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Kayden ist wieder an seinen dunklen Ort zurückgekehrt. Niemand wird ihm glauben, wenn er die Wahrheit sagt. Callie spürt, wie er sich von ihr entfernt. Sie weiß, dass sie ihm nur helfen kann, wenn sie sich ihrer größten Angst stellt und ihr Geheimnis offenbart. Der Gedanke, das Schweigen zu brechen, qäult sie - doch nicht so sehr wie die Vorstellung, Kayden für immer zu verlieren. Callie weiß, dass die Zeit reif ist für einen Neubeginn ohne den Ballast der Vergangenheit. Aber kann sie auch Kayden davon überzeugen?
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Seitenzahl: 476
JESSICA SORENSEN
Die Liebe vonCallie & Kayden
Band 2
Roman
Aus dem Amerikanischenvon Sabine Schilasky
WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN
DAS BUCH
Ich klammere mich an Kaydens Hemd, als er eine Hand in meinen Nacken legt und mich näher zu sich zieht, während er mich leidenschaftlich und heftig, beinahe verzweifelt küsst. Seine andere Hand packt meine Hüfte. Ich will einfach nur, dass er mich immer weiter küsst, will ihn nie mehr loslassen. Ich brauche ihn!
Doch dann weicht er atemlos zurück und presst die Lippen zusammen. Als er mich wieder ansieht, sind seine Augen eiskalt. »Du musst gehen … Tut mir leid, Callie.« Er wirkt, als würde er gleich weinen. »Ich kann nicht mit dir zusammensein.«
Meine Atmung versagt, als ich aus dem Wagen in den Schnee und die Winterluft steige. Sobald ich die Tür zugeschlagen habe, schleudern die Reifen Matsch auf, und er fährt weg, ohne sich umzusehen. Am liebsten würde ich ihm nachjagen, doch ich drehe mich um und gehe zurück ins Café.
DIE AUTORIN
Die Bestsellerautorin Jessica Sorensen hat bereits zahlreiche Romane verfasst. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in den Bergen von Wyoming. Wenn sie nicht schreibt, liest sie oder verbringt Zeit mit ihrer Familie. www.jessicasorensen.com
LIEFERBARE TITEL
Das Geheimnis von Ella und Micha
Für immer Ella und Micha
Die Sache mit Callie und Kayden
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel THE REDEMPTION OF CALLIE AND KAYDEN
Vollständige deutsche Erstausgabe 06/2014
Copyright © 2013 by Jessica Sorensen
Copyright © 2014 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion: Sabine Thiele
Umschlaggestaltung: t. mutzenbach design, München
Umschlagabbildung: © Regina Wamba, www.maeidesign.com
Datenkonvertierung E-Book: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ePub-ISBN: 978-3-641-12862-3
www.heyne.de
Für alle, die überlebt haben.
Ich will atmen.
Ich will mich wieder lebendig fühlen.
Ich will den Schmerz nicht.
Ich möchte alles wiederhaben, aber es ist fort.
Ich höre jedes Geräusch, jedes Lachen, jeden Schrei. Leute bewegen sich hektisch durch den Raum, doch ich sehe nur zu den Glasschiebetüren. Draußen tobt ein Gewitter; Regen prasselt auf den Asphalt, die Erde und das trockene Laub. Lichter blinken, als Krankenwagen unter dem Vordach halten, und spiegeln sich blutrot auf dem nassen Boden. So rot wie Kaydens Blut, wie Kaydens Blut überall auf dem Fußboden. So viel Blut.
Mein Magen ist leer. Mein Herz tut weh. Ich kriege keine Luft.
»Callie«, sagt Seth. »Callie, sieh mich an.«
Ich wende meinen Blick von den Glastüren zu Seths besorgten braunen Augen. »Hmm?«
Er nimmt meine Hand. Seine Haut fühlt sich wohltuend warm an. »Er wird wieder.«
Ich starre ihn an, zwinge die Tränen zurück, weil ich stark sein muss. »Okay.«
Seth tätschelt mir seufzend die Hand. »Weißt du was? Ich frage mal, ob er inzwischen Besuch haben darf. Es ist ja schon fast eine Woche, da müsste doch allmählich mal jemand zu ihm dürfen.« Er steht auf und geht quer durch den Raum zum Aufnahmetresen.
Er wird wieder.
Er muss.
Aber im Grunde weiß ich, dass er nicht wieder wird. Ja, seine Wunden und die gebrochenen Knochen mögen heilen. Drinnen jedoch wird es lange dauern, und ich frage mich, wie Kayden sein wird, wenn ich ihn wiedersehe. Wer wird er sein?
Seth redet mit der Schwester hinter dem Tresen, doch sie beachtet ihn kaum, während sie gleichzeitig telefoniert und am Computer arbeitet. Ist auch egal. Ich weiß, was sie sagen wird – dasselbe wie immer: dass er keine Besucher empfangen darf, ausgenommen seine Familie. Seine Familie, die Menschen, die ihn verletzen. Die braucht er ganz bestimmt nicht.
»Callie.« Maci Owens’ Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blinzle stirnrunzelnd zu Kaydens Mutter auf. Sie trägt einen engen Nadelstreifenrock, ist frisch manikürt und hat ihr Haar zu einem Lockenturm aufgesteckt. »Warum bist du hier?«, fragt sie.
Beinahe frage ich sie dasselbe. »Ich bin hier, um Kayden zu besuchen.« Ich setze mich auf.
»Callie, Süße.« Sie redet mit mir, als wäre ich ein kleines Kind, und sieht mich verärgert an. »Kayden darf keinen Besuch haben. Das habe ich dir schon vor Tagen gesagt.«
»Aber ich muss bald zum College zurück«, erwidere ich und klammere mich an die Armlehnen des Stuhls. »Ich will ihn sehen, bevor ich wegfahre.«
Sie schüttelt den Kopf, setzt sich auf den Stuhl neben mir und überkreuzt die Beine. »Das ist ausgeschlossen.«
»Wieso?« Meine Stimme klingt schärfer denn je.
Sie blickt sich um, hat offenbar Angst, ich könnte eine Szene machen. »Bitte sprich leise, Süße.«
»Tut mir leid, aber ich muss wissen, dass mit ihm alles okay ist.« Noch nie war ich so wütend, und es gefällt mir nicht. »Und ich muss wissen, was passiert ist.«
»Kayden ist krank, das ist passiert«, antwortet sie ruhig und steht auf.
»Moment mal.« Ich stehe ebenfalls auf. »Was meinen Sie mit ›er ist krank‹?«
Sie neigt den Kopf zur Seite und setzt ein trauriges Gesicht auf. Doch ich kann an nichts anderes denken als daran, dass die Frau jahrelang geduldet hat, wie Kayden von seinem Vater geprügelt wurde. »Süße, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll, aber Kayden hat sich selbst verletzt.«
Ich weiche kopfschüttelnd vor ihr zurück. »Nein, hat er nicht.«
Sie sieht noch trauriger aus, was ihr etwas von einer Plastikpuppe mit gläsernen Augen und einem aufgemalten Lächeln verleiht. »Süße, Kayden hat schon lange das Problem, dass er sich selbst schneidet, und dies … Nun, wir dachten, es wäre besser geworden, aber ich schätze, wir haben uns geirrt.«
»Nein, das tut er nicht!«, schreie ich. Ja, ich schreie, was mich genauso erschreckt wie sie. Alle im Warteraum sind erschrocken. »Und ich heiße Callie, nicht Süße!«
Seth kommt zu mir gelaufen, die Augen weit aufgerissen. »Callie, alles okay?«
Ich sehe erst ihn an, dann zu den Leuten um uns herum. Alle sind verstummt und gaffen mich an. »Ich … Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, stammle ich, renne zu den Glasschiebetüren und stoße mir die Ellbogen an den Kanten, weil sie nicht schnell genug aufgleiten. Ich laufe weiter, bis ich zu einem Gebüsch hinter dem Krankenhaus komme, wo ich auf die Knie sinke und mich übergebe. Meine Schultern beben, mein Bauch krampft, und Tränen brennen in meinen Augen. Als alles draußen ist, sacke ich auf meine Fersen zurück und bleibe auf der nassen Erde hocken.
Auf keinen Fall kann Kayden sich das selbst angetan haben. Doch tief im Innern denke ich an all die Narben auf seinem Körper und frage mich: Was ist, wenn doch?
Das Erste, was ich wahrnehme, ist Licht. Es brennt in meinen Augen und verzerrt alles um mich herum. Ich weiß nicht, wo ich bin. Was ist passiert? Dann höre ich tiefe Stimmen, Geklapper, Chaos. Eine Maschine piept, und es scheint zum Takt meines Herzschlags zu passen, hört sich aber zu langsam und unregelmäßig an. Mir ist kalt, und ich fühle mich außen genauso taub wie in mir drin.
»Kayden, hörst du mich?« Es ist die Stimme meiner Mom, doch ich kann sie in dem grellen Licht nicht sehen.
»Kayden Owens, mach die Augen auf«, wiederholt sie, bis es zu einem nervigen Surren in meinem Kopf wird.
Ich öffne und schließe die Augen mehrmals, dann verschwindet alles. Wieder blinzle ich, und das Licht wird zu Punkten. Schließlich verwandelt es sich in Gesichter von Leuten, die ich nicht kenne, und sie alle sehen mich ängstlich an. Ich suche nach einer einzigen Person, aber die kann ich nirgends entdecken.
Ich mache den Mund auf, befehle meinen Lippen, sich zu bewegen. »Callie.«
Meine Mom erscheint über mir. Ihr Blick ist eisiger, als ich erwartet hätte, und sie hat die Lippen gespitzt. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was du dieser Familie zumutest? Was ist los mit dir? Hast du keinerlei Achtung vor deinem Leben?«
Ich sehe zu den Ärzten und Schwestern an meinem Bett und erkenne, dass es nicht Furcht ist, was ich in ihren Mienen lese, sondern Mitleid und Verärgerung. »Was …« Mein Hals ist staubtrocken, und das Schlucken fällt mir schwer. »Was ist passiert?« Nach und nach erinnere ich mich: Blut, Gewalt, Schmerz – mein Wunsch, dass alles vorbei ist.
Meine Mom stützt ihre Hände neben meinen Kopf und lehnt sich über mich. »Ich dachte, wir hätten das hinter uns. Ich dachte, du hast damit aufgehört.«
Ich drehe den Kopf zur Seite und sehe zu meinem Arm hinunter. Mein Handgelenk ist verbunden, und meine Haut ist weiß mit bläulich schimmernden Adern. In meinem Handrücken steckt eine Kanüle, und an einer Fingerspitze ist eine Klammer befestigt. Ich erinnere mich. An alles. Ich sehe wieder meine Mutter an. »Wo ist Dad?«
Ihre Augen verengen sich, und sie senkt die Stimme, während sie sich noch näher zu mir beugt. »Auf einer Geschäftsreise.«
Ich starre sie unverwandt an. Nie hat sie etwas gegen die Gewalt getan, mit der ich aufwuchs, trotzdem hatte ich irgendwie gehofft, dass sie dieses Mal Schluss mit ihrer Heimlichtuerei macht, endlich aufhört, ihn dauernd in Schutz zu nehmen. »Er ist auf einer Geschäftsreise?«, frage ich langsam.
Ein Mann in einem weißen Kittel mit einem Kuli in der Brusttasche, einer Brille und grau meliertem Haar sagt etwas zu meiner Mom und geht mit einem Klemmbrett in der Hand aus dem Zimmer. Eine Schwester tritt an eine piepende Maschine neben dem Bett und fängt an, etwas in mein Krankenblatt zu schreiben.
Meine Mutter beugt sich näher, wirft einen Schatten auf mich und flüstert warnend: »Dein Vater hat hiermit rein gar nichts zu tun. Die Ärzte wissen, dass du dir selbst die Handgelenke aufgeschnitten hast, und die ganze Stadt weiß, dass du Caleb zusammengeschlagen hast. Du bist jetzt schon in einer schlechten Position, und die wird noch viel schlimmer, falls du versuchst, deinen Vater da mit reinzuziehen.« Sie richtet sich ein wenig auf, und zum ersten Mal bemerke ich, wie riesig ihre Pupillen sind. Bis auf einen schmalen Ring am Rand ist kaum noch Iris zu sehen. Sie sieht besessen aus – vom Teufel vielleicht oder von meinem Vater. Aber im Grunde sind sie ein und derselbe.
»Du wirst schon wieder«, sagt sie. »Es sind keine wichtigen Organe verletzt worden. Du hast viel Blut verloren, aber sie haben dir eine Transfusion gegeben.«
Ich stemme die Hände aufs Bett, will mich aufsetzen, aber mein Körper ist schwer, und meine Glieder sind zu schwach. »Wie lange war ich weg?«
»Du bist seit ein paar Tagen immer mal wieder bei Bewusstsein. Doch die Ärzte sagen, das ist normal.« Sie fängt an, an der Decke um mich herumzuzupfen, als wäre ich plötzlich ihr Kind. »Mehr Sorge macht ihnen, wieso du dich geschnitten hast.«
Ich hätte es herausbrüllen können, in die Welt hinausschreien, dass ich es nicht alleine war. Dass es mein Dad war, wir beide das waren. Doch als ich mich im Zimmer umsehe, wird mir klar, dass keiner hier ist, den es interessiert. Ich bin allein. Ich habe mich selbst verletzt. Und eine Sekunde lang hoffe ich, dass es mein Ende ist, dass all der Schmerz, der Hass und die Gefühle, wertlos zu sein, nach neunzehn Jahren endlich weggehen.
Sie tätschelt mein Bein. »Na schön, ich komme morgen wieder.«
Ich sage nichts, drehe mich um und schließe die Augen, damit ich zurück in die Dunkelheit falle, aus der ich eben erwacht bin. Denn im Moment ist sie besser, als im Licht zu sein.
Ich verbringe viel Zeit damit, in mein Tagebuch zu schreiben. Für mich ist es beinahe wie eine Therapie. Es ist spät in der Nacht, und ich bin hellwach. Mir graut davor, morgen zum College zu fahren, ohne Kayden. Wie soll ich ihn einfach verlassen, abhauen, weitermachen? Jeder erzählt mir immerzu, dass ich muss, als wäre es so simpel wie sich ein Outfit auszusuchen. Darin war ich allerdings auch noch nie gut.
Ich bin im Zimmer über der Garage, allein, zurückgezogen in der Einsamkeit mit nichts als meinem Stift und dem Tagebuch. Seufzend blicke ich zum Mond und lasse meine Hand wie von selbst über das Papier wandern.
Ich kriege das Bild nicht aus dem Kopf, egal wie sehr ich es versuche. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Kayden auf dem Küchenboden liegen. Blut bedeckt seinen Körper, die Fliesen, die Fugen und die Messer um ihn herum. Er ist beschädigt, blutig, in Stücke gebrochen. Manche Leute glauben wahrscheinlich, dass er nicht mehr repariert werden kann. Aber daran kann ich nicht denken.
Ich war einmal in Stücke gebrochen, zerstört von jemand anderem, doch jetzt habe ich das Gefühl, allmählich wieder ganz zu werden. Oder zumindest hatte ich es. Als ich aber Kayden auf dem Boden fand, fühlte es sich an, als würde ein Teil von mir aufs Neue zerbrechen. Und noch mehr von mir zerbricht, als seine Mutter mir erzählt, er hätte es sich selbst angetan. Er hätte sich geschnitten, was er angeblich schon seit Jahren tat.
Ich glaube es nicht.
Ich kann es nicht glauben, weil ich ja über seinen Dad Bescheid weiß.
Ich kann einfach nicht.
Meine Hand hält inne, und ich warte, dass mehr kommt. Doch anscheinend ist das alles, was ich schreiben muss. Ich lege mich ins Bett, blicke den Mond an und frage mich, wie ich weiterleben soll, wenn alles, was mir etwas bedeutet, erstarrt ist.
»Weg mit dem traurigen Stirnrunzeln, Fräulein.« Seth hält meinen Arm, als wir über den Campus-Innenhof gehen. Es ist kalt. Nieselregen fällt aus dunklen Wolken, und die Gehwege sind voller schlammiger Pfützen. Von den Regenrinnen der altertümlichen Gebäude ergießen sich richtige Sturzbäche. Das Gras unter meinen Turnschuhen ist durchgeweicht, aber das scheußliche Wetter passt zu meiner Stimmung. Leute hetzen von einem Kurs zum anderen, und ich möchte ihnen zurufen: Macht langsamer, damit euch die Welt einholen kann!
»Ich versuch’s«, sage ich, doch mein Stirnrunzeln bleibt, wie schon in den zwei Wochen, seit ich Kayden fand. Die Bilder schneiden sich in meinen Geist und mein Herz wie Glasscherben. Ich weiß, dass es teils meine Schuld ist. Wegen mir weiß Kayden von Caleb; ich versuchte nicht mal, es zu leugnen, als er mich fragte. Ein Teil von mir wollte, dass er es herausfindet, und war sogar froh, als Luke mir erzählte, dass er Caleb zusammengeschlagen hatte.
Seth stößt mich mit dem Ellbogen an und hält mich fest, als ich zur Seite stolpere. »Callie, du musst aufhören, dir die ganze Zeit Sorgen zu machen.« Er hilft mir, das Gleichgewicht wiederzufinden. »Ich weiß, dass es hart ist, aber immer traurig zu sein, ist nicht gut. Ich will nicht, dass du wieder zu dem traurigen Mädchen wirst, als das ich dich kennengelernt habe.«
Ich bleibe mitten in einer Pfütze stehen. Das kalte Wasser sickert durch meine Schuhe und Socken. »Seth, dahin gehe ich nicht wieder zurück.« Ich ziehe meinen Arm aus seinem und wickle meine Jacke fester um mich. »Ich kann nur nicht aufhören, an ihn zu denken … wie er aussah. Das Bild steckt in meinem Kopf fest.« Ich habe es immerzu vor Augen. Ich wollte nicht aus Afton weg, aber meine Mom drohte mir, dass ich, sollte ich das Semester nicht schaffen, über Weihnachten nicht zu Hause wohnen dürfte. Und sonst konnte ich nirgends hin. »Ich vermisse ihn so sehr und fühle mich mies, weil ich ihn bei seiner Familie gelassen habe.«
»Es hätte nicht geändert, wärst du geblieben. Sie würden dir trotzdem nicht erlauben, ihn zu sehen.« Seth streicht sich das goldblonde Haar aus dem Gesicht und sieht mich mitfühlend an, während Regentropfen auf seinen Kopf fallen. »Callie, mir ist klar, wie schwer das ist, vor allem weil sie behaupten, dass er es … dass er es selbst war. Aber du darfst jetzt nicht zusammenbrechen.«
»Tue ich nicht.« Das Nieseln wird stärker, und wir sprinten unter die Bäume. »Ich muss die ganze Zeit an ihn denken.« Seufzend wische ich mir Regenwasser von den Wangen. »Außerdem glaube ich nicht, dass er es selbst war.«
Seine Schultern sinken nach vorn, als er die Ärmel seiner schwarzen Jacke herunterzieht. »Callie, so ungern ich das sage … Was ist, wenn er es war? Ich weiß, dass es sein Dad gewesen sein könnte, doch was ist, wenn nicht? Was ist, wenn die Ärzte recht haben? Ich meine, die haben ihn doch nicht grundlos in diese Einrichtung geschickt.«
Ich zwinkere die Tropfen aus meinen Wimpern. »Und wenn schon. Das ändert gar nichts.« Jeder hat seine Geheimnisse, genau wie ich. Es wäre heuchlerisch, würde ich Kayden vorhalten, dass er sich selbst verletzt. »Und sie haben ihn nicht hingeschickt. Das Krankenhaus hat ihn dorthin verlegt, damit er unter Beobachtung ist, solange er sich erholt. Weiter nichts. Er muss da nicht bleiben.«
Seth lächelt mich an, und ich erkenne Mitleid in seinen Augen, als er sich vorbeugt und mich auf die Wange küsst. »Ich weiß, und deshalb bist du du.« Er hält mir seinen Ellbogen hin. »Los jetzt, sonst kommen wir zu spät.«
Widerwillig hake ich mich bei ihm ein, und wir treten hinaus in den Regen, um zu unserem Kurs zu gehen.
»Vielleicht können wir irgendwas Spaßiges machen«, schlägt Seth vor, als er mir die Tür zum Hauptgebäude aufhält. Sobald wir im Warmen sind, gibt er meinen Arm frei und schüttelt seine Jacke aus. »Zum Beispiel ins Kino oder so. Du wolltest doch unbedingt diesen Film sehen …« Er schnippt mehrmals mit den Fingern. »Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, aber vor den Feiertagen hast du dauernd davon geredet.«
Ich zucke mit den Schultern, greife zu meinem Zopf und wringe ihn aus. »Weiß ich nicht mehr, und mir ist nicht nach einem Film.«
Er sieht mich streng an. »Hör auf, dich in deinem Kummer zu vergraben.«
»Ich vergrabe mich gar nicht«, sage ich und halte eine Hand auf meine Brust. »Mir tut bloß immerzu das Herz weh.«
Er seufzt gedehnt. »Callie, ich …«
Kopfschüttelnd halte ich eine Hand in die Höhe. »Seth, ich weiß, dass du mir helfen willst, und das ist wirklich lieb von dir. Aber manchmal gehört Schmerz zum Leben, besonders wenn jemand, den ich li… mag, leidet.«
Bei meinem Versprecher zieht er die Brauen hoch. »Na gut, gehen wir in den Kurs.«
Ich nicke und folge ihm durch den Flur. Obwohl es kalt ist und mir meine Kleidung am Leib klebt, erinnert es mich an eine wunderbare Zeit voller magischer Küsse, und daran muss ich mich festhalten.
Denn im Moment ist es alles, was ich habe.
Die Zeit schleppt sich dahin. Die Kurse nähern sich dem Ende vor den Winterferien. Ich habe so lange auf mein Englischbuch gestarrt, dass alle Wörter gleich aussehen. Ich reibe mir die schmerzenden Augen und tue so, als würde es im Zimmer nicht nach Gras riechen und meine Mitbewohnerin Violet nicht weggetreten im Bett gegenüber von meinem liegen. So ist sie schon seit zehn Stunden, und man könnte fast glauben, dass sie tot ist, würde sie nicht im Schlaf immer wieder unzusammenhängendes Zeug murmeln.
Neben dem Büffeln für die Englischprüfung muss ich noch einen Essay schreiben. Zu Semesterbeginn war ich einem Club für kreatives Schreiben beigetreten, bei dem ich am Semesterende drei Projekte einreichen muss: ein Gedicht, eine Kurzgeschichte und einen Non-Fiction-Text. So gern ich auch schreibe, fällt es mir schwer, etwas zu Papier zu bringen, das andere lesen sollen. Ich fürchte mich davor, was geschieht, wenn ich mich richtig öffne. Und mir kommt der Gedanke bescheuert vor, dass ich etwas über das wahre Leben schreiben soll, während Kayden es in einer Psychiatrie hautnah erlebt. Bisher habe ich nichts geschrieben außer: Wo sind die Blätter hin? von Callie Lawrence. Ich bin unsicher, welche Richtung ich einschlagen will.
Der Regen ist mittlerweile in Schnee übergegangen, der in weichen Flocken vom Himmel segelt, und ein silbriger Eisschimmer liegt über dem Campus-Innenhof. Ich trommle mit den Fingern auf meinem Buch, denke an zu Hause. Dort liegt der Schnee sicher schon einen Meter hoch, und das Auto meiner Mom ist wahrscheinlich in der Einfahrt festgeschneit. Ich stelle mir den Schneepflug vor, wie er durch die Straßen der Stadt zieht, und meinen Dad, der in der Turnhalle Aufwärmübungen macht, weil es zu kalt ist, um draußen zu trainieren. Und Kayden ist noch im Krankenhaus unter Aufsicht, weil sie denken, dass er versucht hat, sich umzubringen. Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Durch den hohen Blutverlust und die vielen Schnittwunden war er lange ohne Bewusstsein. Dann wachte er auf, und keiner durfte ihn besuchen, weil er als »hochgefährdet« galt und »unter Beobachtung« sein musste (die Worte von Kaydens Mutter, nicht meine).
Mein Handy liegt auf meinem Bett neben einem Stapel Arbeitsblätter und verschiedenen Textmarkern. Ich nehme es auf, wähle Kaydens Nummer und warte, dass seine Mailbox anspringt.
»Hi, hier ist Kayden. Ich bin gerade viel zu beschäftigt, um ans Telefon zu gehen, also hinterlasst bitte eine Nachricht. Vielleicht habt ihr Glück, und ich rufe zurück.« Seine Stimme klingt spöttisch, als würde er sich für witzig halten, und ich lächle. Ich vermisse ihn so sehr, dass es mir das Herz bricht.
Wieder und wieder höre ich die Nachricht an, bis ich den unterschwelligen Schmerz in seinem Ton höre, der seine Geheimnisse birgt. Schließlich lege ich auf und lasse mich aufs Bett fallen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und Kayden nie herausfinden lassen, dass es Caleb war, der mich vergewaltigte.
»Gott, wie spät ist es?« Violet setzt sich im Bett auf und blinzelt mit blutunterlaufenen Augen auf ihre Armbanduhr. Sie schüttelt den Kopf und rafft ihr schwarz- und rot-gesträhntes Haar nach hinten, ehe sie erst zum Fenster sieht und dann zu mir. »Wie lange war ich weg?«
Achselzuckend blicke ich zur Decke. »So zehn Stunden, glaube ich.«
Sie wirft die Bettdecke zur Seite und steht auf. »Scheiße, ich habe meinen Chemiekurs verpasst!«
»Du machst Chemie?« Es ist keine Absicht, dass ich so unfreundlich klinge, doch ich bin einfach geschockt, dass sie Chemie studiert. Violet und ich teilen uns dieses Zimmer seit drei Monaten, und bisher weiß ich nur, dass sie gern Party macht und Jungs mag.
Sie wirft mir einen finsteren Blick zu, während sie ihre Lederjacke anzieht. »Was denn? Denkst du etwa, ich kann nicht feiern und klug sein?«
»Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich dachte bloß …«
»Ja, ich weiß, das Gleiche, was alle anderen von mir denken.« Sie nimmt ihre Tasche vom Schreibtisch, schnuppert an ihrem Shirt und zuckt mit den Schultern. »Willst du einen Rat? Vielleicht solltest du Leute nicht nur nach ihrem Äußeren beurteilen.«
»Mache ich nicht.« Ich fühle mich mies. »Tut mir leid, wenn du denkst, ich hätte Vorurteile.«
Sie schnappt sich ihr Handy, wirft es in die Tasche und geht zur Tür. »Hör zu, wenn ein Jesse vorbeikommt, kannst du dann bitte so tun, als hättest du mich den ganzen Tag nicht gesehen?«
»Warum?«, frage ich und setze mich auf.
»Weil er nicht wissen soll, dass ich hier war.« Sie öffnet die Tür und sieht sich zu mir um. »Mann, du bist in letzter Zeit ganz schön schnippisch. Erst habe ich ja gedacht, du bist ein echter Fußabtreter, aber jetzt bist du irgendwie ganz anders.«
»Weiß ich«, sage ich leise und senke den Kopf. »Und es tut mir leid. Die letzten paar Wochen waren nur wirklich hart.«
Sie bleibt stehen und mustert mich. »Bist du …« Verlegen tritt sie von einem Fuß auf den anderen. Offensichtlich fällt es ihr schwer, das zu sagen, was sie sagen will. »Geht es dir gut?«
Ich nicke, und ein komischer Ausdruck erscheint auf ihrem Gesicht, ist aber gleich wieder weg. Schmerz vielleicht. Für einen Moment frage ich mich, ob mit Violet alles okay ist. Aber dann zuckt sie mit der Schulter, geht raus und knallt die Tür hinter sich zu. Ich atme laut aus und lege mich wieder aufs Bett. Der Wunsch, mir den Finger in den Hals zu stecken und die faulige Schwere aus meinem Bauch zu holen, erstickt mich. Verdammt, ich brauche eine Therapie! Ich greife nach meinem Handy, ohne mich aufzurichten, und wähle die Nummer meines Therapeuten, alias Seth, und meines besten Freundes auf der Welt.
»Ich liebe dich wie verrückt, Callie«, meldet sich Seth nach dem dritten Klingeln, »aber ich glaube, ich werde gleich sehr glücklich gemacht, also ist das hoffentlich wichtig.«
Ich rümpfe die Nase, während meine Wangen heiß werden. »Es ist nichts … Ich wollte nur hören, was du so machst. Aber wenn du beschäftigt bist, ist schon gut.«
Er stöhnt. »Entschuldige, das kam echt blöd raus. Wenn du mich wirklich brauchst, rede ich natürlich mit dir. Du weißt doch, dass du bei mir an erster Stelle kommst.«
»Bist du mit Greyson zusammen?«, frage ich.
»Ja, klar«, antwortet er hörbar amüsiert. »Ich bin ja schließlich keine männliche Schlampe.«
Tatsächlich muss ich kichern, und es ist verblüffend, wie viel besser es mir geht, weil ich einfach nur mit ihm rede. »Ehrlich, mir geht es gut. Ich langweile mich bloß und suche nach einem Vorwand, mein Englischbuch in die Ecke zu schmeißen.« Ich schiebe das Buch vom Bett, rolle mich auf den Bauch und stütze mich auf die Ellbogen auf. »Ich lasse dich jetzt mal in Ruhe.«
»Bist du wirklich absolut sicher?«
»Hundertprozentig. Jetzt geh und hab Spaß.«
»Oh, verlass dich drauf, das habe ich vor«, antwortet er, und ich lache, auch wenn mir dabei der Bauch wehtut. Als ich schon auflegen will, sagt er: »Callie, wenn du Gesellschaft möchtest, kannst du Luke anrufen. Ihr zwei macht ja irgendwie gerade dasselbe durch, also, vermisst Kayden und versteht das alles eigentlich nicht so richtig.«
Ich nage an meinen Fingernägeln. Zwar habe ich schon Sachen mit Luke gemacht, aber ich fühle mich nach wie vor unwohl alleine mit Jungs, ausgenommen Seth. Außerdem ist es zwischen Luke und mir seltsam, denn wir haben noch nicht über das gesprochen, was bei Kayden zu Hause passiert ist. Es hängt unausgesprochen zwischen uns in der Luft, wie ein unsichtbarer Geist im Zimmer – groß, traurig und unglücklich. »Ich überleg’s mir.«
»Gut. Und falls ja, frag ihn unbedingt nach Professor McGellons Kurs gestern.«
»Wieso? Was war da?«
Er kichert böse. »Frag ihn einfach.«
»Okay …«, sage ich und bin nicht sicher, ob ich das will. Wenn Seth es witzig findet, ist es sehr gut möglich, dass es mich wahnsinnig verlegen macht. »Viel Spaß mit Greyson.«
»Dir auch, Kleines«, sagt er und legt auf.
Ich scrolle durch meine Kontakte, bis ich Luke gefunden habe. Dann schwebt mein Finger eine Ewigkeit über dem WÄHLEN-Symbol, bis ich kneife und das Handy aufs Bett fallen lasse. Ich stehe auf und ziehe meine Chucks an – die mit den grünen Farbspritzern –, weil sie mich an eine glückliche Zeit in meinem Leben erinnern. Anschließend mache ich den Reißverschluss meiner Jacke zu, stecke mein Telefon ein, nehme Schlüsselkarte und Tagebuch und gehe nach draußen.
Es ist irrsinnig kalt, trotzdem laufe ich ziellos über den leeren Campus, bevor ich mich auf eine der frostüberzogenen Bänke setze. Es schneit, doch der Baum über mir schirmt mich mit seinen Ästen ab. Hier schlage ich das Tagebuch auf, ziehe mir die Jacke bis über die Nase hoch und fange an, meine Gedanken aufzuschreiben. Ich schütte dem leeren Papier mein Herz und meine Seele aus, weil das therapeutisch wirkt.
Ich erinnere mich an meinen sechzehnten Geburtstag, wie ich mich ans Addieren erinnere: Es ist da, eingesperrt in meinem Kopf und jederzeit abrufbereit, auch wenn ich es nicht brauche, auch wenn ich es selten nutze. Es war der Tag, an dem ich Auto fahren lernte. Meine Mom wollte meinen Bruder und mich nie auch nur in die Nähe eines Steuers lassen, ehe wir alt genug zum Fahren waren. Sie sagte, dass sie uns und andere Fahrer vor uns schützen will. Ich erinnere mich, wie absurd ich es fand, dass sie uns schützen wollte; schließlich gab es doch so viele Dinge – riesige, lebensverändernde Dinge –, vor denen sie uns nie geschützt hatte. Zum Beispiel die Tatsache, dass mein Bruder schon mit vierzehn Gras rauchte. Oder dass Caleb mich in meinem Kinderzimmer zu Hause vergewaltigte, als ich zwölf war. Im Grunde wusste ich immer, dass es nicht ihre Schuld war, aber dennoch stellte sich mir die Frage: Warum hatte sie mich nicht beschützt?
Jedenfalls durfte ich mit sechzehn endlich zum ersten Mal auf den Fahrersitz. Ich hatte Angst und so schweißnasse Hände, dass ich kaum das Lenkrad halten konnte. Noch dazu fuhr mein Dad einen hohen Geländewagen, sodass ich gerade eben über das Armaturenbrett sehen konnte.
»Können wir nicht bitte Moms Wagen fahren?«, fragte ich meinen Dad, als ich den Zündschlüssel drehte.
Er schnallte sich an und schüttelte den Kopf. »Es ist besser, zuerst mit diesem großen Schlitten zu lernen. Dann wird das Fahren mit dem kleinen Wagen ein Klacks.«
Ich legte ebenfalls den Sicherheitsgurt an und wischte mir die Hände an meiner Jeans ab. »Ja, aber ich kann kaum übers Steuer sehen.«
Lächelnd klopfte er mir auf die Schulter. »Callie, ich weiß, dass Fahren angsteinflößend ist, so wie das Leben. Aber du schaffst das, sonst würde ich es dir nicht zumuten.«
Beinahe wäre ich zusammengebrochen und hätte ihm erzählt, was an meinem zwölften Geburtstag passiert war und dass ich es nicht schaffte. Dass ich gar nichts schaffte. Aber ich hatte zu große Angst, trat das Gaspedal, und der Truck fuhr vorwärts.
Am Ende hatte ich den Briefkasten der Nachbarn überfahren und meinem Dad bewiesen, dass er unrecht hatte. Die nächsten paar Monate durfte ich nicht fahren, worüber ich froh war. Denn Fahren bedeutete für mich, erwachsen zu werden, und das wollte ich nicht. Ich wollte ein Kind sein. Ich wollte zwölf Jahre alt sein und das spannende Leben, Jungs, Küsse und Verliebtheit noch vor mir haben.
»Scheiße, ist das kalt hier draußen!«
Ich schrecke auf, als ich Lukes Stimme höre, und klappe schnell mein Tagebuch zu. Er steht einige Schritte von mir entfernt, die Hände in den Jeanstaschen und die Kapuze seiner dunkelblauen Jacke fest über den Kopf gezogen.
»Was machst du hier draußen?«, frage ich und schiebe den Stift in die Spiralbindung des Tagebuchs.
Seine Schultern heben und senken sich, bevor er sich zu mir setzt. Er streckt seine Beine lang vor sich aus und überkreuzt die Knöchel. »Seth hat mich angerufen und gesagt, ich soll mal draußen nach dir sehen. Er meinte, dass du vielleicht ein bisschen Aufmunterung brauchst.«
Ich blicke mich auf dem Platz um. »Manchmal frage ich mich, ob er den gesamten Campus mit Kameras verwanzt hat. Er scheint immer alles zu wissen.«
Luke nickt zustimmend. »Stimmt, weiß er tatsächlich.«
Auch ich nicke, und es wird still. Schneeflocken schweben nach unten, und unsere Atemwolken verweben sich vor unseren Gesichtern. Ich frage mich, warum er wirklich hier ist. Hat Seth ihm gesagt, dass jemand auf mich aufpassen muss?
»Willst du irgendwo hin?« Luke zieht die Beine wieder an und setzt sich aufrecht hin. »Ich weiß ja nicht, wie es mit dir ist, aber ich könnte gut mal eine Weile hier weg.«
»Ja.« Ich zögere nicht mal, was mich erstaunt. Heißt das, dass ich meine Probleme mit dem Vertrauen überwinde?
Er lächelt, auch wenn da diese Intensität in seinem Blick ist, die mir schon häufiger auffiel. Früher hat sie mich eingeschüchtert, doch mittlerweile weiß ich, dass sie eben zu ihm gehört. Außerdem glaube ich, dass er dahinter etwas versteckt – Angst vielleicht, Einsamkeit oder den Schmerz des Lebens.
Ich klemme mir mein Tagebuch unter den Arm, und wir stehen auf. Wir laufen über den Campus-Hof ins Ungewisse, aber ich schätze, das ist erst mal okay. Ich werde wissen, wo ich bin, wenn ich hinkomme.
Wann immer ich die Augen schließe, sehe ich nichts als Callie. Callie. Callie. Callie. Ich kann ihr weiches Haar und ihre Haut fast fühlen, schmecke sie, rieche den Duft ihres Shampoos. Sie fehlt mir so verdammt, dass ich deshalb manchmal keine Luft kriege. Könnte ich für immer schlafen, würde ich es, nur um mich an dem einen festzuhalten, das mich glücklich macht. Aber irgendwann muss ich die Augen öffnen und mich der Realität stellen, in die ich mich selbst gebracht habe.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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