Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die böse Fee Nüssli hat die Prinzessin von San Lorenzo mit einem Zauber belegt, der sie daran hindert, den Weg ihres Glücks zu finden. Doch die gute Fee Lamina und der Zwerg Jorge zeigen ihr neue Aufgaben und Möglichkeiten, das Leben zu verändern. Nur mit der Brille der Erkenntnis kann es der Prinzessin gelingen, die Geheimnisse des Drachen Polka zu entschlüsseln. Gibt es einen verborgenen Schatz? Die böse Fee Nüssli kennt alle Zaubertricks und bringt viel Verwirrung in das ernste Spiel.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 210
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dieses Märchen
(das Sommermärchen 24)
ist für Dich, liebe Rike,
geschrieben
und Dir gewidmet
Deine Vevi
Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher circa 98 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Die böse Fee Nüssli hat die Prinzessin von San Lorenzo mit einem Zauber belegt, der sie daran hindert, den Weg ihres Glücks zu finden. Doch die gute Fee Lamina und der Zwerg Jorge zeigen ihr neue Aufgaben und Möglichkeiten, das Leben zu verändern. Nur mit der Brille der Erkenntnis kann es der Prinzessin gelingen, die Geheimnisse des Drachen Polka zu entschlüsseln. Gibt es einen verborgenen Schatz? Die böse Fee Nüssli kennt alle Zaubertricks und bringt viel Verwirrung in das ernste Spiel.
1. Kapitel: Was bisher geschah
2. Kapitel Die Prinzessin von San Lorenzo hat Pläne
3. Kapitel Die böse Fee Nüssli und ihre Pläne
4. Kapitel: Das Anliegen der Botschafterin
5. Kapitel: Geheime Vorbereitungen
6. Kapitel: Der Ausflug zur Höhle des
7. Kapitel: Das geheime Treffen der
8. Kapitel: Prinzessin Federica als Jana in Venedig
9. Kapitel: Der Besuch beim Conte
10. Kapitel: Große Sorge im Schloss von San Lorenzo
11. Kapitel: Federica in Venedig
12. Kapitel: Barbarella hat Erklärungen
13. Kapitel: Nüsslis weitere Pläne
14. Kapitel: Monaco
15. Kapitel: Auf der Promenade
16. Kapitel: Der Tanz am Abend
17. Kapitel: Der Test
18. Kapitel: Nüsslis Helfer in Monaco
19. Kapitel: Lamina und Jorge suchen die Drachenhöhle auf
20. Kapitel: Monaco - Im Hotelzimmer von Claire
21. Kapitel: Im Schloss von San Lorenzo
22. Kapitel: Und noch ein Pflaster
23. Kapitel: Die Brille der Erkenntnis
24. Kapitel: In der Dorfwirtschaft
25. Kapitel: Venedig, Treffpunkt der guten und der bösen Geister
26. Kapitel: Die historische Frau
27. Kapitel: Nüssli und Mettlach in Venedig
28. Kapitel: Lamina und Jorge in Venedig
29. Kapitel: Versteckter Machtkampf zwischen Lamina und Nüssli
30. Kapitel: Letzter Tag in Venedig
31. Kapitel: An der Drachenhöhle
32. Kapitel: Neuigkeiten
33. Kapitel: Vorbereitungen für das große Ereignis
34. Kapitel: Nüssli und Mettlach
35. Kapitel: Die Wanderung zur „Brille der Erkenntnis“
36. Kapitel: „Die Brille der Erkenntnis“ und eine böse Überraschung
36. Kapitel: Bald ist es so weit, die Entscheidung naht
37. Kapitel: Der Maskenball
38. Kapitel: Besondere Stunden
39. Kapitel: Die Serenissima
Es war einmal … in Italien. Was bisher geschah: Ganz in der Nähe des kleinen Ortes San Lorenzo in Banale, den man unweit der Brenta-Dolomiten findet, wurde in jener besonderen Nacht eine Prinzessin geboren.
Es war die Nacht des 10. August, in der man am Gardasee, die „Notte di San Lorenzo“ feierte, die Nacht der Sternschnuppen.
Jedes Jahr kann man um diese Zeit den Schwarm der Sternschnuppen beobachten, die mit dem Namen Perseiden an der Erde vorbeiziehen. In Italien werden sie auch die „Tränen des Heiligen Lorenzo“ genannt, der über die bösen Menschen sehr traurig gewesen sein soll.
Weil allgemein bekannt ist, dass Sternschnuppen Glück bringen, nannte man die kleine Prinzessin Federica Felicità. Federica ist ein italienischer Vorname und bedeutet Frieden oder „die Friedenbringende“ und „Felicità“ ist, wie die meisten Menschen wissen, das Glück. Die Einwohner des winzigen Königreichs von San Lorenzo erhofften sich von der erwachsenen Prinzessin, sie möge beides in ihrem Land und in der Welt verbreiten: Frieden und Glück.
Doch in den Jahren nach Federicas Geburt veränderten sich die Zustände in dem kleinen Land. Vom Gletscher der Marmolata stieg die böse Fee Nüssli herab und mischte sich, zuweilen als ältere Frau verkleidet, unter die Einwohner von San Lorenzo.
Weil sie selbst gern einmal Königin dieses kleinen Königreichs werden wollte, verbreitete sie die Nachricht, dass Federica eine große, böse Zauberin sei, die mit der Vollendung ihres 18. Lebensjahres große Schrecken, Katastrophen und Epidemien über dem Land verbreiten werde. Doch damit dieses Gerücht nicht zu Federica gelangen sollte, behauptete sie, dass jeder sofort tot umfalle, der davon etwas am Königshof verlauten lasse.
So geschah es dann, dass sich die Bürger von San Lorenzo vor dem 18. Geburtstag der Prinzessin fürchteten und zu planen begannen, was zu tun sei, um das Königreich zu retten.
Federica dagegen wusste von alldem nichts und bereitete sich mit Sorgfalt für die Krönungsfeier vor, die am 10. August um Mitternacht stattfinden sollte.
Gemeinsam mit ihrer Freundin, der Fee Lanima und ihrem Freund, dem Zwerg Jorge freute sie sich auf den schönsten Tag ihres Lebens, für den sie für alle Bewohner des Landes ein großes Fest plante.
Richten wir jetzt unsere Augen auf den kleinen Fleck nahe den Brenta-Dolomiten, auf das kleine Schloss, unweit des Ortes San Lorenzo di Banale, in dem die Bewohner eifrig bemüht sind, die ersten Vorbereitungen für das große Ereignis zu treffen.
Heute ist der 10. Juni, und Prinzessin Federica betrachtet die vielen kleinen Rosenstöcke, die sie in ihrem Garten gezogen hat.
Ihr langes, blondes Haar fällt über eine Pflanze, als sie sich zu einer rosafarbigen Blüte beugt und den Duft tief einatmet. „Meinst du, das ist eine gute Idee, jedem eine Rosenpflanze zu schenken? Hätte ich nicht doch lieber einen Blumencorso veranstalten sollen, Lamina?“
Die junge zarte Frau mit dem hellen Teint schüttelt den Kopf, ihr kupferrotes Haar bewegt sich. „Nein, das war schon ein guter Gedanke, alle Blumen leben zu lassen und sie nicht für einen Corso-Wagen zu opfern.“
„Vielleicht hätte ich Papierblumen nehmen sollen“, überlegt die Prinzessin.
„Die duften aber lange nicht so schön“, argumentiert die Freundin. „Und vielleicht hast du ja Glück. Möglicherweise kommen deine Eltern schon früher aus dem Exil zurück. Dann werden sie begeistert sein und hinter dir stehen.“
Federica seufzt. „Ich wünschte, du könntest alles zaubern, was du willst. Dann könntest du dafür sorgen, dass meine Eltern schnell wieder zurückdürfen.“
Lamina hebt einen Blumentopf hoch. „Schau nur! Diese Rose hat auch nur eine Farbe, wenn sie auch ein bisschen variiert. Und bei euch Menschen hat doch auch nicht jeder alle Talente mitbekommen. Der eine kann dies, der andere jenes. So ist das eben auch bei uns Feen. Da darf man nicht zu viel verlangen.“
Die Prinzessin lächelt. „Also gut. Dann wollen wir diese Pflanzen noch ein bisschen pflegen. Es sind ja noch einige Tage bis zu dem großen Fest. Trotzdem bin ich schon ganz aufgeregt. Ich fürchte immer, dass ich mit den Vorbereitungen nicht rechtzeitig fertig werde.“
Die Wangen der Fee färben sich rosig, sie schmunzelt. „Es gibt zwei Dinge, die ich besonders gut kann: den Pistazien-Rosenblütenkuchen mit Marzipan und Nougatfüllung und die Herstellung von Tierkostümen für den Maskenball, der am Vorabend stattfindet.“
Federica leckt sich mit der Zunge über die Lippen. „Mhm! Dein Kuchen ist ein Gedicht. Bis jetzt hast du mir immer noch nicht das Rezept verraten. Wie machst du das nur? Bist du solch ein Leckermäulchen oder steckt deine Zauberei dahinter?“
„Ein bisschen schon“, verrät Lamina, „und an deinem Geburtstag verrate ich dir vielleicht mehr darüber. Meinst du, wir müssen die Rosen heute noch gießen?“
„Es soll später noch Regen geben. Wir können noch ein Weilchen damit warten. Aber jetzt muss ich noch mein Kleid für den Festtag anprobieren. Auch wenn ich keinen Blumencorso veranstalte und nur jedem ein Rosenstöckchen schenke, muss ich doch in meiner Kutsche passabel aussehen, wenn ich mich meinen Leuten präsentiere. Kannst du mir ein bisschen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn ich gleich bei der Schneiderin das himmelblaue Gewand anprobiere?“
„Mein Geschmack ist exquisit“, lobt sich die Fee scherzhaft. „Und ich weiß genau, was dir steht, und was dich ins rechte Licht bringt.“
In der alten Scheune ist es dunkel, durch die schmalen Ritzen dringen nur kleine Schimmer der späten Nachmittagssonne.
„Spätestens beim Maskenball muss alles über die Bühne gehen“, flüstert Nüssli dem jungen Mann zu. „Ich habe Federicas Entführung schon ganz genau geplant, und wir müssen die Durchführung noch einmal genau durchsprechen.“
Mettlach streicht sich den Bart. „Aber du hast doch einen Plan A und einen Plan B, warum muss es dann noch einen Plan C geben?“
Die Stimme der verschleierten Frau hebt sich. „Idiot! Ich will nichts dem Zufall überlassen, und der könnte uns bei Plan A und B einen Strich durch die Rechnung machen.“
Er brummt etwas vor sich hin. „Und wie soll ich die Prinzessin aus dem Saal locken? Jeder Mensch weiß doch, dass sie in der Öffentlichkeit immer in Begleitung ihrer Zofe Lamina ist und dass ihr der kleine Zwerg Jorge bei solchen Gelegenheiten immer zur Seite steht.“
Sie wird ungeduldig. „Das habe ich dir doch alles schon einmal gesagt. Wenn du das schon wieder vergessen hast, bist du nicht der richtige Mann für diese Ausführung.“
Er stöhnt leicht. „Jaja, ich weiß doch Bescheid. Ich soll mich als Botschafter ausgeben, der ja die neuesten Nachrichten über das Schicksal ihrer Eltern weiß. Und um Gefahren zu vermeiden, muss ich sie an einen ruhigen Ort locken, an dem die Wände keine Ohren haben.“
„Genauso ist es geplant. Und ich hoffe, dass du dich gut an alle Anweisungen hältst. Schließlich wirst du auch gut bezahlt.“
Im Dunkeln kann sie seinen misstrauischen Blick nicht erkennen. „Wovon eigentlich? Woher willst du das Gold nehmen, dass du mir versprochen hast?“
„Du stellst dich heute aber wirklich sehr dumm an“, findet Nüssli. „Wenn ich Federica entführt habe, lasse ich von ihr bei dem Drachen Polka den großen Goldschatz abholen, den er ihr zum achtzehnten Geburtstag überreichen muss. Das ist genug, da bleibt mir immer noch genug übrig, wenn ich alle meine Helfer bezahlt habe. Es ist das ganze Gold, dass man früher hier in den Dolomiten gefunden und versteckt hat.
„Und was machst du dann mit der Prinzessin? Bringst du die in deine Hütte am Gletscher?“
„Natürlich nicht. Da oben ist es viel zu kalt. Aber ich werde es dir nicht auf die Nase binden. Du könntest dich ja irgendwann einmal verplappern.“
„Ich doch nicht!“ protestiert Mettlach. „Ich bin der verschwiegenste Bürger von San Lorenzo. Du kannst mir also ruhig verraten, wohin du Federica bringen willst!“
„Das hat noch Zeit“, redet sich Nüssli heraus. „Wenn ich hier erst mal die Königin bin und alle mit mir zufrieden sind, dann mag sie ja wieder zurückkommen, sofern sie mich respektiert.“
„Wer weiß?! Vielleicht ist sie ja sogar froh, wenn du ihr die Arbeit des Regierens abnimmst“, überlegt Mettlach.
„Sei nicht so naiv!“ zischt sie wütend. „Jeder Mensch will mächtig sein. Aber wenn mein Plan A gelingt, dann wird sie gar keine Lust haben, wieder nach San Lorenzo zurückzukehren, dann lebt sie nämlich an einem entfernten Ort als Jana Bianco und wird mit ihrem Leben sehr zufrieden sein.“
„Aber zuerst musst du an den Schatz kommen“, erinnert Mettlach seine Komplizin, „und das wird nicht einfach sein.“
„Meine Pläne sind quasi perfekt. Und jetzt geh wieder an deine Arbeit! Deine Pause ist längst wieder vorbei. Hast du jetzt alles verstanden?“
„Es ist mir alles so klar wie das Eis in deinem Gletscher“, behauptet er und wendet sich zum Gehen. Stichtag Maskenball!“
Federica sitzt an ihrem Schreibtisch und antwortet auf das Klopfen an ihrer Tür. „Kommen Sie bitte herein!“
Eine gutaussehende Frau mittleren Alters in gepflegter Kleidung betritt das Büro und bleibt ehrfürchtig vor der Prinzessin stehen. Sie knickst graziös und lächelt zaghaft. „Ich bin die Abgesandte Eures Vaters, Hoheit, Melissa Pappenstiel. Ich bringe hier die angekündigten Papiere. Sicher hat man Euch schon übermittelt, was Euer gnädiger Herr Vater gebietet.“
Federica nickt. „Natürlich. Ich bin darüber schon durch einige persönliche Briefe informiert worden. Mein Vater benötigt das Geld des Schatzes, um sich freizukaufen. Selbstverständlich tue ich alles, was ihm helfen kann, und ich hoffe nur, dass Polka so einsichtig ist und mir das Gold schon vor meinem Geburtstag aushändigt. Haben Sie den Siegelring meines Vaters auch schon mitgebracht? Den muss ich natürlich begutachten, damit ich weiß, ob alles seine Richtigkeit hat, und auch Polka sollte ihn sehen und überprüfen, sonst wird er nicht bereit sein, etwas von dem Schatz herauszugeben.“
„Heute habe ich lediglich alle schriftlichen Unterlagen mitgebracht. Aber den Ring zeige ich Eurer Hoheit selbstverständlich morgen, wenn wir gemeinsam Polka aufsuchen. Hat sich Eure Hoheit auch an die Anweisung Eures Vaters gehalten, niemandem etwas davon zu verraten?“
Die Prinzessin nickt. „Aber natürlich. Ich möchte doch das Leben meiner Eltern nicht gefährden. Und in der Hoffnung, sie bald wiederzusehen, bin ich bereit, alles Erdenkliche dafür zu tun. Selbst meine engen Vertrauten und Freunde Lamina und Jorge wissen nichts. Kein Sterbenswörtchen kam über meine Lippen.“
„Ich erlaube mir zu sagen, dass Eure Hoheit richtig gehandelt hat. Ich habe meine Eltern auch schon früh verloren, leider auch wegen politischer Unruhen in einem fernen Erdteil. Da kann ich durchaus mitfühlen.“
Federica lächelt dankbar. „Ich habe mir große Sorgen um meine Eltern gemacht, bisher hatte ich geglaubt, dass es ihnen im Exil gut geht. Und so, wie es derzeit aussah, gab es ja Hoffnungen, dass sie schon in den nächsten Monaten zurückkommen können.“
„In der Politik weltweit gibt es leider oft überraschende Wendungen“, erläutert Frau Pappenstiel. „Hier ein Aufstand, und dort ein Putsch, und schon wird das Unterste nach oben gekehrt. Wie wird es Hoheit denn zuwege bringen, morgen in aller Herrgottsfrühe das Schloss zu verlassen?“
„Es gibt einen verborgenen Ausgang, den nur meine Eltern und ich kennen. Da werde ich dann rechtzeitig hinausschlüpfen. Meinen Freunden lege ich natürlich einen Brief mit einer erklärenden Nachricht auf den Tisch. Schließlich sollen sie sich keine Sorgen um mich machen.“
Melissa Pappenstiel zeigt ein strahlendes Lächeln. „Das ist eine gute Idee, und Eure Hoheit ist ja auch bald wieder zurück und kann alles erklären. Wollt ihr Euch jetzt einmal die Papiere anschauen und nachsehen, ob alles seine Richtigkeit hat? Vielleicht die Unterschrift auch noch einmal nachprüfen?“
„Das kann ich auch später noch tun. Ich habe ein besonderes Gerät dafür, dass die Echtheit von Unterschriften überprüft. Aber ich habe auch eine gute Menschenkenntnis und kann nur sagen, ich vertraue Ihnen.“
Frau Pappenstiel knickst. „Das ehrt mich sehr, eure Hoheit! Dann werde ich euch jetzt wieder allein lassen, wenn es erlaubt ist. Sicher habt ihr noch einiges vorzubereiten, und es ist schon spät.“
Federica steht auf. „Ich danke Ihnen sehr und werde morgen früh pünktlich sein. Wenn alles vorüber ist, werde ich Sie fürstlich belohnen.“
„Besten Dank, Hoheit! Das ist doch nicht nötig.“ Melissa knickst noch einmal und entfernt sich, langsam und vorsichtig rückwärtsgehend.
„Du hast aber heute viel gearbeitet“, staunt Lamina, als ihr die Prinzessin mehrere große Ordner mit Papieren übergibt.
Federica nickt. „Ich habe alle neuen Gesetze noch einmal überarbeitet, und bin jetzt ganz sicher, dass sich im sozialen Bereich für mein Volk allerhand ändert. Es gibt weniger Steuern, weil ich einige Ersparnis-Möglichkeiten entdecken konnte, mehr Geld für verschiedene soziale Einrichtungen, Kindergärten, Seniorenheime, Schulen und die Förderung anderer wichtiger Projekte. Ich bin sicher, dass meine neue Politik allen gefällt.“
„Aber du siehst etwas müde aus. Warum hast du das alles heute Abend noch fertiggestellt. Du hast doch noch zwei Monate Zeit. Eigentlich kannst du auch mit den Verbesserungen anfangen, nachdem du gekrönt worden bist.“ wendet Lamina ein.
„Ich wollte eben alles Schriftliche möglichst bald fertig haben. Dann kann ich mich jetzt mehr auf das große Fest vorbereiten. Es soll ja doch ein ganz besonderer Tag werden, den auch meine Mitbürger in guter Erinnerung behalten sollen.“
Lamina sortiert die Akten. „Sie werden froh sein, wenn du hier das Zepter übernimmst. Der Minister Eustasch hat deine Eltern zwar gut vertreten, aber er hat sich nicht gewagt, etwas zu verändern. Man muss mit der Zeit mitgehen, ab und zu sind schon einmal Reformen notwendig.“
„Ich glaube, der Minister hat es gut gemeint“, überlegt die Prinzessin. „Er wollte sich nicht vordrängen, sondern abwarten, was ich alles neu in die Wege leite. Und sicherlich ist er auch ein großer Verehrer meiner Eltern und wollte mit seiner Handlungsweise ihnen gegenüber nicht kritisch wirken.“
„Ein frischer Wind hätte nicht geschadet“, hält Lamina an ihrer Meinung fest. „Immerhin sind deine Eltern nun schon seit zehn Jahren im Exil. Das ist eine lange Zeit.“
Federica lächelt. „Jetzt hat das Warten ein Ende. Bald werde ich die notwendigen Veränderungen übernehmen, und vielleicht kommen dann auch bald meine Eltern zurück. Wer weiß, welche Überraschungen wir noch mit ihnen erleben.“
Die Freundin gibt nach. „Ja, jetzt wird die Zeit schnell vergehen. Ich bin schon sehr gespannt, ob sich das Volk auch eine Überraschung für dich ausgedacht hat.“
„Das ist nicht so wichtig. Ich möchte viel lieber, dass sie mir vertrauen. Ich wünsche mir, dass sie mir glauben, wie gern ich mein Amt übernehme. Denn wir haben ja hier bis jetzt noch keine sogenannte Demokratie. Da sind meine Bürger nicht so gut informiert, über alles das, was ich vorhabe.“
„Möglicherweise waren früher einige der jungen Königinnen auch noch nicht ganz so gut vorbereitet wie du. Die waren häufig zu jung und von ihren Beratern abhängig. Aber du hast dich schon lange mit Politik beschäftigt und Einiges studiert, um auf deine Regierungsgeschäfte gut vorbereitet zu sein.“
„Und ich bin auch bereit, immer dazuzulernen“, fügt Federica fröhlich hinzu.
„Dann musst du für heute auch Schluss machen, und jetzt sollten wir uns noch einen schönen Spaziergang und einen Imbiss gönnen, damit du nach all der getanen Arbeit auch noch etwas entspannen kannst. Schließlich musst du auch gesund und fit bleiben für dein neues Amt.“
Die Prinzessin lächelt. „Du bist doch die Beste. Ohne dich hätte ich das alles nicht so gut geschafft. Und ich werde dich auch in Zukunft nicht nur als meine Freundin und Vertraute, sondern auch als meine Ratgeberin brauchen.“
Arm in Arm verlassen die beiden Frauen den Raum.
Auf den Almwiesen liegt noch ein breites Nebelband, als die Prinzessin und Frau Pappenstiel den Weg zur Heu-Alm hinaufsteigen.
Erst kurz vor dem Abzweig zur Edelsteinhöhle zeigen sich die Wiesen und Felder in ihrer sommerlichen Pracht. Zwischen dem sonnigen Gelb der Butterblumen leuchtet der Mohn in freundlichem Rot. Löwenzahn spendet seine goldgelben und das Wiesenschaumkraut seine weißen Sterne, um das Grün zu beleben. Dazwischen setzen die Kornblumen ihre dunkelblauen Kontrapunkte, um sich hervorzuheben.
Beim steilen Aufstieg haben die Frauen nur das Nötigste gesprochen, jetzt unterbricht Federica die Stille. „Ich habe Polka noch nie zu Gesicht bekommen“, gesteht sie ihrer Begleiterin, dabei soll er doch schon seit Ewigkeiten in seiner Höhle wohnen. Mein Urgroßvater hat ihn als Bewacher des Schatzes eingesetzt.“
Die Begleiterin sieht die Prinzessin misstrauisch an. „Ihr habt ihn noch nicht gesehen? Aber euer Vater war doch mit euch in seinen Hallen, als er zu seinem Dienstjubiläum die wertvollen Orden abholte.“
„Damals war ich noch zu klein, und ich musste in der Rosenquarzhöhle warten. Ein Vetter von Jorge, der Zwerg Donatus zeigte mir inzwischen die Naturschätze der Umgebung. Es leuchtete und glitzerte nur so um mich herum, und ich war wie geblendet. Ich bin schon sehr neugierig und freue mich darauf, Polka kennenzulernen.“
Ein kleines Männchen, das sich hinter einem Stein verborgen hielt, hüpft mitten auf den Weg. Seine rundliche Nase leuchtet rot.
„Das wird dir auch heute nicht gelingen, meine Liebe“, sagt der Zwerg in freundlichem Ton. „Polka ist heute bei den unterirdischen Seen tief im Gebirge. Aber ich stehe dir gern zu Diensten.“
Federica runzelt die Stirn. „Ich komme mit einem wichtigen Anliegen, Donatus. Ich weiß nicht, ob du mir helfen kannst.“
„Ich habe alle Vollmachten“, behauptet der Winzling. „Wir werden schon miteinander klarkommen.“ Freundlich wendet er sich an Frau Pappenstiel. „Das ist nett, dass Sie die Prinzessin begleiten. Der Weg bis hier oben hin ist nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Für mich sind sogar die Wanderfalken gefährlich.“
„Melissa hat mich gut beschützt“, lobt die zukünftige Königin ihre Begleiterin. „Sie hat sich meinem Schritt immer angepasst, denn ich bin lange nicht mehr in die Berge hinaufgestiegen, und war gar nicht mehr so fit, lieber Donatus.“
„Aber du hast es geschafft“, stellt er fest. „Und jetzt berichte mir einmal, warum du den weiten Weg gemacht hast? Sicher wolltest du nicht mit Polka einen Cappuccino trinken. Mir ist sowieso ein guter Wein lieber. Kennst du den San Lorenzo aus den Abruzzen? Das ist ein vorzüglicher Tropfen.“
„Natürlich kenne ich ihn. Ich habe davon schon zwei Kisten bestellt, um die Ankunft meiner Eltern zu feiern.“
Der Zwerg ist überrascht. „Du erwartest deine Eltern? Was für eine Freude! Ich hoffe, du hast die allerbeste Sorte bestellt. Und ich werde dir noch einen ganz besonderen Met mitgeben, der ist schon einige Jahrzehnte alt.“
Federica lächelt. „Da werden sich meine Eltern sehr freuen. Ja, wenn alles gut geht, werden sie wohl bald hier sein, und deswegen bin ich auch hierhin gekommen.“
Donatus greift sich in den langen weißen Bart. „Was kann ich denn für dich tun?“
„Meine Eltern brauchen ganz schnell eine Menge Geld. Deswegen wollte ich Polka bitten, mir den Schatz, den ich zu meinem Geburtstag bekommen soll, heute schon auszuhändigen. Meine Begleiterin, die freundliche Frau Pappenstiel, wird alles an meine Eltern weiterleiten. Und sie hat mir auch schon den Siegelring meines Vaters gezeigt, der mir bewiesen hat, dass alles seine Richtigkeit hat.“
„Was hat es denn mit dem Siegelring zu tun?“ erkundigt sich der Zwerg. Auf seiner Stirn bilden sich ein paar Falten.
„Als mein Vater damals in Eile fortging, haben wir uns ein Zeichen ausgemacht. Wenn mir jemand seinen Siegelring bringt, soll das immer heißen, dass diese Nachricht wirklich von ihm kommt. Ich habe mir dieses Schmuckstück auch schon angesehen. Alles ist echt, das Gold, die Gravur, auch die Größe stimmt. Natürlich wollte ich Polka bitten, auch noch einmal zu prüfen, ob alles seine Richtigkeit hat. Aber wenn du all seine Vollmachten hast, könntest du natürlich auch einen Blick darauf werfen.“
„Du hast bessere Augen als ich“, verrät er ihr. „Aber ich will sehen, was ich für dich tun kann.“
„Wirst du mir denn den Schatz mitgeben können?“ fragt sie nach.
„Wie schnell brauchst du das Geld denn“, erkundigt er sich.
„Sofort, lieber Donatus. Ich werde es Frau Pappenstiel sofort mitgeben, damit sie es zu meinem Vater bringt.“
„Das ist nicht möglich. Er ist in drei Teile geteilt, ein Teil ist hier in der Bernsteinhöhle, die übrigen sind tief unten im Berg und werden erst am Tag deines Geburtstags hier heraufgeschafft.“
Federica seufzt. „Was mache ich denn dann nur? Wieviel ist denn der Teil Gold, der sich hier oben befindet?“
„Es ist ein hübsches Sümmchen. Mit dem Wert dieses Goldes kannst du ein Jahr lang die Einwohner von Frankreich ernähren, wenn sie nicht gerade auf Kaviar und Hummer bestehen.“
Die Prinzessin wendet sich an Melissa. „Würde das dann erst einmal reichen? Kämen wir damit schon einmal weiter?“
„Fürs Erste wird es wohl gehen. Und wann können dann die weiteren Teile heraufgeholt werden? Etwa wirklich erst am 10. August? Auch wenn es ein Notfall ist?“
„Polka hat schon alles etwas nach vorn geschoben“, erklärt der Zwerg. „Die Tränen des Laurentius, des San Lorenzo, die Perseiden, fallen in der Regel am häufigsten zwischen dem 10. und 13. August. Ursprünglich sollte Federica am 10. August den ersten Teil des Schatzes bekommen, am 12. August den zweiten Teil, und am 13. August den letzten Teil. Auch ist nicht alles in Gold, viele Teile befinden sich im Zustand der Diamanten, ein wenig Platin ist noch dabei, und die größten Anteile sind aus Fiorita, einem Gestein, das noch wertvoller ist als ein Diamant, weil er magische Eigenschaften besitzt.“
Frau Pappenstiel sieht ihn interessiert an. „Und was können wir heute mitnehmen?“
„Etwas Gold und einen Rucksack voller großer Diamanten. Mehr könnt ihr doch heute sowieso nicht allein wegschaffen. Haben Sie denn keine Helfer mitgebracht?“ wendet er sich an die Fremde.
„Später werden noch zwei Helfer mit einem Wagen kommen, vor den zwei Esel gespannt sind, die den Berg gut bewältigen können. Sie werden das Losungswort „Wer tanzt Polka“ sagen, dann weißt du, dass wir sie geschickt haben, sie sind unsere Vertrauten.“
Donatus überlegt. „Wenn die Prinzessin mit allem einverstanden ist, und ihr mir den Ring hierlasst, werde ich mich darauf einlassen.“
Frau Pappenstiel holt den Ring aus einem Kästchen und überreicht ihn dem Zwerg, der ihn gründlich betrachtet.
Nach einer Weile nickt er. „Ja, richtig. Ich habe ihn wiedererkannt. Im Bergkristall-Gewölbe hängt ein großes Gemälde des Königs. Dort ist er in Lebensgröße abgebildet. In der Hand hält er das Buch der Weisheit, und da kann man den Ring sehr gut sehen. Und wenn du ihn dir genau betrachtet und keine Einwände hast, Federica, kann ich euch jetzt einen Teil des Schatzes aushändigen. Und gleich werde ich meinen Helferlein Bescheid sagen, dass sie den restlichen Teil des ersten Drittels herbeiholen und später auf den Wagen laden. Ist dir jetzt damit geholfen, liebes Kind?“
Die Prinzessin umarmt ihn. „Eine bessere Tat hättest du nicht tun können. Du hast mir sehr geholfen.“
„Dann dürft ihr euch noch ein bisschen ausruhen, und ich werde euch gleich mit Speisen und Getränken erfrischen“, verspricht der Zwerg.