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Dieses E-Book entspricht 176 Taschenbuchseiten ... Die attraktive Marie lebt mit ihrem Vater auf Gut Moorhof, studiert Romanistik und ist mit dem reichen Nachbarssohn Alex verlobt. Eines Tages taucht der Rockmusiker Ben auf - sexy, wild und leidenschaftlich! Nach einer feurigen Nacht setzt er sich auf sein Bike und braust davon. Zeitgleich verschwindet die Münzsammlung ihres Vaters. Marie fühlt sich ausgenutzt. Doch ihre Leidenschaft für knallenges Leder ist geweckt. Als scharfe Lederbraut heizt sie ihrem Alex ein, vernascht ihre Jugendfreundin Mia und denkt immerzu an Ben. Der treibt es mit der heißblütigen Aylin, kommt aber nicht los von Marie. Gibt es noch eine Chance für ihre Liebe? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 236
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Impressum:
Die Lederbraut und der Biker - Drei sind einer zu viel! | Erotischer Roman
von Liv Harder
Schon als Jugendliche hat Liv Harder ihre erotischen Fantasien zu Papier gebracht. Die begeisterte Taucherin, die sich auch hätte vorstellen können, Meeresbiologin zu werden, hat lange in New York und in Berlin gelebt. In den Clubszenen der beiden Städte hat sie so manch geheimen Wunsch ausgelebt. Inzwischen lebt Liv mit ihrem Partner in einer Großstadt am Rhein, wo man sie gelegentlich auf Erotik-Partys antreffen kann.Die Heldin ihres ersten Romans „Marie und der Motorradfahrer“ hat einiges mit der Autorin gemeinsam: Beide haben lange blonde Haare und teilen ihre Vorliebe für Tattoos und für Lack und Leder. Vieles aus Livs eigenem Leben ist in dieses Buch eingeflossen, auch die Erfahrung einer heißen Affäre mit einer Frau.Liv Harder schreibt schon an ihrem nächsten Buch, einem Roman, der in einem ziemlich sexy dargestellten Mittelalter spielt. Auch ein erotischer Mystery-Thriller ist in Arbeit. „Ich stehe auf harten Sex, aber ich habe auch eine romantische Ader“, verrät Liv lächelnd.
Lektorat: Ulrike Maria Berlik
Originalausgabe
© 2021 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © Volodymyr TVERDOKHLIB @ shutterstock.com © Dmytro Vietrov @ shutterstock.com © Open Studio @ shutterstock.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783750700703
www.blue-panther-books.de
Kapitel 1
Marie hörte ein Motorrad vorfahren und so stark abbremsen, dass der Kies, der vor dem Herrenhaus von Moorhof lag, zur Seite spritzte. Das würde ihrem Vater bestimmt nicht gefallen. Wer mochte der Motorradfahrer sein? Alex war es sicher nicht. Der fuhr nicht Motorrad, sondern stets den roten Sportwagen, der sein Ein und Alles war. Und Alex wollte sie ohnehin erst am frühen Abend abholen.
Sie warf das Lehrbuch französischer Grammatik, in dem sie gelesen hatte, aufs Bett, eilte zum Fenster ihres Zimmers und sah eine Gestalt in schwarzem Leder, die gerade von der schweren Maschine stieg. Es war ein Mann, das war unschwer zu erkennen, aber da er einen Helm trug, blieb er immer noch ein Unbekannter.
Bella, die Boxerhündin ihres Vaters, die auf den kühlen Steinfliesen der Diele Zuflucht vor der Hitze des Sommers gesucht hatte, bellte aufgeregt. Jetzt war auch der Glockenklang der Türklingel zu vernehmen. Ihr Vater, der sicher geladen war, weil der frisch geharkte Kies seines geliebten Anwesens in Unordnung gebracht worden war, schien die Tür zu öffnen. Nun durfte sich der Besucher bestimmt eine Standpauke anhören.
»Marie, da ist jemand für dich«, rief ihr Vater nach oben. Seine Stimme hörte sich keineswegs freundlich, sondern ziemlich unwillig an.
Maries Herz klopfte. Wer konnte das bloß sein? Sie hatte keine Ahnung. Sie warf einen Blick in den Spiegel ihres Zimmers und strich sich eine Strähne ihres langen blonden Haares aus dem Gesicht. Sie trug ein hellblaues T-Shirt, bequeme Jeans und Turnschuhe. Wer auch immer der Besucher sein mochte, sie war froh, dass sie auch in diesen Alltagsklamotten ganz passabel aussah.
Auf halber Höhe der Holztreppe, die in die Diele des Hauses hinunterführte, konnte sie das Gesicht des Besuchers, der den Motorradhelm nun in der Hand hielt, endlich erkennen. Ein junger Mann mit dunklem Haar und Dreitagebart grinste sie an und schien sich über die Überraschung, die ihm gelungen war, diebisch zu freuen. Mit der linken Hand kraulte er den Kopf der Hündin, die sich vertrauensvoll an sein Bein geschmiegt hatte.
»Ben!«, rief Marie. »Was machst du denn hier? Mit dir habe ich ja nun überhaupt nicht gerechnet.« Sie fühlte ihr Herz noch wilder klopfen als vor ein paar Wochen in Berlin, als sie Ben kennengelernt hatte.
»Ich bin auf dem Weg nach Amsterdam«, antwortete der Motorradfahrer mit einer angenehmen, etwas rauen Stimme, »und da dachte ich, ich schau unterwegs mal bei dir vorbei …«
Oh Gott, diese etwas heisere Stimme machte Marie wieder ganz schwach.
Gut Moorhof lag nahe der holländischen Grenze, und wenn man von Berlin nach Amsterdam wollte, kam man unweigerlich durch diese Gegend.
»Super Idee von dir«, sagte Marie und hoffte, dass Ben nicht merkte, dass sie vor lauter Aufregung rot geworden war. Sie spürte nämlich deutlich, wie die Röte langsam ihr Gesicht hinaufgezogen war, bis sie ihre Stirn erreicht hatte.
»Dein Vater scheint nicht so begeistert zu sein. Mit dem habe ich es mir wohl schon verscherzt.« Ben setzte ein schiefes Grinsen auf.
Ihr Vater hatte sich anscheinend gleich wieder in sein Arbeitszimmer zurückgezogen. Gut, dass er nicht auch noch mit ansehen musste, wie sein Hund sich an den Besucher schmiegte.
»Weil du mit deiner Maschine so auf den Hof gedonnert bist? Ach, mein Vater ist nicht nachtragend«, behauptete Marie. Mit Blick auf Bens Lederklamotten und die schweren Stiefel sagte sie dann: »Du musst doch furchtbar schwitzen bei diesem Wetter.«
Der Sommer war sehr heiß und im ganzen Haus stand die Hitze und ließ sich nicht vertreiben. Nicht einmal nachts kühlte es merklich ab.
»Während der Fahrt merke ich es nicht, aber sobald ich absteige …«
»Hast du denn was zum Umziehen dabei?«
»Sicher. In meiner Tasche. Die ist noch auf meiner Maschine.«
»Dann hol deine Sachen rein. Du ziehst dich um und bekommst erst mal was zu trinken.«
»Ein kühles Bier wäre nicht schlecht.«
»Sollst du haben. Und dann bleibst du diese Nacht hier. Oder willst du etwa heute noch weiter nach Amsterdam?«
»Wenns nicht unbedingt sein muss … Aber was wird dein Vater dazu sagen?«
»Och, der erfüllt seiner Tochter jeden Wunsch.« Marie kicherte.
Erneut zeigte sich dieses unwiderstehliche Grinsen auf Bens Gesicht. Er schaute Marie tief in die Augen. Dann drehte er sich um und trat wieder vor die Haustür, um seine Reisetasche von dem schweren Motorrad abzuschnallen. Marie konnte ihren Blick nicht von dem knackigen, kleinen Hintern in der engen Lederhose lösen. Ihr Herz begann wie wild zu rasen.
Kapitel 2
Oh Gott, dachte Marie, was würde Ben bloß von dem alten Kasten denken, in dem sie hier wohnten. Der war zwar mal ein stattliches Herrenhaus gewesen, aber für ihren Geschmack wirkte das Haus einfach nur alt und ein wenig heruntergekommen. Patina nannte ihr Vater das. Man konnte aber auch sagen, dass das Haus eindeutig schon bessere Tage gesehen hatte. Ben würde die altmodischen geblümten Tapeten im Gästezimmer bestimmt furchtbar kitschig finden.
Aber er schien sie gar nicht zu bemerken. Er stellte seine Reisetasche auf einen Sessel, warf seine Lederjacke darauf und trat neugierig ans Fenster. Marie konnte die Augen nicht von ihm lassen. Unter seinem eng anliegenden schwarzen T-Shirt zeichneten sich seine kräftigen Muskeln ab.
Der Garten von Moorhof war beinahe ein Park. Erst war da die große Terrasse, dann eine Rasenfläche und dann der Teich, auf dem Seerosen schwammen und in dem sich alte Buchen und Eichen spiegelten. Marie kam gar nicht in den Sinn, dass jemand aus der Großstadt es hier wirklich schön finden könnte. Sie war eben hier aufgewachsen und den Anblick gewohnt.
»Die Kiefern da hinten stehen schon fast an der holländischen Grenze. Hinter ihnen kommt nur noch das Moor«, sagte Marie.
»Das Moor. Hm, hört sich ja geradezu gefährlich an«, bemerkte Ben mit ironischem Respekt. »Kann man da etwa versinken und nie wieder auftauchen?«
»Man kann so was von versinken im Moor«, behauptete Marie und lächelte vielsagend. »Eh man sichs versieht, ist man rettungslos verloren. Und Kreuzottern gibt es da auch. Man muss also schon sehr aufpassen im Moor. Sehr gefährlich da.« Sie zwinkerte Ben zu, was dieser mit einem Grinsen quittierte.
Ben setzte sich auf einen Stuhl und sah zu, wie Marie um das Bett herum ging, um das Laken glatt zu streichen. Marie warf ihm immer wieder verstohlene Blicke zu. Ben sah umwerfend gut aus in seiner engen Motorradhose, dem schwarzen T-Shirt, unter dem sich seine muskulöse Brust abzeichnete, und mit den braun gebrannten Armen. Und dann diese grünen Augen unter dem dunklen Haarschopf!
»Du wirst hier bestimmt gut schlafen«, sagte sie.
»Das kann ich mir vorstellen, bei der Ruhe hier.« Ben lächelte und sah ihr in die Augen.
»Ja, ruhig ist es hier. Manchmal mehr, als mir lieb ist. Dann freu ich mich wieder auf den Beginn des Uni-Betriebs. Auf die Dauer wäre es mir hier zu langweilig.«
»Na ja, du bist ja nur in den Ferien hier. Das muss sich doch aushalten lassen. Zumal, wenn du zwischendurch immer wieder mal nach Berlin fährst.« Diesmal zwinkerte Ben Marie zu.
Marie merkte, wie sie noch eine Spur röter wurde, nickte lächelnd und schlug die Augen nieder. Sie setzte sich auf den Bettrand. Zerstreut strich sie über das Kopfkissen. Ihre Beine hatte sie übereinandergeschlagen und wippte mit dem Fuß.
Beide wussten nicht so recht, wie sie nach Bens letzter Bemerkung ihr Gespräch fortsetzen sollten. Marie hatte plötzlich die Vorstellung, wie sie zu Ben hinüber ging, sich vor ihn hockte, den Reißverschluss seiner Lederhose löste, Bens Schwanz vorsichtig hervorzog und mit halb geöffneten Lippen ihren Mund nach vorn neigte.
Sie fühlte, wie sie wieder rot wurde, und schüttelte abwehrend den Kopf. Ben schaute sie irritiert an. Schließlich beendete er das Schweigen, indem er aufstand und bemerkte: »Okay, ich mach mich dann mal frisch und zieh mich um.«
Marie kam wieder zu sich. »Auf dem Sessel liegen zwei Handtücher«, sagte sie. »Das Bad ist am Ende des Flurs. Wenn du fertig bist, komm in den Garten. Da wartet dann dein kühles Bier auf dich.« Verwirrt lächelte sie ihrem Besucher zu, stand auf und ging hinaus.
Kapitel 3
Sie hatte Ben einen Monat zuvor in Berlin kennengelernt, wo sie ihre Freundin Mia besucht hatte. Das war auf einer ziemlich abgefahrenen Party in Friedrichshain gewesen. Sie wusste noch gut, dass sie einen schwarzen Minirock getragen hatte, ihre Lieblingsstiefel und eine Netzstrumpfhose. Sie hatte viel getrunken und wild zu der harten Rockmusik getanzt.
Irgendwann war dieser schwarz gekleidete, schlanke Typ auf sie zugekommen, hatte sich zu ihr gebeugt und gesagt: »Du hast eine total schöne Art zu tanzen.«
»Danke schön. Das hat mir ja noch keiner gesagt.«
»Ist aber so. Möchtest du etwas trinken?«
»Im Moment nicht, danke.«
»Was kann ich denn sonst tun, um dich kennenzulernen?«
Da hatte sie lachen müssen. »Okay, dann hätte ich gern eine Cola.« Jetzt besser keinen Alkohol mehr, hatte sie gedacht.
Der Typ ließ nicht locker. Bei den meisten Männern hätte sie das genervt, aber bei ihm hatte ihr das gefallen. Er hatte eine sehr angenehme, männliche Stimme und Charme besaß er offensichtlich auch.
Mit einer Cola für sie und einem Bier für sich selbst kehrte er von der Theke zurück und stieß seine Flasche leicht gegen ihre: »Ich bin Ben. Und wer bist du?«
»Marie.«
»Freut mich, Marie.«
»Mich auch, Ben. Ich bin mit Mia hier, meiner Freundin.« Marie wies mit einem Kopfnicken auf eine junge Frau mit sehr kurzem feuerrotem Haar, die einige Meter entfernt bei einem ihrer Bekannten stand, die beiden aber zu beobachten schien.
»Ach, Mia ist deine Freundin?«
»Ja. Kennst du sie etwa?«
»Oh ja. Mia kenn ich schon lange.« Das Lächeln, das über Bens Gesicht glitt, kam Marie vielsagend vor.
Sie spürte einen leichten Stich. Plötzlich schien Mia mit ihrer Kurzhaarfrisur und ihren vielen Tattoos ihr deutlich peppiger zu sein als sie selbst.
»Kennst du sie gut?« Am liebsten hätte Marie gefragt: War mal was zwischen euch? Aber das konnte sie sich gerade noch verkneifen.
Merkwürdig, dass Mia nie von diesem Typen erzählt hatte, der so cool und interessant wirkte. Hatte sie ihn etwa absichtlich verschwiegen?
Marie war in dieser Nacht schnell für Ben eingenommen gewesen, weil er so unglaublich lässig wirkte, unabhängig und unbekümmert. Sie hatte damals schon geahnt, dass es vermutlich auch anderen Frauen so gehen würde.
»Kommt darauf an, was du damit meinst. Mia und ich kennen uns schon eine Ewigkeit. Wir begegnen uns immer wieder. Zum Beispiel auf Partys wie dieser hier.« Ben sah ihr in die Augen. Irrte sie sich oder war da ein belustigtes Blinzeln in seinen Augen zu erkennen?
»Und woher kennt ihr zwei euch, du und Mia?«, fragte er dann.
»Wir kommen aus dem gleichen Ort und waren in derselben Schule. Mia lebt ja seit ein paar Jahren hier in Berlin und ich besuche sie gerade.«
»Du bist gar nicht von hier?«
»Nein, ich bin aus dem äußersten Westen. Weiter westlich gehts eigentlich gar nicht mehr.«
»Schade. Ich dachte, ich könnte dich jetzt öfters sehen.«
Die Bemerkung musste sie erst einmal verarbeiten. Das war wirklich verdammt schade. Und diesem umwerfenden Typen ging es so wie ihr selbst? Wie wunderbar! Ihr wurde ganz mulmig zumute.
»Echt schade. Finde ich auch.« Nun war es an Marie, ihm tief in die Augen zu schauen. Er hielt ihrem Blick stand.
Sie wusste auch nicht, was dann in sie gefahren war, aber plötzlich hatte sie ihre Lippen auf seine gedrückt. Wahrscheinlich hatte sie doch mehr getrunken, als gut für sie gewesen war.
Da hatte er seine Flasche weggestellt, ihre Pobacken umfasst, sie an sich gezogen und ihren Kuss mit Nachdruck erwidert. Er strich über ihren Po und dann glitten seine Hände unter den dünnen Stoff ihres Minirocks und streichelten sanft ihre Haut. Diese Hände auf ihrer Haut! Was für ein Gefühl! Eine heiße Woge der Lust ging durch ihren ganzen Körper. Sie wäre beinahe dahingeschmolzen.
Aber plötzlich war Alex ihr in den Sinn gekommen. Was machte sie hier bloß? Zu Hause wartete schließlich Alex auf sie. Der Kurzbesuch in Berlin war doch kein Freifahrtschein für erotische Abenteuer. Sie hatte sich von Ben losgemacht und gestammelt: »Das darfst du nicht.«
»Und warum nicht?«
»Wir sind doch rationale Menschen.«
Er lachte. »Ich nicht. Du etwa?«
»Meistens bin ich ganz gut sortiert. Nur gerade war ich etwas …«
»Etwas du selbst?«
Mistkerl. Jetzt glaubte er wohl, sie durchschaut zu haben. Aber Marie war noch nicht so weit, anzuerkennen, dass er mit seiner Bemerkung vielleicht recht haben könnte.
Sie hatte ein flaues Gefühl im Bauch und zwang sich zu einem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es alles und nichts ausdrückte.
Kapitel 4
Die Grillen zirpten so monoton, dass man es kaum mehr wahrnahm. Marie und Ben lagen träge in den mit Segeltuch bespannten Liegestühlen auf der Terrasse von Moorhof. Ab und zu nahm Ben einen langen Schluck aus der Bierflasche, die neben ihm auf einem niedrigen Tischchen stand. Schmetterlinge schaukelten über dem Rasen.
»Weiß Mia, dass du mich besuchst?«, fragte Marie.
»Nein, warum sollte sie? So eng befreundet sind wir nun auch wieder nicht«, antwortete Ben.
Mia schien das aber anders zu sehen. Sie hatte Marie auf dem Heimweg von der Party zur Rede gestellt. »Was ist denn in dich gefahren?«, hatte sie wissen wollen, als sie nebeneinander in der nächtlichen U-Bahn saßen.
»Weiß ich selbst nicht«, hatte Marie geantwortet. »Ich hoffe, ich habe noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Aber der Typ ist schon der Hammer.«
»Lass besser die Finger von Ben. Der ist nichts für dich.« Ben sei nicht so schwer zu durchschauen, hatte sie dann gesagt. Ein Typ für ein oder zwei Nächte oder ein paar Kneipenabende. Unbestritten gut aussehend und charmant, aber mehr könne man von dem nicht erwarten. Einer, der sich nie festlegen würde.
»Na, ich wollte ihn doch nicht gleich heiraten. Irgendwie scheinen alle zu glauben, ich hätte nichts anderes im Sinn, als mir den Mann fürs Leben an Land zu ziehen. Vielleicht will ich ja auch einfach nur mal frei sein und das tun, worauf ich Lust habe. Einfach Spaß haben.«
Mia hatte Marie einen zweifelnden Blick zugeworfen. So kannte sie ihre Freundin gar nicht. Sie hatte zwar immer vermutet, dass in Marie etwas Wildes schlummerte, das nur darauf wartete, geweckt zu werden, aber das aus Maries eigenem Munde zu hören, kam dann überraschend.
»Und du?«, hatte Marie ihre Freundin gefragt. »Wäre Ben nicht jemand für dich?« Sie fand, dass Mia mit ihrem Ring in der Nase und den Tattoos viel aufregender als sie selbst aussah. Schon zu Schulzeiten war Mia unangepasst und der Schrecken der Lehrer gewesen.
»Für mich? Gott bewahre!« Mia hatte den Kopf geschüttelt. »Eine feste Beziehung mit dem tue ich mir nicht an.«
Eine feste Beziehung nicht? Was denn dann? Das hätte Marie gern gewusst, aber sie scheute davor zurück, ihre Freundin direkt zu fragen. Und Mia war ihrem fragenden Blick ausgewichen.
Marie hatte sich am nächsten Tag noch einmal mit Ben getroffen. Sie waren nicht etwa zu ihm gegangen, sondern hatten wie gute Freunde zusammen Billard gespielt und sich einen ganzen Abend lang unterhalten. Zu guter Letzt hatte Ben sie bis vor Mias Haus gebracht, nach ihrer Adresse gefragt und sie zum Abschied umarmt. Das war herrlich gewesen. Noch nie hatte sie sich in den Armen eines Mannes so wohl gefühlt. Wozu bloß hatte er ihre Adresse haben wollen?
Doch als sie nach einer unruhigen Nacht am nächsten Tag zurück nach Hause fuhr, hatte sie beschlossen, Ben zu vergessen. Das musste wohl sein. Schließlich war es Alex, den sie liebte, der ihre Liebe erwiderte und mit dem sie eine gemeinsame Zukunft plante.
Und nun, drei Wochen später, lag Ben hier neben ihr auf der Terrasse ihres Elternhauses, mehrere hundert Kilometer von Berlin entfernt. Wenn das nicht verrückt war!
Nachdem sie die letzten Neuigkeiten ausgetauscht hatten, schwiegen die beiden und genossen die Stille des sommerlichen Gartens und ihr unverhofftes Zusammensein. Ben streckte sich lang aus, die Hände im Nacken verschränkt, und versuchte, dem Flug eines Mauerseglers, der an dem weiten, wolkenlosen Himmel entlang schoss, mit den Augen zu folgen.
Der Farbe Schwarz war er treu geblieben, als er sich umgezogen hatte. Er trug schwarze Shorts und ein schwarzes Achselshirt, das seine braun gebrannten, muskulösen Oberarme gut zur Geltung brachte. Marie schaute immer wieder zu dem Wolfstattoo hinüber, das seinen rechten Oberarm zierte. Das sah wild aus und passte gut zu ihm.
Ihr Vater, der jetzt zu ihnen trat, nahm mit Missbilligung wahr, dass der Besucher schon am Nachmittag Bier trank. Er selbst hatte sich eine Tasse Kaffee aufgebrüht, mit der er nun auf einem Gartenstuhl Platz nahm. Der Biertrinker trug auch noch silberne Ringe an den Händen und ein silbernes Armband und hatte zu allem Überfluss sogar eine große Tätowierung am Oberarm. Wie war Marie bloß an diesen Typen geraten? Der passte nicht hierher und erst recht nicht zu seiner Tochter.
»Sehr freundlich, dass ich hier übernachten darf«, sagte Ben. »Danke für Ihre Gastfreundschaft.«
»Sie kennen Marie aus Berlin?«, fragte Maries Vater, ohne auf Bens Bemerkung einzugehen.
Ben nickte.
»Und was machen Sie so in Berlin?«
Marie musste an das denken, was Mia ihr von Bens Leben erzählt hatte. Das bestand anscheinend aus kurzfristigen Jobs, in Auftritten mit seiner Band, in Verabredungen mit Freunden und nicht zuletzt in Flirts und heißen Affären. Hoffentlich behielt er das für sich.
»Dies und das.« Ben sah ihren Vater etwas spöttisch an. Anscheinend fand er die Frage blöd.
Eine peinliche Stille herrschte. Man hörte nur die Rute des Hundes auf die Terrassenplatten klopfen.
Marie räusperte sich verlegen. »Ben ist Musiker«, sagte sie.
»Interessant«, sagte ihr Vater, was aus seinem Munde so viel bedeutete wie: Das ist ganz furchtbar.
»Und Sie?«, fragte Ben höflich. »Was machen Sie?«
»Ich bin Anwalt.«
Er war sogar ein erfolgreicher Anwalt, der bekannteste in der ganzen Gegend hier. Aber das schien Ben nicht weiter zu interessieren.
»Schön haben Sie es hier«, sagte er immerhin.
»Danke. Unsere Familie sitzt schon seit vielen Generationen hier auf Moorhof. Da ist Zeit genug gewesen, Haus und Garten ansehnlich zu gestalten.«
Marie wand sich vor Verlegenheit. So war ihr Vater sonst nicht. Musste er vor dem Besucher so was wie einen blasierten Gutsbesitzer hervorkehren? Moorhof war zwar einmal ein großes Gut gewesen. Und noch jetzt gehörten ein paar Morgen Land zum Haus, die an Bauern der Umgebung verpachtet waren. Aber der sandige Boden gab nicht viel her. Sie waren nicht entfernt so wohlhabend wie Alex’ Eltern, die reichen Fabrikherren, deren pompöser Landsitz wenige Kilometer entfernt lag.
In der allmählich tiefer stehenden Sonne färbten sich die Stämme der fernen Kiefern rötlich. Ben schien dieses Schauspiel gebannt zu verfolgen und gar nicht gehört zu haben, was Maries Vater gesagt hatte.
Nun war das Brummen eines Sportwagens zu hören und dann das Geräusch des Schaltens in einen niedrigeren Gang.
»Das ist Alex«, sagte Maries Vater und setzte so laut und deutlich, dass Ben es auch keinesfalls überhören konnte, hinzu: »Maries Freund.«
Ist ja gut, dachte Marie. Das wird Ben schon früh genug mitkriegen. Sie stellte sich vor, dass Alex wie stets seinen roten Sportwagen in einem eleganten Bogen auf dem Kies der Auffahrt langsam ausrollen ließ. Der Kies blieb bei ihm immer unbehelligt, was zu den vielen Eigenschaften gehörte, die ihr Vater an Alex schätzte.
Schon bog der Besucher, der Marie und ihren Vater bei diesem Wetter im Garten vermutet hatte, um die Hausecke. Mit dem federnden Gang des Sportlers kam er auf sie zu. Er war blond wie Marie und ein wenig größer als Ben. Er trug cremefarbene Hosen und ein dunkelblaues Polohemd, dazu helle Mokassins. Auch er war braun gebrannt und wirkte mit seinen breiten Schultern und dem muskulösen Körper ungemein sportlich und gesund. Ohne Zweifel hätte er sein Geld als Model verdienen können. Aber das hatte er gar nicht nötig.
Alex zog Marie aus dem Liegestuhl, was sie sich lächelnd gefallen ließ, und küsste sie. Dann gab er Maries Vater förmlich die Hand. Zuletzt wandte er sich Ben zu, der höflich aufgestanden war.
»Alex«, stellte der Besucher sich vor und ließ sich als wohlerzogener Sohn aus gutem Hause kaum anmerken, dass die Erscheinung des Gastes ihn irritierte. Seine Stimme war männlich und volltönend.
»Ich bin Ben«, antwortete dieser und erwiderte Alex’ festen Händedruck noch um eine Kleinigkeit fester.
»Woher kennt ihr zwei euch denn?«, fragte Alex in betont liebenswürdigem Tonfall und wandte sich Marie zu.
»Aus Berlin. Wir haben uns kennengelernt, als ich Mia besucht habe.«
Aus Berlin natürlich, dachte Alex jetzt bestimmt. Und durch Mia, dieses Flittchen. Marie wusste nur zu genau, dass Alex ihre Freundin Mia nicht mochte und Berlin nicht ausstehen konnte. Er fand die Stadt dreckig und niveaulos. Alex hatte in München Betriebswirtschaft studiert und München war die einzige Stadt, die für ihn zählte. Bestimmt fand er den schwarz gekleideten Typen mit seinem Silberschmuck und dem auffälligen Tattoo mindestens so indiskutabel wie Maries Vater. Und selbstverständlich würde Ben das nicht entgehen. Aber der schien sich ganz gut zu amüsieren und durch das Gebaren der beiden Platzhirsche eher belustigt zu sein.
»Darf ich Marie für eine Stunde entführen?«, fragte Alex nun in die Runde. »Wir waren nämlich zum Tennisspielen verabredet.«
»Aber sicher. Ich will eure Pläne nicht durcheinanderbringen«, antwortete Ben.
Marie überlegte kurz, ob sie ihrem Gast zuliebe nicht besser bleiben sollte. Aber das konnte sie Alex nicht antun. Und außerdem war es vielleicht besser, wenn Ben sich nicht einbildete, dass sie für ihn eine Verabredung sausen ließ.
»In einer Stunde bin ich zurück«, sagte sie zu Ben gewandt und schenkte ihm etwas verlegen ein Lächeln.
»Alles okay. Ich bleibe einfach hier liegen und genieße die Ruhe und die Sonne.«
»Nachher koche ich uns was«, beeilte Marie sich, zu versichern. Wieso glaubte sie, etwas wiedergutmachen zu müssen?
»Oder ich koche«, bemerkte Ben wie nebenbei.
»Du kannst kochen?«
»Natürlich. Selbst ist der Mann.«
»So natürlich ist das gar nicht«, sagte Marie mit einem Seitenblick auf Alex.
Alex schien dieses Gespräch gar nicht zu gefallen. »Kommst du jetzt?«, fragte er Marie. »Ich muss mich nämlich später noch um die Buchhaltung kümmern.« An Maries Vater gewandt, fügte er hinzu: »Sie wissen ja, wie das ist. Freizeit ist Mangelware. Die Arbeit sitzt einem ständig im Nacken.«
»Nun übertreib mal nicht«, warf Marie ein, bevor von ihrem Vater eine wortreiche Bestätigung kommen konnte. Für ihren Geschmack hatten die beiden überhaupt keinen Grund, sich zu beklagen. Die sollten sich vor Ben mal nicht so wichtig machen.
Kapitel 5
»Wo hast du denn den aufgegabelt?«, fragte Alex, während er Marie galant die Beifahrertür seines roten Sportwagens öffnete.
Marie, die sich umgezogen hatte und nun in weißem Tennisdress war, fragte zurück: »Warum? Gefällt dir was nicht an ihm?« Sie nahm in dem tiefen cremefarbenen Ledersitz des niedrigen Wagens Platz. Alex ging um den Wagen herum und schwang sich hinter das Steuer.
»Das fragst du noch? Der Typ ist doch unmöglich. Hast du keine Augen im Kopf?«
Marie schaute Alex überrascht von der Seite an. Was sollte denn dieser scharfe Tonfall in seiner Stimme? Um Alex noch mehr aus der Reserve zu locken, bemerkte sie: »Meine Augen sagen mir eher, dass er ziemlich gut aussieht.«
»Ich wusste gar nicht, dass du auf tätowierte Rocker stehst.«
»Der ein Rocker? Ich bitte dich. Ben ist einfach ein cooler Musiker.« Provozierend setzte sie hinzu: »Etwas von seiner Lässigkeit würde dir übrigens ganz guttun.«
Alex startete den Wagen, der über den davon spritzenden Kies aus der Einfahrt schoss. Marie lachte hell auf. Das konnte ihr Vater unmöglich überhört haben.
»Was gibt es denn da zu lachen? Ich bin dir also nicht lässig genug? Da bist du aber die erste Frau, die mir so etwas vorwirft. Aber bitte: Wenn es für dich uncool ist, dass jemand hart arbeitet und keine Zeit findet, auf einer Gitarre zu klimpern …«
»E-Gitarre.«
»Was?«
»Ben spielt E-Gitarre.«
»Ist mir doch schnuppe, welches Instrument der Typ bearbeitet.« Alex klang richtig böse, was Marie sehr amüsierte.
»Was übrigens deine Arbeit betrifft: Du findest doch immer noch ausreichend Zeit, Sport zu machen und auf die Jagd zu gehen. So knapp bemessen, wie du gerade behauptet hast, ist deine Freizeit nun auch wieder nicht. Vor Ben den von Arbeit überlasteten und von seiner Verantwortung erdrückten Unternehmer zu geben, fand ich eben ziemlich blöd von dir. Aber lassen wir das jetzt mal. Das führt zu nichts. Es gibt für dich nämlich überhaupt keinen Grund, auf Ben eifersüchtig zu sein.«
»Ich bin doch nicht eifersüchtig. Eifersüchtig auf so einen Typen? Das wäre ja noch schöner. Ich finde nur, dass so jemand gar nicht zu dir passt. Der passt besser zu Mia.«
Diese Bemerkung gab Marie einen kleinen Stich. Denn eigentlich fand sie das auch. Sie kam sich ja schon verrucht und wie verkleidet vor, wenn sie eine Netzstrumpfhose trug. Da musste sie echt noch an sich arbeiten. Aber konnte ihr das nicht jetzt egal sein? Schließlich wollte sie gar nichts von Ben. Sie war Alex’ Freundin und dabei sollte es bleiben. Um Alex würde sie jede Frau, die einigermaßen bei Verstand war, beneiden. Er sah gut aus, war sportlich, hatte blendende Umgangsformen und eine glänzende Zukunft vor sich.
»Er passt besser zu Mia, da hast du recht.«
»Sag ich doch«, meinte Alex befriedigt und streichelte Maries Oberschenkel. »So ein Typ ist doch kein Umgang für meine Marie.«
»Oh, Alex. Du redest gerade wie dein eigener Großvater. Kannst du nicht etwas lockerer sein? Du erwartest doch wohl nicht, dass ich Ben jetzt wegschicke.«
»Natürlich nicht. Das wäre unhöflich. Aber wieder sehen musst du ihn ja nun auch nicht unbedingt.«
»Überlass das mal mir. Die Zeiten, in denen ein Mann seiner Frau vorschreiben konnte, wen sie treffen durfte und wen nicht, sind glücklicherweise vorüber. Davon abgesehen darf ich dich daran erinnern, dass wir noch nicht verheiratet sind.«
»Noch nicht. Da hast du recht, mein Schatz. Aber so ganz fern liegt der Zeitpunkt unserer Hochzeit ja wohl nicht.«
»Oho. Da müsstest du mir ja wohl erst einmal einen Antrag machen.« Erwartungsvoll sah Marie ihren Freund von der Seite an.
»Warte es ab. Vielleicht mache ich das schon bald.« Alex erwiderte ihren Blick und lächelte Marie an. »Wem sollte ich wohl sonst einen Antrag machen, mein Schatz?«
Über diesem Gespräch hatten sie das Anwesen von Alex’ Eltern erreicht. Der rote Sportwagen bog um den plätschernden Springbrunnen, der die Mitte des Hofes einnahm, und hielt vor der Freitreppe der pompösen weißen Villa. Marie fand wieder einmal, dass hier im Vergleich zu Moorhof alles unglaublich neu und aufgeräumt wirkte. Moorhof war dagegen deutlich in die Jahre gekommen und das alte Haus mit den alten Bäumen und dem wuchernden Garten sah geradezu etwas verwunschen aus. Aber im Grunde gefiel ihr das besser.
Kapitel 6
Nach Maries Rückkehr hatte Ben sich als durchaus begabter Koch erwiesen. Er war Marie bei der Zubereitung eines komplizierten italienischen Fischgerichtes nicht nur zur Hand gegangen, sondern hatte gezeigt, dass Kochen ihm wirklich lag. Er war in der Lage, mehrere Pfannen und Töpfe zugleich im Auge zu halten und die einzelnen Bestandteile des Essens passend abzuschmecken. Zu guter Letzt hatte er mit Kräutern und Gewürzen aus dem Garten noch eine köstliche Salatsoße gezaubert. Marie war sehr beeindruckt. Das hätte Alex nie fertiggebracht, hatte sie gedacht. Er hätte es nicht einmal versucht. Doch sogleich hatte sie sich darüber geärgert, dass sie die beiden Männer ständig verglich. Wozu bloß?