Die Lebenspflückerin und das Signum der Täufer - Regine Kölpin - E-Book
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Die Lebenspflückerin und das Signum der Täufer E-Book

Regine Kölpin

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Beschreibung

Ostfriesland 1549 – Der harte Winter will kein Ende finden, die Herrlichkeit Gödens ist seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Da taucht vor der Tür der Hebamme Hiske Aalken eine völlig entkräftete Frau auf, die behauptet, Hinrich Krechting, der ehemalige Münsteraner Täuferführer aus Münster, der in Gödens Zuflucht gefunden hat, habe vor Jahren ihren Vater ermordet. Sie bittet Hiske um Hilfe, doch der widerstrebt es, sich gegen ihren Ziehvater zu stellen. Kurz darauf tauchen bei Krechting bedrohliche biblische Botschaften und geheimnisvolle Münzen auf, die ihn zutiefst erschrecken. Hat ihn seine Vergangenheit eingeholt? Sind die Papisten ihm erneut auf den Fersen? Als Jan Valkensteyn, Hiskes nach Ostfriesland heimkehrender Verlobter, entführt wird und sein Reisebegleiter einem brutalen Mord zum Opfer fällt, findet man auch bei dem Toten eine der mysteriösen Münzen. Hiske muss auf der Suche nach ihrem Jan einen Kampf gegen finstere religiöse Machenschaften antreten, den sie eigentlich nicht gewinnen kann ...

Dritter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.

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Über das Buch

Ostfriesland 1549 – Der harte Winter will kein Ende finden, die Herrlichkeit Gödens ist seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Da taucht vor der Tür der Hebamme Hiske Aalken eine völlig entkräftete Frau auf, die behauptet, Hinrich Krechting, der ehemalige Münsteraner Täuferführer aus Münster, der in Gödens Zuflucht gefunden hat, habe vor Jahren ihren Vater ermordet. Sie bittet Hiske um Hilfe, doch der widerstrebt es, sich gegen ihren Ziehvater zu stellen. Kurz darauf tauchen bei Krechting bedrohliche biblische Botschaften und geheimnisvolle Münzen auf, die ihn zutiefst erschrecken. Hat ihn seine Vergangenheit eingeholt? Sind die Papisten ihm erneut auf den Fersen? Als Jan Valkensteyn, Hiskes nach Ostfriesland heimkehrender Verlobter, entführt wird und sein Reisebegleiter einem brutalen Mord zum Opfer fällt, findet man auch bei dem Toten eine der mysteriösen Münzen. Hiske muss auf der Suche nach ihrem Jan einen Kampf gegen finstere religiöse Machenschaften antreten, den sie eigentlich nicht gewinnen kann.

Dritter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.

Über Regine Kölpin

Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren und wuchs die ersten Jahre ihrer Kindheit auf einem alten Rittergut „Hof Hirschberg“ bei Großalmerode auf. Seit ihrem 5. Lebensjahr lebt sie an der Nordseeküste in Friesland. Die mehrfache Spiegel-Bestsellerautorin schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Ihre Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie über 200 Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist mit dem Musiker Frank Kölpin verheiratet. Sie haben fünf erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf in Küstennähe. In ihrer Freizeit verreisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen.

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Regine Kölpin

Die Lebenspflückerin und das Signum der Täufer

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Die Personen

Historische Persönlichkeiten

Herbst 1543

1. Kapitel — Herrlichkeit Gödens 1549

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Vier Wochen später, Herrlichkeit Gödens

Epilog

Wahrheit und Fiktion

Allgemeine geschichtliche Situation in der Herrlichkeit Gödens 1548

Glossar

Danksagungen

Impressum

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Biografie: Regine Kölpin, geb. 1964 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) und lebt seit ihrer Kindheit in Friesland an der Nordsee. Regine Kölpin schreibt für namhafte Verlage (auch unter Franka Michels und mit Gitta Edelmann unter Felicitas Kind) Romane und Kurztexte. Viele ihrer Bücher waren auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Regine Kölpin hat einige Auszeichnungen erhalten. Unter anderem den Bronzenen Homer 2020 (mit Gitta Edelmann), den Titel Starke Frau Frieslands 2011, das Stipendium Tatort Töwerland 2010 u.v.m. Mit ihrem Mann Frank Kölpin lebt sie in einem kleinen idyllischen Dorf an der Küste. Dort konzipieren sie gemeinsam Musik- und Bühnenprojekte und genießen ihr Großfamiliendasein mit fünf erwachsenen Kindern und mehreren Enkeln oder lassen sich auf ihren Reisen mit dem Wohnmobil zu Neuem inspirieren.

Mehr Infos unter: www.regine-koelpin.de

Die Personen

Hiske Aalken:

Hebamme in der Herrlichkeit Gödens, einst Toversche

(Hexe/Zauberin), aus Jever geflohen

Der Wortsammler:

eine vergessene Seele, die eine Zuflucht bei der Hebamme

Hiske Aalken gefunden hat

Jan Valkenstijn:

Arzt, aus Amsterdam stammend

Garbrand:

katholischer Mönch, aus einem englischen Kloster geflohen und Freund Jan Valkenstijns und Hiske Aalkens

Melchior Dudernixen:

Bader in der Neustadt. Mennonit aus Holland

Magda Dudernixen:

Weib des Baders. Mennonitin aus Holland

Franz von Eisenberg:

Feind Krechtings

Jelda von Eisenberg:

Tochter Franz von Eisenbergs

Meester:

Kapitän aus Emden mit viel Wissen

Tomma:

Blaufärberin aus Jever

Coevorden:

Freund Krechtings und Leinenweber

Goldschmidt:

Freund Krechtings und Schmied

Nikolaus:

undurchsichtiger Freund Garbrands

Historische Persönlichkeiten

Hinrich Krechting:

die rechte Hand der Hebrich von Knyphausen, Jurist und Anführer der Menschen in der Herrlichkeit Gödens. Kommt aus Münster, war dort Kanzler von Jan van Leyden, dem großen Täuferführer.

Hebrich von Knyphausen:

Häuptlingswitwe, lenkt nach dem Tod ihres Mannes Haro von Oldersum die Geschicke in der Herrlichkeit Gödens.

Jacobus Cornicius:

Stadtarzt aus Emden, Freund Jan Valkenstijns. War als Humanist und Naturwissenschaftler publizistisch aktiv und ein Verfechter der religiösen Reform. Er wirkte u. a. als Leibarzt am Ostfriesischen Hof.

Wolter Schemering:

Erster Landrichter in der Herrlichkeit Gödens, ist zusammen mit Hinrich Krechting aus Münster geflohen.

Elske Krechting:

Frau von Hinrich Krechting

Gräfin Anna von Oldenburg:

Gräfin von Ostfriesland, lebte in Emden, hat versucht, eine

Einheit der Glaubensrichtungen zu bewirken.

Johannes a Lasco:

Superintendent, eingesetzt von Gräfin Anna, maßgeblich an der Neugestaltung des ostfriesischen Kirchenwesens beteiligt.

Lübbert Jans Kremer:

ein holländischer Kaufmann, überzeugter Mennonit, der die Vorbilder für die Neustadt, die Städte Oldersum und Appingedam, sehr gut kannte.

Boing von Oldersum:

Verlobter Fräulein Marias von Jever, Schwager von Hebrich von Knyphausen, zog ihren Sohn Edo an der Seite Marias ein paar Jahre lang groß

Bischof von Waldeck:

belagerte Münster und sorgte u. a. für Krechtings Scheitern in Oldenburg

Leenard Bouwens:

Prediger, der nachweislich um diese Zeit nach Gödens kam, um zu taufen und das Abendmahl zu reichen

Graf Anton von Oldenburg:

gab Krechting nach Münster zunächst Asyl, schickte ihn nach seiner Einigung mit Bischof von Waldeck aber fort, vermutlich nach Rastede

Dr. Gerhard Westerburg:

auch als Dr. Fegefeuer bekannt, geriet u. a. in Köln in Konflikt mit der Kirchenobrigkeit, musste fliehen und war die letzten fünfzehn Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1558 Pfarrer in Dykhusen (Herrlichkeit Gödens)

Tochter Westerburgs, im Roman Bente genannt:

eine der Töchter Westerburgs, hat im Jahr 1550 den Emder Stadtarzt Jacobus Cornicius geheiratet, ein Name ist nicht bekannt.

Herbst 1543

Die schwere See machte dem kleinen Schiff zu schaffen. Sie warf den Kreyer wie eine Nussschale zwischen den Wellen hin und her. Der Schipper erhaschte einen Blick auf seinen Begleiter, der mit finsterer Miene im Bug kauerte und scheinbar nie schlief. Er fixierte ihn mit seinen stählernen Augen und ließ sich nicht von der rauen See stören, obwohl der Sturm an Stärke zunahm. Der Seemann kannte die Mission seines Reisebegleiters nicht, aber er misstraute ihm zutiefst. Noch an Land hatte er in einem unbeobachteten Moment in den Ledersack des Mannes gegriffen. Er musste einfach mehr über seinen Mitfahrer wissen. Seine Bezahlung jedoch war fürstlich, sodass die Gier die Bedenken beiseitegeschoben hatte. Gefunden hatte er nichts. Außer ein paar sorgsam gefalteten kleinen Papierrollen, auf denen merkwürdige Bibelsprüche zu lesen waren. Doch ihm fehlte die Zeit, sich das genauer anzusehen. Eine dieser Botschaften aber hatte er, einer Eingebung folgend, an sich genommen und blitzschnell in seiner Tasche verschwinden lassen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es gut war, seinem Freund, dem Meester, etwas zu hinterlassen, bevor er in See stach. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, dass er vielleicht nicht zurückkehren würde und es war ihm wichtig, dass sie etwas von ihm erhielt. »Gib ihr das, wenn sie eines Tages nach mir sucht! Sie wird wissen, was zu tun ist. Und du«, der Schipper hatte dem Meester tief in die Augen gesehen, »du wirst so lange leben, bis sie zu dir gekommen ist und es erhalten hat. Falls mir etwas zustößt, wird es ihr einziger Anhaltspunkt sein.«

»Wer ist dieser Mann? Ein Papist auf Rachefeldzug?«, hatte der Meester gefragt, doch diese Antwort war ihm der Schipper schuldig geblieben; er wusste es nicht. »Möglich.« Sein Murmeln war kaum zu verstehen. »Dafür spricht das, was ich gefunden habe. Mein Gefühl ist nicht gut, doch mir bleibt ohnehin keine Wahl. Weigere ich mich, fürchte ich um mein Leben.«

»Wohin werdet Ihr reisen?«

»Die Herrlichkeit Gödens«, hatte der Schipper geflüstert. Ihn drängte die Zeit, denn der Reisende hatte deutlich gemacht, dass er noch am selben Tag in See stechen wollte.

Der Kreyer wurde jetzt von einer besonders heftigen Welle attackiert und drohte für einen Moment zu kentern. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, aber die Sterne waren von dichten Wolken verdeckt. Eine undurchdringliche Schwärze tat sich auf. Der Schipper umklammerte die Bordwand, weil eine weitere Windböe auf das Schiff zuraste. Kurz darauf brach eine Woge krachend über der Reling. Das Boot schlingerte eine Weile, drehte sich unkontrolliert hin und her, wartete auf die nächste Welle. Jetzt setzte auch noch Regen ein, der in Schnüren aus den Wolken strömte und die Kleidung binnen kürzester Zeit durchnässte. Besorgt glitten die Augen des Schippers den Mast hinauf, der bedenklich knackte. Der Kreyer hatte einer solchen Wetterlage mit seinem dünnen Mast und dem nunmehr zerfetzten Segel nur wenig entgegenzusetzen. Gott allein konnte ihnen zu Hilfe eilen – wenn er sie noch nicht vergessen hatte, denn ihr Schicksal und wohin es sie spülte, lag in seiner Hand.

Von Emden aus hatten sie den starken Nordwestwind nutzen können, waren schneller vorangekommen, als der Schipper gehofft hatte. Ihm war es wichtig, den Hafen so rasch wie möglich zu verlassen und sich fast ungesehen auf den langen Weg zu machen. Immerhin hatte er, neben der geheimnisvollen Gestalt, Waren geladen, die er am Emder Zoll vorbeischmuggeln und nach Jever schiffen wollte. Doch das blieb ihm vorerst versagt. Er hatte ein anderes Ziel.

Wieder peitschte eine Welle über die Planken, und nur mit viel Glück wurde keiner der beiden Männer über Bord gespült. Der Fremde hatte sich im Bug unter dem Vorbau verschanzt und mit einer Plane gegen die Nässe geschützt. Der Schipper ließ seinen Blick zur Ladung schweifen, die sich gleichmäßig fest vertäut im Bug und im Heck des Schiffes befand. Noch hielt sie der Belastung stand, noch musste er sich zumindest darum nicht sorgen. Vorhin hatte sich eines der Fässer gelöst, doch es war ihm rasch gelungen, es erneut festzuzurren. Wenn er das alles lebend überstand, war es wichtig, die geschmuggelten Waren heil nach Jever zu bringen. Er würde tun, was der Mann von ihm verlangte, und dann seiner Wege gehen.

Der Sturm nahm mit Fortschreiten der Nacht an Heftigkeit zu. Sie schienen sich nur noch im Kreis zu bewegen und nicht voranzukommen. Es war unmöglich, Land zu entdecken, obwohl die Flut eingesetzt hatte und sie eigentlich auf die Küste zutreiben mussten. Bei ablaufend Wasser, würden sie unweigerlich auf die Nordsee hinausgezogen, denn bei diesem Wind war der Kreyer manövrierunfähig. Das Boot war ohnehin schon arg angeschlagen, und es war fraglich, wie lange es den widrigen Bedingungen noch standhalten konnte.

Mit der nächsten Böe riss das Tau, mit dem er das Segel befestigt hatte, und schlug erbarmungslos hin und her. Als die folgende Welle auf die Seite des Kreyers zurollte, krallte der Schipper seine kalten Hände um das schwingende Seil, hoffte, es so an der Bordwand festzurren zu können. Das misslang jedoch, und das Tau diente nun eher dazu, ihm selbst Halt zu geben, doch glitt es mit einem Ruck durch seine Finger und riss sie auf. Eine blutige Linie zog sich quer über den Handteller. Der Mann schloss vor Schmerz die Augen. Er hörte die nächste Welle schon lange, bevor sie brach, und als das Holz splitterte, war ihm klar, dass sein Leben und das seines Begleiters lediglich an einem seidenen Faden hingen und sie kaum noch die Möglichkeit hatten, dieser Hölle zu entfliehen. Der Mast knallte mit Wucht auf die Planken. Der Schipper konnte nur um Haaresbreite ausweichen. Das Segel schoss herunter und begrub ihn unter sich. Der Kreyer tanzte seinen Tanz, sprang hin und her, auf und nieder, je nachdem, wie die Wellentäler es vorgaben. Der Mann hatte die Augen geschlossen. Er stieß ein Stoßgebet aus, denn seine einzige Hoffnung bestand darin, dass das Schiff nicht kenterte. Plötzlich durchzuckte ihn ein gewaltiger Schmerz. Dann wurde es Nacht um ihn.

Nach vielen Stunden erwachte er. Er versuchte, um Hilfe zu rufen, doch über seine Lippen kam lediglich ein Krächzen. Es fiel ihm schwer, sich zu bewegen, und so gelang es ihm nur, den Kopf unter dem Segel hervorzuziehen. Über ihm tat sich ein wolkenloser Himmel auf, Möwen zogen ihre Bahnen. Der Mann versuchte sich aufzurappeln, was mit dem eingeklemmten Bein schwierig war, und es gelang ihm, einen Blick über die Reling zu werfen. Steuerbord, nicht weit entfernt, zeigte sich Land. Der Schipper wandte den Kopf nach Backbord, dann geradeaus und erkannte ebenfalls ein Stück Küstenlinie. Sollte das Schicksal ihn ohne sein Zutun in die richtige Gegend gelenkt haben? Wenn das so war, war er bald frei. Der Mann versuchte sich zu befreien. Als er vorsichtig mit der rechten Hand nach seinem Kopf tastete, fühlte er die offene Wunde, aus der bei jeder kleinen Regung erneut Blut sickerte. Zudem wurde der Durst unerträglich. Vergeblich versuchte er, mit der Zunge die aufgesprungenen Lippen zu befeuchten. Er schaffte es, den Zipfel des Wasserschlauches zu erhaschen und zu sich heranzuziehen. Das Wasser schmeckte modrig und abgestanden, aber in seiner misslichen Lage war das unerheblich. Seine Sinne klarten auf, und er erinnerte sich an seinen Begleiter. Weil sein Sichtfeld arg eingeschränkt war, konnte er nicht sagen, ob der noch an Bord war. Er rief nach ihm. Eine Antwort erhielt er nicht. Der Schipper wagte es nicht, ein weiteres Mal über die Reling zu schielen, weil er eine neue Ohnmacht befürchtete, denn der Schmerz im Bein war schon in Ruhelage unerträglich. Doch als er so still dalag, wurde ihm bewusst, dass der Kreyer nicht mehr schaukelte, ja, es sich überhaupt nicht von der Stelle bewegte. Er war auf Grund gelaufen und steckte im Wattenmeer fest. Eine bedrohliche Schwermut lag über dem Schiff, und in ihm wuchs eine unerklärliche Todesangst.

Plötzlich hörte er Schritte, kurz darauf drang ein Platschen an sein Ohr. Jemand näherte sich dem Kreyer. Schließlich schob sich eine Hand über die Reling, dann folgte ein vermummtes Gesicht. Das Letzte, was der Schipper in seinem Leben sah, war die gleißende Sonne. Und bevor ein scharfer Schnitt seine Kehle durchtrennte, drangen ihm krächzende Worte ans Ohr. »Gottes Wort stiehlt man nicht. Denn: Was Gott will an uns! Es sind viele Anschläge in eines Mannes Herz, aber der Rat des Herrn bleibt bestehen, Gott ist groß!«

Dann wurde es dunkel um ihn.

1. Kapitel

Herrlichkeit Gödens 1549

Der Schneesturm rüttelte an Türen und Fenstern, begehrte Einlass und wirkte wie eine Bedrohung für die Bewohner der Neustadt und der umliegenden Gehöfte. Die Hebamme Hiske Aalken legte ein Scheit Holz nach dem anderen in den Ofen. Dennoch wollte sich die kleine Kate nicht richtig erwärmen. Hiske war in mehrere Decken und Westen gehüllt, deren Wolle sie im Herbst mit der Handspindel gesponnen und später verarbeitet hatte. Darunter trug sie zwei Röcke und übereinandergezogene Beinlinge, denn trotz des Feuers im Ofen war es bitterkalt. Es war beschwerlich, die anfallenden Arbeiten zu verrichten. Ständig war es vonnöten, Holz hereinzuholen, und das Vieh verlangte gleichermaßen sein Recht. Morgens schaute sie stets als Erstes im Stall nach der Ziege und dem Schaf. Der Wortsammler, ihr dreizehnjähriger Ziehsohn, hing mit einer abgöttischen Liebe an den Tieren, die er im letzten Sommer aufgelesen hatte, und so manches Mal glaubte die Hebamme, dass er ihre Sprache verstand.

Besorgt musterte Hiske den wolkenverhangenen Himmel, der nichts Gutes verhieß und weiteren Schnee bringen würde. Es wäre ausgesprochen gut, wenn sie ihre Kate in den nächsten Tagen nicht in Richtung Neustadt verlassen müsste. Doch Magda Dudernixen, die Badersfrau, stand kurz vor der Niederkunft. Hiske hoffte, dass sich die Geburt noch etwas verzögerte, denn ein Kind unter diesen widrigen Bedingungen zu bekommen, war für alle kein einfaches Unterfangen. Außerdem weilte Magdas Mann Melchior gerade nicht in der Herrlichkeit, und sie würde allein dastehen, was bei dieser Witterung kaum zu bewerkstelligen war. Ihr Gesindemädchen war jung und war ihr schon jetzt bei den schweren Arbeiten keine Stütze.

Hiske hatte oft überlegt, sich in der Neustadt niederzulassen, denn die Bevölkerung wuchs ständig, und die meisten Kinder erblickten dort das Licht der Welt. Zu den umliegenden Gehöften und nach Dykhusen war der Weg auch von der abgelegenen Kate aus beschwerlich.

Hiske war froh, dass ihr Garbrand im Augenblick kaum von der Seite wich, obwohl er in der Neustadt seine Kammer hatte. Der Wortsammler war ebenfalls merklich ruhiger, wenn der alte Mönch in seiner Nähe weilte. Garbrands anfängliche Furcht, man könne ihn wegen seiner katholischen Gesinnung in dieser reformierten Gegend ächten und verbannen, hatte sich nicht bewahrheitet. Seine Aufgabe, Hebrich von Knyphausen bei der Armenfürsorge zu helfen, war allerdings misslungen. So weit ging die Toleranz der Menschen nicht. Die Einheimischen waren den Papisten nicht wohlgesonnen, duldeten den Mönch jedoch stillschweigend in ihrer Mitte. Sofern er sich ruhig verhielt. Nicht einer hatte je seine Hand gegen ihn erhoben, nicht einer gegen ihn gesprochen. Bei den Neustädtern handelte es sich um ein friedliches Volk, das sich aus Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens zusammensetzte. Viele hatten ihrer Gesinnung wegen die schlimmsten Dinge durchlebt. Das schweißte die Bevölkerung zusammen, denn alle wussten, dass der Bau des Fleckens und des neuen Siels nur funktionieren konnte, wenn alle zusammenhielten. Zumindest hoffte Hiske, dass es so war und blieb. Garbrand hatte auch ohne die Armenfürsorge genug zu tun, denn für die anfallenden Handwerksarbeiten war er allen genehm, geschickt wie er war. Und so hatte er sein Auskommen.

Hiske schürte das Feuer neu, während sie ihren Gedanken nachhing. Sie hatte viel zu viel Zeit zu denken, und das führte dazu, dass sie Probleme heraufbeschwor, die gar nicht vorhanden waren. Sofort kam ihr der junge Mann in den Sinn, der seit ein paar Wochen in der Neustadt weilte und sich Garbrand zum Freund auserkoren hatte. Er nannte sich Nikolaus und war ein merkwürdiger Zeitgenosse, wirkte verschlagen; keiner kannte den wirklichen Grund seines Aufenthaltes. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit Hilfsarbeiten. Nikolaus ging bei Garbrand ein und aus, und die beiden schien tatsächlich eine gewisse Sympathie zu verbinden. Nikolaus behauptete, in Emden ein Spielmann gewesen zu sein, aber die waren seit Jahren in Gödens nicht wohlgelitten. Hiske hätte es begrüßt, wenn Garbrand und Nikolaus nicht so oft zusammengluckten, denn Letzterer war vielen in der Neustadt ein Dorn im Auge. Diese Ablehnung könnten sie ohne Weiteres auf Garbrand übertragen. Zu leicht war es, einen Außenseiter für Dinge verantwortlich zu machen, die unerklärbar blieben. Das hatte sie zu oft am eigenen Leib erleben müssen. Ohne Hinrich Krechting würde sie vermutlich auch schon lange nicht mehr in Gödens leben.

Hiske blickte auf, als Garbrand von draußen hereinkam. Er brachte einen Schwall kalter Luft mit und stieß die Tür rasch mit dem Fuß hinter sich zu. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass eine Ladung Schnee in den Flur wehte. Auf dem Arm trug er einen Stapel Brennholz, den er eben aus dem Schuppen geholt hatte. Nach Jans Abreise hatte der Mönch es sich zur Gewohnheit gemacht, Hiske bei den täglichen Verrichtungen zur Hand zu gehen, sodass sie sich ganz der Betreuung der Schwangeren und Niedergekommenen widmen konnte. Obwohl er mittlerweile gesetzten Alters war, tat ihm diese Aufgabe gut. Garbrand wollte gebraucht werden. Hiske und den Wortsammler betrachtete er als die Familie, die er nie gehabt hatte. So war er es gewesen, der im Herbst für genügend Brennmaterial gesorgt hatte. Anderen in der Herrlichkeit erging es bei Weitem nicht so gut, denn viele hatten den schweren und lang andauernden Winter unterschätzt. Nachdem alle die Kälte nach dem schwülheißen Sommer begrüßt hatten, sehnten sich die Leute nun nach Sonne und Wärme. Die Essens- und Brennvorräte neigten sich überall dem Ende zu, erst in der letzten Woche hatten zwei ältere Leute den Tod in ihrem Wagen auf dem Burghof den Tod gefunden. Hebrich von Knyphausen hatte den wenigen Menschen, die noch auf der Burg leben mussten, erlaubt, sich in die Stallungen zurückzuziehen, doch nicht jeder hatte ein Einsehen. Die meisten fürchteten den Verlust von Hab und Gut, wenn sie es ohne Aufsicht ließen. Es war alles, was sie besaßen. Aber diese Kälte konnte man außerhalb von festen Gebäuden nur schwer überleben.

»Ist der Winter erst vorbei, wird auch Jan aus Emden zurückkommen«, sagte Garbrand gerade, während er den Schürhaken in die Glut stieß und ein paar Funken aufwirbelte. In seinen Worten schwang große Sehnsucht, vermutlich weil er seinen Freund in ähnlicher Form vermisste, wie es die Hebamme tat.

Hiske blickte zu ihm hinüber und sah die Trauer in seinen Augen. Er wartete ebenso wie sie auf Jans Rückkehr. Jan, der vor Monaten überstürzt nach Emden aufbrechen musste, denn der Arzt am Ostfriesischen Hof, Jacobus Cornicius, war von einer schweren Krankheit heimgesucht worden, die ihm das Arbeiten unmöglich machte. In unregelmäßigen Abständen kamen Briefe von Jan. Hiske spürte die Wärme seiner Worte förmlich. Dieses Mal wollte er nicht so lange fortbleiben wie zuvor, aber die Hebamme plagte insgeheim große Angst, dass doch eine ganze Weile bis zu seiner Rückkehr verstreichen würde. Es kam darauf an, wie rasch sich Jacobus Cornicius von seinem Leiden erholte.

»Bestimmt kommt er sofort, wenn sich das Wetter gebessert hat«, hob Garbrand erneut an. »Er schrieb zuletzt, dass es dem Arzt besser geht und er sicher bald auf Jans Hilfe verzichten kann. Ich glaube, er sehnt sich nach dir.« Im letzten Satz schwang eine leichte Wehmut mit, die Hiske nicht verborgen blieb.

»Ich hoffe es so sehr!«, sagte sie und setzte sich zum Wortsammler an den Tisch. »Doch der Brief ist vor dem großen Schnee hier eingetroffen.«

»Er wird bald zu dir reisen. Im Augenblick ist es einfach unmöglich. Die See ist zugefroren, kein Schiff kann passieren«, beharrte Garbrand. Er ließ sich ebenfalls auf einem Stuhl nieder und fuhr dabei dem Wortsammler durchs wirre Haar. »Der Junge wird von Tag zu Tag ruhiger, seitdem er das Malen für sich entdeckt hat.«

Hiske lächelte versonnen, als sie ihren Ziehsohn beobachtete, der mit zusammengepressten Lippen am Tisch saß und mit einer Feder Ornamente auf ein Papier malte. Der Junge hatte die Gabe, wunderschöne Dinge zu zeichnen, und diese Kunst ließ ihn in sich ruhen. War er allerdings damit beschäftigt, lebte er in der Welt seiner Bilder und war für seine Umgebung unerreichbar. Dass er mit der Malerei seinen inneren Frieden fand, hatte Garbrand herausgefunden, und seitdem war vieles erheblich einfacher geworden. Hiske griff nach der Spindel und begann zu spinnen. Sie musste sich beschäftigen, das Nichtstun machte sie verrückt.

Wieder dröhnte eine Böe gegen die Kate, sogar das Feuer im Kamin duckte sich angesichts der Naturgewalt. Durch den Raum strich ein feiner Zug. »Hat es nicht eben geklopft?«, fragte Hiske und wandte die Augen zur Tür.

»Das war der Wind«, argwöhnte Garbrand. Er musterte das Fenster, besorgt, ob es halten würde. Erst in der letzten Woche hatte der schwere Nordweststurm eine Scheibe in Hiskes Kammer aus dem Rahmen gedrückt, und sie hatten es nur notdürftig mit Lumpen stopfen können.

Die Hebamme legte die Spindel mit dem Flachs beiseite. Sie mochte es nicht, damit zu spinnen, verletzte sie sich doch ständig die Finger und musste sie dann dauernd mit Speichel oder Milch befeuchten. Leider half das nicht immer, vor allem jetzt bei der Kälte, wo die Hände ohnehin rauer waren als sonst. »Ich glaube, dass da etwas war, meinst du nicht?«

Garbrand schüttelte den Kopf, der Wortsammler reagierte nicht, war er doch in sein Gemälde vertieft. Hiske nahm die Spindel neuerlich zur Hand, leckte sich den Finger und spann weiter. »Ich habe kürzlich ein Spinnrad gesehen«, sagte sie. »Damit geht die Arbeit viel schneller.«

»Das stimmt. Ich werde einen guten Drechsler finden, der eines bauen kann. Dann hast du es leichter.« Garbrand holte sich den Genever vom Bord und füllte sich einen Becher ein.

»Du solltest weniger trinken!«, bemerkte Hiske mit einem Seitenblick.

»Ich bin alt, und meine Tage sind gezählt. So oder so.« Er grinste die Hebamme an. »Wenn man uns so hört, könnte man uns für ein Ehepaar halten. Du machst mir Vorwürfe, und ich rede dagegen an.«

Hiske fing sein Lächeln auf. »Das stimmt. So vertraut, wie wir miteinander umgehen! Und doch liegt uns nichts ferner, als an eine Ehe zu denken. Gleichwohl haben wir etwas gemeinsam, das uns zusammenhält und eigenartigerweise nicht auseinandertreibt.« In ihrem Blick zeigte sich große Wärme.

Der Mönch wusste, was sie damit sagen wollte, aber nicht aussprach, denn einige Dinge blieben besser ungesagt. Sie und er liebten denselben Mann.

Es schabte erneut an der Tür. Jetzt zuckte auch Garbrand zusammen. »Du hattest recht. Da ist etwas.« Er stellte den Becher auf den Holztisch und schlurfte zur Tür. Als er sie öffnete, fegte ihm eine Böe entgegen und warf sofort eine weitere Ladung Schnee in die Kate. Garbrand bückte sich und hob einen Stein an, der mit einem Stück Papier umwickelt war.

»Was ist denn das?«, stieß er aus, schloss die Tür und kam zurück in die Küche. Dort legte er seinen Fund auf den Tisch, während er noch einmal zurückging, den Kopf hinausstreckte und prüfte, ob irgendwer draußen herumschlich. Doch ums Haus pfiff nur der Wind und trieb die nicht enden wollenden Schneemassen vor sich her. Als Garbrand hinter Hiske trat, hatte die sich schon über das Papier gebeugt und versuchte, die Schrift darauf zu erkennen. Ihr Gesicht wurde von Sekunde zu Sekunde blasser. Es stand außer Zweifel, dass die Botschaft absolut nichts Gutes bedeutete.

»Was ist das?«, fragte Garbrand, und sie reichte ihm den Zettel herüber. Beim Lesen der Zeilen lief es auch dem Mönch eiskalt den Rücken herunter. »Warum liegt das bei dir vor der Tür?«

Hiske zuckte mit den Schultern und versuchte, die dunklen und bösen Ahnungen zu verbannen, die sich augenblicklich einstellten. »Ich weiß nicht, was das bedeutet«, flüsterte sie tonlos. Der Sturm aber rüttelte mit unvorstellbarer Wucht an der kleinen Kate.

Jan Valkenstijn starrte auf das Schneetreiben, das ihm den Weg zurück in die Herrlichkeit Gödens unmöglich machte. Es war ausgeschlossen, Emden auf dem üblichen Weg zu verlassen, denn seine Reise würde ihn dabei zwangsläufig unterhalb der Ostfriesischen Inseln entlangführen, und dort war kein Durchkommen. Die See und das Wattenmeer waren zugefroren. Zudem war der Hafen Emdens von einer dicken Eisschicht überzogen.

»Ich muss aber zurück«, sagte er zu seinem Freund, dem Arzt Jacobus Cornicius, der sich von Tag zu Tag besser fühlte. Ein schweres Fieber hatte ihn lange ans Bett gefesselt, und Jan musste nicht nur seine Kranken übernehmen, sondern auch ihn aufopferungsvoll umsorgen. Das hatte er gern getan, denn jede Freundschaft forderte ihren Tribut. Er mochte den Emder Stadtarzt. Seine warme und freundliche Art hatte ihn von Beginn an für sich eingenommen. Jan war in großer Furcht gewesen, ob Jacobus von seiner Krankheit völlig genesen würde. Eine Zeit lang hatte es schlecht um ihn gestanden. Nun aber ging es ihm so gut, dass er sich sogar wieder selbst um die Kranken kümmern konnte.

Jans Unruhe hatte danach von Tag zu Tag zugenommen und war seit gestern Abend fast unerträglich. In der Nacht hatte er geträumt, dass Hiske nicht mehr in der Herrlichkeit weilte, wenn er zurückkam. Er sah sie in einem Schiff sitzen und davonfahren, ihr dunkles Haar wehte im Wind. Dieses Bild verfolgte ihn, machte ihm Angst. Er glaubte normalerweise nicht an Vorhersehungen, an Traumbilder, die die Menschen einholten. Aber nach der erheblichen Unbill, die seines und Hiskes Schicksal bislang begleitet hatte, nach den vielen Steinen, die ihnen in den Weg gelegt worden waren, lag es nahe, die Warnung seines Unterbewusstseins ernstzunehmen. Er musste, so schnell es ging, zurück nach Gödens. Schneetreiben und Eisschollen hin oder her.

»Jan, du hast recht. Du solltest, sobald das Wetter es zulässt, reisen. Das Wetter wird bald besser, ich bin mir sicher.« Der Arzt machte eine Pause. »Aber wenn du in Gödens angelangt bist, tue endlich das, was du schon lange hättest tun sollen.«

Jan wusste, dass sein Freund von Hiske sprach und davon, dass er um ihre Hand anhalten sollte. Im Sommer war er kurz davor gewesen. Er hatte sich bei Hinrich Krechting bereits darum gekümmert, in der Neustadt ein Haus zu bauen und dort eine Praxis für Hiske und sich zu errichten. Jacobus verfügte nicht nur auf der Burg Emden über solche Räumlichkeiten, er hatte sich auch in seinem Stadthaus ein Behandlungszimmer eingerichtet. Jan gefiel es, wenngleich es ihn nicht davon abhalten würde, seine Kranken in den Häusern aufzusuchen, sofern es nötig war. Sein Ziel war ein eigenes Heim, wenn er um Hiske anhielt. Keinesfalls wollte er ohne ein Zuhause vor ihr stehen, und er konnte unmöglich in ihre Kate einziehen. An Gulden mangelte es ihm nicht. Hinrich Krechting hatte ihm ein Grundstück auf der gerade entstehenden Straße zum neuen Siel zugesagt, und er hatte der Heirat durchaus wohlwollend gegenübergestanden. Hiske wusste von alldem nichts, Jan wollte erst alles sicher festgemacht haben. Es war vielen in der Neustadt ein Dorn im Auge, dass die Hebamme unverheiratet war. Krechting an erster Stelle, denn für ihn war Sittenstrenge äußerst wichtig. Nie würde er einer Beziehung zustimmen, die nicht vor Gott geschlossen worden war. Ein Weib und ein Mann mussten verheiratet sein, das gebot der Glaube. Alles andere war für ihn nicht tolerabel. Der Jurist erwartete, dass alle mit reinem Angesicht vor den Herrn traten. Die Vielweiberei in Münster war für Krechting kein Thema mehr. Er hatte Jan das ehemalige Duuvkehuus als neue Heimat angeboten, aber darin wollte er nicht mit Hiske wohnen. Deshalb war Hinrichs Freund Coevorden dort eingezogen. Er hatte sein früheres Haus für zu klein befunden, und er war froh, neben dem Schmied Goldschmidt zu leben, verband die beiden doch eine jahrelange Freundschaft. Nur wenige Schritte davon entfernt lebte normalerweise der Kaufmann Lübbert Jans Kremer, der Krechting seit dem letzten Jahr beim Bau der Neustadt mit seinem Wissen und der nötigen Erfahrung zur Seite stand. Die drei waren Krechtings langjährige Stützen, und es war dem Juristen unmöglich, auf ihren Rat zu verzichten. Der Kaufmann weilte zurzeit jedoch in Emden.

Sobald der Frost das Land freigab, würde Jan mit der Errichtung des Hauses beginnen, sich mit Hiske verloben, und die Hochzeit würde alsbald stattfinden können. Jan presste die Zähne aufeinander. Doch erst musste er diese vermaledeite Stadt verlassen. Wegen des viel zu heftigen und langen Winters hatte er all diese Pläne im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis legen müssen. Jan dachte oft an den fragenden und zweifelnden Blick Hiskes, als er den Brief von Jacobus Cornicius geöffnet hatte. Ihr war die Angst, er könne erneut jahrelang verschwinden, ins Gesicht geschrieben gewesen. Doch sie hatte nichts gesagt und nicht versucht, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, denn sie kannte sowohl seine Loyalität als auch seine Gewissenhaftigkeit. Dass er seinem Freund hatte zu Hilfe eilen müssen, stand außer Frage. Jan hatte ihre Hand ergriffen und ihr fest in die unvergleichlichen grünblauen Augen gesehen, die groß und noch dunkler erschienen. »Ich komme zurück, sobald es möglich ist. Ich verspreche es. Möge Jacobus eine rasche Heilung beschert werden!«

»Das hoffe ich auch. Ich erwarte deine Rückkehr mit Freuden.« Hiske hatte sich abgewandt. Seine Abreise war ihr näher gegangen, als sie es sich eingestehen wollte.

»Ich habe ein schlechtes Gewissen«, unterbrach Jacobus Cornicius Jans trübe Gedanken. »Wäre ich nicht erkrankt, hättest du längst um die Hebamme freien können.«

»Du musst dich ebenfalls gedulden, ehe du Bente Westerburg heiraten kannst. So wie es aussieht, wird der Pastor noch ein Jahr verstreichen lassen, ehe er sie dir zur Frau gibt. Ich fürchte, am Ende wartest du länger als ich.«

»Wohl wahr«, nickte Jacobus, während über sein Gesicht ein Anflug von Trauer huschte. Er hatte sich im letzten Sommer in die Tochter des Gödenser Pastors Dr. Westerburg verliebt, aber der wollte einer Ehe noch nicht zustimmen. So hatte er zwar einer Verlobung seinen Segen gegeben, jedoch beschlossen, dass die Liebenden sich bis zur Hochzeit nicht mehr sehen durften, damit Jacobus seine ernsten Absichten bewies und Bente sich darüber klar werden konnte, dass die Ehe als junge Frau mit dem Arzt am Ostfriesischen Hof alles andere als einfach sein würde. Dr. Westerburg war bekannt dafür, seine Prinzipien nicht nur zu predigen, sondern auch zu leben. »Ich werde es schon aushalten, werter Freund. Meine Liebe zu Bente ist tief und groß, und meine fleischlichen Gelüste weiß ich unter Kontrolle. Ich werde auf sie warten, weil sie das Weib ist, das mich bis ans Ende meiner Tage begleiten wird. Das ist ein gewaltiges Glück.« Er sah Jan tief in die Augen. »Und du solltest in der Tat nicht länger zögern, wenn du wieder in Gödens bist.« Er stand auf und stellte sich mit verschränkten Armen ans Fenster. Es schneite erneut heftig, und starke Windböen ließen die Flocken tanzen. »Leider musst du noch ein bisschen warten.«

»Ich werde zu Fuß und über Land gehen«, sagte Jan, einer spontanen Eingebung folgend. »Das ist die Lösung für alles! Ich werde nicht mehr warten!«

Jacobus fuhr herum. »Bist du wahnsinnig, Jan? Das kann dein Tod sein, was hast du davon?«

»Ich werde nicht sterben, ganz sicher nicht. Aber mit etwas Glück bin ich in wenigen Tagen bei Hiske!«

Jacobus schüttelte den Kopf, seine Hände begannen augenblicklich zu zittern, sodass Jan beinahe befürchtete, sein Freund könne vor Aufregung einen Rückfall erleiden. »Es braucht schon im Sommer viele Tagesreisen. Wie willst du es in kurzer Zeit schaffen, wenn Eis und Schnee dir den Weg erschweren?«

»Jetzt im Winter gibt es kein Moor, in dem ich versinken kann, weil alles gnädig unter der weißen Decke verborgen bleibt. Also werde ich mich gerade nach Osten halten und so auf direktem Weg in die Herrlichkeit gelangen.« Jan steigerte sich mehr und mehr in seine Idee hinein und würde sich davon nicht abbringen lassen.

Dennoch versuchte Jacobus es ein weiteres Mal. »Allein darfst du keinesfalls reisen, aber auch mit einem oder mehreren Begleitern grenzt es an Wahnsinn. Schneewehen werden dir ein Weiterkommen unmöglich machen. Und denk nur an die Wölfe und an die Wegelagerer, vor denen du kaum Schutz findest!«

»Wobei die Strauchdiebe das größere Problem darstellen«, sagte Jan.

»Wenn du meinst«, entgegnete Jacobus, wirkte allerdings nicht überzeugt. »Du riskierst dein Leben. Es gibt unterwegs keine Herberge, kein einziges Wirtshaus. Die paar Moorkaten sind weit verstreut, und nur wenige Marschbauern haben ihre Gehöfte dort. Ohne ein Dach über dem Kopf wirst du elendig erfrieren.«

Jan betrachtete die Flocken bei ihrem Tanz. In seinen Augen schwebte eine unterschwellige Wut, die auch Jacobus nicht verborgen blieb.

»Ich sehe den großen Unmut in deinem Blick. Aber du kannst diesen Schnee nicht fortschicken. Gott lenkt unsere Geschicke. Er prüft dich und Hiske, doch bestimmt wird es ein letztes Mal sein! Noch bevor der nächste Winter Einzug hält, bist du mit ihr vermählt!«

Jan schüttelte entschieden den Kopf. »Mein Schicksal hat er oft fehlgeleitet, und nun ist es für mich an der Zeit, mein Los endlich in die Hand zu nehmen. Ich muss auf der Stelle nach Gödens. Irgendetwas«, er griff an sein Herz, »sagt mir, dass meine Abreise eilt. Ich habe ein komisches Gefühl. Seit gestern Nacht ist es unerträglich.«

Jacobus wirkte besorgt, wollte eben etwas erwidern, als Jan ihn auch schon unterbrach. »Bemühe dich nicht! Ich breche morgen in aller Frühe auf. Ich werde mich jetzt um Proviant kümmern und sehen, ob ich jemanden finde, der mich auf dem Weg begleitet.«

»Es ist viel zu gefährlich, Jan. Bitte, sei vernünftig! Ewig wird dieses Wetter nicht mehr anhalten. Es ist bereits Februar, sehr bald wird der Frühling ins Land ziehen, und du kannst mit der ersten Knorr oder Kraweel in See stechen. Mit Letzterer bist du an einem Tag dort! Hab doch etwas Geduld!«, flehte Jacobus, und kurz war Jan geneigt, ihm Gehör zu schenken. Er knetete seine Hände. Sein Freund hatte recht und das in jeder Hinsicht. Aber es blieb ihm keine Wahl.

Er verabschiedete sich rasch und machte sich auf den Weg zum Delft, in der Hoffnung, einen Menschen zu finden, der ihn auf seiner Reise begleiten würde.

Hinrich Krechting starrte in die lodernden Flammen des Kamins. Er hasste den Schnee, der das Land seit vielen Wochen in Schach hielt. Die Fertigstellung der Neustadt war deswegen vollständig zum Erliegen gekommen, und auch der zwingend notwendige Bau der zweiten Bockwindmühle wurde dadurch nicht vorangetrieben. Dabei war es wichtig, dass sie das gesamte Getreide nicht nur in Dykhusen, sondern gleichermaßen in der Neustadt mahlen konnten. Die eine Mühle am Deich reichte nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn das neue Siel fertiggestellt war und immer mehr Korn angeliefert wurde. Wobei das im Augenblick wegen des Winters ohnehin knapp geworden war und bald eine Hungersnot drohte. Er hoffte und betete jeden Tag, dass der Schnee bald weichen würde. Schon jetzt hatte er die Grundversorgung einiger Bürger sicherstellen müssen, denn längst nicht alle waren für den harten Winter gerüstet. Viele wussten weder, womit sie ihre Feuerstellen anfachen sollten, noch was sie am Ende des Tages zu essen hatten. Der Unmut bei den Menschen wuchs stetig, und Krechting fürchtete den Tag, an dem sie Hebrich zwangen, ihre eigenen Vorräte unter der Bevölkerung zu verteilen. Denn das käme einem Aufstand gleich, und das war immer eine gefährliche Situation, der man nur mit Umsicht Herr werden konnte. Er hatte sich bereits im Vorfeld mit seinem engsten Vertrauten, Johann Coevorden, beraten, wie sie in diesem Fall vorgehen wollten. Der wiederum hatten den Schmied Dietrich Goldschmidt ins Vertrauen gezogen, und beide würden Hinrich bei den ersten Anzeichen eines Aufstandes warnen. Krechting war froh, enge Verbündete an seiner Seite zu wissen, zumal seine rechte Hand, Lübbert Jans Kremer, zurzeit in Emden weilte. Die beiden anderen aber kannte er lange genug, um sie mit solch schwierigen Aufgaben betrauen zu können. Es war unabdingbar, Menschen direkt vor Ort als Beobachter zu haben, denn ihm kam nicht alles zu Ohren.

Krechting legte ein weiteres Holzscheit nach, stellte sich ans Fenster und starrte trübsinnig ins Schneetreiben. An einigen Stellen hatten sich hohe Wehen aufgetürmt, die oft bis an die Dächer der Häuser reichten. Es war wahrlich kein Vergnügen, sich jeden Morgen den Weg freischaufeln zu müssen, damit die Kühe und anderen Tiere versorgt werden konnten. Selbst der Weg zum Holzstand war schwierig, wenn der Wind ungünstig stand und den Schnee dort auftürmte. Das Leben meinte es im Augenblick nicht gut mit den Menschen Ostfrieslands.

Hinrich zuckte zusammen, als er in seinem Garten einen Schatten wahrnahm. Er schüttelte unwillig sein Haupt. Solche Visionen suchten ihn seit Münster ständig heim und ließen ihn nachts nicht zur Ruhe kommen. Dann gellten die Schreie seiner Brüder und Schwestern an sein Ohr, der Geruch von Blut kroch in seine Nase, und sein Speichel nahm einen metallischen Geschmack an.

Jetzt aber schüttelte er den Kopf heftiger. Wer sollte sich am helllichten Tag bei ihm durch die Büsche schleichen? Und das bei diesem Wetter, bei dem jeder möglichst an seinem Feuer sitzen blieb. Krechting beschloss, sich selbst zu beweisen, dass er sich getäuscht hatte, denn wenn wahrhaftig jemand in seinem Garten gewesen war, würde er im Schnee Spuren hinterlassen. Doch bevor er sich den Umhang überwerfen und vor die Tür treten konnte, klopfte es energisch. Seine Frau Elske öffnete und führte Hiske Aalken zu ihrem Mann durch. Erleichterung machte sich in Hinrich breit. Dieses Mal war er keinem Hirngespinst aufgesessen. Er hatte die Hebamme gesehen.

Hinrich trat Hiske mit einem Kopfnicken zur Begrüßung entgegen, dabei beruhigten sich Hände und Herzschlag.

»Gott zum Gruße, werte Hebamme.« Er wies mit einer einladenden Bewegung zu einem der Stühle, die um einen großen dunklen Tisch positioniert waren. Elske hatte Hiske ihren Umhang schon abgenommen und im Flur aufgehängt, doch an ihren Röcken hingen noch vereinzelte Schneeklumpen, ein Teil des Stoffes war nass. Die Hebamme wirkte aufgelöst. Sie hatte seine Einladung, sich zu setzen, deshalb nicht wahrgenommen. Hinrich wies ein zweites Mal auf einen der Stühle, auf den sie sich nun fallen ließ. Sie rutschte unruhig auf der Sitzfläche hin und her, so als habe sie eigentlich gar keine Zeit, hier zu sein. Dennoch schien sie nur mit Mühe ihre Worte zurückhalten zu können. Allerdings gebot ihr die Höflichkeit, nicht als Erste zu sprechen.

»Was führt Euch bei diesem vermaledeiten Wetter zu mir?« Hinrich hatte sich noch nicht gesetzt, sondern stand mit verschränkten Armen vor ihr und blickte auf die Hebamme herab. Hiskes Augen wirkten größer als sonst, und in ihrer Stimme schwang eine gewisse Panik. »Gestern Nacht lag eine Botschaft vor meiner Tür, die mich sehr erschreckt hat«, begann sie und fasste mit wenigen Worten zusammen, was am Vorabend geschehen war.

»Könnt Ihr mir den genauen Wortlaut nennen?«, fragte Krechting. »Vielleicht schafft das mehr Klarheit.«

Hiske nickte. »Es scheint ein Bibelspruch zu sein, jedenfalls sagt Garbrand das. Verzeiht, ich bin damit leider nicht bewandert.« Sie kniff die Augen zusammen und wiederholte den Text: »Ich will den Erdkreis heimsuchen um seiner Bosheit willen und die Gottlosen um ihrer Missetat willen und will dem Hochmut der Stolzen ein Ende machen und die Hoffart der Gewaltigen demütigen.«

»Das ist aus dem Gericht über die Stadt Babylon«, sagte Krechting sofort, und ihm war bewusst, dass seine Stimme leicht flackerte, denn er ahnte, worauf die Hebamme hinauswollte, warum sie ausgerechnet zu ihm kam. »Ihr befürchtet, es richtet sich gegen den Mönch, nicht wahr?«

Hiske stimmte ihm zu: »Ich beherberge in den Augen vieler Neustädter einen Abtrünnigen, einen Mann mit unlauterem Glauben. Was ist daran so abwegig?«

»Ich bestreite nicht, dass Eure Vermutung richtig sein könnte«, entgegnete Krechting. »Mich wundert nur, warum ausgerechnet jetzt jemand Anstoß nehmen soll, wo Garbrand doch schon ein paar Jahre hier lebt.«

»Seht Ihr, ich finde es nicht sonderbar. Eure Vorgaben des gesellschaftlichen Lebens knechten die Menschen, viele sind damit nicht einverstanden. Nicht alle können und dürfen so leben, wie sie es gern tun würden.« Hiske schlug die Augen nieder, denn ihr musste klar sein, wie gefährlich es war, einen Mann wie Hinrich Krechting zu kritisieren. Doch sie war offensichtlich nicht gewillt, vor irgendwem zu kuschen. Auch nicht vor dem Juristen. »Sie möchten lachen, feiern und fröhlich sein. Dieses triste Dasein schürt Wut.« Jetzt war es heraus.

Krechting war einen Augenblick lang sprachlos, aber dann fing er sich wieder. »Es sind die Statuten der reformierten Kirche, die Hebrich von Knyphausen zur führenden Kirche der Herrlichkeit Gödens ausgerufen hat«, rechtfertigte er sich. »Und Ihr glaubt, ihre Ablehnung gegenüber diesen Einschränkungen lassen sie an Garbrand aus?«

Hiske nickte. »Das wäre die eine Möglichkeit. Schließlich ist Euer Ziel, es ganz anders zu machen als die Papisten. Es könnte auf sie wirken, als wolltet Ihr gerade Garbrand beweisen, dass es anders geht. Er ist ein Feindbild. Doch ich fürchte auch die anderen Kräfte.«

Krechting zog fragend die Brauen hoch.

»Es gibt viele Neustädter, die Eurer Gesinnung sind und sich durch Eure Worte darin bestärkt sehen, gegen Andersgläubige vorzugehen.«

Es behagte Hinrich keineswegs, wie die Hebamme mit ihm sprach, und schon gar nicht, was sie sagte. Doch Hiske hatte ich jetzt in Fahrt geredet und war nicht zu bremsen. »Diese Menschen sind für Garbrand eine große Gefahr. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Katholiken falschen Glaubens sind. Ihr aber duldet diesen Abtrünnigen unter euch. Dieser grausame Winter wirkt auf sie wie ein Gottesgericht.«

»Wie das Gericht gegen Babylon. Sie brauchen einen Schuldigen«, vollendete Krechting ihren Satz. Seiner Stimme war die Missbilligung gegenüber ihren Worten durchaus anzumerken, immerhin griff Hiske Aalken eben die Grundfesten seiner Überzeugung an, indem sie seine eindeutige Position infrage stellte. »Die Papisten sind falscher Gesinnung«, sagte er ruhig, aber mit einem grollenden Unterton in der Stimme.

»Wir müssen Buße tun, reinen Herzens vor den Herrn treten, so wie es uns Jesus gelehrt hat. Dazu können und dürfen wir nicht im Überschwang leben.« Nun setzte er sich Hiske doch gegenüber. Er strich unwillkürlich über das fein gewebte Leinen, das die Tischplatte schmückte. Dann besann er sich. Er wollte sicher sein, dass seine Worte die Hebamme erreichten. Sie durfte all diese Dinge nicht in der Neustadt herumerzählen, hatte sich den Gegebenheiten zu beugen. Ob es ihr gefiel oder nicht. Und dennoch hielt Krechting etwas davon ab, ihr arg zuzusetzen, denn er schätzte Hiske sehr. Sie berührte seit ihrer ersten Begegnung sein Herz mehr, als er es sich eingestehen wollte. Von daher wäre es wirklich eine gute Fügung, wenn Jan Valkenstijn sie bald ehelichen würde.

»Ich bin Reformer«, sagte er schließlich. »Ich predige den wahren Glauben. Ich bin Armen- und Kirchenvorstand der reformierten Kirche, der Herrin damit in dieser Funktion verpflichtet. Von daher fülle ich mein Amt aus, so wie es verlangt wird.«

»Ihr seid nicht nur Reformer, Krechting«, wandte Hiske ein, und noch immer hatte ihre Stimme nicht an Klangfülle verloren. »Ihr seid auch nicht nur Armenfürsorger. Ich weiß um Eure wahre Gesinnung, sehe aber, dass Ihr Euch für die Menschen in Gödens verantwortlich fühlt.« Sie machte eine Pause und fixierte Krechting mit ihren eigenartigen Augen. Ein Blick, dem er sich noch nie zu widersetzen verstanden hatte. Sie hatte ihn ganz und gar durchschaut. Hiske Aalken war ein Weib, das tief in die Seele eines jeden Menschen blickte und dem man nichts vormachen konnte. Erst danach sprach sie weiter. »Ihr seid für alle, also auch für Garbrand, zuständig, und ich bitte Euch, ihn zu schützen.«

Krechting zuckte angesichts dieser für ihn völlig absurden Forderung zurück. Er konnte den alten Mönch dulden, ihn hier leben lassen, denn er war ein Freund Hiskes und Valkenstijns, nicht mehr und nicht weniger. Aber einen Papisten schützen? Das war ausgeschlossen.

»Wie sollte ich das tun? Ich predige nicht den Hass gegen andere Religionen, weil Hebrich von Knyphausen das nicht hinnehmen würde, da seid sicher. Sie übt religiöse Toleranz, und ich mache dasselbe.« Krechting sah der Hebamme an, dass sie seine Worte lediglich als feige Ausflucht sah, denn er war durchaus in der Lage, mehr für den alten Mönch zu tun. Er erkannte die Enttäuschung in ihren Augen. Ihr Vertrauen zu ihm schien erschüttert, er enttäuschte sie mit seiner ausweichenden Antwort maßlos. Schon immer hatte er Glauben und Gesinnung über alles andere in der Welt gestellt. Über seine Frau, seine Kinder, sein Leben.

»Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir helfen.« Hiskes Stimme brach, ein wenig sackte sie auf ihrem Stuhl zusammen. Und doch setzte sie sich augenblicklich wieder gerade hin und schien nicht willens aufzugeben. »Ich weiß einfach nicht, zu wem ich außer Euch mit meinen vielen Fragen gehen sollte. Ihr habt Euch in der Vergangenheit stets als vertrauenswürdig und auch als einflussreich erwiesen.«

Krechting faltete die Hände vor seinem Wams und ließ den Blick auf ihr ruhen. Er musste Zeit gewinnen.

Hiske schüttelte fassungslos den Kopf, bevor sie weitersprach. »Warum legt ausgerechnet mir jemand eine Botschaft dieser Art vor die Kate? Man hätte eine Epistel unter der Tür hindurchschieben können, aber ein Stein hat etwas Bedrohliches, es ist, als warnte mich der Schreiber. Er könnte ihn beim nächsten Mal auch gegen mich und meinen Freund werfen, und das würde gefährlich für uns werden.«

Krechtings Zeigefinger lag vor dem Mund, so war es ihm leichter zu denken, denn alles, was Hiske zu ihm sagte, entsprach der Wahrheit. Und doch passte etwas nicht. Er wusste nur nicht was. »Lagen ausschließlich diese beiden Dinge vor der Tür?«, hakte er schließlich nach.

Die Hebamme bejahte es. Krechting erhob sich und trat ans Fenster, als fände er im Tanz der Flocken die Antworten auf Hiskes Fragen. »Nur ein Stein mit der Drohung des Gerichts von Babylon. Nur das«, wiederholte er.

»Ihr seid einer der wenigen Menschen, denen ich vertraue«, begann die Hebamme.

Krechting fühlte sich wider Willen geschmeichelt. »Habt Ihr das Schriftstück bei Euch?«

Hiske schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre dunklen Locken wild herumflogen. »Garbrand hat es verbrannt, weil er meint, es sei Teufelswerk, auch wenn es sich um einen Bibelspruch handelt. Ich weiß, dass Ihr an so etwas nicht glaubt, aber er tut das, und so habe ich ihn gewähren lassen. Falls der Brief tatsächlich ein Werk des Bösen sein sollte, hat er recht daran getan, ihn zu vernichten.«

Krechting war angesichts ihrer Worte verärgert. »Ich sehe aber doch, dass der Mönch keinen guten Einfluss auf Euch hat. Sein Glauben hat jahrhundertelang nur Elend und Verdummung über die Menschen gebracht. Der Katholizismus ist tot. Und alle seine Anhänger wären es am besten gleich auch«, stieß er hervor. Die Papisten hatten seine Brüder und Schwestern auf dem Gewissen. Für sie war er ein Todfeind. Stünde er ihnen im Kaiserreich gegenüber, würde keiner zögern, ihm den Kopf abzuschlagen. Und umgekehrt würde er ebenso handeln. Hier in Gödens aber war ein solches Tun unmöglich.

Er merkte an Hiskes Reaktion sofort, dass seine Worte zu hart gewesen waren, denn ihre Hände zitterten unmerklich.

»Ihr helft mir also nicht, Garbrand zu schützen?« Obwohl ihre Stimme bebte, klang unterschwellig Wut darin mit. Hiske Aalken war kein Weib, dem man Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit vormachen konnte. Hinrichs Verhalten empfand sie dem Mönch, aber auch sich selbst gegenüber, als kaltherzig. Deshalb wunderte sich Krechting nicht, als ihr die folgenden Worte fast schnippisch über die Lippen sprudelten: »Ihr predigt die Gleichheit aller Menschen. Dennoch habt Ihr in Münster als führender Täufer samtene Roben getragen. Ihr habt Andersgläubige mit dem Schwert niedergemetzelt.« Hiske holte kurz Luft, so als müsse sie überlegen, ob sie die nächsten Sätze aussprechen durfte. Doch sie war ein unerschrockenes Weib, und so setzte sie nach: »Ihr seid aus der Stadt entkommen, während so viele andere Menschen dort ihr Leben lassen mussten. Sogar Euer eigener Bruder und Eure Freunde, der Bürgermeister Knipperdolling und Jan van Leyden, sind zu Tode gefoltert worden! Mit glühenden Zangen haben sie ihnen das Fleisch vom Körper gebrannt und sie selbst in Käfigen am Lambertiturm aufgehängt. Habt Ihr denn nichts daraus gelernt, was dabei herauskommt, wenn man keine Toleranz walten lässt?«

Krechtings Augen verengten sich zornig, als er Hiskes Worte vernahm. Dieses Mal war sie zu weit gegangen. Er beugte sich über den Tisch und umfasste ihre kalten Hände.

Seine Worte klangen hart, und er sprach sie sehr nachdrücklich aus. »In dieser Herrlichkeit leben wir tolerant!«

»Aber nur, soweit es auch nur annähernd mit Euren Grundsätzen harmoniert!«

Krechtings Gesicht lief angesichts dieser Worte rot an, doch seine nachfolgenden Sätze klangen gemäßigt, fast, als gäbe er nach. »Ich habe gelernt, und ich töte niemanden mehr wegen seines Glaubens. Trotzdem bereitet es mir große Schwierigkeiten, einen Papisten zu schützen. Das ist … zu viel verlangt! Viel zu viel!« Er ließ ihre Hände abrupt los und stieß sie weg.

Hiske aber war noch lange nicht fertig. »Garbrand ist in erster Linie ein guter und treusorgender Mensch. Ein wahrer Freund, auf den ich mich auch in schweren Zeiten verlassen kann. Für mich ist seine geistige Gesinnung zweitrangig.« Ihre Augen funkelten in dem altbekannten Strahlen, das sie zu einem so außergewöhnlichen Weib machte. »Er ist jemand, den ich mehr schätze als viele andere, weil seine Seele gewiss rein ist, was ich von einigen anderen nicht behaupten möchte. Er steht mir bei der Erziehung des Wortsammlers stets zur Seite, während der Rest der Gemeinde ihn wie einen Aussätzigen behandelt.« Hiske war von Wort zu Wort lauter geworden.

»Er ist ein Papist«, beharrte Krechting. »Die Menschen in der Neustadt verabscheuen die Katholiken.«

Hiske gab sich mit der Antwort des Juristen nicht zufrieden. »Mir ist es gleich, an welchen Gott er glaubt, an welches Abendmahl und an welche Vergebung nach dem Tod. Er ist mein bester Freund. Das ist das Einzige, was zählt.« Sie holte kurz Luft und wiederholte nachdrücklich: »Alles … andere … ist … mir … egal!«

Krechting wollte Zeit gewinnen. Hiskes respektlose Worte hatten ihn tief getroffen, entsprachen sie doch der Wahrheit, ob es ihm gefiel oder nicht. Es war seine Pflicht, alle Einwohner der Herrlichkeit zu schützen. Auch die, die nicht seiner Gesinnung waren. Und er tat das nicht. Weil er es nicht konnte, denn sein Herz schlug für die Täufer. Weil er in der Tiefe seiner Seele noch immer einer war.

Seine ganzen Restriktionen hatten ihre Ursache in seinem eigenen schlechten Gewissen, seinen Glauben nie so leben zu dürfen, wie er es sich gewünscht hätte. So hoffte er darauf, alles vergessen zu machen, was einst geschah. Es war jedoch unmöglich. Dennoch durfte er Hiskes Respektlosigkeiten keinesfalls ungeahndet lassen, egal wie sehr er die Hebamme mochte. Sie wuchs sich mit solchen Worten zu einer ungeahnten Gefahr aus. Ein Weib mit spitzer Zunge konnte die Menschen in der Neustadt aufwiegeln, denn Hiskes Stimme hatte durchaus Gewicht, da man ihr große Achtung entgegenbrachte. Trotzdem hatte er tiefes Verständnis für sie, weil sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für ihren Freund kämpfte. Dabei war sie mutig und überschritt Grenzen. Genau das war es, was er an ihr schätzte. Sie trat vehement und kompromisslos für eine Sache ein, wenn sie davon überzeugt war. Sie hatten viel gemeinsam. Er und die Hebamme. Hinrich fühlte sich so sehr zu ihr hingezogen wie noch nie in seinem Leben zu irgendjemandem. Er blickte sinnierend ins Schneegestöber. Er, der große Jurist der Herrlichkeit Gödens, war sprachlos und wusste nicht, wie er einem Weib wie Hiske Aalken gegenübertreten sollte. Nach einer Weile hatte er sich gefasst. »Ich denke, es ist besser, Ihr zähmt Eure Worte«, sagte er schließlich und beobachte ihre Reaktion genau.

Die Hebamme zögerte, schien aber zu wissen, dass sie zu weit gegangen war. Erst senkte sie den Blick, neigte dann sogar den Kopf. »Verzeiht meinen Tonfall, aber es geht um einen mir nahestehenden Menschen, und ich pflege mich dafür einzusetzen. Mit allem, was ich habe, und in diesem Fall sind es meine Worte. Ich bitte Euch, mir Gnade zu erweisen.« Ihre Sätze kamen nur langsam und bedächtig über die Lippen.

Krechting merkte, dass Hiske in Wahrheit nicht so demütig war, wie sie tat, dass sie aber erkannt hatte, dass ihr keine Wahl blieb. »Nun gut«, lenkte er ein, dankbar, dass die Hebamme es ihm so einfach machte. »In Anbetracht Eurer Stellung ohne Familie in der Fremde erkenne ich durchaus die engen Bindungen zu Eurem Freund an und will Eure Worte vergessen.«

»Ich danke Euch.« Hiske hob mit einem verstohlenen Lächeln den Kopf. Krechting glaubte, sogar ein leichtes Zwinkern auszumachen. »Könnt Ihr denn etwas für Garbrand tun? Ich habe große Furcht, dass sie mein Haus zerstören, es niederbrennen, uns alle erschlagen. Ihr müsst herausfinden, wer in der Herrlichkeit einen solchen Groll gegen uns hegt, dass er es wagt, uns zu bedrohen oder Schlimmeres anzutun.«

»Was, wenn der Mönch gar nicht gemeint ist?«, warf Krechting ein. »Es kann doch sein, dass Euch wieder jemand als Toversche verdächtigt und nicht ihm, sondern Euch die Schuld an diesem grausamen Winter gibt. Diese Gedanken bekommen wir auch bei den Reformern nicht aus dem Kopf. In ganz Ostfriesland lodern die Feuer oder Weiber werden gepeinigt, bis sie schließlich selbst meinen, eine Zauberin zu sein.«

Hiske hatte sich ebenfalls erhoben und sich neben den Juristen gestellt. Beide starrten in den Flockentanz, der nicht friedlich, sondern eher wütend ums Haus fegte. »Daran mag ich gar nicht denken.« Ihre Stimme senkte sich. »Ich könnte es nicht ertragen.«

Krechting nickte. Diese Tatsache würde Hiske Aalkens Dasein als Hebamme in der Herrlichkeit infrage stellen. Ihr Prozess in Jever, aus dem sie nur mit viel Glück und einer Bürgschaft herausgekommen war, zeichnete sie noch immer. Krechting strich sich nachdenklich über den Bart. »Ich will sehen, was ich tun kann. Wenn keine weitere Botschaft auftaucht, wird es im Sand verlaufen, was für alle Beteiligten das Beste wäre.« Er hasste sich für diese Feigheit, denn sie spiegelte das wider, was er schon viel zu viele Jahre tat. Abwiegeln, wegschauen und faule Kompromisse eingehen. Hiskes klare Worte hatten böse Erinnerungen in ihm geweckt. Sein ganzes Leben war seit der Flucht aus Münster eine Aneinanderreihung von unbefriedigenden Zugeständnissen, und es sah nicht so aus, als würde sich dies bis zu seinem Tod ändern. Wie gnädig aber wäre es vom Schicksal, wenn ihn zumindest die Vergangenheit in Ruhe ließ und dieser Brief einzig und allein dem Papisten oder Hiske galt und mit ihm nichts zu tun hatte. Er wurde die damalige Last nicht los, konnte sie nicht verdrängen, nicht auslöschen. Immer wieder nagte sie an ihm und schwebte wie eine Drohung über seinem Haupt. So stark er selbst auf Frieden hoffte, so sehr war ihm mittlerweile klar, dass er ihn in diesem Leben nicht mehr finden würde. Er glaubte an Gottes Gnade und daran, dass er ihn nach dem Tod an seine Seite holen würde, damit er das Elend und seine vielen Zugeständnisse auf der Erde vergessen konnte.

»Ich schließe mich Eurer Hoffnung an«, holte Hiske ihn aus seinen Gedanken, »aber dennoch wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr nicht einzig und allein darauf baut. Ihr würdet es Euch nicht verzeihen, sofern ein Mensch zu Schaden kommt, weil wir unachtsam waren.« Hiske hatte bewusst das Wort »wir« gewählt, denn so konnte Krechting ihr nicht widersprechen.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, da sie es stets schaffte, ihn genau dorthin zu lenken, wo sie ihn haben wollte, dabei aber nie das Gefühl vermittelte, sie habe gewonnen.

»Wohl wahr«, bestätigte er, um überhaupt etwas zu sagen.

»Ich werde ein Auge auf alles haben.«

Hiske griff nach ihrem Wolltuch, das sie mit einer geschickten Bewegung um den Kopf schlang. »Ich komme wieder, wenn es weitere Neuigkeiten gibt.« Sie zögerte. »Ihr seid wirklich ganz sicher, dass all das nichts mit Eurer Vergangenheit in Münster zu tun hat? Es wäre schließlich nicht das erste Mal.«

Hinrich Krechting hatte gewusst, dass Hiske nicht locker lassen würde, auch wenn sie zunächst vorgab, es zu tun. »Es ist viel passiert, seit wir hier Zuflucht gefunden haben«, wich er aus. »Die Zeiten waren schwer, und viele Dinge sind uns nicht geglückt. Nicht allen Menschen konnten wir ein geistiges Zuhause geben, und es gibt immer wieder irregeleitete Seelen, die ich weder lenken noch einfangen kann. Der Glaube ist im Umbruch, jedes Schaf muss seine rechte Herde finden. Auch Ihr werdet das tun, Hiske. Auch Ihr.«

»Nun denn, wenn Ihr meint.« Die Hebamme wandte sich mit einem Kopfnicken zur Tür und verließ die Stube, wo Elske schon mit dem Umhang wartete. Krechting war der irrigen Hoffnung, dass seine Frau nicht allzu viel von der Unterhaltung mitbekommen hatte. Er sah Hiske nachdenklich hinterher und wusste in dem Moment, dass ihm die nächsten Wochen keine Ruhe bescheren würden.

2. Kapitel

Jan stand vor Jacobus Cornicius, der seinen Freund mit besorgter Miene musterte, als der sagte: »Ich habe einen Mitreisenden gefunden, der ebenfalls rasch in die Herrlichkeit Gödens gelangen möchte. Es ist ein alter Weggefährte, dem ich vertraue und mit dem ich mich schon durchschlagen werde. Irgendwelche Scheunen und Gehöfte werden uns Unterschlupf bieten, da sei gewiss!«

»Wer ist der Mann?«, fragte Jacobus skeptisch.

»Lübbert Jans Kremer. Der Kaufmann, der Krechting beim Bau der Neustadt helfen wird und bereits im letzten Sommer in der Herrlichkeit weilte. Er kennt den Landweg. Auch er ist der Ansicht, dass wir jetzt sogar schneller sein können, weil keine Umwege nötig sind. Ich schließe mich ihm an und bitte Gott um Schutz.«

Jacobus war noch immer nicht sehr angetan von der Idee.

»Ich glaube, du machst dir etwas vor, wenn du es als machbar darstellst.«

Jan drückte Jacobus die Hand. »Das Leben an sich ist ungewiss. Ich muss gehen, so rasch es geht. Sicher finden wir unterwegs Menschen, die uns wohlgesonnen sind. Wünsch mir einfach Glück!«

»Das tue ich, Jan. Das weißt du. Möge Gott an deiner Seite sein!«

»Ich breche morgen in aller Frühe auf. Jetzt werde ich mich um Proviant und Ähnliches kümmern.«

Jacobus wandte sich an einen Schrank, öffnete eine Schatulle und drückte Jan ein paar Gulden in die Hand. »Das wird dir vieles erleichtern!«

Gerade als Jan sich auf den Weg zum Ratsdelft machen wollte, weil er dort die Dinge zu erstehen hoffte, die er für die gefährliche Reise benötigte, klingelte ein Bote. Er teilte ihm mit, dass Lübbert Jans Kremer sich doch entschlossen hatte, nicht zu Fuß übers Land aufzubrechen, sondern besseres Wetter abzuwarten und mit der nächsten Kraweel nach Gödens zu reisen. »Mein Herr hat auch schon mit Bader Dudernixen gesprochen. Ihr alle könnt gemeinsam mit dem ersten Schiff reisen, wenn es wieder möglich ist. Er wird sich um eine Passage kümmern.« Der Bote verneigte sich und zog sich zurück, nachdem Jan ihm ein Schap zugesteckt hatte.

Der Arzt suchte den Kaufmann sofort auf. Der wich von seiner Entscheidung nicht ab. »Die Reise ist zu gefährlich, Valkensteyn. Ich habe Euch doch ausrichten lassen, dass ich mich gern um eine Überfahrt kümmere, zumal auch der Bader rasch in die Herrlichkeit gelangen möchte.« Er bemerkte Jans Kopfschütteln. »Ihr mögt jung genug sein, sie zu überstehen, aber meine Knochen sind gichtgeplagt, und meine Beine schleppen sich mehr, als dass sie laufen. Da deucht mir eine Überfahrt auf Schiffsplanken wahrlich besser.«