Die Rechte der Frau und andere Texte. Mit einem Essay von Margarete Stokowski. [Was bedeutet das alles?] - Olympe de Gouges - E-Book

Die Rechte der Frau und andere Texte. Mit einem Essay von Margarete Stokowski. [Was bedeutet das alles?] E-Book

Olympe de Gouges

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Beschreibung

Olympe de Gouges war eine der bedeutendsten Frauen der Französischen Revolution, eine Vorkämpferin für Frauenrechte. Ihre "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" ("droits de la femme et de la citoyenne") von 1791, gedacht als notwendiges Gegenstück zu den Menschenrechten ("droits de l'homme"), gilt als Gründungsurkunde des Feminismus. Sie schrieb außerdem Pamphlete gegen Sklaverei und Rassismus und forderte früh die Einrichtung von Frauenhäusern. Als Gegnerin der Jakobiner und erklärte Feindin Robespierres starb sie 1793 auf dem Schafott. Ihre wichtigsten Texte wurden für diese Ausgabe neu übersetzt und kommentiert. Margarete Stokowski erläutert in ihrem begleitenden Essay das Schicksal und den historischen Rang dieser mutigen Frau.

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Seitenzahl: 79

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Olympe de Gouges

Die Rechte der Frauund andere Texte

Aus dem Französischen übersetzt von Ute Kruse-EbelingMit einem Essay von Margarete Stokowski

Reclam

2018 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2018

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961370-3

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019527-7

www.reclam.de

Inhalt

Reflexionen über die versklavten schwarzen Menschen [Réflexions sur les hommes Nègres]Ein nützliches und heilsames ProjektDie Rechte der FrauPolitisches Testament von Olympe de GougesZu dieser AusgabeFreiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit

Reflexionen über die versklavten schwarzen Menschen [Réflexions sur les hommes Nègres1]

Das versklavte, schwarze Menschengeschlecht mit seinem beklagenswerten Los hat mich stets berührt. Als sich mein Wissen gerade erst zu entwickeln begann und in einem Alter, in dem Kinder noch unbekümmert sind, bewirkte mein erster Anblick einer schwarzen Sklavin, dass ich anfing nachzudenken und mir Fragen in Bezug auf ihre Hautfarbe zu stellen.

Diejenigen, die ich damals befragen konnte, stellten meine Neugierde und meine Überlegungen nicht zufrieden. Sie behandelten diese Menschen wie unvernünftige Tiere, wie Wesen, die der Himmel verflucht hatte. Doch als ich älter wurde, erkannte ich sehr deutlich, dass es Gewalt und Vorurteil waren, die sie zu dieser schrecklichen Sklaverei verdammt hatten, dass die Natur hieran keinen Anteil hatte, und alles nur auf das ungerechte und mächtige Interesse der Weißen zurückzuführen war.

Seit langem tief berührt von dieser Wahrheit und ihrer furchtbaren Situation, behandelte ich ihre Geschichte im ersten dramatischen Stoff,2 der meiner Phantasie entsprang. Mehrere Menschen haben sich mit ihrem Los befasst und sich dafür eingesetzt, es zu lindern. Doch niemand hat darüber nachgedacht, sie auf der Bühne in ihrer Tracht und Farbe darzustellen, so wie ich es versucht hatte, hätte sich die Comédie-Française3 dem nicht entgegengestellt.

Mirza hatte in ihrer natürlichen Sprache gesprochen, und nichts war zärtlicher. Es scheint mir, dass dies den besonderen Reiz dieses Dramas noch verstärkte, und das war auch die Meinung aller Kenner, mit Ausnahme der Comédiens.4 Doch beschäftigen wir uns nicht länger damit, wie mein Stück aufgenommen wurde. Ich präsentiere es der Öffentlichkeit.

Kehren wir zum entsetzlichen Los der schwarzen Sklaven zurück: Wann wird man sich darum bemühen, es zu verändern oder wenigstens zu lindern? Ich verstehe nichts von der Politik der Regierungen; aber sie sind gerecht, und niemals war das Naturgesetz dort deutlicher spürbar. Sie haben ein Auge auf grundlegende Missbräuche. Der Mensch ist überall gleich. Die gerechten Könige wollen keine Sklaven; sie wissen, dass sie ergebene Untertanen haben, und Frankreich wird keine Unglücklichen im Stich lassen, die vor ihrem Tod unsäglich leiden, seit sich persönlicher Vorteil und maßloses Streben auf den unbekanntesten Inseln eingenistet haben. Hungrig nach Blut und jenem Metall, dem die Habgier den Namen Gold gab, haben die Europäer die Natur in diesen glücklichen Gefilden verändert. Der Vater hat seinen Sohn verleugnet,5 der Sohn seinen Vater geopfert, die Brüder haben sich bekämpft, und die Besiegten wurden wie Ochsen auf dem Markt verkauft. Was soll ich sagen? Es ist zu einem Handel auf allen vier Erdteilen geworden.

Ein Handel mit Menschen! … Gütiger Gott! Dass die Natur nicht erzittert! Wenn sie Tiere sind, sind wir es nicht ebenso wie sie? Und worin unterscheiden sich die Weißen von dieser Art von Mensch? In der Farbe … Warum will die Blonde nicht ein Vorrecht gegenüber der Braunhaarigen haben, die den Kindern von Schwarzen und Weißen ähnlich sieht? Dieser Eindruck ist genauso augenfällig wie die Ähnlichkeit des Schwarzen mit dem Kind von Schwarzen und Weißen. Die Farbe der Menschen ist ähnlich fein abgestuft wie bei allen Tieren, die die Natur hervorgebracht hat, ebenso wie auch bei den Pflanzen und Mineralien. Warum wetteifern nicht der Tag mit der Nacht, die Sonne mit dem Mond und die Sterne mit dem Firmament? Alles ist vielfältig, und gerade das macht die Schönheit der Natur aus. Warum also sollte man ihr Werk zerstören?

Ist der Mensch nicht ihr schönstes Meisterwerk? Der Osmane6 macht mit den Weißen, was wir mit den Schwarzen machen: Wir bezeichnen ihn jedoch nicht als barbarisch und unmenschlich, und wir wenden dieselbe Grausamkeit wie er gegen Menschen an, die sich nicht anders zu wehren wissen, als sich zu unterwerfen.

Doch was bewirkt der barbarische Despotismus der Siedler auf den Inseln7 und in Indien, wenn sich diese Unterwerfung eines Tages erschöpft hat? Alle Arten von Revolten, Blutbädern, die durch die Stärke der Truppen nur noch erhöht werden, Giftmorde und alles, was ein Mensch tun kann, wenn er sich erst einmal aufgelehnt hat. Ist es nicht entsetzlich in den Augen der Europäer, die durch ihr produzierendes Gewerbe beachtliche Plantagen erworben haben, diese Ärmsten von morgens bis abends windelweich schlagen zu lassen, die ihre fruchtbaren Felder nicht weniger bestellen würden, wenn sie mehr Freiheit und Milde erfahren würden?

Ist ihr Los nicht unendlich grausam, sind ihre Arbeiten nicht schon so schwer genug, ohne dass man ihnen für die geringsten Fehler die schrecklichsten Züchtigungen erteilen müsste? Es wird davon gesprochen, ihr Los zu verändern, Mittel anzubieten, um es zu lindern, ohne befürchten zu müssen, dass diese Menschen schlechten Gebrauch von einer vollkommenen oder eingeschränkten Freiheit machen würden.

Ich verstehe nichts von Politik. Man geht davon aus, dass die versklavten schwarzen Menschen durch eine allgemeine Freiheit eine genauso wichtige Bedeutung erlangen würden wie die Weißen: Dass sie, sobald man sie erst Herren ihres eigenen Schicksals sein ließe, auch Herren ihrer eigenen Wünsche wären; dass sie ihre Kinder bei sich aufziehen könnten. Sie würden bei der Arbeit präziser sein und eifriger. Der Geist des Widerstands würde sie nicht länger quälen: Das Recht, sich wie die anderen Menschen zu erheben, wird sie weiser und menschlicher machen. Man wird keine unheilvollen Verschwörungen mehr befürchten müssen. Sie werden freie Bauern auf ihrem Land sein, wie die Feldarbeiter in Europa. Sie werden ihre Felder nicht verlassen, um in fremde Nationen zu gehen.

Die Freiheit der schwarzen Sklaven wird dazu führen, dass einige flüchten werden, weit weniger jedoch als im Falle der Bewohner der französischen ländlichen Gebiete: Kaum verfügen die jungen Dorfbewohner über das nötige Alter, die Kraft und den Mut, machen sie sich auf den Weg in die Hauptstadt, um dort eine Beschäftigung als Lakai oder Lastenträger anzunehmen. Es gibt hundert Diener für eine Stelle, während es auf unseren Feldern an Bauern mangelt.

Diese Freiheit führt zu einer unendlichen Vervielfachung der Anzahl von Müßiggängern, von Unglückseligen, kurzum: von gemeinen Menschen aller Art. Es ist die Kunst der Herrscher und der republikanischen Staaten, jedem Volk eine weise und gesunde Grenze zu setzen.

Dank meines natürlichen Wissens könnte ich ein sicheres Mittel finden: ich werde mich jedoch hüten, es vorzustellen. Ich müsste mehr wissen und aufgeklärter sein in Bezug auf die Politik der Regierungen. Ich habe bereits gesagt, dass ich nichts davon verstehe, und ich unterbreite meine guten oder schlechten Beobachtungen aufs Geratewohl. Das Los dieser Ärmsten muss mich mehr interessieren als jeden anderen, da schon fünf Jahre ins Land gegangen sind, seit ich ein auf ihrer bedauernswerten Geschichte fußendes Drama verfasst habe.

Ich habe nur einen Rat für die Schauspieler der Comédie-Française, und es ist der einzige Gefallen, um den ich sie in meinem Leben bitten werde: Nehmen Sie die Farbe und Tracht der schwarzen Sklaven an. Nie war die Gelegenheit günstiger, und ich hoffe, dass die Aufführung dieses Dramas die Wirkung erzielt, die man zugunsten dieser Opfer maßlosen Strebens von dem Stück erwarten darf.

Die Tracht trägt zur Hälfte zum Reiz dieses Stückes bei. Sie wird die Feder und das Herz unserer besten Schriftsteller rühren. Mein Ziel wird erfüllt, mein Ehrgeiz befriedigt sein, und die Comédie wird sich durch die Farbe nicht erniedrigen, sondern erhöhen.

Mein Glück wäre zweifellos unermesslich, wenn ich die Aufführung meines Stückes sehen würde, so wie ich sie mir wünsche. Diese schwache Skizze bedürfte einer ergreifenden Darstellung für die Nachwelt. Die Maler, die den Ehrgeiz hätten, daran ihre Pinsel zu üben, könnten als Begründer der weisesten und nützlichsten Menschheit betrachtet werden, und ich bin schon im Voraus sicher, dass ihre Sicht die Schwäche dieses Dramas zu Gunsten des Themas stärken wird.

Spielt daher mein Stück, meine Damen und Herren, es hat lange genug darauf gewartet, an der Reihe zu sein, wenn diese nicht, bei aller Rechtschaffenheit, bereits mehrmals an ihm gewesen wäre. Hier liegt es nun in gedruckter Form vor, ihr habt es euch gewünscht. Doch alle Nationen bitten mit mir um seine Aufführung, ich bin überzeugt, dass sie mich keiner Lügen strafen werden. Diese Leidenschaft, die bei jedem anderen als mir nach Eigenliebe aussehen würde, ist nur die Wirkung, den all die öffentlichen Proteste zugunsten der versklavten, schwarzen Menschen in meinem Herzen hervorrufen. Jeder Leser, der mich recht zu schätzen weiß, wird von dieser Wahrheit überzeugt sein.

[…] Adieu, meine Damen und Herren; nach diesen Bemerkungen meinerseits möget ihr mein Stück spielen wie ihr es für angemessen haltet, ich werde nicht bei den Proben sein. Ich überlasse alle meine Rechte meinem Sohn […].

Ein nützliches und heilsames Projekt

Ich habe zugunsten meines Vaterlandes geschrieben, ich habe zugunsten des unglücklichen Volkes geschrieben.

In harten Zeiten und in Zeiten der Not ist die Zahl der Arbeiter, die ohne Hilfen leidet, ungeheuer groß. Zweifellos ist es schrecklich für die Menschheit, dass so viele Menschen, die doch nützlich für den Staat wären, durch eine allzu grausame Notlage ums Leben kommen; noch gefährlicher ist es jedoch, Hilfe im Übermaß zu leisten.