Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe - Textanalyse und Interpretation - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book

Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe - Textanalyse und Interpretation E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst - ohne das Werk komplett gelesen zu haben.

 

Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.

 

Inhalt:

- Schnellübersicht

- Autor: Leben und Werk

- Inhaltsangabe

- Aufbau

- Personenkonstellationen

- Sachliche und sprachliche Erläuterungen

- Stil und Sprache

- Interpretationsansätze

- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen

NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen

NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung

 

Layout:

- Randspalten mit Schlüsselbegriffen

- übersichtliche Schaubilder

NEU: vierfarbiges Layout

 

Goethes Roman Die Leiden des jungen Werther handelt von der unglücklichen Liebe eines jungen Mannes zu einer verlobten Frau, dessen Kummer im Suizid endet.

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN

Band 79

Textanalyse und Interpretation zu

Johann Wolfgang von Goethe

Die Leiden des jungen Werther

Von Rüdiger Bernhardt

Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen

Zitierte Ausgaben: Goethe, Johann Wolfgang von, Die Leiden des jungen Werther. Heftbearbeitung: Uwe Lehmann. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2019 (Hamburger Leseheft Nr. 115). Zitatverweise sind mit HL gekennzeichnet. Goethe, Johann Wolfgang, Die Leiden des jungen Werther. Nachwort von Ernst Beutler, Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2020 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 67). Zitatverweise sind mit R gekennzeichnet.

Über den Autor dieser Erläuterung:Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt und 2018 mit dem Vogtländischen Literaturpreis ausgezeichnet.

1. Auflage 2023

978-3-8044-7086-6

© 2023 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Szene aus einer Inszenierung am Berliner Maxim-Gorki-Theater 2006 mit Fritzi Haberlandt als Lotte, Hans Löw als Werther und Ronald Kukulies als Albert © picture alliance

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

 

Fußnoten Fußnoten sind im Text in eckigen Klammern mit fortlaufender Nummerierung angegeben. Tippen Sie auf eine Fußnote und Sie gelangen zum entsprechenden Fußnotentext. Tippen Sie im aufgerufenen Fußnotentext auf die Ziffer zu Beginn der Zeile, und Sie gelangen wieder zum Ursprung. Sie können auch die Rücksprungfunktion Ihres ePub-Readers verwenden (sofern verfügbar).

 

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Inhaltsverzeichnis

1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK – SCHNELLÜBERSICHT

2. JOHANN WOLFGANG VON GOETHE: LEBEN UND WERK

2.1 Biografie

2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Aristokratie und Bürgertum

Homer, Ossian, Shakespeare und Rousseau

2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken

3. TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION

3.1 Entstehung und Quellen

3.2 Inhaltsangabe

Erstes Buch

Briefe im Mai

Briefe im Juni

Briefe im Juli

Briefe im August

Briefe im September

Zweites Buch

Briefe im Oktober, November und Dezember 1771

Briefe im Januar und Februar 1772

Briefe vom 15., 16. und 24. März sowie vom 19. April

Briefe vom Mai bis September

Briefe im Oktober und November

Briefe im Dezember

Herausgeberbericht

3.3 Aufbau

3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken

Werther

Lotte

Albert

Wilhelm

3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen

3.6 Stil und Sprache

3.7 Interpretationsansätze

Ablösung der feudalabsolutistischen Macht

Das Subjekt und seine Leidenschaften

Die neuen Normen der „Natur“

3.8 Schlüsselstellenanalysen

4. REZEPTIONSGESCHICHTE

Erster Bestseller der deutschen Literatur

Warnung vor Nachahmung

Einflüsse des Romans auf andere Bereiche

Moderne Gestaltungen

5. MATERIALIEN

6. PRÜFUNGSAUFGABEN MIT MUSTERLÖSUNGEN

Aufgabe 1 *

Aufgabe 2 ***

Aufgabe 3 ***

Aufgabe 4 *

Aufgabe 5 *

Aufgabe 6 ***

Lernskizzen und Schaubilder

Literatur

Zitierte Ausgaben

Weitere Werkausgaben

Weitere Quellen

Lernhilfen und Kommentare

Sekundärliteratur

Verfilmungen (Auswahl)

1. Das wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht

Damit sich alle Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, folgt hier eine Übersicht..

 

Im 2. Kapitel wird Goethes Leben beschrieben und auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:

Johann Wolfgang von Goethe lebte von 1749 bis 1832, vorwiegend in Weimar, der Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Bis 1771 wurde er in Leipzig und Straßburg zum Juristen ausgebildet und erfuhr in Wetzlar vom Schicksal Karl Wilhelm Jerusalems.

 Parallel zur unglücklichen Liebe zwischen Werther und Lotte brechen die Widersprüche zwischen Aristokratie und Bürgertum auf, die sich in der vorrevolutionären Zeit von 1789 zuspitzten.

 Goethe hatte Gedichte sowie 1771 das Schauspiel Götz von Berlichingen geschrieben und 1773 veröffentlicht; durch Die Leiden des jungen Werthers (1774) wurde er weltberühmt.

1787 erschien die zweite Fassung, an der Goethe seit 1782 gearbeitet hatte. Unter dem Titel Die Leiden des jungen Werther erschien erstmalig die Jubiläumsausgabe von 1824.

Im 3. Kapitel geht es um die Textanalyse und -interpretation.

Die Leiden des jungen Werther – Entstehung und Quellen:

Der historische Werther war ein Jurist in Wetzlar; Vorbild war Goethes unglückliche Liebe zu Charlotte Buff und Maximiliane von La Roche.

Inhalt:

Der Roman spielt 1771/72, zumeist in einer kleinen Beamtenstadt. Werther, ein Jurist, ist in Erbschaftsangelegenheiten unterwegs und verliebt sich dabei in Lotte, die bereits „vergeben“ ist. Er erlebt Höhen und Tiefen, wird als Bürgerlicher durch Adlige sozial diskriminiert und begeht, um einer Verbindung der geliebten Frau mit ihrem Partner nicht im Weg zu stehen sowie aus Enttäuschung über die Erniedrigung, der er erfahren musste, Selbstmord.

Aufbau:

Der Briefroman spielt 1772 als Gegenwartsroman. In seinem Ablauf ähnelt er einem Monolog; die letzten Texte stammen von einem fiktiven Herausgeber. Der Gliederung in zwei Bücher im Verhältnis 3 zu 4 stehen eine steigende und eine fallende Handlung gegenüber, gruppiert um den Brief vom 15. März 1772, die sich wie 1 zu 1 verhalten. Parallelhandlungen illustrieren die Haupthandlung.

Personen:

Im Roman geht es um einen Dreieckskonflikt zwischen Werther, Lotte und Albert.

Werther ist Jurist, der nach den Vorstellungen seiner Mutter und seines Freundes Wilhelm in den diplomatischen Dienst treten soll.

Lotte (Charlotte) ist die Tochter des Amtmanns und vertritt an ihren acht jüngeren Geschwistern die Mutterrolle. Sie ist mit Albert „so gut als verlobt“ (HL S. 21/R S. 28).

Albert ist Lotte von der Mutter versprochen und bereits im diplomatischen Dienst.

Wilhelm ist der Freund Werthers und Berater von Werthers Mutter.

Stil und Sprache im Werther:

Werther verwendet die Sprache eines Stürmers und Drängers: leidenschaftlich, mit Interjektionen (Ausrufen), Inversionen (Umkehrung der Wortstellung) und imperativisch.

Diese Sprache wird in der zweiten Fassung geglättet; sprachliche Formen wie Oxymoron und Ellipse sorgen für einen ausdrucksstarken Stil.

Eine besondere Rolle spielt die Klimax.

Interpretationsansätze:

Die Ablösung der feudalistischen Macht durch das Bürgertum steht im Vordergrund; sie wirkt sich auf die menschlichen Gefühle und Leidenschaften aus.

Die Literatur des Sturm und Drang stellte das Subjekt und seine Leidenschaften ins Zentrum und schuf damit eine geistige Ersatzbasis für die fehlende nationale, politische Grundlage.

Das wichtigste Anliegen der Stürmer und Dränger war, dem unverfälschten Lebensgefühl, der „Natur“, neue Normen des Umgangs zu verschaffen.

Rezeptionsgeschichte:

Der Roman wurde zur Sensation, zum ersten Bestseller der deutschen Literatur und zum Ausgangspunkt zahlreicher Parodien, Fortsetzungen, Variationen und Auseinandersetzungen.

Die Vorbilder der Romanfiguren waren betroffen; Zeitgenossen warnten vor dem Nachahmungseffekt. Die schärfsten Angriffe kamen aus kirchlichen Kreisen.

Der Einfluss des Romans auf die Mode war groß; Verbote gab es dennoch bis ins 19. Jahrhundert.

Moderne Beschäftigungen mit dem Roman finden sich fortwährend, so bei Thomas Mann, Ulrich Plenzdorf u. a.

2. Johann Wolfgang von Goethe: Leben und Werk

2.1 Biografie

Johann Wolfgang von Goethe

(1749–1832) © picture alliance / CPA Media Co. Ltd

Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1749

28. August Frankfurt am Main

Johann Wolfgang Goethe wird als Sohn des Kaiserlichen Rates Dr. jur. Johann Kaspar Goethe, Sohn eines Schneiders, und Katharina Elisabeth, geb. Textor, Tochter des Schultheißen, in Frankfurt am Main, im Haus „Zu den drei Leiern“ am Großen Hirschgraben geboren. Die Familie ist wohlhabend; der Reichtum stammt vom Großvater.

 

1750

Frankfurt am Main

Geburt von Goethes Schwester Cornelia Friederike Christiana.

1

1753

Frankfurt am Main

Die Großmutter schenkt den Kindern zu Weihnachten ein Puppentheater.

4

1759–1763

Frankfurt am Main

Während der französischen Besetzung Frankfurts besucht Goethe das französische Theater.

10–14

1765

Leipzig

Goethe studiert Jura, hört aber auch Vorlesungen zur Literatur und lernt Gellert sowie Gottsched kennen; Liebe zu Käthchen Schönkopf, der Tochter eines Zinngießers.

16

1768

Frankfurt am Main

Goethe kehrt nach einem Blutsturz krank nach Hause zurück. Er verkehrt im pietistischen Kreis der Susanna Katharina von Klettenberg und liest Wieland, Shakespeare u. a.

19

1770

Straßburg

Goethe setzt sein Jurastudium fort und schließt es als Lizentiat der Rechte ab, was ihm ermöglicht, als Advokat zugelassen zu werden. Er lernt Herder und Dichter des Sturm und Drang kennen (u. a. Lenz). Im Straßburger Kreis um Herder werden ihm Pindar, Homer, die englische Dichtung, voran Shakespeare und Ossian, Hamann und die Volkspoesie nahegebracht. Er begeistert sich für die Gotik des Straßburger Münsters.

21

Sesenheim

Kurz vor dem 15. Oktober: Besuch bei Friederike Brion. Er verliebt sich in die Pfarrerstochter von Sesenheim; Mai bis Juni in Sesenheim; am 7. August Abschied ohne Erklärung.

 

1771

Straßburg

Frühling, Sommer: Goethe sammelt, Herders Anregung folgend, Volksballaden.

22

Frankfurt am Main

Rückkehr nach Hause.

 

Frankfurt am Main

Goethe hält seine berühmte Rede Zum Schäkespears Tag; Prozess gegen die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt.

 

1772

Wetzlar

Goethe als Praktikant am Reichskammergericht – die Eintragung in die Liste der Rechtspraktikanten am 25. Mai ist der einzige Nachweis seiner Tätigkeit; er verliebt sich in Charlotte Buff, der er bei einem Ball am 9. Juni in Volpertshausen begegnet.

23

1772

Ehrenbreitenstein

Goethe geht ohne Abschied aus Wetzlar fort, fährt am 11. September zu Maximiliane, der Tochter von Marie Sophie von La Roche, deren Roman Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771) Goethe beeinflusst.

 

Frankfurt am Main

Rückkehr nach Hause; November: Der Selbstmord des juristischen Kollegen Jerusalem (30. Oktober 1772) geht in den Plan zum Werther-Roman ein.

 

1773

Wetzlar

Charlotte Buff und Kestner heiraten am 4. April.

24

1774

Frankfurt am Main

1. Februar: Beginn der Arbeit am Werther; Abschluss nach vier Wochen.

25

Frankfurt am Main

Knebel vermittelt Goethes Bekanntschaft mit dem Erbprinzen Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Klopstock besucht ihn. Nach dem Erscheinen des Romans Die Leiden des jungen Werthers wird Goethe berühmt.

 

1775

Frankfurt am Main

Liebe und Verlobung mit Lili Schönemann; brieflich sich äußernde Liebe zur Gräfin Auguste von Stolberg.

26

Schweiz

Erste Reise in die Schweiz mit den Grafen zu Stolberg und von Haugwitz; sie tragen Werther-Kleidung.

 

Frankfurt

Lenz besucht Goethes Freund Friedrich Maximilian Klinger, der mit dem Stück Sturm und Drang der Literaturepoche ihren Namen gab, in Frankfurt. Klinger reitet ihm in Werther-Kleidung entgegen.

 

Weimar

Abreise am 30. Oktober, nachdem Karl August am 3. September die Regierung angetreten hat; Ankunft am 7. November.

1776

Weimar

Geheimer Legationsrat mit Sitz und Stimme im Geheimen Conseil; tritt am 25. Juni in den Staatsdienst. Liebe zu Charlotte von Stein.

27

1777

Harz

Erste Harzreise, der 1783 bis 1789 weitere folgen.

28

1779

Weimar

Übernahme weiterer Aufgaben, u. a. Kriegskommission; er wird zum Geheimen Rat ernannt.

30

Schweiz

Zweite Reise.

 

1781

Weimar

Naturwissenschaftliche Studien.

32

1782

Weimar

Goethe wird geadelt; sein Vater stirbt.

33

1784

Weimar

Goethe findet den Zwischenkieferknochen beim Menschen.

35

1786

Karlsbad Italien

Sommer in Karlsbad; heimlich flieht er von dort nach Italien und kommt am 29. Oktober in Rom an. Italienische Reise.

37

1787

 

Leiden des jungen Werther: Die zweite Fassung erscheint im ersten Band von Goethes Schriften.

38

1788

Weimar

Rückkehr; er lernt Christiane Vulpius kennen und lebt von nun an zum Entsetzen des Weimarer Adels mit ihr zusammen.

39

1789

Weimar

Goethes Sohn August wird geboren; er stirbt 1830 in Rom und wird dort beerdigt.

40

1790

Italien

Zwischen März und Juni die zweite Italienreise; nach Schlesien in Begleitung Karl Augusts, der als General in Preußens Diensten steht.

41

1791

Weimar

Bis 1817 Direktor des Hoftheaters; Materialsammlung zur Farbenlehre.

42

1792

Frankreich

Bis 1793 Feldzug; Belagerung von Mainz.

43

1794

Weimar, Jena

Beginn der Freundschaft mit Schiller.

45

1797

Schweiz

Dritte Reise.

48

1799

Weimar

Im Dezember siedelt Schiller von Jena nach Weimar über.

50

1803

Weimar

Friedrich Wilhelm Riemer wird Hauslehrer von Goethes Sohn und Goethes Sekretär. Er heiratet 1814 Christianes Gesellschafterin Caroline Ulrich, die seit 1809 in Goethes Haus wohnt und die der Dichter liebt.

54

1805

 

9. Mai: Tod Schillers; Freundschaft mit Zelter.

56

1806

Jena

14. Oktober: Schlacht bei Jena und Auerstädt; das Heilige Römische Reich Deutscher Nation geht unter. Die Franzosen plündern Weimar, Goethes Haus bleibt dank des Einsatzes von Christiane verschont. Am 19. Oktober lässt sich Goethe mit Christiane trauen.

57

1807

Weimar

Liebe zu Minna Herzlieb.

58

1808

Weimar

Auf dem Fürstentag treffen Napoleon und Goethe zusammen und sprechen über den Werther.

59

1814

Rhein und Main

Reisen; Liebe zu Marianne von Willemer.

65

1816

Weimar

6. Juni: Tod Christianes; 22. September: Charlotte Kestner, geb. Buff, in Weimar und am 25. September Wiedersehen mit Goethe (vgl. hierzu Thomas Manns Roman Lotte in Weimar, 1939). Goethe liest nochmals den Werther.

67

1823

Weimar

Johann Peter Eckermann besucht Goethe. Er wird Mitarbeiter und Nachfolger Riemers. Reise nach Marienbad und Eger. Goethe verliebt sich in Ulrike von Levetzow.

74

1828

Weimar

Der Großherzog Karl August stirbt.

79

1832

Weimar

22. März: Tod Goethes in seinem 83. Lebensjahr.

82

Zusammenfassung

Die absolutistischen Staaten Europas befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Deutschland ist in Kleinstaaten zersplittert und dadurch wirtschaftlich rückständig. Es hat kein politisches, ökonomisches und kulturelles Zentrum, bietet aber kulturelle, philosophische und literarische Leistungen.

In Deutschland wirken Aufklärung und Sturm und Drang mit geistigen sowie künstlerischen Leistungen nebeneinander, vertreten und verbreiten unterschiedliche Positionen.

Die Ablösung der politischen Feudalstruktur und eines orthodoxen Christentums durch eine auf Wissenschaft orientierte, bürgerliche Entwicklung beginnt mit der Abkehr von einem religiös-metaphysischen Weltbild und dem Vordringen aufklärerischen Denkens und der kritischen Vernunft. Von England aus beginnt die industrielle Revolution; 1771: Anfang des „Maschinenzeitalters“.

Aristokratie und Bürgertum

Der Roman Die Leiden des jungen Werther entstand 1774; die Ereignisse, die ihm zugrunde liegen, ereigneten sich vom Mai bis zum Oktober 1772. Seine Handlung wurde von Goethe auf die Zeit vom 4. Mai 1771 bis zum 23. Dezember 1772 festgelegt. Er gehört zeitlich, inhaltlich und geistesgeschichtlich ins Vorfeld der Französischen Revolution von 1789 und die dadurch einsetzende Neuordnung Europas auf einer veränderten sozialen Grundlage.

Die absolutistischen Staaten waren um 1770 auf dem Höhepunkt ihrer Macht und versuchten, diese zu verteidigen: In Preußen herrschte Friedrich II. (1712–1786); er hatte durch den Sieben-jährigen Krieg (1756–1763) Schlesien gewonnen. 1772 teilten Preußen, Österreich und Russland unter Katharina II. Polen unter sich auf. Preußen wurde zur europäischen Großmacht. Russland gewann unter Katharina II. (1729–1796) außenpolitisch an Bedeutung, hatte aber im Inneren mit Aufständen und vielfachem Widerstand zu kämpfen. Frankreich unter Ludwig XV. (1710–1774) war zwar innerlich zerrüttet, und 1770 hatte der Zorn auf die höfischen Zustände – Mätressenwesen und Finanzkrise – einen Höhepunkt erreicht, aber es war neben Großbritannien, das in dieser Zeit zur führenden Handels- und Kolonialmacht und zur Beherrscherin der Meere aufgestiegen war, die führende Macht Europas. Als man die amerikanischen Kolonien mit zusätzlichen Steuern belasten wollte, kam es zu Spannungen, die 1775 zum Krieg und zum Zerfall des Kolonialreiches führten.

In Mecklenburg (1769) und Sachsen (1770) wurde die Folter abgeschafft. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wurde seit 1765 von Kaiser Joseph II. geführt, einem aufklärerischen Reformer, der die Leibeigenschaft 1781 (Untertanenpatent) aufhob. Zwar war er bis zum Tod seiner Mutter Maria Theresia 1780 in seinem Wollen beschränkt, aber er versuchte, die Zentralmacht zu stärken und vor allem die Kirche in ihrer Macht einzuschränken. Staatsbeamte drängten adlige Privilegien zurück. In den führenden Ländern Europas stand einerseits die absolutistische Machtentfaltung auf dem Höhepunkt, andererseits vergrößerten sich die innenpolitischen und sozialen Spannungen, die durch Reformen nicht mehr gelöst werden konnten. Das waren erste Anzeichen für eine sich verändernde historische Situation, der Joseph II. gerecht zu werden versuchte.

Das aufkommende Bürgertum verunsicherte merklich die Aristokratie, eines der auffallenden Themen in Goethes Roman. Aus England und Frankreich drangen moderne Methoden der Bewirtschaftung in die Landwirtschaft ein und verschärften die Widersprüche zwischen Landbevölkerung und feudalabsolutistischer Macht. Dadurch wurde die Aufmerksamkeit der Intellektuellen für die ländlichen Zustände erhöht.

Homer, Ossian, Shakespeare und Rousseau

Goethe war 24 Jahre, Jurist und bekannt geworden mit seinem ersten Stück Götz von Berlichingen. Der Roman ist ohne Goethes zeitgenössische Lektüre und den Einfluss Rousseaus und anderer nicht zu denken. Speziell wirkte sich Rousseaus Homerrezeption aus; er sah Homer als einen volkstümlichen Dichter. So las ihn Goethe, so liest ihn Werther. Als Goethe 1772 Robert Woods Versuch über das Originalgenie des Homer rezensierte, fasste er diesen Rezeptionsvorgang in einem Satz zusammen: „Wenn man das Originelle des Homer bewundern will, so muss man sich lebhaft überzeugen, wie er sich und der Mutter Natur alles zu danken gehabt habe.“[1] Leitbegriffe des Sturm und Drang – das Originalgenie und Mutter Natur – wurden auf Homer angewendet. Das Genie wurde zu der Zeit bestimmt als das höher als andere Menschen begabte Individuum, dessen geistige Kräfte weniger angelernt als natürlich entstanden sind und die zu „mehr Fruchtbarkeit des Geistes“ (Johann Georg Sulzer) führen. Das Genie, überhöhend als „Originalgenie“ bezeichnet, entwarf gegenüber dem Gelehrten und Wissenschaftler die Utopien; das Undenkbare wurde denkbar.

Der Begriff kam aus England, wo der Dichter Edward Young (1681–1765), der die künstlerische Gestaltung der Natur als echte Originalität bezeichnete, ihn als Beschreibung des unveräußerlichen Eigentums eines Autors geprägt hatte, das von der freien Entfaltung des Individuums ohne Rücksicht auf Regeln und Normen, aber bei Rücksicht auf alles Menschliche, besonders das aus dem Volke kommende Vermögen bestimmt wurde. Der Maßstab des Genies war die Natur; das bedeutete weniger eine Landschaft, sondern mehr ein Zustand außerhalb der Gesellschaft, die den Menschen beengte und verkümmern ließ. Den Protest angeregt hatte Rousseau; Natur hieß Selbstbestimmung des Menschen, geleitet von seinem natürlichen Gefühl. Natur war letztlich der Gegensatz zur absolutistischen Menschenverachtung.

Das waren programmatische Begriffe des Sturm und Drang, der an die Seite der Aufklärung getreten war und deren Verstandesbetonung durch Gefühlsintensität ergänzte. Dadurch erlebte Deutschland, politisch und wirtschaftlich zersplittert, landwirtschaftlich rückständig und ohne starke Zentralgewalt, eine kulturelle und wissenschaftliche Blütezeit. Da die deutsche Zersplitterung keine politischen Entwicklungen wie in Frankreich zuließ, konzentrierten sich die gesellschaftlichen Konzeptionen auf die Gebiete von Philosophie und Literatur. An Goethes Werther wird das erkennbar: Er eignet sich Literatur und Kunst in großem Umfang an, wird aber nicht zu einem wirklich handelnden Menschen, sondern bezieht seine Lebensprogramme aus den literarischen Beispielen, aus Homer und Ossian, denen er kontemplativ folgt, nicht aktiv. Es ist die Lebensform des Dilettanten. Der Begriff hatte zu Goethes Zeit nicht die heutige negative Bedeutung; Dilettant war der Kenner und Liebhaber der schönen Künste und bedeutete neben der Aufnahme von Kunst auch den Versuch, ein schöpferisches Verhältnis zur Kunst zu bekommen, ohne die handwerklichen Voraussetzungen zu haben und ohne Kunst für den Lebensunterhalt zu schaffen. Besonders wichtig wurde der Begriff für die Volkspoesie und Volkskunst. Dagegen galt der Dilettantismus in höheren Kreisen, begünstigt durch materiellen Besitz, als kritikwürdig, weil er dem Subjektivismus Tür und Tor öffnete. Zum Schwerpunkt der Diskussion wurde das Problem allerdings erst um 1799; Werther war ein treffendes Beispiel für die positiven und negativen Seiten des Dilettantismus. Der Dilettant war die vom Schöpferischen befreite und insgesamt reduzierte Form des Originalgenies.

Die Zusammenstellung von Homer und Ossian konnte Goethe bei Herder finden, der in seinem Aufsatz Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker beide Dichter dem „Geist der Natur“[2] verpflichtet sah, obwohl bereits Herder von den Vermutungen wusste, dass es sich bei den Liedern Ossians um eine Fälschung handelte. Das war allerdings nebensächlich, denn diese Dichtungen waren keineswegs alte Volkspoesien, sondern sie waren so, wie man sich alte Volksdichtungen vorstellte und spiegelten die Empfindsamkeit und Wehmut der Zeit.

Der Sturm und Drang begann in den sechziger Jahren und wird gemeinhin bis 1786 datiert, Goethes Aufbruch nach Italien, wo er sich an klassischer Kunst zu orientieren begann. Den Namen gab der Bewegung ein Schauspiel Friedrich Maximilian Klingers (1752–1831), dessen Titel Der Wirrwarr (1776) vom Mitstreiter Christoph Kaufmann (1753–1795) in Sturm und Drang geändert wurde. War der kritische Verstand ein Merkmal der Aufklärung, so trat an dessen Stelle im Sturm und Drang das Genie.

Für die Dichter des Sturm und Drang wurde Shakespeare der Inbegriff des Originalgenies. Sie erstrebten unter Berufung auf ihn ein natürliches Leben für alle Menschen, orientierten sich an den einfachen Menschen vom Land, den Kindern, einfach lebenden Frauen und Handwerkern, und widmeten sich deren künstlerischen Interessen. Auch dafür hatte Herder den Weg gewiesen: In seinem Ossian-Aufsatz sah er bei Kindern, Frauen und Leuten „von gutem Naturverstande (…) die besten Redner unsrer Zeit“[3], weil sie mehr durch Tätigkeit als durch Spekulation geprägt würden.

War Shakespeare die Personifikation des Poetischen für die Stürmer und Dränger, so bot Jean Jacques Rousseau (1712–1778) die gesellschaftstheoretische und pädagogische Orientierung: Eine Gesellschaft war nach ihm so gut wie der Naturzustand, in dem sie lebt. Deshalb gab er die oft satirisch verwendete Losung aus: „Zurück zur Natur!“ Die Umsetzung des „Genies“ aus dem Künstlerischen ins sozial Alltägliche war der „Selbsthelfer“, der sich mit nationalen Zielstellungen der Souveränität verband. Goethe hatte das Beispiel in der Lebensbeschreibung des Götz von Berlichingen gefunden: „Die Gestalt eines rohen, wohlmeinenden Selbsthelfers in wilder, anarchischer Zeit erregte meinen tiefsten Anteil.“[4] Den seit dieser Umbruchszeit entstandenen und inzwischen deutlich vorhandenen Widerspruch zwischen Aristokratie und Bürgern hatte Goethe in den Werther aufgenommen; es waren die „Unannehmlichkeiten an der Grenze zweier bestimmten Verhältnisse“[5].