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Jahre ist es her, dass Millionär Damien Stanhope seine große Liebe Tess York gesehen hat. Aber dass sie ihm das Herz gebrochen hat, kann er nicht vergessen. Und Damien weiß genau, was er jetzt will: Zuerst wird Tess seinen Auftrag annehmen und das Haus renovieren, in das sie damals hatten einziehen wollen, dann … Dann steht sie plötzlich vor ihm und sieht fast noch schöner aus als damals! Wie gebannt begegnet er ihrem Blick und spürt, wie brennende Sehnsucht in ihm aufsteigt. Aber noch einmal wird er sich nicht in Tess verlieben, das ist ausgeschlossen … Oder?
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Seitenzahl: 198
Laura Wright
Die Rache des stolzen Millionärs
IMPRESSUM
BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2007 by Laura Wright Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1586 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Angelika Beecken-Klevesath
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-548-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Es gab nichts Beunruhigenderes als den Anblick des Teufels in einer Kirche.
Tess York, die als eine der Brautjungfern an diesem Tag ein schwarzes Chiffonkleid von Vera Wang und ihr rotes Haar hochgesteckt trug, starrte auf den Mann in der vierten Bank und bekam feuchte Hände, während sie den Strauß roter Pfingstrosen umklammert hielt. Sein Name war Damien Stanhope, und er sah imposant und grimmig aus – genau so, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Irgendwann einmal waren sie zusammen gewesen, Partner, Liebende und Freunde, doch dann war ein anderer Mann in ihr Leben getreten. Einer, der sanft und schüchtern wirkte und der ihr in jenen Tagen wie eine sichere Wahl erschienen war. Damals hatte Tess ein wahnsinniges Bedürfnis nach Sicherheit verspürt, deshalb hatte sie Damien verlassen, und sein hasserfüllter Blick hatte sie bis zur Tür hinausbegleitet.
Der Kiefernduft der Weihnachtsgirlanden, mit denen die ganze Kirche geschmückt war, kam ihr plötzlich nicht mehr romantisch und festlich vor, sondern löste fast Brechreiz in ihr aus. Was macht er hier, fragte sie sich nervös. Er gehörte hier nicht mehr her. Soweit sie wusste, hatte Damien Minnesota schon vor Jahren den Rücken gekehrt und war nach Kalifornien gezogen. Es hieß, dass er sein Geld mit Immobilien verdiente und normalerweise zwei Häuser pro Monat verkaufte. Angeblich war er völlig skrupellos. Abgebrüht wickelte er seine Geschäfte ab und war mittlerweile schwerreich.
Tess überraschte sein Erfolg nicht. Vor sechs Jahren hatte er als Zimmermann für ein örtliches Bauunternehmen gearbeitet, in leitender Position. Seine Ideen waren so überzeugend und erfindungsreich, die Ausführung seiner Arbeit so fachkundig und exakt gewesen, dass ihn damals jeder Bauunternehmer in der Stadt hatte abwerben wollen.
Tess beobachtete ihn, wie er, diesen arroganten Zug um den Mund, unbeweglich auf seinem Platz saß und mitverfolgte, wie Mary und Ethan sich das Eheversprechen gaben. Tess’ Anspannung wuchs. Sie hatte alles versucht, um die Fehler zu vergessen, die sie in der Vergangenheit gemacht hatte. Sie wollte ihr altes Leben, in dem sie mit dem schlechtesten aller Ehemänner verheiratet gewesen war, komplett aus ihrer Erinnerung löschen. Zusammen mit ihren Partnerinnen, Olivia Winston und Mary Kelley hatte sie eine Event-und Catering-Agentur gegründet und führte inzwischen ein angenehmes und komfortables Leben. Alles, was sie sich wünschte, war, so zu tun, als ob die Vergangenheit nie existiert hätte, und weiterhin glücklich und achtsam das Hier und Jetzt zu genießen.
Doch dieser teuflische Mann hatte sich in der Kirche gezeigt.
Hinter ihr griff jemand in die Tasten des Klaviers und spielte die Einleitung aus dem „Phantom der Oper“: „All I Ask Of You“. Wie auf Kommando drehten sich alle Hochzeitgäste um und schauten auf die zwei Künstler, die auf das Klavier zuschritten und dann anfingen zu singen.
Alle, mit Ausnahme von Tess. Sie konnte sich nicht von Damiens Anblick losreißen. Vielleicht würde er, wenn sie ihn nur lange genug anstarrte, aufstehen und gehen. Fast musste sie bei diesem dummen Gedanken lachen. Er war nicht der Typ, den man hinausjagen oder vergraulen konnte. Sie kannte niemanden, der einen so eisernen Willen hatte wie er.
Eingehend musterte sie ihn. Er war schlanker geworden und breiter in den Schultern, doch sein Mund wirkte ebenso hart wie sein ganzer Gesichtsausdruck, als ob er nie lächeln würde.
Warum war er hier? Kannte er Ethan? Oder, Gott bewahre, Mary?
Tess trat von einem Bein auf das andere, ihre schwarzen Pumps drückten. Auf keinen Fall war sie bereit, ihren Partnerinnen ihr Herz auszuschütten …
Neben ihr lehnte sich Olivia Winston, die Expertin für kulinarische Genüsse von „No Ring Required“, herüber. „He, ich weiß, der Gesang hat nicht gerade Broadway-Format, aber bleib trotzdem bei der Sache, okay?“
„Ja, natürlich. Sicher“, murmelte Tess verwirrt.
Die hübsche Brünette runzelte die Stirn. „Was ist los mit dir?“
„Nichts“, versicherte Tess schnell.
„Sieht aber nicht danach aus“, flüsterte Olivia.
Um bei der Hochzeit ihrer Geschäftspartnerin kein Aufsehen zu erregen, versuchte Tess sich auf die Sänger zu konzentrieren. Sie musste sich zusammennehmen. Vielleicht wusste Damien gar nicht, dass sie da war … vielleicht hatte er die ganze Geschichte mit ihr vergessen. Vielleicht war er verheiratet, hatte zwei Kinder und einen Hund namens Buster. Immerhin waren mittlerweile sechs Jahre vergangen. Wenn man bedachte, was ihr inzwischen alles passiert war …
Doch während sie mit halbem Ohr zuhörte, wie die Sänger für das Brautpaar einen Song schmetterten – die Musik schwoll immer mehr an und füllte die ganze Kirche aus –, hatte Tess das komische Gefühl, beobachtet zu werden. Sie verspürte dieses merkwürdige Kribbeln. Dieses Gefühl hatte sie bisher nur einmal gehabt.
An dem Tag, als sie dem teuflischen Damien Stanhope den Rücken zugekehrt und den Raum verlassen hatte.
„Sir, möchten Sie, dass ich Sie nach Hause fahre?“
Während sein Chauffeur durch die verstopfte Innenstadt fuhr, saß Damien im Fond seiner Limousine. Der Kragen seines schwarzen Mantels berührte fast sein Kinn und betonte seine harten Gesichtszüge. „Nein. Ich werde ins Georgian gehen.“
„Es tut mir leid, Sir, ich habe noch nie gehört, dass Sie …“
„Bringen Sie mich ins Georgian Hotel“, fiel ihm Damien unbeeindruckt ins Wort. „Ich werde zu dem Empfang gehen.“
„Aber, Sir, Sie gehen nie …“ Die Worte des Fahrers erstarben.
„Haben Sie ein Problem damit, Robert?“, fragte Damien ungeduldig, während außerhalb des schwarzen Wagens der Schnee in dichten Flocken auf die Scheiben fiel.
„Sir?“ Robert schaute in den Rückspiegel, versuchte dabei jedoch dem Blick seines Arbeitgebers auszuweichen. „Wenn ich offen sprechen darf …“
Damien sah ihn fragend an. „Dürfen Sie … wenn Sie währenddessen Ihre Aufmerksamkeit auf den Verkehr richten. Die Straßen in Minneapolis können sehr rutschig sein.“
„Ja, Sir.“ Robert konzentrierte sich wieder aufs Fahren und hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest.
Damien atmete erleichtert auf. „So, was wollen Sie wissen?“
„In den vier Jahren, in denen ich für Sie gearbeitet habe, ist dies der erste Hochzeitsempfang eines Geschäftspartners, zu dem Sie jemals gegangen sind.“
„Ach ja?“, erwiderte Damien tonlos.
„Ja, Sir.“
„Hm.“
„Handelt sich dann wohl um ein wichtiges Geschäft, Sir.“
Sie fuhren langsamer, bogen ab und hielten schließlich. Damien schaute auf und runzelte die Stirn. „Sind wir da?“
„Ja, Sir. Aber vor uns steht eine lange Schlange von Autos.“
Sie waren noch ein ganzes Stück vom Hoteleingang entfernt, doch Damien wartete ungern. Er griff nach dem Türdrücker und stieß die Wagentür auf. „Ich steige hier aus, Robert.“
„Aber Sir!“ Robert schaute unsicher nach hinten. „Soll ich …“
„Nein, nein. Bleiben Sie im Wagen.“
Er nickte. „In Ordnung, Sir.“
Damien war schon halb aus der Tür, als er sich plötzlich noch einmal umdrehte. „Und, Robert?“ „Ja, Sir?“ „Um Ihre Frage zu beantworten: Bei diesem Empfang handelt es sich um eine weit wichtigere Angelegenheit als ein Geschäft.“ Er stieg aus. „Warten Sie in einer Stunde am Haupteingang.“
Der Ballsaal des Georgian Hotels, ausgestattet mit einer vergoldeten Decke, Kristalllüstern und einem schwarz-weiß gemusterten Marmorfußboden, bot das spektakulärste Ambiente für eine Hochzeitsfeier in Minneapolis. In jeder Jahreszeit präsentierte der Raum einen umwerfenden Anblick, aber im Dezember wirkte er mit der weißen Weihnachtsbeleuchtung, den Fichten und Mistelzweigen besonders märchenhaft. Auf allen schwarzen Platztellern fanden sich von Hand gemachte Schokoladen-Zuckerstangen, süß eingebettet in kleine Weihnachtsstiefel.
Tess York beschrieb sich selbst als Schokoholic, und schon fünf Minuten nach ihrer Ankunft im Hotel war ihr kleiner Stiefel leer. Sie saß neben Olivia, und der einzige Grund, warum sich noch eine Zuckerstange auf ihrem Teller befand, bestand darin, dass Tom Radley, ein Freund von Marys Familie und der erste Kunde von „No Ring Required“, Tess an die Hand nahm und auf die Tanzfläche zog, bevor sie die Süßigkeit aufessen konnte.
Auf der rechteckigen Bühne abseits der Tanzfläche schmetterte eine Sängerin, die auf scheußliche Art ähnlich Natalie Cole klang, Liebeslieder.
Neben Tess tanzten Olivia und ihr Verlobter Mac Valentine. Die beiden wirkten so attraktiv und elegant, dass man sie leicht für ein glamouröses Hollywood-Paar hätte halten können. Atemberaubend in ihrem schwarzen Brautjungfernkleid, das dem von Tess ähnelte, die dunklen Haare lang und offen über die bloßen Schultern fallend, wandte sich Olivia Tess zu und stichelte lächelnd: „Du bist eine erstaunlich schlechte Tänzerin, weißt du das?“
„Vielen Dank auch“, erwiderte Tess trocken.
„Gar nicht wahr“, widersprach Tom Radley und wich aus, um Tess’ spitzen Absätzen zu entgehen, als sie eine heikle Drehung auf das Parkett legte. „Hör nicht auf sie, Tess.“ Dabei funkelte er Olivia herausfordernd an. „Sie ist anmutig wie ein Schwan und leicht wie eine Feder.“
Olivia grinste. „Solange sie dir nicht auf die Füße tritt, was?“
„Nun ist gut, mein Schatz“, mischte sich Mac ein und drückte seine Verlobte fester an sich.
Tess reagierte mit einer Handbewegung, mit der sie auch ein lästiges Insekt weggeschnipst hätte. „Zieh Leine, Winston. Ich bin sicher, es gibt noch genug andere Leute auf der Tanzfläche, deren Selbstwertgefühl du heute Abend vernichten kannst.“
Olivia lachte. „Genau. Als ob du überhaupt übertroffen werden könntest. Du hast mehr Selbstvertrauen in deinem kleinen Finger als ein Grizzlybär auf Beutezug.“
„Hm.“ Tess runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht recht, wie ich das verstehen soll.“
Mac, wie immer ganz Gentleman, klinkte sich in das Gespräch ein. „Wie ein Kompliment, denn ich finde, du tanzt wunderbar.“
Dabei versuchte er möglichst unschuldig auszusehen, doch sein Lächeln strafte seine Worte Lügen.
„Schmeicheleien führen bei mir zu nichts, Mr. Valentine“, entgegnete Tess und duckte sich, um unter Toms Arm durchzukommen, als sie eine Drehung machten.
Mac ging schulterzuckend darüber hinweg, dann wandte er sich seiner Verlobten zu und gab ihr einen Kuss auf den Hals. „Und wie ist es mit dir? Komm ich bei dir mit Komplimenten weiter?“
Oilvia schmiegte sich noch enger in seine Arme. „Klar.“
Entnervt verdrehte Tess die Augen und flüsterte ihrem Partner zu: „Lass uns hier verschwinden, bevor uns Amor, der über diesen Turteltäubchen flattert, versehentlich mit seinen Liebespfeilen trifft.“
„Du hast recht“, antwortete Tom lachend und schob sie durch die Menge.
Doch als sie am anderen Ende der Tanzfläche angekommen waren, standen sie einem Mann gegenüber, der offensichtlich auf sie gewartet hatte. Aus kalten blauen Augen betrachtete er sie interessiert, aber mürrisch. Er hatte kurzes schwarzes Haar, war groß, athletisch gebaut und trug einen sehr teuren Smoking. Trotz seiner vollen, sinnlichen Lippen wirkte der Mund hart, als könnte er jederzeit grausame Dinge aussprechen.
Tess schlug das Herz plötzlich bis zum Hals. Es war eine Sache, diesen Mann zehn Meter entfernt sitzen zu sehen, wenn Mary und Ethan sich das das Jawort gaben, aber eine ganz andere, ihn jetzt vor sich zu haben.
Damien Stanhope warf einen kurzen, fragenden Blick auf Tom. „Wenn ich bitten darf.“
Sichtlich nervös antwortete Tom: „Nur ungern natürlich. Aber … na ja, ich bin ganz gut im Teilen.“
„Das ist bewundernswert“, bemerkte Damien und löste Tess aus Toms Armen, um sie an sich zu ziehen. „Ich nicht.“
Tess war nicht die Art Frau, die es hinnahm, wenn ein Mann bestimmte, wo es langging … nicht mehr jedenfalls. Hätte ein anderer sich plötzlich dazwischengedrängt, um sie ihrem Tanzpartner zu entführen, wie Damien es getan hatte, wäre sie in Versuchung geraten, dieser Person eine Ohrfeige zu verpassen.
Aber dieser Mann war anders, darum reagierte sie auch anders auf ihn. Ihr kam es vor, als ob sie sich niemals getrennt hätten. Einmal in seinen Armen, fühlte es sich so gut, so warm an, dass sie nicht einmal versuchte, sich von ihm zu befreien.
Als die Musik wieder einsetze, nahm Damien den langsamen Rhythmus auf und warf ihr einen scharfen Blick zu. „Hallo, Tess.“
In den letzten sechs Jahren hatte sie seinen Namen nie laut ausgesprochen. Vermutlich war dieser Zeitpunkt so gut wie jeder andere, es zu tun. „Damien Stanhope. Wow. Es ist lange her.“
„Nicht zu lange.“ Seine Stimme klang tief, tiefer, als sie sie in Erinnerung hatte, doch der Klang war der gleiche und weckte die unterschiedlichsten Gefühle in Tess. „Ich habe dich auf der Verlobungsparty gesehen und dachte, du hättest mich ebenfalls gesehen. Vielleicht ja auch nicht.“
„Nein, habe ich. Ich meine, ja. Aber ich hatte nicht geglaubt …“ Schulterzuckend ging sie über ihre Unfähigkeit hinweg, einen zusammenhängenden Satz zu sprechen. „Ich nehme an, ich war nicht sicher …“
„Du stotterst, Tess“, fiel er ihr stirnrunzelnd ins Wort. „Das sieht dir gar nicht ähnlich.“
Nein, sah es nicht. Doch jedes Mal passierten merkwürdige, komplizierte Dinge, wenn dieser Mann sie berührte. Gerade jetzt, als er ganz leicht ihre Hand umfasste und sein Körper sich nur millimeterweise von ihr entfernte, stockte Tess der Atem. „Was ich eigentlich mit meinem Gestammel sagen wollte, war, dass ich keine Ahnung hatte, dass du mit Ethan befreundet bist.“
„Sind wir nicht“, erwiderte er schlicht. „Er hat sich für den Kauf einer meiner Immobilien interessiert, und ich interessierte mich für eine Einladung zu dieser Hochzeit.“
Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. „Wirklich?“
„Ja.“
„Warum?“
Kühl lächelte er sie an. „Ich habe gehört, dass dein Unternehmen ganz erfolgreich ist“, sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Du lässt es dir gut gehen.“
Seine Worte klangen für sie mehr nach einer Beobachtung als nach einem Kompliment. „Ich denke schon. Doch anscheinend nicht so gut, wie es scheint.“
Er nickte. „Nachdem du die Stadt verlassen hattest, habe ich mich auf meine Karriere konzentriert.“
Natürlich wollte er auf diesen Punkt anspielen, wollte, dass sie sich verdammt unbehaglich fühlte, vielleicht Schweißausbrüche bekam. „Ja, sich auf die Karriere zu konzentrieren kann ganz gut sein.“
„Genau. Tatsächlich könnte ich so weit gehen zu sagen, dass ich einen großen Teil meines Vermögens dir verdanke.“
Der Geruch der Fichte stach ihr penetrant in die Nase. „Ich bin sicher, das ist nicht mein …“
„Sei nicht so bescheiden, Tess. Du warst eine Inspiration …“
Das war zu viel. Die ganze Sache … seine boshaften Komplimente, ihre Nervosität. Tess wollte sich nie wieder in eine Situation bringen, in der sie wegen eines Mannes ausflippte. Sie hörte auf zu tanzen. Die Musik spielte, und die Leute bewegten sich dazu, doch Tess sah Damien Stanhope ungeduldig an. „Was willst du? Warum bist du gekommen?“
„Ich wollte dich sehen.“ Seine Augen strahlten keinerlei Wärme aus, unter seinem Blick gefror ihr fast das Blut in den Adern.
„Gut, jetzt hast du mich gesehen“, entgegnete sie und drehte sich um. „Danke für den Tanz.“
Er nahm ihre Hand und hakte sie unter. „Ich bringe dich zum Tisch zurück.“
Einen Moment lang dachte sie daran, sich loszureißen, doch sie wollte keine Szene verursachen, darum ließ sie sich von ihm führen. Während sie zum Tisch gingen, war es unmöglich zu übersehen, wie die anderen Frauen Damien anstarrten: gierig, verlangend. Genau so, wie sie ihn vor langer Zeit betrachtet hatte.
Als sie an ihrem Platz angekommen waren, setzte sich Tess und hoffte, dass er verschwinden würde, dass der Tanz und der verbale Schlagabtausch das Ende ihrer Begegnung sein würden. Doch Damien ging nicht. Stattdessen setzte er sich neben sie.
„Also, wie geht’s Henry?“ Seine Stimme klang leise und kalt.
Sie schaute ihn an, blickte in diese tiefblauen Augen, und dann wurde es ihr mit einem Schlag klar: Er war nicht da, um Geschäfte abzuwickeln oder sie einfach nur zu „sehen“. Er war zu dieser Hochzeit gekommen, um sie zur Rede zu stellen oder um sie zu verletzen. Aber warum jetzt, nach sechs Jahren? Sie war sich nicht sicher. Ohne seinem Blick auszuweichen, erklärte sie gleichmütig: „Mein Mann ist gestorben. Vor ungefähr fünf Jahren.“
Damien nickte, doch er wirkte nicht überrascht. „Das tut mir leid.“
„Wirklich?“
Fragend sah er sie an. „Ich könnte jetzt nein sagen, doch wie würde das wirken?“
Sie zuckte die Schultern. „Grausam.“
„Wie wäre es mit ‚ehrlich‘?“
„Wie wäre es mit beidem?“
Entsetzt bemerkte Tess aus den Augenwinkeln Mary und Olivia, die neugierig zu ihr und Damien herüberschauten. Sie kannte ihre beiden Geschäftspartnerinnen gut genug, um zu wissen, dass sie in circa dreißig Sekunden auf sie zukommen würden. Auf keinen Fall wollte Tess, dass am Hochzeitstag ihrer Teilhaberin ihre Vergangenheit und die Fehler, die sie damals gemacht hatte, ans Licht kämen.
In der Hoffnung, nicht blass geworden zu sein, wandte sie sich wieder an Damien. „Gleich wird das Essen serviert. Vielleicht können wir unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen.“
„Versuchst du mich loszuwerden, Tess?“ Prüfend sah er sie an.
„Nein.“
„Ich weiß, wann du lügst. Das wusste ich schon immer.“
„Schön“, entgegnete sie mit fester Stimme. „Meine Partnerinnen kommen gerade herüber, und sie wissen …“
„Nichts über mich?“, beendete Damien den Satz für sie, und seine Augen schimmerten vergnügt.
„Sie wissen nichts von Henry oder meinem Leben, bevor wir die Firma gegründet haben.“
„Wieso?“
„Das geht dich nichts an.“ Sie hatte jetzt keine Zeit dafür. Mary und Olivia waren nur noch wenige Meter entfernt. „Was auch immer du mir zu sagen hast, kannst du sagen. Doch nicht hier und nicht jetzt. Wir klären das ein anderes Mal.“
Einen Moment lang dachte er nach, dann nickte er. „In Ordnung.“
Erleichtert verabschiedete sie sich: „Also gut, dann eben auf Wiedersehen.“
Er stand auf. „Ich komme morgen zu dir, Tess.“
Sie blickte auf. „Was?“
„Ich werde morgen um eins in deinem Büro sein.“
„Nein.“
Mary und Olivia waren fast bei ihnen. Damien beugte sich dicht an ihr Ohr, sein warmer Atem ließ ihr die Haare zu Berge stehen, und ihr Herzschlag spielte verrückt. Sie kannte das, hatte es vor langer Zeit geliebt.
„Ich bin nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen“, drohte er leise, „sondern um eine alte Schuld zu begleichen, die niemals bezahlt wurde.“
Tess’ Puls fing an zu rasen. Von welcher Schuld redete er?
„Vor sechs Jahren“, fuhr er fort, „hast du mir ein Versprechen gegeben. Eins, das du bisher nicht gehalten hast. Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass du es einlöst. Denn wenn du das nicht tust, wird sich alles, was dir lieb ist, in Luft auflösen.“
Er richtete sich gerade rechtzeitig auf, um Olivia und Mary zu begrüßen, schüttelte beiden die Hand und beglückwünschte die Braut. Wie vor den Kopf geschlagen sah Tess auf ihren Teller und den leeren Stiefel. Trotz des Rauschens in ihren Ohren hörte sie, wie Damien beiden Frauen alles Gute wünschte und dann wegging.
„Nett“, sagte Olivia, während sie sich neben Tess setzte. „Wirklich süß.“
„Hinreißend und charmant“, fügte Mary hinzu und rückte ihre Tiara zurecht, bevor sie den für die Braut reservierten Platz einnahm. „Und anscheinend ganz hingerissen von unserem Mädchen hier.“
„Hast du seine Nummer?“, wollte Olivia wissen.
Tess nickte und murmelte heiser: „Ja, seine Nummer habe ich.“
In den viereinhalb Jahren, seit Tess Teilhaberin von „No Ring Required“ war, hatte sie sich nur dreimal krankgemeldet. Das erste Mal im Winter, als sie eine so heftige Grippe gehabt hatte, dass sie auf dem Weg zu ihrem Auto bewusstlos geworden war. Das zweite Mal war letzten Sommer gewesen, als ihr ein Weisheitszahn gezogen werden musste, und das dritte Mal war an diesem Tag, nachdem sie mit einem scheußlichen Kater aufgewacht war.
Sie war keine große Trinkerin. Genau genommen nicht mal eine kleine, doch in der vorangegangenen Nacht, nachdem Damien aufgetaucht war und ihre Vergangenheit damit schlagartig zurückgekehrt war, hatte sie ein paar Gläser Champagner zu viel genossen.
Eingemummelt in ein verwaschenes, altes Sweatshirt, hatte sie es sich mit ihrer Katze Hepburn auf der Couch bequem gemacht und sah starr auf den Fernseher. Während sie versuchte die hämmernden Kopfschmerzen zu ignorieren, schaute sie Montel Williams an, der sein Lieblingsmedium zu Gast hatte und einem Zuschauer nach dem anderen erklärte, dass er wahrscheinlich einen Geist in seinem Haus hätte, der noch etwas erledigen müsste.
„Vielleicht könntest du mir ja einen Rat geben, wie man solche Geister wieder loswird“, murmelte Tess in Richtung Bildschirm.
Bisher hatte sie nur Maßnahmen ergriffen, um ihrem aus dem Weg zu gehen. Mary befand sich schon in den Flitterwochen, darum würde Olivia an diesem Tag allein die Stellung in der Agentur halten. Tess hatte nur einen einzigen Termin, und da es sich um keine geschäftliche Angelegenheit handelte, war sie mehr als gewillt, ihn sausen zu lassen.
Während das Medium weiter über den Himmel und das Licht schwafelte, schloss sie die Augen und ließ ihre Gedanken eine Weile treiben. Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie wach wurde, lief im Fernsehen eine Seifenoper, und es klopfte an der Wohnungstür. Ihr Kopf schmerzte immer noch, als sie hinüber zum Eingang trottete und durch den Spion schaute.
Als sie sah, wer es war, fluchte sie leise, drehte sich um und sackte gegen die Tür.
Damien.
„Tess?“
Zu ihren Kopfschmerzen gesellten sich beim Klang seiner Stimme üble Magenkrämpfe.
„Tess, ich weiß, dass du da bist.“
„Was willst du, Damien?“, rief sie.
„Du weißt genau, was ich will. Ich war ja wohl mehr als deutlich letzte Nacht. Mach jetzt auf.“
„Ich bin krank.“
„Ja, Olivia war so freundlich, mir das zu sagen, nachdem ich extra dorthin gefahren war.“
Tess seufzte. Das hier war nicht ihre Art … sich hinter einer Tür zu verstecken, als ob sie nicht mit unbequemen Konfrontationen und Drohungen eines Exfreundes fertig wurde. So hatte sich die verheiratete Tess verhalten, die Frau, die Grund hatte, sich nervös und ängstlich zu fühlen. Doch dieser Teil ihres Lebens lag hinter ihr.
Sie entriegelte das Schloss und öffnete.
Damien stand vor ihr und füllte beinah den gesamten Türrahmen aus. Frisch geduscht und rasiert, in einem schicken marineblauen Anzug, sah er aus, als ob er gerade von einer Gucci-Modenschau in Mailand käme.
Wohl wissend, dass sie einen Anblick wie ein abgekautes Spielzeug ihrer Katze bot, hob Tess das Kinn und versuchte so souverän wie möglich zu klingen: „Ich habe nie gesagt, dass ich dich sehen will, Damien.“
Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie aufmerksam musterte. „Gut, da ist sie.“
„Da ist was?“
„Die heiße Braut, die mir so vertraut ist. Die Frau mit der bemerkenswert roten Haarmähne.“ Er lehnte am Türrahmen. „Nach letzter Nacht und all dem Stottern und der Angst, dass deine Partnerinnen etwas herausfinden könnten, dachte ich, es gäbe sie nicht mehr. Ich habe darüber nachgedacht, was oder wer ihr das Feuer ausgetrieben haben könnte.“
Meinetwegen kann er weiter überlegen, dachte sie höhnisch. Auf keinen Fall würde er jemals etwas über ihr Leben mit Henry erfahren, über die Narben, die zurückgeblieben waren.
Er kniff die Augen zusammen und sah sie prüfend an. „Du siehst …“
„Krank aus?“, beendete sie seinen Satz.
„Hast du letzte Nacht getrunken?“
„Das geht dich nun wirklich nichts an.“
„Von Champagner bekommst du immer Kopfschmerzen, schon vergessen?“
„Nein“, log sie.
Gänzlich unbeeindruckt von ihrer ablehnenden Haltung, drängte er sie erneut: „Wirst du mich jetzt reinlassen?“
„Was auch immer du an mysteriösen Dingen zu sagen hast, kannst du meiner Meinung nach auch von hier aus sagen.“