnisse und Verwechslungen

Rollen- und Geschlechtertausch

Schwierige Aufgaben

Gaunerkomödien

Spaß mit Leichen

Pikarische Abenteuer

Komische Prämissen

Kleine Fluchten

Jagdgeschichten

Unvorhergesehene Ereignisse

Kulinarisches Kino

Die 20 Grundgags der Filmkomödie

Situationskomik: Der Mensch in einer peinlichen und lächerlichen Situation

Kleine Ursache – große Wirkung

Große Ursache – kleine Wirkung

Tücke der Objekte

Umwandlung der Dinge

Fehlverhalten

Die Kunst der Zerstörung

Anti-Gags

Running Gags

Verzögerungsgags

Spätzündung

Kettenreaktionen

Die Tortenschlacht

Körperliche Deformationen

Spiel mit der Gefahr

Verfremdungseffekte

Komische Nachahmung

Unangepasste Verhaltensweisen

Falsche Erwartungen und echte Überraschungen

Sprachgags

TEIL 2: ABC DER GROSSEN FILMKOMIKER

Abbott & Costello

Woody Allen

Rowan Atkinson

Roberto Benigni

Dany Boon

Bourvil

Mel Brooks

Jim Carrey

Charlie Chaplin

Chevy Chase

Billy Crystal

Danny DeVito

Heinz Erhardt

Pierre Étaix

Marty Feldman

Fernandel

W. C. Fields

Louis de Funès

Curt Goetz

Whoopi Goldberg

Cary Grant

Alec Guinness

Dieter Hallervorden

Tom Hanks

Goldie Hawn

Michael »Bully« Herbig

Terence Hill & Bud Spencer

Bob Hope

Danny Kaye

Buster Keaton

Laurel & Hardy

Jack Lemmon

Jerry Lewis

Max Linder

Theo Lingen

Harold Lloyd

Loriot

Nino Manfredi

Steve Martin

Die Marx Brothers

Walter Matthau

Bette Middler

Monty Python

Dudley Moore

Hans Moser

Eddie Murphy

Bill Murray

Maurizio Nichetti

Leslie Nielsen

David Niven

Die Olsen-Bande

Pat und Patachon

Raimu

Pierre Richard

Heinz Rühmann

Adam Sandler

Helge Schneider

Peter Sellers

Vittorio De Sica

Will Smith

Ben Stiller

Jacques Tati

Ugo Tognazzi

Totò

Peter Ustinov

Karl Valentin

Otto Waalkes

Mae West

Gene Wilder

Robin Williams

TEIL 3: DIE BESTEN KOMÖDIENREGISSEURE

Pedro Almodóvar

Wes Anderson

Alessandro Blasetti

Philippe de Broca

Detlev Buck

Tim Burton

Frank Capra

René Clair

Étienne Chatiliez

Die Coen-Brothers

Charles Crichton

Michel Deville

Tom DiCillo

Doris Dörrie

Stanley Donen

Blake Edwards

Nora Ephron

Marco Ferreri

Miloš Forman

Melvin Frank, Norman Panama

Stephen Frears

Terry Gilliam

Howard Hawks

Kurt Hoffmann

Juzo Itami

Agnès Jaoui

Anders Thomas Jensen

Jean-Pierre Jeunet

Cédric Klapisch

Emir Kusturica

John Landis

Mitchell Leisen

Richard Lester

Dani Levy

Ernst Lubitsch

Alexander Mackendrick

Leo McCarey

Norman Z. McLeod

Jiří Menzel

Nancy Meyers

Édouard Molinaro

Mario Monicelli

Harold Ramis

Carl Reiner

Rob Reiner

Alain Resnais

Dino Risi

Yves Robert

David O. Russell

Sabu

Coline Serreau

Ettore Scola

Preston Sturges

Jan Svěrák

Frank Tashlin

Francis Veber

John Waters

Lina Wertmüller

Billy Wilder

Sönke Wortmann

Robert Zemeckis

ZAZ: Jim Abrahams und die Zucker-Brothers

BONUS: DREI KOMÖDIENSCHMIEDEN

Judd Apatow

Ealing Studio: Tradition der Komödienqualität

Saturday Night Live

Literaturverzeichnis

© 2015 Mühlbeyer Filmbuchverlag

Inh. Harald Mühlbeyer

Frankenstraße 21a

67227 Frankenthal

www.muehlbeyer-verlag.de

Lektorat, Gestaltung: Harald Mühlbeyer

Umschlagbild: © Ivanov Valeriy/Thinkstockphotos

Umschlaggestaltung: Steven Löttgers, Löttgers-Design Birkenheide

ISBN:

978-3-945378-18-2 (Epub)

978-3-945378-19-9 (Mobi)

978-3-945378-10-5 (PDF)

978-3-945378-17-5 (Print)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Prolog

Kann man ernsthaft über Komödien schreiben? Soll man das überhaupt? Muss man unbedingt alles untersuchen, analysieren, kategorisieren? Verdirbt es einem nicht den Spaß, wenn man stets grübelt, worüber man gelacht hat und warum? Oder erhöht es nicht umgekehrt den Reiz, wenn man lachend durchschaut, weshalb man sich amüsiert hat? Jedenfalls hilft es, die guten Filmkomödien von den schlechten zu unterscheiden. Darum geht es in diesem Buch: um die gute Filmkomödie.

Das Publikum liebt Komödien. Die Filmproduzenten auch. Es ist die billigste Art der Filmproduktion. Man braucht keine prächtigen Kulissen, aufwändige Bauten, teure Komparsenheere, komplizierte Tricks, sensationelle Stunts, komplizierte Computereffekte, unbezahlbare Stars. Man braucht nur drei Grundvoraussetzungen: ein tolles Drehbuch voll origineller Ideen, ausgefeilter Sprachpointen und überraschender Gags, clowneske Komiker wie seriöse Schauspieler mit Freude am Spaß und einen Regisseur mit dem richtigen Gefühl für exaktes Gag-Timing. Und das ist das Problem. Nicht immer kommt dies alles zusammen.

Was ist komisch? Worüber lacht der Mensch? Anerkannte Geistesgrößen haben das wissenschaftlich untersucht und ihre Erkenntnisse in ihrer für den normalen Menschenverstand unbegreiflichen Geheimsprache verklausuliert, die einfachste Dinge in das Korsett der Verkomplizierung zwängt. Der Philosoph Theodor Lipps definiert in seinem Buch Komik und Humor (1989) als Grund jeder Komik »den unvermerkten Übergang von großen Dingen zu kleinen, wodurch eine unaufgelöste Spannung entsteht, die jene krampfartigen Bewegungen erzeugt, die wir Lachen nennen.« Sigmund Freud erklärt in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten das Wesen der Komik aus dem Zuviel oder Zuwenig im Vergleich zur Norm – »zuviel« ist das übereilte Slapsticktempo der Stummfilmstars, »zuwenig« die tölpelhafte Ungeschicklichkeit der Komiker. »Komik ergibt sich aus der Differenz zwischen der Realität, wie wir sie täglich erfahren, und ihrer Verformung im Groteskfilm«, notieren Hans Scheugl und Ernst Schmidt in ihrer Subgeschichte des Films.

Was im wirklichen Leben äußerst unangenehm ist und weh tut – das Ausrutschen auf der sprichwörtlichen Bananenschale – wirkt in der Sicht der Filmkomödie komisch. Je höher der Gefallene in seinem Ansehen, seiner Position, seiner Würde und seiner Protzerei erscheint, desto größer ist das schadenfrohe Vergnügen der Zuschauer. Der freie Fall wirkt als Gleichmacher für alle, die der Verlust des aufrechten Gangs der gleichen Lächerlichkeit preisgibt. Durch die Herabsetzung des Erhabenen, die Umwandlung des Dramatischen in den Bereich der Komik wird die Situation entschärft. Die Widrigkeiten des Lebens werden komödiantisch umgeformt durch die übertriebene Darstellung menschlicher Verhaltensweisen und heitere Auflösung ernster Konflikte. Der Zuschauer, der im täglichen Leben angemessen zu funktionieren hat, amüsiert sich über unangemessenes Verhalten, das Situation und Handeln als grotesken Widerspruch erfährt. Da wird die Zuschauererwartung komisch enttäuscht, wenn das Gegenteil dessen geschieht, was erwartet wurde. Ein Überraschungseffekt, der Grundelement aller Komik ist. Sogar ein Uralt-Gag wird noch seine Lachkraft entfalten, wenn er in einen überraschenden Zusammenhang mit dem Geschehen gesetzt wird.

Angesichts der Misere in der großen Welt, auf die wir keinen Einfluss haben, und der Misere in unserer kleinen Alltagswelt, auf die wir Einfluss nehmen können, fordert die Komödie auf, nicht alles so bitter ernst zu nehmen, und aktiviert so das menschliche Grundempfinden für Konfliktbereitschaft, Toleranz und Lebensfreude. Humor definiert Josef Lederle in seinem Essay im Band Ins Kino gegangen. Gelacht als »Grundeinstellung zum Leben, die sich der Widersprüchlichkeit unserer Zeit bewusst ist, ohne zu verzweifeln.« Für den Komiker ist die Welt ein Trauerspiel, das nur zu ertragen ist, wenn man es mit Komik überspielt. Als unverbesserlicher Optimist begegnet er dem täglichen Irrsinn mit Geist und Humor – zumindest mit Galgenhumor.

Komik steht in Ursache und Wirkung immer im Zusammenhang mit der Realität, manifestiert sich in der Darstellung gestörter Beziehungen zu unserer Welt, zu den Dingen, den Menschen, der Sprache und zu den Institutionen, die uns umgeben, prägen und beherrschen. Ob man über den Menschen lacht, der hilflos im Netz gesellschaftlicher Anforderungen zappelt, oder aber über die Lächerlichkeit eben dieser Spielregeln – das macht den humanitären Grundton der Komik aus und zeigt den Unterschied zwischen repressivem Humor, der verharmlost und mit einer unschönen Welt versöhnt, und befreiendem Humor, der auf bessere Möglichkeiten des Lebens weist. Aufsässig aggressiv und voller Destruktionslust reagierten etwa die alten Slapstick-Clowns auf die Widrigkeiten des Lebens, stellten die Ordnung auf den Kopf und versahen die spielerische Aufhebung aller Normen als Akt der Befreiung.

Es sind immer wieder die Konflikte des täglichen Lebens, die zum Ausgangspunkt der Filmkomödie werden. Komik ist immer gebunden an ihre Umgebung und ihre Zeit. So ist ihre Resonanz abhängig von den jeweiligen Lebensumständen, den nationalen, kulturellen und persönlichen Eigenarten des Betrachters. So wenig wie der teutonische Humor in anderen Teilen der Welt ankommt, so wenig wie wir den Humor aus fernen Ländern nachvollziehen können, deren Mentalität uns fremd erscheint, so unverständlich ist uns das, worüber sich unsere Vorfahren einst amüsiert haben.

Sprachen in der Vergangenheit die Filmkomödien hauptsächlich die Mittelschicht der erwachsenen Geldverdiener an, so verschob sich spätestens mit dem Aufkommen der Multiplexe in den 1980er Jahren und ihrem jugendlichen Publikum der Akzent auf diese einträgliche Besuchergruppe. Mit der filmischen Komödienausrichtung auf den kindlichen Albernheiten pubertärer Scherze um →Adam Sandler, →Ben Stiller oder →Jim Carrey begann korrespondierend mit dem ohrenbetäubendem Lärm effektstrotzender Action­spektakel die systematische Vertreibung des älteren Publikums aus den Kinosälen. Doch mit Beginn des neuen Jahrtausends erschraken die Filmproduzenten über den schleichenden Verlust des jungen Publikums, das sich vom passiven Filmegucken immer mehr abwandte hin zur interaktiven Freizeitgestaltung im elektronischen Multimediazirkus der Computerspiele, die in ihrer aufwändigen Perfektion die Produktionskosten von Hollywoods Megablockbustern übertreffen. Und ihre Gewinnmöglichkeiten ebenfalls! Seit das Internet in all seinen Möglichkeiten zum Lieblingsspielzeug der jungen Generation wurde, ist der Erlebnisort Kino nur noch eine von vielen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Reumütig besannen sich die Filmproduzenten des älteren Publikums, deren Filminteressen sie solange ignoriert hatten, und holten die Feel-Ever-Young-Generation, die heute fitter und unternehmungslustiger ist als ihre Altersgenossen vor 50 Jahren, mit Filmen wie QUARTETT (QUARTET, 2012, Regie: Dustin Hoffman), BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL (2012, Regie: John Madden) oder WIE BEIM ERSTEN MAL (HOPE SPRINGS, 2012, Regie: David Frankel) ins Kino zurück. Dieser Reifeprozess kommt der Komödienqualität zugute.

Wer sich über die Blödelkomik eines →Jerry Lewis oder das Grimassenschneiden eines Jim Carrey kaputt lacht, kann eventuell dem feinsinnigen Humor eines →Ernst Lubitsch in seinen amerikanischen Komödien nichts abgewinnen. Es hängt auch von der Intelligenz, der Bildung, dem Geschmack eines jeden Einzelnen ab, mit welcher Lachenergie er auf Leinwandkomik reagiert. All die feinen und unfeinen Nuancen der Filmkomik, vom zotigen Gag bis zur zynischen Satire, vom derben Klamauk bis zu feinsinnigen Anspielungen, vom durchgeknallten Irrsinn bis zum nachdenklich stimmenden Schmunzelhumor sind die Grundelemente und Bausteine der Filmkomödie. Ein Gag kommt selten allein. Er reiht sich nahtlos ein in ein gut geöltes Räderwerk vorbereitender, sich ergänzender, sich steigernder, sich überschlagener Gags, die als pointengenau getimte Lachpartituren den Filmrhythmus vorgeben.

Wie die Gagmaschine Kino funktioniert, möchten wir im folgendem darstellen, ohne mit übersteigerter Interpretationssucht den Spaß am Lesen verderben zu wollen.

TEIL 1

GRUNDFORMEN UND HANDLUNGSMUSTER DER FILMKOMÖDIE

von Franz Stadler

Das weite Feld der Filmkomödie in ihrer Erscheinungsvielfalt mit einem starren Regelwerk fest gefügter Formen und Inhalte eingrenzen zu wollen, gerät anders als bei den etablierten Genres Western oder Krimi, Horror- oder Animationsfilm zum wagemutigen Balanceakt über die komischen Abgründe einer Filmspezies, die in der Bandbreite ihrer Gestaltungsformen und der Unendlichkeit ihrer komödiantischen Variationsmöglichkeiten sich in einer eindeutig klaren, analytisch erforschbaren Begriffsdefinition entzieht.

Wenn die Hits des modernen Action-Kinos ihre Spannungsszenen mit lustigen Sprüchen und witzigen Überraschungen komödiantisch auflockern, weichen sie die Genregrenzen auf. Wo hört der Actionfilm auf? Wo fängt die Komödie an? Sind DER JÄGER DES VERLORENEN SCHATZESund MEN IN BLACK Action-Filme oder Komödien? Jedes Filmgenre – vom Western bis zum Krimi, von der Science Fiction bis zum Horrorfilm, vom Katastrophenspektakel bis zum Sexfilm, vom Historienschinken bis zum Schlagerfilm – lässt sich mit komödiantischen Einsprengseln verbinden, ohne gleich zur reinen Komödie zu werden. Denn dazu gehören mehr als nur ein paar lustige Sprüche und komische Szenen. Entscheidend ist, wie weit der Komödienton in der Grundhaltung und im Stil des Films das Geschehen bestimmt, ob er sich aus dem Inneren der Handlung heraus, aus dem Charakter, aus den menschlichen Beziehungen untereinander entwickelt.

Die Überschneidung der Genregrenzen macht es schwer, den Begriff der Filmkomödie exakt zu definieren. Um höchste Vergnüglichkeit zu bewirken, werden durch geschickte Verknüpfung mehrerer Themen neue Reize gewonnen, verschiedene Handlungsfäden und Komikelemente miteinander vermengt, satirische und parodistische Momente ins Geschehen eingefügt; wird die Situationskomik des Slapsticks mit den Wortgefechten gepfefferter Dialoge gewürzt, Liebesgeflüster mit wilden Verfolgungsjagden aufgescheucht und feinste Charakterkomik auf dem Schlachtfeld gröbster Zerstörungsorgien geopfert. Doch bei all dem komödiantischen Durcheinander kristallisieren sich bestimmte Grundformen und Grundthemen heraus, die in unterschiedlicher Gewichtung Inhalt und Gestalt der Komödien bestimmen und so ihr dramaturgisches Fundament bilden. Wie die einzelnen Filme dem Komödienschema folgen und dem Genre doch etwas Neues abgewinnen, macht ihre Qualität aus und bestimmt ihren Unterhaltungswert.

Die im folgendem erwähnten Filmtitel dienen dazu, die Ausführungen des Buchtextes beispielhaft zu untermauern, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wollen den Leser eher ermuntern, in seinem filmischen Langzeitgedächtnis nach weiteren passenden Titeln fündig zu werden.

Grundformen der Filmkomödie

Die Slapstickkomödie

Schon die erste Filmkomödie L’ARROUSER ARROSÉ (DER BEGOSSENE GÄRTNER) von den Brüdern Lumière aus dem Jahr 1895 enthielt Grundelemente der Slapstickkomödie: Ein Gärtner, dem ein Streich gespielt wird, ein Gartenschlauch, der sich wassersprühend selbstständig macht und die abschließende Jagd nach dem Täter – das Missgeschick, die Tücke der Objekte und die Verfolgungsjagd.

Die Wortherkunft von Slapstick, zusammengefügt aus »sticks«, Stöcke, die Zirkusclowns aneinander schlugen (»slap«), um den Beifall des Publikums herauszufordern, weist auf die Komiktradition des Zirkus, der Music Hall und des Variétés hin, wo Heerscharen von Groteskkomikern rekrutiert wurden, um dem Kinopublikum das Lachen zu lehren. Die ersten Stummfilmgrotesken wurden in Frankreich und England gedreht, bevor Mack Sennett als der selbst ernannte »King of Comedies« eine ganze Armee von Komikern auf die Welt los ließ, um komisches Chaos zu schaffen. Jeden seiner Komiker stattete er mit einem ganz speziellen Aussehen aus, das ihn als unverkennbar komischen Typen festlegte. Es war die Komik der zu großen Hüte, der zu kleinen Anzüge, der bombastischen Bärte und wulstigen Augenbrauen, der wieselflinken Dürren und der akrobatisch behänden Dicken. Besonders beliebt waren Mack Sennetts Spezialtruppen: Die stets im Alarmzustand befindliche Polizeitruppe der Keystone Cops, die für Ordnung sorgen sollte, aber nur Chaos stiftete, ebenso wie seine »Bathing Beauties«, die mit ihrem Sex-Appeal die Männer verwirrten. Eine Handlung gab es nicht; nur eine Grundsituation und was man daraus Komisches machen konnte.

Dass Film Bewegung sei, ist das Grundprinzip aller Mack Sennett-Grotesken. Die Rasanz des sich überschlagenden Geschehens, der rasche Wechsel von Orten und Szenen, das wahnwitzige Tempo der Inszenierung steigerten sich zu einer mitreißend verrückten Wirkung, die alle Beteiligten wie im Sog eines Taifuns durcheinander wirbelte, um im finalen Ritual der Verfolgungsjagd alle Manifestationen der bürgerlichen Ordnung und alle Errungenschaften der Technik mit der fröhlichen Energie hemmungsloser Zerstörungswut zu Bruch gehen zu lassen. Nicht nur die Menschen spielten verrückt, sondern auch die Dinge. Die Errungenschaften der Technik befreiten sich aus der Herrschaft der Menschen und wandten sich gegen ihre Erfinder und Nutzer: Lokomotiven, Autos, Schiffe und Flugzeuge entwickelten ein unsteuerbares Eigenleben und verweigerten ihre Dienste. Dass Sennett seine Grotesken ins Absurde und Surreale übersteigerte, lässt sie heute noch modern erscheinen.

Abb. 1 Buster Keaton auf führerlosem Motorrad in SHERLOCK,, JR.

Gilt Mack Sennet als Vater der Stummfilmgroteske, so ist der Produzent Hal Roach ihr Vollender. Er verlangsamte das Tempo, verfeinerte den archaischen Slapstickstil durch subtilere Gags und durch Psychologisierung seiner Figuren. Roach reduzierte seine Komik auf eine einfache Grundidee und wenige Darsteller, wobei er jeden Gag in allen möglichen Variationen durchspielte und die Wirkung nach Prinzip der Kettenreaktion steigerte. So wurde Hal Roach auch zum Mentor von →Laurel & Hardy.

Ein früher Star der Stummfilmgroteske war der Franzose →Max Linder in den 1910er Jahren, dessen vornehme Gentleman-Kleidung und dandyhafte Note im Gegensatz standen zum grotesken Outfit all seiner Slapstick-Kollegen. →Charlie Chaplin bezeichnete Max Linder als sein Vorbild. Von ihm übernahm er mit Anzug, Stöckchen und Bowler Hut die schäbigen Reste einer ehemaligen Eleganz. Der ewige Tramp war der ungekrönte König im Olymp der Slapstickstars. →Buster Keaton – der Mann, der niemals lachte – begegnete allen Gefahren und Problemen, die ihm auflauerten, mit stoischem Gleichmut, um sie mit artistischer Geschicklichkeit und konzentrierter Tatkraft zu überwinden. →Harold Lloyd war kein Wolkenkratzer zu hoch, um daran hochzuklettern und spaßige Spiele mit der Gefahr zu treiben. Laurel & Hardy, diese geniale Paarung aus infantilem Humor und zerstörerischer Komik, sind die einzigen Stummfilmkomiker, denen der Sprung in die Tonfilmära übergangslos gelang. Die Sprachpointen ihrer Dialogkunst haben ihre visuelle Komik verfeinert und verdoppelt.

Komiker wie →Jerry Lewis, →Jacques Tati, →Pierre Étaix, →Peter Sellers, →Marty Feldman, →Rowan Atkinson und →Jim Carrey haben Jahrzehnte später die Tradition der Situationskomik erfolgreich wiederbelebt. Die Komikergenies →Charlie Chaplin, →Buster Keaton, Jacques Tati, Pierre Etaix, →Woody Allen und →Mel Brooks haben ihre Filme selbst inszeniert. Und Meisterwerke des komischen Films geschaffen.

Die Gesellschaftskomödie

Mit dem Beginn des Tonfilms wanderte die Komik aus dem hektischen Treiben der Stummfilmclowns in die Dialoge des Tonfilms, was das Gagtempo langsamer und die Pointen feiner machte. Nicht länger war nur das komisch, was der Komiker tat. Damit ist die Situationskomik nicht aus der Tonfilmkomödie verbannt, aber sie ist nur ein Element des Komischen, besonders geeignet, das Filmtempo zu beschleunigen.

Wo die Handlung im Slapstick nur ein Vorwand war für eine Abfolge komischer Situationen, erzählt die Dialogkomödie richtige Geschichten, in denen der Held nicht unbedingt ein Komiker sein muss und in denen die charakterliche Vertiefung der Personen die Handlung des Films fest in der realen Welt verankert. So wird die Gesellschaftskomödie zum Abbild ihrer Umwelt und ihrer Zeit, in der sie spielt und deren Fehler und Schwächen sie persifliert. Komik entsteht aus den vergeblichen Versuchen des Helden, sich in seiner Umgebung zu recht zu finden, seine Ziele zu verfolgen und die ihm den Weg gestellten Hindernisse zu überwinden.

Nicht der komische Typ steht im Mittelpunkt, sondern ein Normalmensch mit seinen Problemen, die meist erotischer Natur sind. Statt der Situationskomik wird die Sprachkomik betont, die sich vom Slapstick das Wahnsinnstempo aneignet. So sind denn die Filmkomödien weniger durch ihre Komiker als vielmehr durch ihre Autoren und Regisseure geprägt. →Ernst Lubitsch, →Frank Capra, →Billy Wilder, →Preston Sturges, →Howard Hawks und →Stanley Donen waren Meister der eleganten Gesellschaftskomödie mit aktuellen Zeitbezügen und milder Selbstironie, welche die vornehme High Society-Welt mit überlegenem Spott porträtiert und satirische Pfeile gegen Kapitalismus, puritanische Moral, Reklamerummel und Psychiaterkult schießt. Lovestories, Dreiecksverhältnisse, Generationskonflikte und Familienprobleme werden in gehobenen Kreisen ausgetragen, was imposante Dekors und feine Dialogpointen ermöglicht.

Abb. 2: Streit in DER GOTT DES GEMETZELS

Seit Beginn des Tonfilms nützt das Kino die bühnenerprobten Vorlagen der Salon- und Boulevardkomödien mit ihren amüsanten Verwicklungen, erotischen Komplikationen, geschliffenen Dialogen und doppeldeutigen Anzüglichkeiten als Erfolgsformel für stargespickte Filmkomödien, die in der Form der »Sophisticated Comedy« ihre eleganteste Vollendung findet. Die feine Gesellschaft mit ihren luxuriösen Salons und ihrer Kunst des Müßiggangs bietet das ideale Forum für funkelnde Aphorismen und sarkastische Bonmots, geistreich formuliert von den Großmeistern der europäischen Salonkomödie Molière, Marivaux, Oscar Wilde, Georges Feydeau, Eugène Labiche, Jean Anouilh, Marcel Pagnol, Carlo Goldoni, →Curt Goetz, Noel Coward und weiter entwickelt von den Autoren unserer Zeit: Neil Simon, Alan Ayckbourn, Peter Shaffer, Ephraim Kishon, Joe Orton, Harold Pinter, Yasmina Reza.

Auch heute werden diese Theaterstücke aus zurückliegenden Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten immer wieder neu verfilmt, haben sie doch trotz ihrer historischen Angestaubheit nichts von ihrem Witz und ihrem Charme verloren. Roman Polanski überführt in seiner Verfilmung des aktuellen Theaterstücks von Yasmina Reza DER GOTT DES GEMETZELS (2011) die Grundform der Salonkomödie in die Jetztzeit und entlarvt im Streitdisput zweier gut situierter Ehepaare das versteckte Aggressionspotenzial, das hinter der Fassade zivilisierter Bürgerlichkeit lauert.

Als Kunstform des 20. Jahrhunderts bezieht sich die Filmkomödie auf die komischen Aspekte der Gegenwart, die sie dem Theater und der Literatur ebenso entnimmt wie der Präsenz des alltäglichen Lebens, das die Autoren, Komiker und Regisseure in ihrem Aberwitz, ihrer Widersprüchlichkeit und Absurdität einfangen. Regisseure wie Ernst Lubitsch, Frank Capra, →René Clair, →Francis Veber, →Coline Serreau, →John Landis, →Blake Edwards oder →Kurt Hoffmann haben sich auf Komödien spezialisiert und das komische Filmuniversum mit der Lachgarantie ihres individuell geprägten Kinohumors bestimmt, während einige der besten und schönsten Kunststücke des Genres von Regisseuren stammen, in deren Schaffen diese Filmspezies eher eine Ausnahme ist: von Monumentalfilmspeziallist David Lean (HERR IM HAUS BIN ICH, 1954), von Western-Regisseur John Ford (DER SIEGER, 1952), von Spannungsmeister Alfred Hitchcock (MR. UND MRS. SMITH, 1941; IMMER ÄRGER MIT HARRY, 1955), von den Meistern seriöser Filmkunst Ingmar Bergman (DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT, 1955), Louis Malle (ZAZIE, 1960; VIVA MARIA!, 1965), Stanley Kramer (EINE TOTAL, TOTAL VERRÜCKTE WELT, 1963), Pietro Germi (SCHEIDUNG AUF ITALIENISCH, 1961) oder Stanley Kubrick (DR. SELTSAM ODER: WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN, 1964). Komödien, die als künstlerische Meilensteine der Filmgeschichte gelten.

Die Tragikomödie

Im Gebiet der Gesellschaftskomödie ist die Tragikomödie angesiedelt – ein dramaturgischer Zwitter, in dem sich Ernstes und Komisches gegenseitig durchdringen. Da mögen Gags noch so erheitern, stets schimmert der ernste Hintergrund des Geschehens durch. Es obliegt der Kunst des Autors, des Regisseurs und der Darsteller, eine delikate Balance zu finden zwischen Ernst und Komik, in der die Gags nicht geschmacklos, die Scherze nicht peinlich, die Pointen nicht deplaciert sind angesichts des Dramas, das sich wirklich vollzieht.

Die Figuren der Tragikomödie geraten in menschliche Grenzsituationen, auf die sie reagieren, in denen sie sich beweisen müssen. Wie sie da hineingeraten und sich hinauszumanövrieren versuchen mit ungeeigneten Mitteln und unorthodoxen Methoden, mit unpassendem Verhalten und überraschendem Einfallsreichtum lässt sie komisch und tragisch zugleich erscheinen. Es geht um die Gefährdung des privaten Glücks, der beruflichen Existenz, des eigenen Lebens. Anders als bei der reinen Komödie kann der Zuschauer sich nicht auf glückliche Fügungen verlassen, die eine unglückliche Geschichte ins Positive wenden. Happy End hat in der Tragikomödie eher Seltenheitswert. Es bleibt das Prinzip Hoffnung. Und die Erkenntnis, dass das Leben weitergeht.

»Bill ist 32 Jahre alt. Er sieht aus wie 22. So sah er auch schon vor 5 Jahren aus. So sieht er auch in 20 Jahren noch aus. Ich hasse Männer.« Mit abgeklärter Resignation und scharfzüngigem Sarkasmus reagiert Schauspieldiva Bette Davis in ALLES ÜBER EVA (ALL ABOUT EVE, 1950) über die Gefährdung ihrer Attraktivität durch das Alter und die Bedrohung ihrer Karriere durch eine ehrgeizige Jungschauspielerin, die ihr die Rollen und den Mann wegzunehmen versucht, um ihren Platz im Starhimmel zu erobern. Den Reifeprozess eines Schriftstellers, der durch alle Höhen und Tiefen des Lebens geht, skizziert die John Irving-Verfilmung GARP UND WIE ER DIE WELT SAH (THE WORLD ACCORDING TO GARP, 1978) im Auf und Ab aberwitziger Situationen, komischer Katastrophen und tödlicher Geschehnisse. Sein heiles Familienleben droht zu zerbrechen, als ein Sohn stirbt und der Andere ein Augenlicht verliert, seine Frau ihn betrügt, ihr Liebhaber beim Fellatio durch einen bizarren Unfall seinen Penis verliert und seine als literarische Ikone der Frauenbewegung gefeierte Mutter einem Attentat zum Opfer fällt. Jack Nicholson rebelliert in EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST (ONE FLEW OVER THE CUCKOO’S NEST, 1975) gegen das strenge Regelwerk und menschenverachtende System einer Nervenklinik, die ihre Patienten zu willenlosen Zombies degradiert. AMERICAN BEAUTY (1999) seziert die Midlife Crisis eines Mannes, der die hohlen Werte seiner Wohlstandswelt und die Nichtigkeit des »American Dream« erkennt. Aus dem Einsamkeitsgefühl des Neu-Rentners heraus fährt Jack Nicholson in ABOUT SCHMIDT (2002) quer durch Amerika, um wieder Kontakt zu finden zu seiner weit verstreuten Familie, und →Bill Murray geht in BROKEN FLOWERS (2005) auf Spurensuche nach seinen verflossenen Liebschaften und seiner ihm unbekannten Tochter – Lebensodysseen, die sich als vergebliche Versuche erweisen, die Vergangenheit in den Griff zu kriegen. Auf die Reise begibt sich auch ein Behindertentrio, das auf einem ganz speziellen Spanientrip sexuelle Erfüllung findet. HASTA LA VISTA (2011) geht das Tabu Behindertensex als Tragikomödie an.

Abb. 3: So etwas wie Glück in DAS LEBEN IST SCHÖN

Kann man über den Holocaust komische Filme drehen? Ein Balanceakt zwischen Grauen und Komik über die Abgründe unheilvoller deutscher Vergangenheit ist der Versuch der Tragikomödie, die Schrecken der Naziherrschaft mit den Mitteln lächerlich machenden und entlarvenden Humors einzufangen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat →Charles Chaplin erklärt, wenn er gewusst hätte, wie schrecklich das Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Hitler-Deutschland war, hätte er DER GROßE DIKTATOR (THE GREAT DICTATOR, 1940) nicht drehen können. Um die grauenvolle Wirklichkeit erträglich zu machen, gaukelt Autor, Regisseur und Hauptdarsteller →Roberto Benigni in DAS LEBEN IST SCHÖN (LA VITA È BELLA, 1997) seinem kleinen Film-Sohn das Dasein im KZ als abenteuerlichem Versteckspiel vor; und in dem rumänischen Film ZUG DES LEBENS (TRAIN DE VIE, 1998) entert eine jüdische Dorfgemeinschaft einen ganzen Zug, um sich in Naziuniform-Verkleidung selbst in die Freiheit zu deportieren und so der Gefangenschaft durch die Nazis zu entgehen. Beim Versteckspiel überlebt nur der Sohn, der »Zug des Lebens« erweist sich in der Schlussszene als Freiheitstraum eines KZ-Insassen.

Das stete Schwanken zwischen Ernst und Komik ist das ideale Stilmittel, um die Komplexität der menschlichen Existenz in ihrer Widersprüchlichkeit, im dichten Nebeneinander von Drama und Komödie, Tragik und Lächerlichkeit als Grunderfahrung des Lebens wiederzuspiegeln. Eine Lebenserfahrung, die dem Kinozuschauer vertraut ist und zu einfühlsamer Anteilnahme am Filmgeschehen bewegt. Bei der reinen Komödie lacht der Zuschauer aus der Distanz der Überlegenheit über die komischen Gestalten auf der Leinwand. In der Tragikomödie lacht und weint er mit ihnen.

Die Parodie

In der Parodie macht sich das Kino über sich selber lustig. Die Filmgenres Western, Krimi, Horror- und Science Fiction-Film mit ihren fest gefügten Handlungsschemen und Standardsituationen reizen dazu, durch übertriebene Darstellung persifliert zu werden. Vertraute Kinosituationen werden angespielt, um sie durch komische Umwandlung lächerlich zu machen und die Zuschauererwartung zu düpieren. Das Gebaren der Komikhelden steht im grotesken Missverhältnis zum vertrauten Verhaltenskodex.

Der besoffene Revolvermann Lee Marvin in CAT BALLOU (1965), der sich nicht mehr auf dem Pferd aufrecht halten kann; der HOFNARR →Danny Kaye, der sich mit dem wechselnden Fingerschnipsen einer Hexe von einer Sekunde zur anderen vom kampfunkundigen Feigling zum kampflustigen Degenfechter wandelt (THE COURT JESTER, 1955); →Harpo Marx, der in DIE MARX BROTHERS IM WILDEN WESTEN (GO WEST, 1940) beim Revolverduell statt eines Colts eine Kleiderbürste aus dem Halfter zieht und den Gegner säubert; →Mel Brooks, der in seiner Hitchcock-Parodie HÖHENKOLLER (HIGH ANXIETY, 1998) statt von hackenden Krähen von kackenden Tauben attackiert wird; die Cowboys, die in IS’ WAS SHERIFF? (BLAZZING SADDLES, 1974) hoch zu Ross mitten in der einsamen Prärie von einer roten Ampel zum Halt gezwungen werden; die klassische Autoverfolgungsjagd, die in WAS GIBT’S NEUES PUSSY? (WHAT’S NEW PUSSYCAT?, 1965) mit Gocarts ausgetragen wird – in allen diesen Kinoparodien werden die üblichen Handlungsmuster gegen den Strich gebürstet, auf den Kopf gestellt und auf eine andere Ebene gestellt, wo sie unpassend und deshalb komisch wirken. Ein Grundmotiv aller Komik, der Sturz des Realen ins Absurde, des Erhabenen ins Banale ist der Wirkstoff der Parodie.

Was Kinoparodien so vergnüglich macht über den reinen Spaß hinaus, ist das Entschlüsseln der szenischen Anspielungen, das stets durchscheinende liebevolle Verständnis und die Bewunderung für das, was da parodiert wird.

Die Satire

Anders als die Parodie ist die Satire nicht auf befreiendes Gelächter aus. Sie beschäftigt sich nicht mit der Scheinwirklichkeit des Kinos, sondern mit der schnöden Realität, deren Missstände sie entlarvt. Sie greift bestimmte Erscheinungsformen unseres täglichen Lebens auf, um Fehlentwicklung zu kritisieren und deren Lächerlichkeit und Gefährlichkeit aufzuzeigen. Stilmittel der Satire sind die Karikatur und groteske Überzeichnung, um in einem grotesken Zerrspiegel widersinnige Verhaltensweisen und überholte Konventionen, Behördenwillkür und Raffgier unserer Gesellschaft anzuprangern.

Abb. 4: Verschiedene Führer in DER GROßE DIKTATOR

Die Heinrich Mann-Verfilmung DER UNTERTAN (1951) enthüllt mit beißendem Spott den autoritätshörigen Untertanengeist, der dem Hitler-Reich den Boden ebnete. →Charlie Chaplin karikiert im GROßEN DIKTATOR den menschenverachtenden Größenwahn Hitlers und in MODERNE ZEITEN (MODERN TIMES, 1936) das Ausgeliefertsein des Einzelnen im Räderwerk einer vollautomatisierten Technikwelt. Jean Renoir enthüllt in der SPIELREGEL (LA RÈGLE DU JEU, 1939) die Abgründe hinter den Verhaltensregeln der Gesellschaft, indem er die verschiedenen Schichten der Herrschenden und der Dienenden miteinander konfrontiert, während Luis Buñuel in DAS GESPENST DER FREIHEIT (LE FANTÔME DE LA LIBERTÉ, 1974) das Leben der besseren Gesellschaft ins Absurde überführt, indem er ihre Rituale umkehrt: zum Essen verzieht man sich allein aufs Klo und zur Darmentleerung versammelt man sich gemeinsam am Tisch. Von einem reinen Frauenteam gestaltet, stellt der schwedische Film NEHMEN SIE ES WIE EIN MANN, MADAME (TA DET SOM EN MAND, FREU, 1975) im Rollentausch von Mann und Frau die traditionellen Geschlechterrollen auf den Kopf: die beruflichen und sexuellen Aktivitäten gehen von der Frau aus, die hausfraulichen und dienenden Tätigkeiten bleiben dem Mann. Die absurden Verrücktheiten der modernen Großstadtwelt kontrastiert Louis Malle in ZAZIE (ZAZIE DANS LE MÉTRO, 1960) mit der unverkorksten Natürlichkeit einer Pariser Göre. Trotz Änderung der politischen Weltlage hat Stanley Kubricks Weltuntergangsatire DR. SELTSAM (DR. STRANGELOVE OR: HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB, 1964), die auf die fatalen Konsequenzen des atomaren Rüstungswettrennens und ihre verhängnisvollen Vergeltungsautomatik hinweist, nichts von ihrem beängstigenden Bedrohungspotenzial verloren.

Ist Satire nur aus zeitlicher Distanz erlaubt? Erst nach dem Mauerfall wurde →Billy Wilders Ost-West-Satire EINS, ZWEI, DREI (ONE, TWO, THREE - 1961) als Film von Kritik und Publikum gefeiert, wie auch →ChaplinsDER GROßE DIKTATOR und →LubitschsSEIN ODER NICHTSEIN (TO BE OR NOT TO BE, 1942) erst mit jahrzehntelanger Verspätung als humoristische Meisterwerke geehrt wurden. Zeitlich zu nah erschien dem deutschen Publikum die Schandzeit des Nationalsozialismus und die Tragödie der deutschen Teilung. Da bietet die englische Satire über den irrsinnigen Fanatismus islamischer Selbstmordattentäter FOUR LIONS (2010) mit ihrer Aktualität Sprengstoff für die Diskussion darüber, was Satire darf und was nicht.

Satire ist stets dem jeweiligen Zeitgeist verpflichtet. Mit aggressivem Lachen verzichtet sie auf die verharmlosende Wirkung versöhnlichen Humors und zielt auf die Erkenntnis dessen, worüber man lacht. Bis einem das Lachen im Halse stecken bleibt.

Personelle Grundkonstellationen der Filmkomödie

Komische Typen

Ein Komiker steht im Mittelpunkt. Seine Figur, sein Charakter, seine Kleidung, seine Gestik, sein komisches Talent sind fest umrissen und unveränderliche Merkmale im Auftritt komischer Alltagshelden. So wird er auf eine ihm feindlich gesinnte Welt losgelassen, in Situationen versetzt, denen er nicht gewachsen ist, und hilflos einer tückischen Umwelt ausgeliefert. Wie die Filmkomiker trotz all ihrer Fehler, Schwächen und Missgeschicke überleben und siegen, das ist der Inhalt ihrer Filme und die Stärke ihrer Komik.

Wie Monsieur Hulot Ferien in Chaos verwandelt und als MON ONCLE die moderne Technik sabotiert, wie →Jerry Lewis als tollpatschiger Trottel in jeder Lebenslage versagt, wie der cholerische Zappelphilipp →Louis de Funès als wild gewordener Kleinbürger den Existenzkampf gegen die ganze Welt führt, wie →Woody Allen alle Leiden des Großstadtneurotikers durchlebt, wie →Peter Sellers als Trottel-Inspektor Clouseau jedes Fettnäpfchen findet, in das er treten kann, wie →Heinz Rühmann als harmlos-unpolitischer Kleinbürger das »Dritte Reich« ebenso erfolgreich überlebt wie die Nachkriegszeit, wie →Rowan Atkinson als schusseliger Mr. Jedermann jeder Tücke des Alltags zum Opfer fällt – das hat jedem dieser Komiker seine eigene Popularität beschert.

Dass der Komikerfilm seine Effektivität direkt aus der Groteskkomik der Slapsticks ableitet, liegt in der Natur der Sache und ist ein Geheimnis seines Erfolgs.

Über wen das Publikum im Fernsehen abgelacht hat, den will es auch im Kino sehen. Und so kann es im Fernsehzeitalter nicht ausbleiben, dass alle beliebten TV-Komiker – von →Heinz Erhardt bis →Otto, von →Didi bis Christoph Maria Herbst – irgendwann mal ihre eigenen Kinofilme machen.

Komische Paare

Das Dick und Doof-Paar →Laurel & Hardy, der Tollpatsch →Jerry Lewis und der smarte Fraueneroberer Dean Martin, der Dampfhammer →Bud Spencer und der coole Blonde →Terence Hill, der cholerische Brummbär →Walter Matthau und das sensible Weichei →Jack Lemmon, →Fernandel, der schlagkräftige Diener Gottes Don Camillo, und sein kommunistischer Widersacher Peppone (Gino Cervi), Quasselstrippe →Eddie Murphy und Stoiker Nick Nolte – sie alle sind komische Paare, die sich tief ins filmische Gedächtnis der Zeit eingegraben haben.

Abb. 5: Pat und Patachon als Don Quichote und Sancho Pansa

Literarisches Vorbild dieser Männerpaare sind Miguel de Cervantes’ Don Quichote und Sancha Pansa – der reine Tor und der Pragmatiker. Die Komik resultiert aus ihrer Gegensätzlichkeit: Ihr unterschiedliches Naturell veranlasst sie zu steten rituellen Kleinkriegen, um andererseits ihre körperlichen Unterschiede und Fähigkeiten umso gezielter gegen die Attacken gemeinsamer Feinde einzusetzen. Und Feinde haben sie immer.

Nach gleichem Grundprinzip, das auf das Konfliktpotential ungleicher Paare setzt, erfolgt in DIE FILZLAUS (L’EMMERDEUR, 1973) der komische Dauerzwist zwischen dem Profikiller Lino Ventura und der alle seine Mordversuche sabotierenden Nervensäge Jacques Brel wie auch die Dauerfehde zwischen dem polnischen Juden →Danny Kaye und dem antisemitischen Krieger Curd Jürgens, die sich in JAKOBOWSKY UND DER OBERST (ME AND THE COLONEL, 1958) auf ihrer gemeinsamen Flucht ein bissiges Pointenduell liefern, bis sie erkennen, dass sie aufeinander angewiesen sind: der eine mit seiner listigen Intelligenz, der andere mit seinem Heldenmut. Die gegensätzliche Paarung bestimmt schon den Titel des französischen Überraschungserfolgs ZIEMLICH BESTE FREUNDE (INTOUCHABLES, 2011). Der hoch gebildete Gelähmte und der ungebildete Proll als sein Pfleger ergänzen sich zu einer Zweckgemeinschaft, die jeweils vom Anderen das Beste annimmt: der Gelähmte neue Freude am Leben und der Helfer einen Hauch von Bildung.

Aus dem Gegensatz der grundsätzlichen Verschiedenheit der Geschlechter zündet die Romantic Comedy komödiantisches Feuer. Die männlichen und die weiblichen Hauptakteure des erotischen Geschehens sind an und für sich nicht komisch – außer, wenn →Cary Grant die männliche Hauptrolle spielt. Komisch ist nur, was sie so alles treiben, um die Hindernisse, Fallen und Missverständnisse im Kampf der Geschlechter zu überwinden. Dass nach dem Happy End die Schlacht erst richtig beginnt, demonstrieren Michael Douglas und Kathleen Turner in der DER ROSENKRIEG (THE WAR OF THE ROSES, 1989) mit boshafter Vollendung, wenn sie es als ihre einzige Lebensaufgabe betrachten, den Liebespartner von einst fix und fertig zu machen.

Ensemblekomödien

Im Ensemble-Film gibt es keine Hauptfigur, keinen Starkomiker, der die Handlung in Gang setzt. Der Star ist das Ensemble. Eine Gruppe höchst unterschiedlicher Männer und Frauen trifft zusammen, weil sie ein gemeinsames Ziel haben oder einen gemeinsamen Feind. Wie in einem Rollenspiel repräsentieren sie gleichwertig verschiedene menschliche Typen, die im Gesamtgefüge des Films zur funktionierenden Einheit werden.

Louis Malles EINE KOMÖDIE IM MAI (MILOU EN MAI, 1990) wirbelt eine französische Großfamilie durcheinander, die getroffen wird vom Untergang der Bourgeoisie und dem Scheitern der jugendlichen 1968-er Revolte. PILGERN AUF FRANZÖSISCH (SAINT JACQUES – LA MECQUE, 2005) veranlasst verfeindete Familienmitglieder zu einer gemeinsamen Pilgerreise, wo sie auf dem Jakobsweg zu sich selbst finden. Die Bewohner der SONNENALLEE (2000) figurieren als burleskes Panorama des DDR-Systems mit all seinen Schikanen und Absurditäten. Und im indischen BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL (2012) findet eine Rentner-Gruppe neue Lebensperspektiven. Das Gaunerpersonal all der Einbruchsfilme vom großen Coup ist sowieso fester Bestandteil der Ensemblekomödien.

Aus der Gruppendynamik unterschiedlicher Charaktere entwickelt sich der Zündstoff für Zoff zwischen den einzelnen Mitgliedern der Zwangsgemeinschaft, wenn sie mit ihren persönlichen Macken und aufgestauten Aggressionen, unterschiedlichen Ambitionen und gegenseitigen Rivalitäten aufeinanderprallen. Doch der Weg ist das Ziel, auf dem sie sich zum Happy End wider alle Gegensätze zusammenraufen.

Grundthemen der Filmkomödie

In der Situationskomödie lacht man über komische Typen. Die Gesellschaftskomödie unterzieht die Konflikte des alltäglichen Lebens einer komischen Betrachtungsweise. Die Tragikomödie registriert das Filmgeschehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Satire kippt die Normen falscher Lebensformen ins Lächerliche. Die Kinoparodie lacht über sich selbst. Situationskomödie, Gesellschaftskomödie, Tragikomödie, Parodie, Satire – das sind die Grundformen der Filmkomödie, wie sie nur selten in »Reinform« erscheinen und deren Stilmerkmale sich in jedem Film neu und anders zu unerschöpflichen Variationen Lachmuskeln reizenden Kinovergnügens vermischen.

Während einerseits jede dramatische Geschichte als Ausgangsposition eines lustigen Films dienen kann, haben sich anderseits bestimmte Hauptthemen, immer wiederkehrende Motive und Grundkonstellationen herausgebildet, die besonders geeignet sind, die Filmkomödie zur vollen Entfaltung ihrer komischen Möglichkeiten zu bringen. Alle Komödien basieren auf diesen Handlungsmotiven, die immer wieder miteinander vermischt und weiter entwickelt werden.

David gegen Goliath

Der Kampf des Schwachen gegen die Starken, der nur mit List, Intelligenz und Fantasie zu gewinnen ist – das ist die ewige Grundsituation des Komikers: ein Symbolkampf zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Selbstverwirklichung und Unterdrückung. Wo die alten Slapstickkomiker Ungehorsam gegen Autoritäten und Gesellschaft lehrten und noch ihr Scheitern mit tragischer Note umwoben war, da hat der deutsche Kinohumor der fünfziger Jahre in Bewahrung braver Untertanenmentalität das rebellierende Individuum in seine Schranken verwiesen, indem es den lächerlich macht, der gegen die einmal gegebene Ordnung verstößt, und nur brave Einordnung mit Happy End belohnt – der Diener, der ein Herr sein will oder: der Arme, der vergeblich die Reiche begehrt. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Eine filmische Tradition, die vor allem in den →Heinz Rühmann-Filmen fröhliche Triumphe feierte.

Eigentlich lebt jede Komödie aus dem Grundkonflikt David gegen Goliath. Jeder Komödienheld hat seinen eigenen Goliath, mit dem er sich im Verlauf der Handlung auseinandersetzen muss – seien es stärkere und mächtigere Personen oder die Unüberwindbarkeit widriger Umstände und gesellschaftlicher Gegebenheiten, an denen er zu scheitern droht. Oder Herausforderungen, denen er nicht gewachsen erscheint. Oder Gefahren und Katastrophen, die ihn zu vernichten drohen. Im Spannungsfeld dieses Urkonflikts findet die Filmkomödie ihre Gags und ihre Geschichten.

Romantic Comedies

Wie zwei Liebende sich kriegen, ist das Grundthema der Romantic Comedies. Der im Grunde sentimentale Verlauf einer Liebesgeschichte wird ins Komische gewendet als Lovestory mit Hindernissen. Bevor Mann und Frau zum Paar werden, müssen persönliche Gegensätze, Standesdünkel, Vorurteile, Liebeskonkurrenten und böse Schwiegereltern überwunden werden. Zwei lernen sich kennen, beschnuppern sich, kokettieren mit ihrer Unschuld oder Verruchtheit, bekriegen sich, belügen sich, streiten sich und versöhnen sich spätestens zum Happy End. Der Weg dorthin ist gepflastert mit komischen Situationen, anzüglichen Dialoggefechten, schrulligen Figuren und aberwitzigen Überraschungen, die dazu dienen, das Ziel der erotischen Begierde aus seiner Reserve zu locken und um, wie es Roloff / Seeßlen in Klassiker der Filmkomik formulieren, »das emotionale Timing aufeinander abzustimmen.«

Überwiegend sind es die Männer, die auf Frauenjagd gehen. Einmal auf Freiersfüßen scheitern sie mit ungeschickten Verführungsversuchen ebenso wie mit ausgeklügelter Eroberungstaktik, letztlich aber am Ego ihres Männlichkeitswahns. In BETTGEFLÜSTER (PILLOW TALK, 1959) und EIN HAUCH VON NERZ (THAT TOUCH OF MINK, 1962) arbeiten sich Rock Hudson bzw. →Cary Grant unermüdlich an der unüberwindbaren Keuschheit der ewigen Jungfrau Doris Day ab. Und umgekehrt erledigen Katharine Hepburn in LEOPARDEN KÜSST MAN NICHT (BRINGING UP BABY, 1938) und Barbra Streisand in IS’ WAS DOC? (WHAT’S UP DOC?, 1972) den verführten Mann wie ein waidwundes Reh. Komik resultiert aus der penetranten Blindheit oder prüden Verweigerungshaltung des oder der Angebeteten gegenüber allen erotischen Avancen, der Ungeschicklichkeit amateurhaften Liebeswerbens und der grotesken Auflösung peinlicher Situationen.

Psychologisch wirkt die Liebeskomödie auf den Zuschauer, weil dieser die Emotionen von Peinlichkeit, von Schüchternheit, von tolpatschiger Balz und Abweisung selbst kennt – und hier in überzogener Form vorgeführt bekommt, so dass das, was im wahren Leben schmerzt, im Film in Lachen aufgelöst wird.

Serenade zu dritt

Abb. 6: Zwei Männer, eine Frau in SERENADE ZU DRITT

Eine Frau zwischen zwei Männern, ein Mann zwischen zwei Frauen – die Grundkonstellationen des Melodrams werden komödiantisch gelöst. Eine Frau kann sich nicht für einen Mann entscheiden, was man Miriam Hopkins in dem →Lubitsch-Film SERENADE ZU DRITT (DESIGN FOR LIVING, 1933) gern abnimmt, wenn sie zwischen Gary Cooper und Fredric March wählen soll. →Cary Grant versucht ausgerechnet am Hochzeitstag, Katharine Hepburn ihrem neuen Mustergatten auszuspannen (DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT – THE PHILADELPHIA STORY, 1940). In ENGEL (ANGEL, 1937) wird Marlene Dietrich als vernachlässigte Politikergattin von einem Charmeur in Versuchung geführt. Zahnarztlüstling wechselt von frischer Sexpuppe zu spätjüngferlicher Sprechstundenhilfe (DIE KAKTUSBLÜTE – CACTUS FLOWER, 1969). Scheues Reh (Audrey Hepburn) verliebt sich in Playboy William Holden und angelt sich den soliden Bruder Humphrey Bogart (SABRINA, 1954). Und in →Coline Serreaus WARUM NICHT! (POURQUOI PAS!, 1977) muss eine junge Frau eine delikate bisexuelle Balance finden gemeinsam mit ihrem Liebhaber und dessen Freund.

Um die unliebsame Konkurrenz zu vertreiben, sind dem Liebenden alle Mittel und Tricks recht. Wie diese Versuche erst einmal scheitern und ob sie nach vielen Komplikationen und Umwegen Erfolg haben, macht den Reiz der Dreiecksgeschichten aus. Am Ende gehen die Sexabenteurer leer aus, den Braven winkt das Happy End.

Der Reigen

Je höher der Personalbestand einer erotischen Komödie, desto weiter reicht das Themenfeld amouröser Verwicklungen und komischer Komplikationen. Max Ophüls hat in seiner Verfilmung von Arthur Schnitzlers REIGEN (LA RONDE, 1950) die Grund-Figurenkonstellation eines funktionierenden Liebeskarussells fest gelegt, dem wir in vielen erotischen Episodenfilmen immer wieder begegnen: der charmante Don Juan und die untreue Ehefrau, der schüchterne Liebhaber und die Sexbombe, die männliche Jungfrau und die liebestolle Witwe, der reiche Lebemann und das arme Mädchen, der sexuelle Versager und die erfahrene Lebedame, der Ehekrüppel beim Seitensprung und die Unschuld vom Lande. Im hormongesteuerten Episodenreigen kunstvoll verschachtelter Liebesaffären, flüchtiger Begegnungen und enttäuschter Hoffnungen werden die verschiedensten Personenkonstellationen durchprobiert in Filmen mit viel versprechenden Titeln: UND IMMER LOCKT DAS WEIB (1956), BOCCACCIO 70, SEXY (1962), IMMER DIE VERFLIXTEN FRAUEN (1959), DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT (1955) oder MÄNNERHERZEN (2009).

Liebe und Freundschaft – kann man das trennen? Das prickelnde Gefühl uneingestandener erotischer Gefühle zwischen Frauen und Männern im Freundeskreis scheint ein Spezialthema des französischen Films zu sein. Es taucht immer wieder auf im Beziehungsreigen befreundeter Paare, deren Partnertreue in Komödien wie EIN ELEFANT IRRT SICH GEWALTIG (UN ÉLÉPHANT ÇA TROMPE ÉNORMÉMENT, 1976), AFFÄREN À LA CARTE (LE CODE A CHANGÉ, 2009) oder KLEINE, WAHRE LÜGEN (LES PETITS MOUCHOIRS, 2010) auf die Probe gestellt wird. Im Verlauf eines anfangs harmonischen Miteinanders tauen verborgene Konflikte und unterdrückte Begierden auf, siegt der Sex über die Konventionen, zerbrechen Ehen und beginnen neue Partnerschaften.

Make love, not war

Mit Beginn der sexuellen Befreiung der 1970er Jahre verlor die Romantic Comedy ihren Grundkonflikt: Der Mann will nur Sex, die Frau die Ehe. Was ist noch kinoabendfüllend am Geschlechterkrieg, wenn die Liebe sofort zum Sex übergeht?

Da mussten andere Konfliktsituationen aufgebaut werden, um das gegenseitige Zusammenfinden der Liebenden auf 90 Kinominuten zu strecken: soziale Klassenunterschiede (NOTTING HILL, 1999), das Gebundensein in anderen Partnerschaften (DIE HOCHZEIT MEINES BESTEN FREUNDES – MY BEST FRIEND’S WEDDING, 1997), räumliche Entfernungen (SCHLAFLOS IN SEATTLE – SLEEPLESS IN SEATTLE, 1993). Oder es wird die Grundsatzfrage gestellt nach der prinzipiellen Unmöglichkeit glücklicher Beziehungen zwischen Mann und Frau, was schon →Loriot als Kurzformel definiert hat: Männer und Frauen passen nicht zusammen. →Woody Allen hat im STADTNEUROTIKER (ANNIE HALL, 1972) die unterschiedliche Empfindlichkeit der Geschlechter auf den Punkt gebracht, wenn ein und die gleiche Frage des Psychiaters nach der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs bei ihm und seiner Partnerin zu Antworten von diffiziler Unterschiedlichkeit führt: »Eigentlich kaum, nur dreimal die Woche.« und: »Ständig, dreimal die Woche«. Es ist nicht schwer zu erraten, wer was gesagt hat.

Der Verführer lässt schön grüßen

Liebe fern aller Romantik frönen die modernen Don Juans der Erotikkomödie, die wie unter psychotischen Zwang jede Frau erobern müssen und feste Bindungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Um jeden Gedanken an Heirat im Ansatz zu ersticken, gaukelt →Cary Grant in INDISKRET (INDISCREET, 1958) seiner Geliebten Ingrid Bergman vor, er sei verheiratet. Michael Caine als Frauenheld ALFIE (DER VERFÜHRER LÄSST SCHÖN GRÜßEN, 1966) schäkert von der Leinwand her mit dem Kinopublikum und lästert über die Frauen, die er verführt. Als unschuldiges Opfer weiblicher Reize stellt sich Peter O’Toole in WAS GIBT’S NEUES PUSSY? (WHAT’S NEW PUSSYCAT?, 1965) dar. Der Regisseur der Beatles-Filme →Richard Lester verrät in seiner Sexsatire DER GEWISSE KNIFF (THE KNACK – AND HOW TO GET IT, 1965) die Erfolgsregeln eines Schürzenjägers, um sie ad absurdum zu führen. Und in den HEXEN VON EASTWICK (THE WITCHES OF EASTWICK, 1987) ist es der Teufel höchstpersönlich in Gestalt von Jack Nicholson, der als diabolischer Verführer in das Leben dreier unbemannter Frauen einbricht.

Am Ende steht die schale Erkenntnis, dass Sex nicht alles ist im Leben, und manchmal sogar die reuevolle Bindung an einen festen Partner. Schlechtestenfalls sind diese Verführungskomödien männliche Eroberungsfantasien; bestenfalls ein Spiel mit den Klischees von Männlichkeit, die veralbert werden.

Sex on the Beach

Teenie-Komödien sind schon fast ein eigenes Subgenre, seit die israelische EIS AM STIL-Filmserie zu einem Zeitpunkt, da Ende der 1970er Jahre Sexualität im Jugendalter noch tabuisiert war, das Leben Jugendlicher in ihrer Torschlusspanik vor dem Eintritt ins Berufsleben und in den Ernst des Lebens thematisierte. In EIS AM STIL (ESKIMO LIMON, 1978) wie in allen anderen Teenie-Komödien dreht sich alles um Mädchen und Partys, jugendliche Streiche und sexuelle Erfahrungen.

In den amerikanischen High School-Varianten werden die vertrauten Standards der Romantic Comedy auf die kleine Welt zwischen Campus, Party und elterlichem Reihenhaus angewandt und in eine heile Welt ohne die hässliche Realität von Jugendgewalt, Drogensucht und Unterprivilegierten-Armut versetzt. Die Dialoge sind gewürzt mit dem gepfefferten Sexualvokabular pubertärer Scherze. Im Kino dieser Art bedient Hollywood das jugendliche Popcorn-Publikum, das überwiegend die Multiplexe bevölkert, und projiziert neue Idole auf die Leinwand, mit denen sich das junge Publikum identifizieren kann. Es gereicht diesen Filmen zum Vorteil, dass die jungen Darsteller und Regisseure wegen der geringen Produktionskosten Narrenfreiheit genießen und ihren jugendlichen Elan voll in ihre Filme einbringen können.

Abb. 7: Apfelkuchen als Sexobjekt: AMERICAN PIE

Am Anfang der amerikanischen Teenie-Filmwelle stand ein Apfelkuchen, ein penetrierter Apfelkuchen, was dem Film den Titel AMERICAN PIE (1999) gab und das Humor-Niveau bestimmte. Die Schule als sexueller Fortbildungskurs – hoch motiviert gehen vier Schulfreunde mit unterschiedlichen Erfolgsstrategien daran, bis zum Schulabschluss ihre Unschuld zu verlieren. Dem frischen Spiel der Darsteller und der Spontaneität der Inszenierung gelang es immerhin, selbst die derbsten Sexualscherze mit so argloser Leichtigkeit zu servieren, dass AMERICAN PIE als filmischer Akt der Befreiung für die verklemmte amerikanische Jugend gilt. ZEHN DINGE, DIE ICH AN DIR HASSE (TEN THINGS I HATE ABOUT YOU, 1999) poliert das Sex & Liebe-Thema mit dem Motiv von Shakespeares’ Der Widerspenstigen Zähmung auf, und EINE WIE KEINE (SHE’S ALL THAT, 1999) bedient sich bei Bernhard Shaws Pygmalion. Doch Shakespeare und Shaw in einem Atemzug mit amerikanischen Teenie-Klamotten zu nennen, grenzt schon an Klassikerschändung.

Dass es in der Jugend um mehr als nur um Spaß und Sex geht, zeigen zwei Filme, die ihre jugendlichen Helden bei aller Komik ernst nehmen. Mit nostalgischem Gefühl beschreibt George Lucas in AMERICAN GRAFFITI (1973) den Wochenendabend einer Freundesclique, die auf der Schwelle zum Erwachsenwerden Abschied von ihrer Jugend nimmt. Auf den Tanz FANDANGO (1985), den Casanova in seinen Memoiren als den wollüstigsten aller Tänze bezeichnet, bezieht sich ein früher Kevin Costner-Film, in dem Schulfreunde nach der Schulabschussfeier mit dem Vietnam-Einberufungsbefehl in der Tasche zu einem letzten Trip in die Freiheit aufbrechen. Mit lakonischem Witz und melancholischen Untertönen fängt FANDANGO die On the Road-Tour der fünf Chaoten ein, die sich zu einer Auseinandersetzung über Jugend, Reife und Freundschaft entwickelt.

Die Auflockerung unserer Gesellschaft im Umgang mit dem Tabuthema Sexualität hat dazu geführt, dass die vulgären Direktheiten des Fäkalhumors die Diskretion des Unaussprechlichen rüpelhaft beiseite gefegt haben. Wenn die pubertäre Freude an der Artikulation tabuisierter Sexualausdrücke die verbalen Schicklichkeitsgrenzen des Komödientons durchbricht, wird dies von vielen Zuschauern als schockierend und primitiv empfunden, während andere es als lustvollen Ausbruch aus dem beengenden Sittenkorsett einer scheinheiligen Doppelmoral betrachten, die mit Redeverbot belegt, was heimlich gedacht und gemacht wird. Die Teenie-Klamotten AMERICAN PIE (1999) und SUPERBAD (2007) mit ihren pubertären Zoten und peinlichen Geschmacklosigkeiten wurden so zu Kinohits des unfeinen Humors. Wo die Vulgarität ihr hässliches Haupt erhebt und der Comedy die Romantik raubt, sehnen sich ältere Kinogänger nach der feingeistigen Delikatesse des →Lubitsch-Touchs, der die unfeinen Pointen diskret verschwieg und der Fantasie des Betrachters überließ.

Screwball Comedies

Auch im Zeitalter hoher Scheidungsraten, Homo-Ehen und One-Night-Stands ist die simple Grundformel »Mann sucht Frau« mit ihrem romantischen Kern ein Erfolgsgarant beliebter Komödien von PRETTY WOMAN (1990) bis HARRY UND SALLY (WHEN HARRY MET SALLY, 1989), von VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL (FOUR WEDDINGS AND A FUNERAL, 1994) bis BESSER GEHT’S NICHT (AS GOOD AS IT GETS, 1997) geblieben. Doch die komischste Variation der Liebesspiele erblühte im Hollywood der 1930er und 1940er Jahren in Form der Screwball Comedy.

Es gibt zwei Handlungsabläufe, die all diesen Filmen zugrunde liegen: als amerikanische Variante von Shakespeares’ Der Widerspenstigen Zähmung versuchen Siegertypen wie Clark Gable, James Stewart, →Cary Grant, Henry Fonda oder Melvin Douglas die abweisenden Damen zu erobern. Das geschieht in ES GESCHAH IN EINER NACHT (IT HAPPENED ONE NIGHT, 1934), DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT (PHILADELPHIA STORY, 1940) oder BLAUBARTS ACHTE FRAU (BLUEBEARD’S EIGHTH WIFE, 1938).

In der anderen Handlungsvariante gehen die Frauen – in komischer Umkehrung klassischer Rollenmuster – auf Männerfang. Die kessen, selbstbewussten Damen Miriam Hopkins, Paulette Godard, Jean Arthur, Katharine Hepburn und Carole Lombard erwecken die in ihre Arbeit oder in fixe Ideen verrannten Männer aus ihrem erotischen Dornröschenschlaf. Dazu müssen sie die Herren der Schöpfung aus ihrer Ruhe aufscheuchen und außer Fassung bringen. Das gelingt ihnen, indem sie zielstrebig ihre männlichen Opfer von einer peinlichen Situation in die nächste manövrieren, bis sie erschöpft aufgeben. Der französische Regisseur Jacques Rivette bezeichnet dies als »die verhängnisvollen Etappen der Verblödung besonders intelligenter Menschen«, zu besichtigen in Filmen wie LEOPARDEN KÜSST MAN NICHT (BRINGING UP BABY, 1938), DIE SCHRECKLICHE WAHRHEIT (THE AWFUL TRUTH, 1937) und IS WAS DOC? (WHAT’S UP, DOC?, 1972).

Abb. 8: Die »Mauern von Jericho« - eine Wäscheleine zwischen Männlein und Weiblein in ES GESCHAH IN EINER NACHT

→Howard Hawks, →Preston Sturges, →Mitchell Leisen, →Leo McCarey und →Ernst Lubitsch sind Meister dieses Inszenierungsstils. →Frank Capra schuf mit ES GESCHAH IN EINER NACHT und MR. DEEDS GEHT IN DIE STADT (MR. DEEDS GOES TO TOWN, 1936) die ersten Screwball Comedies. In ES GESCHAH IN EINER NACHT jagt der abgebrühte Reporter Clark Gable einer ausgerissenen Millionärstochter hinterher, und Gary Cooper geht als Mr. Deeds in die Stadt, um als der große Naive des amerikanischen Kinos sich gegen aalglatte Rechtsverdreher, korrupte Beamte und geldgierige Verwandte zu wehren. Alfred Hitchcock hat in einer seiner wenigen Komödien die Probleme zwischen Mann und Frau als die komische Variante seiner Spannungsfilme konzipiert: MR. AND MRS. SMITH (1941) – George Montgomery und Carole Lombard müssen feststellen, das sie gar nicht verheiratet sind. Während die Frau die überraschende Freiheit auskosten will, möchte der Mann sein Eheleben wieder haben. Das bedeutet Kampf.

In den 1950er und 1960er Jahren verlor sich der Drive der Screwball Comedies in den harmlosen und prüden Liebesverkrampfungen der Doris Day-Komödien, bis Exkritiker Peter Bogdanovich in den 1980er Jahren das Genre mit seiner Gag-Hommage IS WAS DOC? revitalisierte.

Familienkomödien

Was geschieht nach dem Happy End? In zeitlich konsequenter Fortsetzung der Romantic Comedies handeln die Familienkomödien von dem, was danach passiert: der erste Ehestreit, das erste Baby, die Schwerstarbeit der Kindererziehung, die Schockbegegnung mit Schwiegersohn oder Schwiegertochter, Trouble mit der popeligen Verwandtschaft, das unvermeidliche Chaos großer Familienfeiern – all die Grundstationen im ewigen Kreislauf des ganz normalen Familienlebens.

In KUCK ’MAL, WER DA SPRICHT (LOOK WHO’S TALKING, 1989) ist es ein Baby, das die Fehler der frisch gebackenen Eltern aus seiner Sicht kommentiert; →Cary Grant wird in HAUSBOOT (HOUSEBOAT, 1958) mit dem plötzlichen Terror einer dreiköpfigen Kinderschar konfrontiert; Spencer Tracy und 40 Jahre später →Steve Martin müssen als VATER DER BRAUT (FATHER OF THE BRIDE, 1950 und 1991) die Hochzeit ihrer Tochter ertragen; in MEINE BRAUT, IHR VATER UND ICH (MEET THE PARENTS, 2000) blamiert sich →Ben Stiller als angehender Schwiegersohn mit seinen grotesk verunglückenden Versuchen, die Huld des erzkonservativen Brautvaters zu erringen. Ein heiles Familienleben der besonderen Art führt das Lesbenpaar Anette Benning und Juliane Moore in THE KIDS ARE ALL RIGHT (2010) mit ihren beiden Kids, bis diese ihren wirklichen Vater, den Samenspender ihrer Existenz, kennen lernen. Das Nesthockerproblem plagt in TANGUY – DER NESTHOCKER (2001) ein genervtes Elternpaar, das alles versucht, den erwachsenen Sohn aus dem Haus zu graulen, der nicht die Bequemlichkeit des »5-Sterne-Hotels Mama« aufgeben will.

Die innerfamiliären Probleme frisch gebackener Ehepaare, von Schwiegereltern und Brautvätern, die sich erst an eine neue Lebenssituation gewöhnen müssen, sind das Spannungsfeld der Familienfilme, die bestehende Grundkonflikte aufzeigen und diese auch zu lösen vermögen, durch gegenseitige Anerkennung, Toleranz und Humor. Sie bilden idealtypische Lebensmodelle der Gesellschaft ab, in denen sich das Kinopublikum wieder zu erkennen vermag.

→Cédric Klapisch und →Woody Allen zerstören in ihren Filmen TYPISCH FAMILIE (UN AIR DE FAMILLE, 1996) und HANNAH UND IHRE SCHWESTERN (HANNAH AND HER SISTERS, 1986) das Bild vom heilen Familienleben, als wollten sie die Thesen der amerikanischen Kolumnistin Susan Sonntag von der Kleinfamilie als »Tummelplatz der moralischen Unklarheit, Museum des Besitzdenkens, Brutstätte der Schuldgefühle, Schule der Selbstsucht« mit subversiver Komik bebildern. In TYPISCH FAMILIE entlarvt sich die zum gemeinsamen Essensritual vereinte Familie angesichts einer Krisensituation als Antigemeinschaft, die unfähig ist, die verdrängten Probleme und ungelösten Konflikte der Vergangenheit zu lösen. Woody Allen beobachtet in HANNAH UND IHRE SCHWESTERN mit der ihm eigenen Ironie das Leben einer New Yorker Intellektuellenfamilie, die mit all ihren Neurosen und Versagerängsten in die Sinnkrise einer existentiellen Verunsicherung gerät.

Eine vergnügliche Attacke auf die sexuellen Normen des heilen Familienlebens reitet die französische Komödie MEERESFRÜCHTE (CRUSTACÉS ET COQUILLAGES, 2005). Die Mutter hält sich einen Liebhaber, der Vater entdeckt seine Homosexualität, der Sohn testet sich im Spannungsfeld zwischen Hetero- und Homosexualität. Erst als die Familienmitglieder sich outen und befreien von der Heuchelei und den Heimlichkeiten, zu denen eine lustfeindliche bürgerliche Moral zwingt, finden sie in der fröhlichen Harmonie eines freien Liebelebens ihr wahres Glück.

Hochzeitstrouble

Kaum ein Fest ist so emotionsgeladen, mit solch feierlich-protziger Festtagsstimmung und privater Glückserwartung determiniert wie die Hochzeit. Aus unterschiedlichen filmischen Perspektiven betrachtet, bereiten die Vorbereitungen und die Durchführung einer Hochzeit den Grund und Boden für ein tückisches Minenfeld hochexplosiver Spannungen und komischer Katastrophen.

Abb. 9: Brautbrigade in BRAUTALARM

Im Gewand der Familienfilme hadern Spencer Tracy und →Steve Martin als VATER DER BRAUT damit, dass sie ihre Tochter verlieren und erweisen sich als die besseren Schwiegerväter, wenn sie erkennen, dass sie nicht ein Familienmitglied verloren, sondern eins dazu gewonnen haben. Dass mit jeder Hochzeit völlig verschiedene Familien miteinander zwangsverheiratet werden, wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die Problematik sozialer Unterschiede: reiche Wohlstandsbürger und arme Schlucker, uralter Geldadel und neureiche Emporkömmlinge, hoch gebildete Intellektuelle und ungebildete Arbeiter sollen sich auf einmal gern haben und vergessen, dass sie bislang in völlig verschiedenen Welten lebten. Wenn die Liebenden dann noch aus unterschiedlichen Kultur- und Religionskreisen stammen, sind die Hürden jahrhundertealter Traditionen und fundamentalistischer Bedenkenträger zu überwinden: ein ernster Kampf der Kulturen, der in Filmen wie MY BIG FAT GREEK WEDDING (2002), MONSOON WEDDING (2001) und EAST IS EAST (1999) heiter gelöst wird.

Es sind die besten Freunde des Bräutigams – so in DIE TRAUZEUGEN (A FEW BEST MEN, 2011) – und die besten Freundinnen der Braut – so in BRAUTALARM (BRIDEMAIDS, 2011) –, die in vertrauter Cliquengemeinschaft die Rituale traditioneller Hochzeitsvorbereitungen von der Kleiderprobe bis zum Junggesellenabschied abarbeiten und durch gut gemeinte, aber schlecht ausgeführte Ratschläge ins Fiasko grotesker Fehlentwicklungen und peinlicher Blamagen stürzen.

Dem Brautpaar kommt im Überschwang ihres Glücksgefühls erst kurz vor der Hochzeitszeremonie Bedenken ob der Richtigkeit ihrer Wahl. In der Neil Simon-Verfilmung HOTELGEFLÜSTER (PLAZA SUITE, 1970) schließt sich die verunsicherte Braut ins Klo ein. Mit unterschiedlicher Überredungskunst, mal zärtlich, mal autoritär, versuchen Eltern und Schwiegereltern, Geschwister und Freundinnen vergeblich, die abgetauchte Hauptperson der Hochzeit zum Verlassen ihrer Zufluchstätte zu bewegen. Und in VIER HOCHZEITEN UND TODESFALL (FOUR WEDDINGS AND A FUNERAL, 1994) schockiert der Bräutigam Hugh Grant mit seiner Verweigerung direkt vorm Traualtar die festliche Hochzeitsgemeinde, was ihm ein blaues Auge einbringt und die Liebe der einzigen Frau, die er wirklich liebt.

Es bleibt dem filmischen Chefanalytiker des American Way of Life, Robert Altman, vorbehalten, in seiner satirischen Attacke auf die Institution Ehe EINE HOCHZEIT (A WEDDING, 1978) gründlich den Mythos vom schönsten Tag des Lebens vor dem Hintergrund einer High Society-Hochzeit zu zerstören, deren Scheinidylle zerbricht, als im Verlauf des Tages dunkle, sorgsam verborgene Familiengeheimnisse enthüllt, Zwangs- und Suchtverhältnisse der Familienclans demaskiert werden und verdrängte Emotionen und enthemmte Aggressionen das Fest ins Chaos stürzen.

Situationskomödien

Abb. 10: PARTYSCHRECK-Chaos

Keine Handlung, nur eine Grundsituation und daraus resultierende Gags. Ein Tag aus dem Leben einer Waschanlage (CAR WASH, 1976), der Sommerabend einer amerikanischen Provinzjugend (AMERICAN GRAFFITI, 1973), das Versinken einer Prominenten-Party ins Chaos (DER PARTYSCHRECK – THE PARTY, 1968), das Katastrophenleben von →Jerry Lewis als Page im Luxushotel (HALLO PAGE – THE BELLBOY, 1960), die Ferienabenteuer des Herrn Hulot (1953). In konsequenter Folgerichtigkeit wendet sich eine alltägliche Situation zielgerichtet ins Chaos. Was die frühen Stummfilmgrotesken einst an Ort und Stelle improvisierten, wird zum Ausgangspunkt ausgeklügelter und abendfüllender Gag-Partituren.

Culture Clash

Wo unterschiedliche soziale Gruppen und Menschen anderer Völker aufeinander treffen, führt das unvermeidlich zu Kommunikationsschwierigkeiten und Fehlleistungen. Wenn der australische Naturbursche CROCODILE DUNDEE (1986) mit seinem urwüchsigen Outback-Outfit in die Großstadt New York verfrachtet oder Charles Laugthon als BUTLER IN AMERIKA (RUGGLES OF RED GAP, 1935) mit seinen feinen Manieren in den Wilden Westen versetzt wird, dann wirken ihre unangepassten Verhaltensweisen im Kontrast zur ungewohnten Umgebung so fehl am Platz wie komisch.

Was die Begegnung mit einer anderen Welt auszulösen vermag, zeigt der schottische Film LOCAL HERO (1983), in dem sich der Großstadt-Manager einer texanischen Ölfirma mit dem naturverbundenen Leben in einer schottischen Dorfidylle so sehr anfreundet, dass er die Naturzerstörungspläne stoppt. WILLKOMMEN BEI SCH’TIS (BIENVENUE CHEZ LES CH’TIS, 2008) fühlt sich auch ein in Frankreichs schlimmste Provinz strafversetzter Postbeamter, der einen ganz eigenen Menschenschlag mit einer ganz eigenartigen Sprache lieben lernt und die Lächerlichkeit klischeehafter Vorurteile erkennt. Dagegen scheitern in BOUDU – AUS DEN WASSERN GERETTET (BOUDU SAUVÉ DES EAUX, 1932) alle Versuche, den geretteten Clochard Michel Simon in die bürgerliche Welt einzugliedern am anarchischen Trieb und an der unverschämten Amoral des undankbaren Außenseiters.

Der Zwiespalt zwischen dem Zwang zur Anpassung und dem Verlust der eigenen kulturellen Identität ist steter Handlungshintergrund aller Integrationskomödien. Mit liebevollen Blick schildert ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND (2011) die Probleme der ersten und der nachfolgenden türkischen Einwanderergeneration in Deutschland. Der Konflikt wird auf die Spitze getrieben, wenn Kad Merat, der in FASTEN AUF ITALIENISCH (L’ITALIEN, 2011) seine arabischen Wurzeln gekappt hat, um als Vollblutitaliener zu gelten, ein Doppelleben beginnen muss, um stellvertretend für seinen erkrankten Vater die muslimischen Fastenrituale des Ramadan einzuhalten.

Der Romeo und Julia-Konflikt verfeindeter Familien und Völker ist Ausgangspunkt der Lovestories zwischen Liebenden unterschiedlicher Abstammung. Während die Glückseligkeit des Liebesrauschs die trennenden Gräben unterschiedlicher Kulturkreise, Glaubensrichtungen und Mentalitäten übertünscht, beharren die Familienmitglieder umso vehementer auf die Unvereinbarkeit der Liebenden. Wie die gegenseitigen Vorbehalte aufgelöst und die aufgebauten Grenzen überwunden werden, schildern Kulturschock-Komödien wie MY BIG FAT GREEK WEDDING (2002), EAST IS EAST (1999) und MARIA, IHM SCHMECKT’S NICHT (2011) in satirischer Überzeichnung. Ob das nun als unstatthafte Verharmlosung real existierender Probleme zu werten ist oder als heitere Lebenshilfe zur Auflockerung verhärteter Fronten, ist ein Diskussionsobjekt für sozialkritische Experten.

Missverständnisse und Verwechslungen

Ein Missverständnis kann endlose Orgien des Aneinandervorbeiredens verursachen, zu unsinnigen Aktionen führen, unbeabsichtigte Feindseligkeiten provozieren oder Fehlentwicklungen einleiten, die eine einfache Handlung in einen Irrgarten komplizierter Verwicklungen verwandeln. So lässt in CLOCKWISE – RECHT SO, MR. STIMPSON (1986) die simple Verwechslung von rechts und links den Schuldirektor und Pünktlichkeitsfanatiker John Cleese eine falsche Fahrtrichtung einschlagen, was ihn auf eine groteske Odyssee entführt.

Durch ein Missverständnis wird jemand verwechselt mit einer Person, die er nicht ist, und er löst damit vergnügliche Verwirrspiele aus. Dass er für diese Rolle gar nicht geschaffen ist, macht den Spaß erst möglich. Als DER GROßE BLONDE MIT DEM SCHWARZEN SCHUH (