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Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Soziologie - Allgemeines und Theorierichtungen, Note: 2,0, Technische Universität Dresden (Soziologie), Veranstaltung: S: Gott ist tot - Nietzsche und die Folgen, Sprache: Deutsch, Abstract: „Philologie nämlich ... lehrt gut lesen, das heißt langsam, tief-, rück- und vorsichtig, mit Hintergedanken, mit offen gelassenen Türen, mit zarten Fingern und Augen lesen... Meine geduldigen Freunde, dies Buch wünscht sich nur vollkommne Leser und Philologen: lernt mich gut lesen!“ (Vorrede zur „Morgenröthe“, aus: K. Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen, S. 23) „Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an Zarathustra! Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an allen Gläubigen! Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So tun alle Gläubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben. Nun heiße ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst, wenn ihr mich Alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren.“ (F. Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“, S. 114f.) Durch Nietzsches gesamtes Werk zieht sich dieser eine rote Faden: die Ermahnung zum Mißtrauen, zum kritischen Lesen, zum Selber - denken, die beharrliche Abwehr jeglicher Interpretations- und damit Vereinnahmungsversuche. Nietzsche stellte sich mit erhobenem Zeigefinger vor jedes seiner Bücher und wurde nicht müde, vor sich selbst zu warnen: Glaubt mir nicht! Hat es etwas genützt? Die meisten seiner Leser waren doch „menschlich - Allzumenschlich“ und brachten es zuwege, Nietzsche für so unterschiedliche Bewegungen wie Anarchismus und Konservatismus, Nazismus und Marxismus, Vegetarismus und Freikörperkultur zu vereinnahmen und als Mythos auf ihren Altar zu stellen (S. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen, S. 7). Das Schwergewicht in der Nietzsche - Beurteilung hat sich dabei im Laufe der Jahre immer wieder verlagert - lag es anfangs bei der Anerkennung bzw. Verdammung des (Im)- Moralisten, wurde es im ersten Weltkrieg zur mythisierten Zarathustra - Verehrung der jungen Leser, verzerrte sich zu einer grotesken Nietzsche-Karikatur im Dritten Reich und mündet nach 1945 in der BRD in einer „Anerkennung“ Nietzsches als Vollender der Metaphysik des Abendlandes (K. Löwith, Nietzsche - Zeitgemäßes und Unzeitgemäßes, Vorwort). Unbestritten hat Nietzsches Denken und literarische Produktion einen nicht wegzudenkenden Einfluß auf die gesamteuropäische Literatur und Denkweise ausgeübt und das Gesicht des 20. Jahrhunderts entscheidend mit geprägt. Eher selten ist es dagegen zu verzeichnen, daß sich jemand ohne Wertmaßstäbe und Vorurteile gedanklich mit Nietzsches Werk auseinandergesetzt hätte. [...]
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TU Dresden WS 1998/ 99 Institut für Soziologie
Seminar: Gott ist tot - Nietzsche und die Folgen
Hausarbeit: Die Nietzsche-Rezeption in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Vergleich
Jenny Haroske
Dipl.-Soziologie
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Einleitung
„Philologie nämlich ... lehrtgutlesen, das heißt langsam, tief-, rück- und vorsichtig, mit Hintergedanken, mit offen gelassenen Türen, mit zarten Fingern und Augen lesen... Meine geduldigen Freunde, dies Buch wünscht sich nur vollkommne Leser und Philologen:lerntmich gut lesen!“ (Vorrede zur „Morgenröthe“, aus: K. Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen, S. 23) „Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an Zarathustra! Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an allen Gläubigen! Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So tun alle Gläubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben. Nun heiße ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst, wenn ihr mich Alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren.“ (F. Nietzsche, „Also sprach Zarathustra“, S. 114f.)
Durch Nietzsches gesamtes Werk zieht sich dieser eine rote Faden: die Ermahnung zum Mißtrauen, zum kritischen Lesen, zum Selber - denken, die beharrliche Abwehr jeglicher Interpretations- und damit Vereinnahmungsversuche. Nietzsche stellte sich mit erhobenem Zeigefinger vor jedes seiner Bücher und wurde nicht müde, vor sich selbst zu warnen: Glaubt mir nicht! Hat es etwas genützt? Die meisten seiner Leser waren doch „menschlich - Allzumenschlich“ und brachten es zuwege, Nietzsche für so unterschiedliche Bewegungen wie Anarchismus und Konservatismus, Nazismus und Marxismus, Vegetarismus und Freikörperkultur zu vereinnahmen und als Mythos auf ihren Altar zu stellen (S. Aschheim, Nietzsche und die Deutschen, S. 7). Das Schwergewicht in der Nietzsche - Beurteilung hat sich dabei im Laufe der Jahre immer wieder verlagert - lag es anfangs bei der Anerkennung bzw. Verdammung des (Im)- Moralisten, wurde es im ersten Weltkrieg zur mythisierten Zarathustra -Verehrung der jungen Leser, verzerrte sich zu einer grotesken Nietzsche-Karikatur im Dritten Reich und mündet nach 1945 in der BRD in einer „Anerkennung“ Nietzsches als Vollender der Metaphysik des Abendlandes (K. Löwith, Nietzsche - Zeitgemäßes und Unzeitgemäßes, Vorwort).
Unbestritten hat Nietzsches Denken und literarische Produktion einen nicht wegzudenkenden Einfluß auf die gesamteuropäische Literatur und Denkweise ausgeübt und das Gesicht des 20. Jahrhunderts entscheidend mit geprägt. Eher selten ist es dagegen zu verzeichnen, daß sich jemand ohne Wertmaßstäbe und Vorurteile gedanklich mit Nietzsches Werk auseinandergesetzt hätte.
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Umsonst hat Nietzsche versucht, zu einer für seinen Stil ,richtigen’ Lesart anzuleiten - seine Schreibweise ist für den ,gewöhnlichen’ Leser zu persönlich, zu grell, zu abstrakt. Man sieht sich unweigerlich gefesselt oder abgestoßen, was einer nüchternen Überlegung meist sehr hinderlich ist. Warum aber überhaupt ein solches Interesse an diesem Mann? Geht es um seine Philosophie, seine politischen Ambitionen, seine Literatur? Was hat er getan, daß er aus jeder Schublade wieder herausgeholt wird, nur um in eine andere gesteckt zu werden?
Diese Arbeit macht sich zur Aufgabe, zu zeigen, daß auf diese Fragen sehr unterschiedliche Antworten gegeben werden. Als exemplarische Fallbeispiele für die Nietzsche - Rezeption nach dem zweiten Weltkrieg stellen wir drei Autoren vor, die sich dem großen Philosophen auf sehr unterschiedliche Art nähern. Im Zentrum steht bei unserer Betrachtung die Frage nach der Verantwortung. Können wir es Nietzsche anlasten, daß seine Prophezeiungen so buchstäblich in Erfüllung gingen; daß ein ganzes Volk daran ging, seine Vorstellungen in die Tat umzusetzen?
Jeder der drei Standpunkte soll für sich stehen und nicht (oder fast nicht) gewertet werden und es soll zumindest versuchsweise gezeigt werden, wie jeder dieser Standpunkte entstehen konnte. Ist es nicht am Ende so, daß Nietzsche nicht objektiv zu begreifen ist? Man bemüht sich nach Kräften, aber letztendlich steckt in jedem Nietzsche - Verständnis ein Stück von einem selbst, oder: in jedem von uns steckt ein Stück Nietzsche.
Wichtig bleibt nur, diesem Stück allein nicht die Schuld für unser Tun zu geben, auch nicht es zu verleugnen, sondern zu akzeptieren; in der Hoffnung, Nietzsche nach fast 100 Jahren gerecht zu werden.