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Können sie die magische Gemeinde retten?
Mercurius konnte den Klauen von Hohenfels entkommen und hat sich zusammen mit seinen Freunden Ferat und Inès in der Villa der Hexen in Sicherheit gebracht. Doch Hohenfels verfolgt seinen Plan weiter - um ihn zu stoppen, müssen die Freunde endlich herausfinden, wo er das Wasserschemen gefangen hält und was er mit ihm vorhat. Denn sie sind die Einzigen, die noch zwischen Hohenfels und dem letzten überlebenden Wasserschemen stehen. Während die Freunde noch glauben, dem Bauunternehmer und seinen Plänen auf die Spur zu kommen, hat der längst falsche Fährten und Fallen für Mercurius und seine Freunde vorbereitet ...
Das spannende Staffelfinale von »Die letzten Hexen von Berlin« um den Barkeeper Mercurius und seine Freunde!
Über die Serie: Mercurius ist Barkeeper, Nachtclubbesitzer - und ein Mensch. Diese Tatsache ist in seinem Fall nicht ganz selbstverständlich, hat er doch familiäre Verbindungen zur magischen Unterwelt von Berlin. Unbemerkt von der Öffentlichkeit leben Hexen, Elfen und Elementarwesen mitten in der Stadt. Mercurius will mit dieser verborgenen Welt nichts zu tun haben. Doch als ein mächtiges Wasserwesen in Merc’s Nachtclub auftaucht, den Abstellraum zertrümmert und zwei Partygäste tötet, kollidieren die beiden Welten auf einen Schlag ...
Für Fans von Ben Aaronovitch und Benedict Jacka
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Seitenzahl: 172
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Grußwort des Verlags
Die letzten Hexen von Berlin – Die Serie
Über diese Folge
Titel
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Über den Autor
Impressum
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Mercurius ist Barkeeper, Nachtclubbesitzer – und ein Mensch. Diese Tatsache ist in seinem Fall nicht ganz selbstverständlich, hat er doch familiäre Verbindungen zur magischen Unterwelt von Berlin. Unbemerkt von der Öffentlichkeit leben Hexen, Elfen und Elementarwesen mitten in der Stadt. Mercurius will mit dieser verborgenen Welt nichts zu tun haben. Doch als ein mächtiges Wasserwesen in Merc’s Nachtclub auftaucht, den Abstellraum zertrümmert und zwei Partygäste tötet, kollidieren die beiden Welten auf einen Schlag …
Können sie die magische Gemeinde retten?
Mercurius konnte den Klauen von Hohenfels entkommen und hat sich zusammen mit seinen Freunden Ferat und Inès in der Villa der Hexen in Sicherheit gebracht. Doch Hohenfels verfolgt seinen Plan weiter – um ihn zu stoppen, müssen die Freunde endlich herausfinden, wo er das Wasserschemen gefangen hält und was er mit ihm vorhat. Denn sie sind die Einzigen, die noch zwischen Hohenfels und dem letzten überlebenden Wasserschemen stehen. Während die Freunde noch glauben, dem Bauunternehmer und seinen Plänen auf die Spur zu kommen, hat der längst falsche Fährten und Fallen für Mercurius und seine Freunde vorbereitet …
Das spannende Staffelfinale von »Die letzten Hexen von Berlin« um den Barkeeper Mercurius und seine Freunde!
OLIVER SKUZA
Das verlorene Portal
Ostseestrand, zwei Monate zuvor
Gewittergrummeln erfüllte den Nachthimmel. In der Ferne über dem Meer zuckten Blitze. Tanker und Fähren, die sich stoisch durch die See arbeiteten, lagen sekundenlang taghell im Wasser. Wind kam auf, und an der Uferpromenade schlugen Kiefernzweige gegen die Laternenmasten, die den Deichweg wie ein Fußballstadion ausleuchteten.
Das Tourismusmarketing warb mit einsamen Stränden und unberührter Natur, dabei gab es kaum einen Platz mehr, an dem der Bauboom vorbeigezogen war. Ferienapartments, Wochenendhäuser und Villen ließen ehemalige Fischerdörfer längst ineinander übergehen, und an den Campingplätzen drängten sich Caravans und Müllcontainer. Zwar gab es noch Dünenlandschaften und verschlungene Wege voller Muscheln und Sandrohr, aber die befanden sich allesamt fußläufig zu ausgebauten Asphaltstraßen und Parkplätzen, zu Strandbars und öffentlichen Toiletten. Natur ja, aber so bequem wie möglich, verstand sich.
Hohenfels störte das nicht, im Gegenteil. Er hätte wenig Lust gehabt, sich durchs Unterholz zu kämpfen für seinen Besuch in dieser Einöde. Wenn er schon Berlin verließ, dann mit dem Privatjet und zu seiner Insel in der Karibik. Wo er für sich allein war und ein Team von Einheimischen Villa und Pool jederzeit für ihn auf Vordermann brachten.
Trotz des Schietwetters war er nicht allein auf dem Dünenweg unterwegs. Ein Rentner kam ihm mit seinem Hund entgegen. Offenbar ein Ortsansässiger, der Schirmmütze und dem Ostfriesennerz nach zu urteilen. Er tippte sich an die Krempe, als er Hohenfels begegnete, und schien sich nicht weiter über dessen Anzug und die Mokassins zu wundern.
»Sie sollten besser umkehren«, sagte er. »Das Wetter schlägt um.«
Hohenfels lächelte. Ein Einheimischer, der keine Ahnung hatte, wen er vor sich hatte, und mit ihm redete, als wäre er ein Urlauber.
»Nicht nötig«, sagte er eher amüsiert als freundlich. »Ich hab’s nicht mehr weit.«
Der Rentner blickte verwundert in die Richtung, in die Hohenfels unterwegs war. Dort gab es nur noch Baustellen für Apartmenthäuser, dahinter den Rest eines Kiefernwalds und die Steilküste.
»Sie wollen doch nicht etwa zum Spukhaus?«
»Spukhaus?« Hohenfels lachte. »So nennen Sie das hier?«
»Ich würde das nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Tut mir leid, ich glaube nicht an Geister.«
»In der Bruchbude kann man auch umkommen, ohne an Geister zu glauben. Es ist einsturzgefährdet.« Er betrachtete Hohenfels eingehender. »Was wollen Sie denn da? So spät am Abend?«
Glaubte er, er könne ihn einfach ausfragen? Hohenfels’ Lächeln gefror, und sein Blick war offenbar eindeutig, denn der Rentner trat einen Schritt zurück. Er schien etwas zu begreifen.
»Sie sind ein Investor«, meinte er eher zu sich selbst und sagte laut: »Es fängt gleich an zu regnen. Kehren Sie besser um.«
»Lassen Sie das mal meine Sorge sein.«
Es wirkte, als überlegte der Rentner, wie er den leichtsinnigen Städter vom Gegenteil überzeugen könnte, aber dann zuckte er mit den Schultern und tippte sich an die Krempe. »Wie Sie meinen, schönen Abend noch.«
Er rief nach seinen Hund und trottete weiter.
Investor also. Sollten die Einheimischen ruhig denken, Hohenfels wäre deshalb hier. Er spazierte weiter, an den Baustellen vorbei zu den kümmerlichen Resten des Waldes, der größtenteils den Bauprojekten hatte weichen müssen.
Am Ende eines verschlungenen Pfads tauchte ein Gebäude auf. Kaum mehr als eine ärmliche Hütte. Die Steinmauern waren windschief, das Reetdach verschimmelt und der Schornstein halb eingestürzt. Es sah aus, als könnte der kleinste Windhauch das Haus wie ein Kartenhaus ineinanderfallen lassen.
Es grummelte, Wetterleuchten flackerte am Himmel, und Baukräne zeichneten sich hinter dem Wäldchen ab. Das Grundstück wirkte wie eine Eisscholle, die langsam Richtung Süden trieb. Wie der letzte Rest eines stolzen Eisbergs, der bald geschmolzen sein würde.
Was immer die Einheimischen glaubten, das Haus stand nicht leer, im Gegenteil. Und es waren schon mehr Menschen darin verschwunden, als die Gerüchte vermuten ließen. Er trat an die verwitterte Tür und hämmerte dagegen. Nichts passierte. Damit hatte er auch nicht gerechnet. Ohne zu zögern, stieß er die Tür auf. Er trat in eine Diele mit niedrigen Balkendecken, die von Ruß geschwärzt waren. Am Kamin, in dem ein Feuer brannte, stand ein Ohrensessel. Ein kleiner, untersetzter Mann in schwarzer Kleidung hockte darin. Er wandte sich um, und augenblicklich begann das Amulett auf Hohenfels’ Brust ein Eigenleben zu führen. Er lächelte.
»Netter Versuch«, sagte er.
Der Mann wirkte geschockt.
»Sie sind Aalderk der Jüngere, richtig? Wir haben einen gemeinsamen Freund.«
Jetzt schien er zu begreifen, und sein Blick verdüsterte sich. »Sie sind der Kapitalist. Aus Berlin.«
Hohenfels lächelte über die Formulierung. Jedenfalls wusste der Hexer, wer er war und weshalb er vor ihm stand.
»Ich habe gesagt, ich helfe nicht«, empörte sich der Mann. »Das war mein letztes Wort. Verschwinden Sie.«
»Unser …« Keine Namen, ermahnte sich Hohenfels, nicht einmal hier, sicher ist sicher. »… unser Freund hat mich über Ihre Situation aufgeklärt. Ich kann Ihnen helfen.«
Hohenfels breitete die Arme aus, ganz der barmherzige Samariter. Doch der Mann im Sessel schaute ihn so grimmig an, als fragte er sich, weshalb er Hohenfels nicht einfach durch Blicke töten konnte. Und wie er es am besten stattdessen bewerkstelligte.
Das Amulett auf Hohenfels’ Brust begann zu pulsieren. Der Hexer versuchte offenbar, eine Schwachstelle in seiner Abwehr zu finden. Lange würde es nicht dauern, bis ihm das gelänge, das wusste er.
»Sie sollten sich mein Angebot anhören«, sagte Hohenfels betont gelassen und sah sich in der ärmlichen Hütte um. »Tourismus«, fuhr er fort. »Fluch und Segen zugleich, nicht wahr? Er bringt Arbeitsplätze, das ist was Gutes. Aber der Preis ist hoch, wenn man seine Ruhe haben will.«
»Ich weiß nicht, was Sie hier vorhaben, aber Sie hätten sich gar nicht erst die Mühe zu machen brauchen, herzukommen. Ich rate Ihnen zu verschwinden, sonst werden Sie es bereuen.«
Hohenfels trat mit zwei Schritten auf ihn zu und stellte befriedigt fest, dass der Mann vor ihm zurückwich.
»Ich sag Ihnen, wie unser Deal aussieht. Ich brauche ein bisschen Support für die Magie. Sie sollen nach Berlin kommen und mir helfen. Und im Gegenzug …«
Aalderk der Jüngere schnaubte. »Ich wüsste nicht, was Sie mir bieten könnten.«
»Ganz einfach: Geld.«
»Ihr Geld können Sie sich sonst wo hinstecken. Es ruiniert alles. Sehen Sie sich um. Investoren. Was bringt es Gutes, Ihr Geld? Es zerstört unseren Lebensraum.«
»Tja. Es kommt immer darauf an, was man mit dem Geld anstellt. Sehen Sie, es geht hier nicht um ein paar Euro, mit denen Sie einen schönen Urlaub machen könnten. Da sind Summen im Spiel, von denen haben Sie keine Vorstellung.«
»Ich verachte Sie und Ihr Geld. Das habe ich …«
»Keine Namen!«, ging Hohenfels dazwischen.
»Das habe ich unserem Freund längst gesagt.«
»Das liegt nur daran, dass Sie nicht wissen, von welchen Summen ich spreche. Sie könnten damit im Umkreis von Kilometern alles aufkaufen. Die Häuser abreißen lassen und den Strandabschnitt renaturieren. Sie könnten den Zustand wiederherstellen, den Ihre Welt hier vor hundert Jahren hatte. Wenn es das ist, was Sie wollen.«
Die Düsternis verschwand aus dem Blick des Hexers. Die Augen waren wie offene Wunden. Die Sehnsucht darin war greifbar.
»Ja, genau«, meinte Hohenfels. »Um so viel Geld geht es dabei.«
Er hatte sich gründlich durch die Bücher von Phineus Magnus gearbeitet. Nachdem er den ehemaligen Weltkriegsbunker entdeckt hatte, der bis zum Tod dessen Refugium gewesen war, hatte er Mitarbeiter reingeschickt, um die Katakomben zu erforschen. Seine Männer für Spezialaufträge, die keine Angst davor hatten, sich die Hände schmutzig zu machen. Anfangs war keiner von ihnen wiedergekommen. Der Bunker war nicht gänzlich verwaist gewesen. Sie hatten dazugelernt. Ein paar Opfer hatte es erfordert, doch nach und nach hatte Hohenfels alles rausgeholt und gesichert.
Er hatte alles über die Welt der Magie gelernt, was er zu fassen bekam. Und er hatte eine Idee, mit der er so reich werden würde, dass ein paar hundert Millionen für den Hexer nur Kleingeld wären. Seine Idee war grandios. Aber er brauchte Hilfe von einem, der Magie praktizieren konnte. Einem wie diesen mürrischen Idioten.
»Kommen Sie mit nach Berlin! Der Auftrag dürfte in ein paar Wochen erledigt sein. Ich kann Ihnen die Mittel verschaffen, alle Investoren und Touristen von hier zu verjagen, und zwar für immer. Also, was halten Sie von meinem Angebot?«
Ein Donnerschlag erfüllte alles. Blitze zuckten von draußen durch die Fenster. Im nächsten Moment prasselte Regen gegen die Scheiben. Der Hexer wandte sich ab und starrte finster ins Kaminfeuer. Er wirkte plötzlich wie ein Greis, dessen Kräfte nachließen. Hohenfels kannte sich aus mit der Psychologie bei Geschäftsabschlüssen. Und ob der Typ jetzt ein Hexer war oder nicht, er wusste, er hatte ihn. Er würde das Geschäft nicht ausschlagen.
Berlin-GrunewaldVilla der Hexen, heute
Die Flügeltüren im ersten Stockwerk waren mit geschwungenen Ornamenten und Barockmalereien verziert. Mercurius hielt inne. Er wollte sich auf das gefasst machen, was sich dahinter verbarg, auf die Erinnerungen, die dort auf ihn warteten. Er drückte die Klinke und stieß die Türen auf.
Im Innern des Raums hatte sich kaum etwas verändert. Das Himmelbett mit den gedrechselten Aufbauten, die Stofftapeten und schweren Vorhänge, die verzierten Kommoden mit Furnierungen und Bronzebeschlägen, alles war wie damals. Für einen Moment war er wieder ein Kind, das mit einer Tüte türkischen Honig im Arm hineinstürmte, um auf dem Bett Trampolin zu springen.
Ferat trat hinter ihm ins Zimmer. Er deutete die Blicke und das Schweigen seines Freundes falsch.
»Nicht wahr?«, meinte er zufrieden. »Das habe ich auch gedacht. Endlich wird man mal standesgemäß untergebracht.«
Er ließ sich genussvoll auf das Himmelbett fallen.
»Die Matratzen sind unfassbar. Nix Schaumstoff und Silikon. Alles Naturmaterial. Ich dachte immer, früher haben die Leute sicher Nackenstarre gekriegt bei den Betten. Aber von wegen. So gut habe ich noch nie gelegen.«
Mercurius versuchte, seine Erinnerungen abzuschütteln, doch das war nicht einfach. Es war verwirrend, wieder in der Villa zu sein, in der er seine halbe Kindheit zugebracht hatte. Agnes hatte sie hier einquartiert, ihn, Ferat und Inès, damit sie fürs Erste untertauchen konnten. Sie waren in eine Falle getappt, die Hohenfels ihnen gestellt hatte, um die drei verschwinden zu lassen. Unterm Alexanderplatz waren sie in die Katakomben hinabgestiegen, in dem Glauben, das Wasserschemen zu finden, eine mythische Kreatur, die sie vor Hohenfels beschützen wollten, der sie jagte und umbringen wollte. Doch statt auf die Spur des Schemens zu stoßen, waren Mercurius und Inès in einer Elfenkolonie gelandet und hatten sich dort in einem traumähnlichen Zustand verloren. Nur mit Mühe und Not war es ihnen gelungen, in die reale Welt zurückzukehren. Agnes hatte sie in Sicherheit gebracht.
Hohenfels glaubte allem Anschein nach, dass sie noch immer dort unten gefangen waren, und dabei sollte es vorerst bleiben. Agnes wollte diesen taktischen Vorteil nutzen. Je weniger Hohenfels darüber wusste, was sie taten oder planten, umso besser. Denn bislang hatte Agnes nicht einmal von seiner Existenz gewusst, und seine Rolle bei den Geschehnissen rund um das Wasserschemen war für sie längst nicht entschlüsselt. Sie wusste nicht einmal, weshalb er so entschlossen war, dieses seltene, mythische und uralte Wesen umzubringen.
»Und die Kissen erst«, meinte Ferat schwärmerisch. »Ich könnte schwören, dass da Magie im Spiel ist, aber Adelgunde hat mich nur komisch angeguckt, als ich ihr das gesagt habe. Alles schnöde Handarbeit, meint sie. Daunenfedern und Baumwolle. Es ist unfassbar. Komm, leg dich zu mir.«
Das Lächeln, um das sich Mercurius bemühte, gelang ihm zwar ganz gut, fand er, doch Ferat durchschaute ihn trotzdem. »Was ist los, Merc? Das Bett ist doch groß genug für uns beide?«
»Das ist es nicht. Ich habe nur …« Er seufzte. »Ich musste an früher denken.«
»Du warst schon mal hier, natürlich.« Er sah sich in dem prunkvollen Raum um. »Hat es mit dem Zimmer was Besonderes auf sich?«
Bevor Mercurius antworten konnte, rumpelte es in der Wand hinter ihnen. Das war an der Tapetentür, dem geheimen Durchgang. Wer wusste, wonach er suchen musste, erspürte ihn an den feinen Linien im Wandmuster. Sie hörten ein Poltern und Stöhnen, die Tür wurde von innen aufgestoßen, und Inès stürmte herein.
»Ich weiß ja nicht, was ihr vorhabt, aber ich schlafe hier auf keinen Fall!«
Sie verschränkte die Arme und trat zur Seite. Hinter ihr lag der enge, holzvertäfelte Gang, der den Blick auf die Bedienstetenkammer freigab, in der sie untergebracht war.
»Keine Sekunde bleib ich mit der allein im Raum«, fügte sie hinzu.
In der kargen Zelle, die mit einem Metallbett, einer schlichten Kommode mit Waschschüssel und einem Holztisch ausgestattet war, saß mit dem Rücken zu ihnen bewegungslos eine gespensterhafte Gestalt mit durchscheinender Silhouette, einem grauen Gewand und verschmutzten Haaren. Es war Undine, der Wassergeist der Villa, die sonst nur unten am Kamin saß und als eine Art magische Alarmanlage fungierte, indem sie ungebetene Eindringlinge in eine Traumwelt lockte und dort gefangen nahm.
»Was macht sie da?«, fragte Ferat.
»Agnes hat sie hochgeschickt, damit sie Inès beschützt«, klärte Mercurius ihn auf. »Weil sie die Gefahren in der Villa nicht kennt und deshalb einen Wachhund haben soll.«
»Und du bist sicher, dass Undine sich daran hält und Inès nur bewacht?«
»Ihr glaubt doch nicht, dass ich mit so einem Monster die Nacht in einem Raum verbringe«, protestierte Inès. »Das ist total irre.«
»Ich kann ja die Kammer nehmen«, schlug Mercurius vor. »Mir macht das nichts aus.«
»Ach was, hier ist Platz genug für drei«, meinte Ferat. »Zieh einfach deine Matratze rüber. Agnes hat doch sicher nichts dagegen? Du kannst auf dem Boden schlafen.«
Mit Blick in die Kammer seufzte sie: »Wer kommt auf die Idee, dieses Ding würde einem das Gefühl von Sicherheit geben? Ist ja wie bei The Nun. Ferat, hilfst du mir kurz, die Matratze rüberzuziehen?«
»Würde ich gern«, sagte er und stand vom Bett auf. »Aber ich muss los.«
Mercurius runzelte die Stirn. »Was hast du vor?«
»Ich bin mit Adelgunde verabredet«, sagte er freudig. »Wir ernten Kräuter im Gewächshaus. Sie will mir alles zeigen.«
Ferat hatte immer die Welt der Magie mit eigenen Augen sehen wollen, seit Mercurius sich ihm anvertraut und die Geschichten aus seiner Kindheit erzählt hatte. Doch jedes Mal, wenn er ein Elementarwesen zu Gesicht bekommen hatte, war anschließend eine Hexe gekommen, um ihn vergessen zu lassen. Mit dem Amulett, das ihm die Germania, eine Seherin aus Marzahn, geschenkt hatte, war er geschützt vor der geistigen Beeinflussung. Endlich konnte er sie mit eigenen Augen sehen, die Wunder der Magie, und seine Begeisterung war ungebrochen.
Für Mercurius fühlte sich das seltsam an, wie Ferat in der magischen Welt völlig aufzugehen schien. Als wäre er längst ein Teil der Villa. Das hatte sich für Mercurius nie so angefühlt, dabei war er hier aufgewachsen.
»Aber wenn ich zuerst …?«, begann Ferat.
»Nein, nein, schon gut. Ich helfe Inès.« Und weil sich sein Freund bemühte, zerknirscht zu wirken, fügte er hinzu: »Hau schon ab.«
»Also gut.« Er strahlte. »Wir sehen uns später.«
Und verschwand durch die Flügeltüren im Treppenhaus.
Mercurius stand auf und zwängte sich durch den vertäfelten Gang ins Bedienstetenzimmer. In der Zelle roch es nach fauligem Wasser und Moorschlamm. Undines Präsenz lag wie ein dunkler Schatten über dem Raum. Sie starrte reglos gegen die Wand.
»Undine, Inès schläft bei uns«, sagte er laut und betonte dabei jede Silbe. »Du kannst wieder in die Halle zurück.«
Sie reagierte nicht. Mit leichtem Unbehagen drückte er sich an dem Wassergeist vorbei und zog die Matratze vom Bett, um sie mit Inès rüber ins andere Zimmer zu schleppen. Inès drückte danach beherzt die Tapetentür ins Schloss und versicherte sich, dass sie fest verschlossen war.
»Kann man die irgendwie abschließen?«, fragte sie.
»Undine tut dir nichts«, sagte Mercurius beruhigend. »Nicht wenn Agnes das befohlen hat.«
»Ich möchte da lieber auf Nummer sicher gehen.« Inès sah sich im Zimmer um. »Lass uns wenigstens einen Stuhl vor die Tür schieben, damit es ordentlich Lärm macht, wenn sie geöffnet wird. Das wird uns warnen, bevor sie sich auf uns stürzt.«
Mercurius widersprach nicht und ließ sie einen Lehnstuhl vor die Tapetentür zerren, damit sie sich besser fühlte. Er trat ans Fenster und sah hinaus. Dabei brach die Sonne zwischen Wolken hervor und warf ein warmes Licht auf den Garten der Villa. Für einen Moment vergaß er Undine und Inès. Es war genau wie damals, dachte er. Es sah aus wie in seiner Kindheit. Als machte er eine Zeitreise.
Inès trat neben ihn. Draußen raschelte im Abendwind das Laub der Bäume. Das goldene Sonnenlicht blinzelte zwischen den Blättern und warf tanzende Flecken auf die Auffahrt. Frieden lag über dem Garten. Inès schien zu spüren, dass Mercurius in Erinnerungen versunken war.
»Man stellt es sich schön vor, hier die Kindheit zu verbringen«, sagte sie.
»Ja, aber nur, weil es schön aussieht, heißt das nicht, dass es auch so war.«
»Ich weiß. Es ist nie, wie es von außen scheint.«
Er wandte sich zu ihr um. Ihm wurde bewusst, dass sie zum ersten Mal seit ihrer Gefangenschaft in der Elfenkolonie allein waren. Sie hatten noch nicht darüber gesprochen, was dort mit ihnen passiert war. Über diesen traumartigen Zustand, in dem sie sich ziemlich nahegekommen waren. Um ein Haar hätten sie sich geküsst.
»Du hattest damals keine Ahnung, dass dein Großvater einer von ihnen war?«, fragte sie.
»Nein, nicht die geringste.«
Das war etwas, das er kürzlich erst herausgefunden hatte, ausgerechnet in der Gefangenschaft im Keller von Hohenfels. Dass seine verwandtschaftlichen Verhältnisse in die Welt der Magie viel näher waren, als er bis dahin gedacht hatte. Er stammte in direkter Linie von einem Luftgeist ab.
»Dass er eine Sylphe war, darauf wäre ich nie gekommen.«
»Wieso haben die Hexen dir das nie gesagt?«
Er hatte keine befriedigende Antwort darauf.
»Ich glaub, weil ich ein Mensch bin. Offenbar überspringt es manchmal eine Generation. Das war ihre Hoffnung. Aber ich bin keine Sylphe. Es hätte nichts geändert, mir etwas davon zu sagen.«
»Und deine Eltern, die haben das auch für sich behalten?«
»Sie wollten nichts mit der magischen Welt zu tun haben. Vor allem mein Vater nicht. Er hat die Leute hier gehasst. Er wollte nie, dass ich mit ihnen zusammenkomme. Aber am Ende hat er sich nicht genug für mich interessiert, um einzuschreiten. Er hat es laufen lassen.«
Sie nickte, als wäre sie mit diesem Konzept von Vaterschaft vertraut. Es war etwas, das sie verband.
Er sah hinaus in den Abendhimmel. Am Horizont türmten sich orangefarbene Wolkenbänke. Mücken tanzten in der Luft.
Irgendwie spürte er, dass Inès jetzt auch an die Elfenkolonie dachte. An den seltsamen Traumzustand, in dem es schwergefallen war, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Sie hatten sich in einer Art Traumwelt befunden, in der die Elfen ihre Gedanken und Gefühle vernebelt hatten. Er sollte endlich ansprechen, was passiert war.
»Was die Kolonie betrifft …«, begann er.
Sie sah auf und betrachtete ihn forschend.