Die letzten Rätsel des Universums - Niklas Kolorz - E-Book

Die letzten Rätsel des Universums E-Book

Niklas Kolorz

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Beschreibung

Die großen Mysterien des Weltalls und unserer Erde: faszinierende Rätsel der Wissenschaft vom Autor des Sachbuch-Bestsellers »(Fast) Alles einfach erklärt«, Niklas Kolorz  Was war vor dem Urknall? Woraus besteht Dunkle Materie? Wie sieht mögliches Leben auf Exoplaneten aus? Science-Star Niklas Kolorz erforscht in seinem neuen Buch die größten ungeklärten Fragen unseres Universums. Dafür begibt er sich an Orte, an denen die traditionellen Modelle der Physik versagen und die menschliche Vorstellungskraft bis ans Äußerste gefordert ist. Doch die Wissenschaftsgeschichte zeigt: Forschende schaffen es immer wieder, das einst Unglaubliche zu erklären. Niklas Kolorz schildert die bahnbrechenden Versuche, Studien und Modelle, die dabei helfen werden, diese Rätsel zu lösen. Fesselnd, faktenreich und humorvoll lässt er die Wissenschaft am Rand des Universums lebendig werden. - In Teil 1 dreht sich alles um den KOSMOS: Wo fängt das Universum an und wo endet es? Was steckt hinter der ominösen Dunklen Energie? Und gibt es Portale, die einen Weg ins Multiversum eröffnen? - Teil 2 begibt sich auf die Spur des LEBENS: Wie entsteht Bewusstsein? Könnten wir in einer Simulation leben? Welche Erkenntnisse hat die Astrobiologie über Leben im All? - Um die ZUKUNFT geht es in Teil 3: Finden wir irgendwann eine Weltformel? Und können wir sogar in der Zeit reisen?Wieder widmet sich Niklas Kolorz nicht nur den Fakten, sondern auch den Geschichten dahinter. Er verfolgt, wie sich Wissenschaftler*innen der Erklärung des Unerklärlichen widmen, was sie antreibt und wie sie dabei ein ums andere Mal unser Bild vom Universum auf den Kopf stellen. »Was würde passieren, wenn ich in ein Raumschiff steige und mit Überlichtgeschwindigkeit in eine Richtung fliege? Raus aus unserem Sonnensystem, vorbei am schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße, raus aus dem Galaxienhaufen der lokalen Gruppe, weit in den Kosmos hinein. Wie weit müsste ich fliegen, bis ich dahin gelange, wo das Universum aufhört und das … ja was eigentlich beginnt?«

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Seitenzahl: 408

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Niklas Kolorz

Die letzten Rätsel des Universums

Dunkle Materie, Schwarze Löcher, Zeitreisen – Wie die Wissenschaft das Unerklärliche erklärt

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Science-Star Niklas Kolorz erforscht in seinem neuen Buch die größten ungeklärten Fragen unseres Universums: Was war vor dem Urknall? Woraus besteht Dunkle Materie? Wie sieht mögliches Leben auf Exoplaneten aus? Dafür begibt er sich an Orte, an denen die traditionellen Modelle der Physik versagen und die menschliche Vorstellungskraft bis ans Äußerste gefordert ist. Doch die Wissenschaftsgeschichte zeigt: Forschende schaffen es immer wieder, das einst Unglaubliche zu erklären. Niklas Kolorz schildert die bahnbrechenden Versuche, Studien und Modelle, die dabei helfen werden, diese Rätsel zu lösen. Fesselnd, faktenreich und humorvoll lässt er die Wissenschaft am Rand des Universums lebendig werden.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Teil 1

Kapitel 1

Die Reise zum Rand

Das Supernova Cosmology Project

Bis zur Unendlichkeit und noch viel, viel weiter

Auf der Suche nach der Dichte: WMAP

Kapitel 2

Der kosmische Bastelkleber

Zwicky mich mal – ich glaub, ich träume

Dunkle Materie: Gibt es sie wirklich?

Das Bullet-Cluster: ein galaktischer Verkehrsunfall

Woraus besteht die Dunkle Materie?

Die MOND-Theorie: das Ende der Physik, wie wir sie kennen?

Kapitel 3

Worin dehnt sich das Universum aus?

Han Solos Hubble-Konstante

Je mehr wir forschen, desto weniger wissen wir

Was steckt hinter der ominösen Dunklen Energie?

Wir sehen das Unsichtbare: Euclid

Kapitel 4

Die Schwarzschild-Lösung: Weltkrieg der Physik

Von Röntgenstrahlen und Schmuddelheften

Quasare: galaktischer Mörtel mit Anziehungskraft

Das Schwarze Loch der Milchstraße

Alle Schwarzen Löcher sagen Cheeeese

Sprung ins Tor zur Hölle

Wurmlöcher: Portale ins Multiversum?

Teil 2

Kapitel 5

Ein Gehirn wie Schweizer Käse

Wo entsteht unser Bewusstsein? Die Vierteljahrhundert-Wette

Ist unser Bewusstsein nur eine Illusion?

Leben wir in einer Simulation?

Ich zappe, also bin ich

Kritik an der Kritik an der Kritik

Kapitel 6

Vom KI-Winter zur KI-Hitzewelle und weiter

ChatGPT: Was genau steckt dahinter?

Die verrückte Geschichte von OpenAI

Nächster Halt: AGI

Gefahren, über die fast niemand redet

Kapitel 7

Alles eine Frage der Definition

Grenzfälle: Zombie-Apokalypsen und verrückte Rinder

Dem ersten Leben auf der Spur

Gott im Labor: Urzeitleben zum Nachkochen

Sind wir alle Aliens?

Leben aus dem Nichts erschaffen – geht das?

Kapitel 8

Das Geheimnis des Wow!-Signals

Die Jagd im All beginnt

Freundliche Aliens in deiner Nachbarschaft

Gestatten: James Webb, Alienjäger

Unter Kohlenstoffchauvinisten und Siliziumwesen

»Where is everybody?«

Sollten wir versuchen, Kontakt aufzunehmen?

Teil 3

Kapitel 9

Earth, Wind and Elektromagnetismus

Erst mal eine rollen

Im Zoo der Elementarteilchen

Big Urknall Energy

Klein, kleiner, Stringtheorie

Das anthropische Prinzip, oder: Wenn Gott Wissenschaftler spielt

Kapitel 10

Ein Flug mit Air Einstein

Marty, wir müssen zurück … in die Vergangenheit

Die Wurmloch-Zeitreise

Ohne DeLorean? Ohne mich!

Warp me up, Scotty

Bildnachweis

Für Ute und Rainer. Danke.

Kapitel 2

Das Rätsel der dunklen Materie

Aktuellen Schätzungen zufolge können wir weniger als fünf Prozent des kompletten Universums sehen. Das muss man sich mal vorstellen: weniger als fünf Prozent! Im Umkehrschluss bedeutet das: 95 Prozent sind für uns unsichtbar. Alles, was wir am Himmel erkennen können, die Sonne, der Mond, alle Sterne, Galaxien, Gashaufen, Supercluster, sämtliche Lichtquellen in jeder Himmelsrichtung, das alles macht nur knapp fünf Prozent von dem aus, was da ist. Damit schaffen wir es nicht mal in den Bundestag! Diese Zahl umfasst übrigens nicht nur die Materie, die wir mit eigenen Augen sehen können, sondern auch die, die wir mit Röntgenteleskopen oder Mikrowellensatelliten sichtbar machen. Und die restlichen 95 Prozent? Unsichtbar. Die Rede ist hier von Dunkler Materie und Dunkler Energie, den wohl größten Mysterien in Astrophysik und Kosmologie. Doch wenn wir sie nicht sehen können, woher wissen wir, dass sie da sind? Und wie viel es davon gibt? Lasst uns zunächst einen Blick auf die Entdeckungsgeschichte der Dunklen Materie werfen und nachvollziehen, wie wir überhaupt in diesen Schlamassel hineingeraten sind.

Der kosmische Bastelkleber

Vera Rubin war gerade zwanzig, als ihre Bewerbung an der Princeton University in New Jersey abgelehnt wurde, einer der großen acht privaten Eliteunis im Nordosten der USA. Ursprünglich verband diese sogenannten Ivy League-Unis nur eine gemeinsame Sportliga, doch tatsächlich gehören sie heute zu den prestigeträchtigsten Universitäten weltweit. Ein einziges Semester in Princeton kostet aktuell rund 31000US-Dollar.25 Auch in Deutschland gibt es Eliteunis, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass die Bundesregierung 2006 im Zuge einer »Exzellenzinitiative«2 ein breites Förderprogramm aufgelegt hat, um den Hochschulstandort Deutschland und dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.26 Zu den elf Spitzenunis mit besonders guten Forschungsleistungen zählen aktuell unter anderem die RWTH Aachen, die Humboldt-Universität Berlin und die Technische Universität München.Die Kosten für ein Semester in Berlin? Rund 300 Euro.27 Und darin ist das Semesterticket für den öffentlichen Nahverkehr bereits enthalten. Das entspricht etwa 0,7 Prozent der Semesterkosten von Princeton (wo das Semesterticket übrigens nicht inklusive ist). Ein kleiner Reminder, wie glücklich wir uns schätzen können, dass die besten Bildungseinrichtungen unseres Landes (fast) umsonst sind.

Doch zurück zu Vera Rubin. Von einer Eliteuniversität in den USA abgelehnt zu werden, ist eigentlich nichts Besonderes, schließlich liegt die Annahmequote dort bei nur rund vier Prozent, bis heute.28 Doch Vera Rubin wurde der Zugang zur Princeton University nicht verwehrt, weil ihre Noten zu schlecht waren, sie bei der Aufnahmeprüfung durchgefallen war oder sich das Studium nicht hätte leisten können. Vera Rubin wurde abgelehnt, weil sie eine Frau war. Im Jahr 1948 machte sie gerade ihren Bachelor in Astronomie am New Yorker Vassar College, einer angesehenen Frauenuniversität.29 Sie war sogar die einzige Studentin, die in diesem Jahr einen Abschluss in Astronomie erhielt. Doch ein Anschlussstudium an der Princeton University wurde ihr versagt, da Frauen dort damals nicht für ihr Fachgebiet zugelassen waren. Eine diskriminierende Richtlinie, die erst 1975 abgeschafft wurde. Glücklicherweise waren einige andere Universitäten jedoch bereits weiter, und so konnte Vera Rubin ein Physikstudium an der Cornell University im Bundesstaat New York absolvieren und im Jahr 1954 an der Georgetown University sogar ihren Doktor machen.

In ihrer Dissertation erforschte sie die Bewegungsmuster von Galaxien, ein Teilgebiet der Astrophysik, das damals viel diskutiert wurde. Sie bemerkte (korrekterweise), dass sich Galaxien zusammenklumpen, was der damals verbreiteten Meinung widersprach, Galaxien seien im Universum gleichmäßig verteilt. Anschließend war Rubin an der Carnegie Institution in Washington angestellt, wo sie ihre Arbeiten zu den Bewegungsmustern von Galaxien weiterverfolgen konnte. Dort lernte sie auch ihren langjährigen Forschungspartner, den Astronomen Kent Ford kennen, der damals gerade ein extrem sensibles Spektrometer gebaut hatte. Gemeinsam sollten sie eine der aufregendsten Entdeckungen in der Geschichte der Astrophysik machen.

 

Spektrometer werden dafür genutzt, Licht in seine Bestandteile zu zerlegen und genauer zu untersuchen. Man kann sich das ganz ähnlich vorstellen wie den Prisma-Effekt auf dem berühmten Plattencover von Pink Floyds Dark Side of the Moon: Weißes Licht fällt von der einen Seite auf ein Prisma und kommt auf der anderen Seite als Regenbogen wieder heraus.Wenn wir das Licht einer Quelle, beispielsweise unserer Sonne, mit einem solchen Messgerät aufbrechen, können wir es in verschiedene Wellenlängen unterteilen. In Abbildung 2.1 sehen wir, wie so etwas abläuft: Erst wird der Lichtstrahl einer Quelle über einen Spiegel auf ein Gitter geleitet. Dieses Gitter bricht die Lichtquelle in ihre Bestandteile auf, und dann werden die unterschiedlichen Wellenlängen – in der Abbildung stehen die Abstufungen von Orange für die einzelnen Farben des Lichtspektrums – über einen Spiegel auf einen Detektor geleitet.

Abbildung 2.1: Mit einem Spektrometer können wir Licht in seine Bestandteile zerlegen. Dabei erscheinen lange Lichtwellen rot (hier dunkelorange), mittellange gelb bis grün (hier mittelorange) und kurze blau bis violett (hier rosa bis fast weiß).

Mit dem von Kent Ford gebauten Spektrometer konnten die beiden Astronomen detailreiche Analysen der Bewegungen einzelner Sterne innerhalb von Spiralgalaxien machen. Auch die Milchstraße ist übrigens eine Spiralgalaxie, und auch unsere Sonne ist ein Stern, der sich innerhalb dieser Galaxie bewegt. Aktuell kreist unser komplettes Sonnensystem mit etwa 220 Kilometern pro Sekunde um das Zentrum der Milchstraße – für eine Umrundung brauchen wir etwa 240 Millionen Jahre.

Abbildung 2.2: Unsere Milchstraße ist eine Spiralgalaxie. Die Sonne befindet sich in einem Seitenarm.

Schaut man sich weit entfernte Spiralgalaxien wie die Andromeda-Galaxie durch ein Teleskop an, stellt man fest, dass sich einige Sterne auf uns zu- und andere von uns wegbewegen, je nachdem, wo sie sich gerade auf ihrer Umlaufbahn um das Zentrum befinden. Mithilfe des außergewöhnlich empfindlichen Spektrometers, mit dem sie arbeiteten, waren Rubin und Ford sogar in der Lage, die Geschwindigkeit der einzelnen Sterne zu ermitteln. Denn: Lichtquellen, die sich auf uns zubewegen, verschieben sich im Lichtspektrum in den blauen Bereich (Blauverschiebung), und Lichtquellen, die sich von uns wegbewegen, in den roten Bereich (Rotverschiebung). Rubin und Ford beobachteten und katalogisierten nun also verschiedenste Sterne innerhalb der Andromeda-Galaxie. Einige davon im Zentrum, andere an der Peripherie. Anhand des Grads der Rot- oder Blauverschiebung konnten sie anschließend genau ausrechnen, wie schnell die Sterne unterwegs waren. Und dabei stellten sie etwas äußerst Merkwürdiges fest. Die Sterne verhielten sich nicht so, wie man vermuten würde.

In unserem Sonnensystem kreisen ja alle Planeten um die Sonne. Und für diese Art von Bewegung gilt eine einfache physikalische Regel: Je näher sich ein Objekt am Massezentrum (in diesem Fall ist das unsere Sonne) befindet, desto schneller ist es. Deshalb braucht der Merkur für eine Sonnenumrundung auch nur 88 Erdentage,30 während der Neptun über 60000 Erdentage oder 165 Erdenjahre31 dafür braucht. Dabei bewegt sich der Merkur im Schnitt mit 47,87 Kilometern pro Sekunde, der Neptun hingegen mit gerade mal 5,43 Kilometern pro Sekunde.32

 

Die Annahme, dass ein Objekt umso schneller ist, je näher es sich am Massezentrum befindet, galt damals auch für die Orbitalgeschwindigkeit von Sternen auf ihrer Umlaufbahn um das Zentrum ihrer Galaxie (das ist die Geschwindigkeit, mit der ein Objekt um ein anderes Objekt kreist). Schließlich ging man davon aus, dass in anderen Galaxien die gleichen physikalischen Gesetze gelten wie in unserer Galaxie – und davon geht man, ehrlich gesagt, immer noch aus.3 Die Faustregel lautet wie gesagt: Sterne und Planeten nahe am Zentrum einer Galaxie drehen sich schneller ums Zentrum als Sterne und Planeten ganz außen. So sollte es zumindest sein. Doch was Vera Rubin und Kent Ford entdeckten, widersprach jeder wissenschaftlichen Intuition und Theorie. Laut ihren Berechnungen bewegten sich die Sterne am Rand der Galaxie nämlich fast genauso schnell wie die im Zentrum.33 Wie konnte das sein? Den Gesetzen der Physik zufolge müssten Sterne, die sich am Rand einer Spiralgalaxie derart schnell bewegen, eigentlich davonfliegen wie die Kugel beim Hammerwerfen. Die Galaxien verfügen schließlich gar nicht über genug Masse, demzufolge auch nicht über genug Schwerkraft, um Sterne, die sich mit hoher Geschwindigkeit am Rand bewegen, festzuhalten.

Eine absolut bemerkenswerte Entdeckung! Aber gut, vielleicht hatte man es hier mit einer Anomalie zu tun, einer unbedeutenden Ausnahme. Vielleicht gab es ja eine Besonderheit bei der Zusammensetzung der Andromeda-Galaxie, von der man einfach noch nichts wusste, und bei anderen Galaxien war das alles ganz anders? Von wegen! Rubin und Ford machten weiter und untersuchten rund 60 Spiralgalaxien, mit erstaunlichem Ergebnis: Alle zeigten denselben Effekt.34 Die Sterne am Rand der Galaxien bewegten sich fast genauso schnell wie diejenigen, die näher am Zentrum waren. Was taten Rubin und Ford also, um nicht gleich alle etablierten physikalischen Gesetze über Bord werfen zu müssen? Sie postulierten die Existenz einer Art kosmischen Bastelklebers – den sie natürlich nicht so nannten. Die Idee war nicht komplett neu, sie kramten sie lediglich aus der Kiste vergessener Ideen der Astrophysik hervor. Jetzt zahlte es sich aus, dass Vera Rubin damals ihre akademische Laufbahn an der Cornell University hatte fortsetzen dürfen, denn sie erinnerte sich an Messungen, die der Schweizer Astronom Fritz Zwicky im Jahr 1933 durchgeführt hatte.

Zwicky mich mal – ich glaub, ich träume

Fritz Zwicky hatte Galaxien im Coma-Galaxienhaufen beobachtet, einem System von über 1000 Galaxien, die durch ihre Schwerkraft miteinander verbunden sind.35 Zwicky schaute sich die Rotverschiebung einzelner Galaxien in dieser Konstellation an und berechnete ihre Geschwindigkeiten, ähnlich wie Rubin und Ford es rund 40 Jahre später mit Sternen in der Andromeda-Galaxie machen sollten. Dabei bemerkte der Astronom, dass sich ein Teil der Galaxien viel schneller bewegte, als zu erwarten gewesen wäre. So schnell, dass sie eigentlich aus dem Cluster hätten hinausfliegen müssen. Zwicky schloss daraus, dass innerhalb des Galaxienhaufens unfassbar viel Masse vorhanden sein muss, die man zwar nicht sehen kann, die aber dennoch dafür sorgt, dass der Galaxienhaufen beisammenbleibt.36 Schon hier die Vermutung: Es muss eine Art unsichtbaren kosmischen Bastelkleber geben. Doch woher sollte diese unbekannte Masse stammen? Fritz Zwicky stellte die These auf, dass es so etwas wie Dunkle Materie gibt, die für uns unsichtbar oder durchsichtig erscheint, die aber mit den uns zur Verfügung stehenden Naturgesetzen vorhersagbar und berechenbar ist. Diese Materie müsste eine Masse haben, durch die Schwerkraft entsteht, die wiederum verhindert, dass der Galaxienhaufen auseinanderfliegt. Zwickys erste Berechnungen ergaben, dass es – um seine Messergebnisse erklären zu können – rund 400-mal mehr von dieser unbekannten Materie geben müsste als von jener, die er mit seinen Geräten sehen konnte.37

Der Schweizer Physiker war zwar ein renommierter Astronom und Wissenschaftler, doch seine Schlussfolgerungen wurden im Kollegenkreis heftig kritisiert und lange Zeit einfach nicht ernst genommen. Man kannte Zwicky und seine verrückten Ideen schon eine ganze Weile und wusste, dass er manchmal etwas übers Ziel hinausschoss. (Einmal schoss er zum Beispiel buchstäblich eine lediglich einen Zentimeter große Kugel ins Weltall und taufte sie Artificial Planet No. Zero.38) Manchmal waren seine Einfälle absolut genial, manchmal einfach nur für die Tonne. Und seine Dunkle Materie-Idee erschien seinen Zeitgenossen erst mal wie Letzteres.39 Warum sollte man von der Existenz einer neuen, unsichtbaren Materie ausgehen, wenn es doch noch viele andere Ursachen für seine seltsame Beobachtung geben konnte? Eventuell hatte Zwicky die Entfernung des Galaxienhaufens schlichtweg falsch bestimmt (hatte er tatsächlich). Vielleicht waren auch seine Berechnungen der Masse der einzelnen Galaxien falsch (waren sie), oder die mysteriöse Dunkle Materie war auf große Gaswolken zurückzuführen, die für seine primitive Technik nicht erkennbar waren (ebenfalls teilweise korrekt). Jedenfalls gab es jede Menge Gründe, Zwickys Beobachtungen anzuzweifeln, und so geriet seine Idee für einige Jahrzehnte fast komplett in Vergessenheit. Bis Rubin und Ford sie in den 1970er-Jahren wieder hervorkramten.

Zwicky hatte erkannt, dass ganze Galaxien und vielleicht auch Staub- und Gaswolken schneller unterwegs waren, als die astrophysikalische Polizei (tatütata!) erlaubte. Rubin und Ford bemerkten nun dank ihrer präzisen Instrumente, dass auch unzählige einzelne Sterne innerhalb von Galaxien das Geschwindigkeitslimit überschritten. So sammelten sie die wohl wichtigsten Belege für Zwickys Konzept. Ihre Berechnungen legten allerdings nahe, dass es nur rund sechsmal mehr unsichtbare als sichtbare Materie geben müsste. Sprich: Für jede normale Sonne bräuchte es beispielsweise noch mal sechs »dunkle Sonnen«, sonst würden unsere Naturgesetze keinen Sinn ergeben. Der ursprüngliche Faktor 400 war damit radikal minimiert, doch das Problem blieb bestehen: Die Bewegungen von Sternen und Galaxien ergaben keinen Sinn. Entweder Dunkle Materie existierte, oder irgendetwas stimmte nicht mit unseren Naturgesetzen. Beide Möglichkeiten beunruhigten die Wissenschaftler.

Was zu Zwickys Zeiten noch als Hirngespinst belächelt worden war, wurde von Vera Rubin und Kent Ford ausführlich belegt. In den 1970er-Jahren wurde Dunkle Materie erstmals ernsthaft erforscht, und inzwischen ist sie sogar fester Bestandteil des Standardmodells der Kosmologie. Laut aktuellsten Schätzungen besteht das Universum zu rund 27 Prozent aus Dunkler Materie40 – etwa vier- bis fünfmal mehr als sichtbare oder baryonische Materie. (Die fehlenden 68 Prozent schauen wir uns später noch mal genauer an.) Aber … kann das wirklich sein?

Dunkle Materie: Gibt es sie wirklich?

Dunkle Materie ist ein cooles, geheimnisvolles Konzept, das ein wenig nach dunkler Magie klingt. Wobei »dunkel« nicht ganz der passende Ausdruck ist. Durchsichtige Materie oder Unsichtbare Materie wäre treffender. Wie wir eben gelernt haben, ist der Begriff auch erst mal nur eine theoretische Erklärung für ein Phänomen, das Astrophysiker mit ihrem existierenden Regelwerk ansonsten nicht erklären könnten. Fritz Zwicky kam ja ursprünglich nur auf die Idee, weil er bei der Berechnung der Geschwindigkeit von Galaxien im Coma-Haufen wie gesagt eine Menge Fehler gemacht hatte: Er hatte die Entfernungen zu und zwischen den Galaxien falsch berechnet, deren Massen nicht präzise bestimmt und einiges an Materie, die wirklich da war, schlicht übersehen. Wer sagt also, dass wir heute nicht ebenfalls Fehler machen und nur deshalb von der Existenz Dunkler Materie ausgehen, weil wir einfach zu blöd sind, das Universum zu verstehen?! Es wäre also sicher nicht verkehrt, wenn wir versuchen würden, diesen mysteriösen Stoff noch auf andere Weise zu bestätigen.

Tatsächlich gibt es eine weitere astrophysikalische Besonderheit, die das Vorhandensein Dunkler Materie nahelegt: Die Rede ist vom Gravitationslinseneffekt –