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"Das Leben hat viel mehr mit Mathe zu tun als mit irgendwelchen Labereien von Dichtern." Nick weiß eigentlich echt viel – aber nichts so richtig. Okay, Fußball findet er nice, Deutschprofessor wird er in diesem Leben safe nicht mehr und Bierpong-Turniere sind definitiv besser als Lernen – aber all diese Weisheiten helfen ihm denkbar wenig, als seine Mur, wie er seine Mutter seit Kindertagen liebevoll nennt, sich neu verliebt und zu einem anderen Mann zieht. Und als ob das noch nicht genug wäre, sitzt sein älterer Bruder Mike ihm ständig im Nacken, das Abitur steht vor der Tür und er hat sich zum ersten Mal richtig verliebt: in Hannah, die nicht nur auf dem Fußballfeld einige Probleme zu umdribbeln hat. Nicks turbulentes Teenager-Herz jongliert mit Verletzlichkeit, Nachsicht und Vergebung und stößt, ganz nebenbei, auf die mathematische Gleichung des Lebens. Ein Coming-of-Age-Roman der anderen Art, erzählt von einem Teenager, in dem wir uns alle wiedererkennen werden – ganz egal, wie alt wir sind. "Christoph Fromm erzählt eine kleine jugendliche Liebesgeschichte, einen kurzen Lebensabschnitt, das Älterwerden von Nick und seinem Bruder Mike, Abiturmachen, Liebe, Liebe verlieren, neue Liebe vielleicht gewinnen… während lästigerweise auch die Eltern älter werden. Die Sprache, wie immer bei ihm, heimtückisch einfach, alltäglich, modern - aber doch voller Andeutungen, brillanter Beobachtungen, melancholischem Humor und tieferer Erkenntnisse. "Bold as Love"." Dominik Graf "Kurzweilig. Witzig. Und gleichzeitig tiefgründig. So schafft es dieses Buch, dass man sich fast nochmal in die Pubertät zurück wünscht! Fast. Denn gleichzeitig ist das Buch ein kleiner Lobgesang auf die Mur, die eben doch noch die heilendsten Hände und die besten Ratschläge hat. So kann man dieses Buch in jedem Alter und in jeder "Rolle" des Lebens lesen und fühlt sich trotz heftiger Konflikte wohl und verstanden - und vor allem bestens unterhalten!" Johanna Stuttmann
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2024
vonChristoph Fromm
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.de abrufbar.
Originalausgabe
Copyright © 2024 by Primero Verlag GmbH,Herzogstraße 89, 80796 München
www.primeroverlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat und Korrektorat:
Yvonne Ramp, München
Anne Fessler, München
Umschlaggestaltung:
Carl Bartel, München
carl.bartel@me.com
Satz:
Agentur Marina Siegemund, Berlin
Druck und Bindung:
FINIDR s.r.o.
www.finidr.cz
Printed in Czech Republic
ISBN 9783981845488
eISBN 9783981845495
Für Luis, Joschka und ihre Mur
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Es fing schon mit meiner Geburt an. Meine Mur war noch feiern, als ich mich bemerkbar machte. Also ab ins nächste Taxi und auf dem Weg in die Klinik hatte sie bereits das Gefühl, mein Kopf würde unten rausschauen. War aber nicht so. Viel Zeit hab ich ihr aber nicht mehr gelassen.
Kaum lag sie im Kreißsaal, bin ich rausgeflutscht. Von Anfang an war ich ziemlich lang und ziemlich dünn. Weil ich häufig krank war, durfte ich meistens im großen Bett schlafen, zwischen meinem Dad und meiner Mur. Ich hatte beide um mich, das war schön warm. Mein Bruder Mike war deswegen ganz schön eifersüchtig. Immer wenn ich krank wurde, hat er die Tür zu seinem Zimmer so heftig zugeknallt, dass ein bisschen Putz von der Wand gefallen ist. Irgendwann konnte ich meine Krankheiten an den ganzen Rissen in der Wand ablesen. War n ziemliches Mosaik, wie mein Leben. Ich heiße übrigens Nick und bin siebzehn.
Viel mehr gibt’s aus meiner Kindheit nicht zu berichten. Außer dass ich mir mal den Arm gebrochen hab, am Geburtstag meiner Mur. Ich bin von der Schaukel gefallen, aber weil mein Arm nicht so dick war, meinte die Mur, ich solle mich nicht so anstellen, das verginge schon wieder. Wahrscheinlich wollte sie lieber feiern als in die Notaufnahme. Am nächsten Tag war mein Arm dann doch krass geschwollen und der Arzt stellte fest: er ist gebrochen. Da hatte die Mur ein total schlechtes Gewissen und hat mich den ganzen Tag mit Kakao verwöhnt. Sogar einen Maulwurfkuchen hab ich gekriegt, den ich sonst nur am Geburtstag bekomme.
Normalerweise fuhren wir im Urlaub immer nach Kroatien, aber in dem Jahr, über das ich erzählen will, fuhren wir in den Ruhrpott. Da hätte mir schon alles klar sein müssen. Wer fährt schon in den Ruhrpott, wenn er nach Kroatien fahren kann?
Mein älterer Bruder Mike hatte gleich geschnallt, dass der Urlaub ne laue Nummer wird und sich in ein Fußball Trainingslager abgeseilt, aber ich musste mit. Mit den Kleinen kann man’s ja machen. Obwohl ich mittlerweile über 1,90 bin, bin ich für alle immer noch »der Kleine«. Das nervt. Weil’s dauernd pisste, gingen wir erstmal ins Ruhrmuseum, das ging ja noch, mit den ganzen alten Zechen und so – krass wie die früher Kohle geschippt haben – aber dann wollte die Mur auch noch ins Mineralienmuseum, und während sie total begeistert von Stein zu Stein gehechtet ist, haben mein Dad und ich uns zu Tode gelangweilt.
Zum Ausgleich durfte ich dann wenigstens noch ins Westfalenstadion, das war echt cool! Nur leider haben wir keine Karten mehr fürs Spiel gekriegt. Aber mir fiel schon auf, dass die Mur immer schweigsamer wurde und das lag nicht nur daran, dass sie mit Fußball generell nicht so viel anfangen kann wie mein Dad, mein Bruder und ich. Ich werd nie vergessen, wie wir mal bei Bayern waren und Lewandowski hämmerte das 2:1 rein und der Stadionsprecher verkündete: Bayern 2, Gegner … und natürlich johlten alle wie immer »nuuulll«! Nur die Mur hat den Gag nicht gecheckt und ganz empört zu allen gesagt: »Wieso, die anderen haben doch schon ein Tor!«
Mein Bruder und ich wären am liebsten im Stadionrasen versunken. Das Größte war, selbst als sie begriffen hatte, dass das ein Gag sein soll, hat sie allen, die’s nicht hören wollten, noch dauernd gesagt, wie bescheuert sie die ganze Sache findet. Mike und ich haben uns ganz tief in unsere Fan-Schals verkrochen.
Jedenfalls, selbst wenn man berücksichtigt, dass Fußball für sie jetzt nicht gerade der zweite Lebensinhalt ist, war die Mur extrem schweigsam im Ruhrpott, so schweigsam, dass es selbst mir irgendwann aufgefallen ist und ich sie gefragt hab: »Mur, wieso bist du so still?«
Sie sagte wieder nichts, aber sie strich mir übers Haar, wobei sie sich immer ganz schön strecken muss, und sie sah mich so an, mit ihren braunen Augen, die immer ein bisschen traurig sind, selbst wenn sie lacht, aber diesmal waren sie besonders traurig. Da ahnte ich schon, dass irgendwas Größeres auf mich zukommt, aber dass es die volle Kata wird, wusste ich noch nicht.
Als wir wieder zu Hause waren, wurde die Stimmung noch schweigsamer und irgendwann saß mein Dad am Wohnzimmertisch und weinte, was ich noch nie vorher gesehen hatte und die Mur sagte zu meinem Bruder und mir: »Ich muss mit euch reden.«
Da war mir bereits alles so halbklar, während mein Bruder, der gerade sein Mathe-Abi restlos verhauen hatte, immer noch dachte, die Mur wär sauer wegen seinen zwei Punkten. Mein Bruder kann zwar alles besser als ich, Fußball sowieso, und Tischtennis und Billard auch, aber der Rechenkönig bin ich. Die Aufgaben, die er versaut hat, hätte selbst ich gekonnt, zumindest den Anfang. Jedenfalls erfuhren wir jetzt, dass die Mur jemand anderen kennengelernt hatte, und mit dem auch zusammenziehen wollte. Mir war gleich klar, das konnte nur der »Fischtyp« sein. Von dem hatte sie uns immer wieder mal vorgeschwärmt, so ne Mischung aus Naturtyp und Künstler, und auf sowas fährt die Mur voll ab. Mein Dad hatte das Pech, dass er nur Naturtyp war – das Künstlerische geht uns allen ab. Wir sind eben mehr die Sportlertypen, während die Mur dauernd in die Oper läuft und es sogar einmal geschafft hat, mich und meinen Bruder ins Theater zu schleppen. Dostojewski, glaub ich. Als sie hinterher wissen wollte, wie’s uns gefallen hat, hab ich gesagt: »Ich fand’s gut, aber nicht so gut, dass ich’s noch mal machen muss.« Mein Bruder hat sich über den Spruch totgelacht, ich fand’s sehr diplomatisch.
Jedenfalls hat die Mur uns an dem Abend gesagt, dass sie immer für uns da sein wird, auch wenn sie in Zukunft nicht mehr bei uns wohnt. Und wie wichtig es ist, über Gefühle zu reden, weil man sich sonst mit der Zeit auseinanderlebt. Das sei ihr und meinem Dad passiert. Mein Bruder und ich wussten gar nicht, was wir sagen sollten. Wir haben noch nie über Gefühle geredet, außer vielleicht, als uns mal das Ohr weh getan hat, oder der Knöchel vom Fußball. Ich weiß auch gar nicht, ob’s immer so optimal ist, seine Gefühle rauszulassen. Aber davon später.
Die Mur wollte eigentlich noch bei uns bleiben, bis klar war, ob mein Bruder sein Abi bestanden hat, aber mein Dad wollte, dass sie auf der Stelle geht. Da hat sie uns nochmal ganz fest in die Arme genommen und dann war sie weg. Sie hat nichts als eine kleine blaue Reisetasche mitgenommen und ganz viele meiner Gedanken. Denn grade weil ich nichts gesagt hab, hab ich mir umso mehr gedacht. Mir stand das Wasser in den Augen, nachdem die Tür leise ins Schloss gefallen war und ich war meinem Bruder beinahe dankbar, als er mir so fest auf die Schulter gehauen hat wie er das immer macht und gesagt hat: »Lass dich nicht so hängen, wir müssen die Spülmaschine einräumen. Sonst macht’s keiner mehr.«
So ist er, mein großer Bruder: Immer wenn’s ganz eng wird, entwickelt er Superkräfte, und genau deswegen hat er dann doch noch sein Abi geschafft.
Der Haushalt und der ganze Organisationskram haben uns echt rausgerissen in den nächsten Monaten, selbst meinen Dad. Deswegen haben wir zunächst auch keine Putzhilfe geholt, sondern alles selber gemacht. Aber das Loch, das die Mur hinterlassen hat, konnte man nicht wegputzen.
Natürlich haben mein Bruder und ich sie dann mal besucht. Der Fischtyp hat uns eine extragroße Forelle serviert, die er in der Isar gefangen hatte. Er war tierisch stolz darauf, dass er so spät im Herbst noch so einen Riesenfisch an Land gezogen hatte, weil dann angeblich bereits alles leer gefischt ist. Ich hab null Ahnung vom Fischen, aber die Forelle war gut. Ansonsten haben wir erfahren, dass der Fischtyp so komische Serien fürs old-school-Fernsehen schreibt, die dann nie gedreht werden. Deswegen ist er oft niedergeschlagen und die Mur muss ihn trösten. Das kann sie echt gut, selbst wenn sie zunächst mal nicht checkt, was los ist, so wie damals mit meinem Arm. Sie hat richtig tolle Heilhände. Deswegen ist sie auch Krankenschwester und ihre Patienten lieben sie. Wenn mir oder meinem Bruder irgendwas weh tut, und das kommt beim Fußball oft vor, kriegt die Mur das immer wieder hin. Aber manche Sachen checkt sie trotzdem nicht, zum Beispiel, dass sie sich mit dem Fischtyp möglicherweise noch einen Zusatzpatienten eingehandelt hat. Der Typ ist eigentlich ganz nett, wenn er nicht grade an seine nie gedrehten Serien denkt. Wir haben ein paarmal zusammen Tipp-Kick gespielt und er hat sogar einmal gewonnen. Hätt ich ihm gar nicht zugetraut. Naja, mit seiner Angel muss er wohl auch ganz geschickt sein. Er hat mir angeboten, mich mal mitzunehmen, aber ich hab kein Schein, und die ganze Zeit nur rumstehen und zusehen, wie er nach fünf Stunden einen Fisch fängt, ist mir echt zu langweilig.
Außerdem muss ich mich um meinen Dad kümmern, der jetzt ziemlich einsam ist. Deswegen bring ich öfter meine Kumpels mit: Greg, Naldo und Tim. Das sind meine besten Bros, mit denen treff ich mich oft auf der »Katze« zum Kicken. Auf den Bolzplatz an der Katzinger Straße geh ich seit ich fünf Jahre alt bin. Am Anfang durfte ich nur mit meinem Bruder hingehen, weil man über zwei große Straßen muss und die Mur Angst hatte, ich werde überfahren. Ich pass meistens schon auf, aber manchmal auch nicht. Die Mur sagt, ich bin genauso verträumt wie sie. Ihr kann’s schon mal passieren, dass sie mit der U-Bahn eine Station zu weit fährt oder mit dem Fahrrad in die komplett falsche Richtung. Besonders jetzt, wo sie grade frisch verliebt ist.
Mir passieren manchmal auch so Sachen, auch wenn ich gar nicht verliebt bin. Trotzdem nehm ich mal den falschen Bus, obwohl ich an der Haltestelle schon tausendmal den richtigen genommen hab. Das passiert, wenn ich an was Wichtiges denke, zum Beispiel daran, ob mein Dad und die Mur, mein Bruder und ich zusammen Weihnachten feiern. Tun wir natürlich nicht, weil’s meinem Dad viel zu weh tun würde, aber es ist schön, sich auszumalen, wie es wäre, wenn wir alle um einen Baum rumsitzen und die Geschenke auspacken würden, von denen ohnehin schon jeder weiß, dass er sie kriegt. Und wenn ich an sowas denke, nehm ich schon mal den falschen Bus.
Damit’s nicht ganz so trist wird, haben wir in dem Jahr dann bei meinen Großeltern gefeiert. Ihre Tochter, die Schwester von meinem Dad, ist lesbisch, lebt in Schottland und ist echt lässig drauf. Wir mussten uns an Weihnachten alle Papphüte und Knollennasen aufsetzen und englische Lieder singen. Es war eigentlich mehr wie Fasching, aber in Schottland macht man das wohl so, und nach einer Flasche Malt Whisky war’s echt nice.
Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr war wie immer ziemlich ruhig. Mike und ich wollten eigentlich die Mur besuchen, aber sie war mit dem Fischtyp beim Skilanglaufen. Mir war’s ja zu langweilig, aber die Mur meinte, mehr verkrafte das Knie vom Fischtyp nicht mehr und sie würde sich beim Langlauf sowieso viel besser erholen als bei der Abfahrt. Ich weiß, dass ihr die Abfahrt viel mehr Spaß macht, und sie das nur sagt, damit der Fischtyp kein schlechtes Gewissen hat, aber so ist sie halt, meine Mur.
Eigentlich wollte ich jeden Tag mit Greg, Naldo und Tim Fifa zocken, aber die waren auch beim Skifahren, Naldo mit seinem sizilianischen Dad und Tim mit seiner Mom, weil heutzutage sind ja so gut wie alle getrennt. Nur meine Patentante hat sich nicht getrennt, ihr Mann hat schon vor Jahren den Löffel abgegeben. Mein Dad meint immer, sie hat ihn unter die Erde gebracht, und ob das dann so viel besser ist als Trennen weiß ich auch nicht.
Schließlich war’s mir so langweilig, dass ich sogar mit Mike zum Billardspielen bin. Ich find meinen Bruder eigentlich ganz cool, aber ich mach halt nicht so gern was mit ihm, weil er in allem besser ist, was ja noch gehen würde, aber er macht mir dann dauernd Stress, wie ich besser werden muss, und das nervt. Zu allem Überfluss hat er auch noch seinen Kumpel Laurin mitangeschleppt und dessen Mutter. Laurins Mom ist so eine, die mit vierzig noch auf jung macht und es liebt, mit uns Jungs was zu unternehmen, was echt anstrengend ist. Weil sie so ultraverfroren ist, durfte Laurin, als er klein war, immer nur mit Wollmütze mit uns kicken, selbst wenn die Sonne vom Zenit knallte – er war jetzt ohnehin nicht der Profi, aber mit Wollmütze bei Sonne, da kam nicht mehr als ne tiefrote Birne raus.
Billardspielen kann er besser, da muss er auch keine Mütze tragen, und leider ist seine Mom ziemlich perfekt, deshalb kamen mein Bruder und ich echt in die Bredouille. Was Mike nie kapiert, ist, dass ich meine Ruhe brauche, wenn ne Situation knifflig ist und es gar nichts bringt, wenn er mich blöd anmacht. Wenn er aber wie ein Spast mit seinem Billardstock vor mir rumfuchtelt und schreit: »Alter, wenn du den nicht machst, ich bring mich um, ich schwör’s!«, dann bin ich so gestresst, dass ich sogar die schwarze Kugel zuerst reinschieß, obwohl sie eigentlich gar nicht vor dem Loch lag, in das ich schießen wollte. Sowas passiert mir nur, wenn mein Bruder mich anschreit. Laurin und seine Mutter haben auf jeden Fall voll triumphiert.
Danach war ich so gefrustet, dass ich sogar mal was für die Schule gemacht habe, obwohl ich Ferien hatte. Iphigenie! Das Teil ist so langweilig, dass man sogar bei der Kurzzusammenfassung einschläft. Hart unnötig! Und sowas muss man heutzutage noch lesen und ne Hausarbeit drüber schreiben. Voll der Flopp! Orest murkst seine Mutter Klytaimnestra ab, weil sie gemeinsam mit ihrem neuen Lover Orests Vater Agamemnon um die Ecke gebracht hat. Alles wieder Drama über Drama, Mord und Totschlag. Ich würd nichtmal ne Millisekunde auf die Idee kommen, meine Mur zu killen, weil sie meinen Dad verlassen hat. Vielleicht war das in Steinzeiten so, aber was geht mich das heute an? Und dann kriegt man die Mörderei nichtmal richtig mit, weil Iphigenie nur rumlabert ohne Ende.
Zum Glück hat mich bald mein allerbester Bro Greg eingeladen, zum Stadt, Land, Fluss spielen. Mike ging natürlich mit, und mein zweitbester Bro Tim war auch da, weil er sich beim Skifahren den Knöchel gebrochen hatte. Das Beste war, es war gar nicht richtig beim Skifahren, sondern abends, nach dem Feiern. Er hatte seinen Geldbeutel verloren, glaubte er jedenfalls, und ist so ausgerastet, dass er mit dem Fuß voll gegen nen vereisten Schneehaufen getreten hat, und das hat sein Knöchel nicht verkraftet. Ich kenn niemand, der beim Skifahren war und sich auf die Art was gebrochen hat, aber Tim bringt dauernd solche Kamikazeaktionen, dafür ist er berühmt. Das Allerbeste war, im Krankenhaus hat er dann seinen Geldbeutel hinter dem Innenfutter seiner Jacke gefunden. Wenigstens konnten wir alle jetzt nen dummen Spruch auf seinen Gipsknöchel schreiben.
Greg hatte auch noch ein Mädchen aus unserem Fußballverein eingeladen, Hannah. Sie ist wohl neu zugezogen, ein Jahr jünger als Greg und ich und war erst einmal im Training. Mein Bruder flüsterte mir zu, dass sie krank gut auf der linken Seite spielt und ziemlich geniale Flanken schlägt. Er ist der beste Mittelstürmer in unserem Verein und muss es wissen. Ich bin rechter Verteidiger, aber nicht sooo gut, weil ich ziemlich groß bin und manchmal im Zweikampf nicht wendig genug. Mike meint immer, ich müsste Stretching machen, aber allein der Gedanke nervt mich. Als Hannah hörte, dass ich hinten rechts spiele, lächelte sie, sah mich an mit so voll großen braunen Augen und sagte: »Dann werden wir wohl bald mal gegeneinander spielen.«
Wir haben natürlich ne Frauen- und Männermannschaft, aber im Training spielen wir öfter gemischt, und von ner Frau ausgetrickst zu werden ist immer noch ne Spur uncooler als von nem Mann, da können sie über Gleichberechtigung labern so viel sie wollen.
Sie hat’s allerdings gar nicht böse gesagt, sondern eher auf die Tour, »dann lernen wir uns auch beim Fußball kennen«, und ihre Augen waren für mich gleich was Besonderes. Mike würde sagen, sie sind eben braun, aber für mich waren sie viel mehr, obwohl ich noch gar nicht sagen konnte, warum. Ich hatte auch gar nicht so viel Zeit, darüber nachzudenken, denn jetzt ging Stadt, Land, Fluss los. Es ist wie verhext, aber mein Bruder und ich schreiben fast immer das Gleiche auf: D, Land, ich: »Dominikanische Republik«, und er: »Ich pack’s nicht, ich hab das auch!«
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