Die Rückkehr der Graak - Hans Melzer-Gunesch - E-Book

Die Rückkehr der Graak E-Book

Hans Melzer-Gunesch

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Beschreibung

Ein rätselhafter Mord schreckt die Erdbevölkerung auf. Ein Avatar soll ihn begangen haben, aber noch nie zuvor ist ein Avatar für ein solches Verbrechen verantwortlich gewesen. Das Vertrauen, das in Avatare investiert wurde, ist zerrüttet. Hinzu kommt, dass 50 Jahre nach ihrem missglückten Versuch, die Marsavatare zu assimilieren, die Graak wiederkehren. Dieses Mal verfolgen sie einen anderen Plan.

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Für Gabi,

die mich immer ermuntert,

weiter zu schreiben …

Bisher im BoD-Verlag erschienene Bücher des Autors:

Die Avatar Trilogie – 2020, ISBN: 978-3-7519-9556-6

Der Rückkehrer – 2020, ISBN: 978-3-7526-4101-1

Die Rächerin – 2022, ISBN: 978-3-7562-1116-6

Inhaltsverzeichnis

Erde, London

Mars, Avatar-Kolonie

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Mars

Erde

Epilog

Erde, London

Heute standen drei verschiedene Aufträge an. Damit war das Maximum erreicht. Mehr erhielt er nicht. Das war ihm letzten Endes egal, denn es kam ihm nicht auf Quantität an. Qualität war sein Motto. Er war aber der Überzeugung, dass auch mehr Aufträge unter Wahrung seines Qualitätsstandards möglich wären.

Die Arbeit wurde ihm wie allen anderen Avataren durch Sachleistungen vergütet: Wohnung, Möbel, Energie. Allerdings war es nötig, im Dienst der Menschen gute Arbeit zu leisten. Davon hing auch die Qualität der Sachleistungen ab. Außerdem war dieser Dienst ihre einzige Existenzberechtigung.

Die Aufträge wurden von der Zentrale vergeben, die diese nach einem festgelegten Algorithmus verteilte. So wurde als vorrangiges Prinzip sichergestellt, dass sie gleichmäßig vergeben wurden. Andere Parameter berücksichtigten natürlich Befähigung, Ausgewogenheit der Auftragsarten und anderes mehr. Einschließlich der Unterparameter gab es neunundvierzig an der Zahl.

Es lag in seiner Entscheidung, welchen Auftrag er zuerst erledigte. Und so begab er sich in die Vincent Street, wo er ein Computerproblem lösen musste. Das automatische Flugtaxi brauchte fünf Minuten, bevor es sanft auf dem dafür vorgesehenen Parkplatz aufsetzte, der sich schräg gegenüber der Grosvenor Hall befand.

Das Privathaus war ein vornehmes Anwesen, das früher bestimmt eher musealen Zwecken gedient hatte. Gewissermaßen als Umkehrung der Geschichte wurde das Gebäude von Privat erworben und entsprechend umgebaut. Das Eingangstor öffnete sich automatisch, nachdem Sensoren den angekündigten Besucher erfassten. Daraufhin begab er sich zu dem Büro, wo er erwartet wurde.

Im Dolphin Kontrollzentrum in Swords, Irland, leuchtete ein rotes Warnsignal auf. Der diensthabende Android, zuständig für Londons Stadtteil City of Westminster, nahm sich des Falles an. In der Vincent Street wurde ein Auftrag vom Kundendienst als erledigt angegeben, aber vom Auftraggeber nicht quittiert. Das kam in der Regel nicht vor. Wenn der Auftraggeber mit der Leistung nicht zufrieden war, dann bemängelte er sie entsprechend und sofort wurde ein neuer Kundendienst hingeschickt. Wenn gar nichts quittiert wurde, gab es nur zwei Erklärungen: eine Fehlfunktion im System – eigentlich unmöglich – oder UNBEKANNT. Dieser Grund erschien auf dem internen Eye-Display des Androiden, nachdem er das System gecheckt hatte, ohne einen Fehler zu entdecken.

Der vorgesehenen Prozedur zufolge verständigte der Android die Polizeidienststelle in Westminster per internem Internet-Call. Andere Aufgaben beziehungsweise Funktionen hatte er nicht. Im Unterschied zu den Avataren war er nur ein Roboter.

Der diensthabende Wachmann erhielt die Nachricht auf seinem Monitor und da sie mit Priorität Eins gekennzeichnet war, wurde die Nachricht zeitgleich an die Polizeistreife weitergeleitet, die sich am nächsten der Vincent Street befand.

Eine Minute nach dem Empfang des unquittierten Vollzugs des Auftrags landete der Polizeikopter auf dem Parkplatz schräg gegenüber der Grosvenor Hall.

Ein Lufttaxi hob gerade ab. Aus dem Polizeikopter wurden die Daten des Fahrgastes in Sekundenschnelle überprüft. Es handelte sich um einen Angestellten der Grosvenor Hall. Hatte mit dem Privatanwesen nichts zu tun.

Das Eingangstor öffnete sich nicht. Per Notfallbefehl wurde aus der Datenbank der Code eingegeben, der das Tor öffnete. Die Datenbank war extrem gut abgesichert. In diesem Fall aber war der Zugriff durch die Polizei berechtigt. Gefahr war im Verzug beziehungsweise man konnte sicher davon ausgehen, dass der Bewohner des Anwesens aus irgendeinem, vielleicht lebensbedrohlichen Grund das Tor für die Polizeibeamten nicht freigegeben hatte.

Mit gezückten Waffen drangen die zwei Polizisten gezielt in eines der Büros ein, das den Server enthielt, der vom bestellten Kundendienst überprüft werden sollte. Das Tablet, das den Server steuerte, war aber nicht zu finden. Dafür fanden sie den Besitzer. Er lag hinter dem Schreibtisch. Sein Kopf unnatürlich stark zur Seite gedreht. Offensichtlich wurde ihm das Genick gebrochen.

Das Erstaunen der Polizeibeamten war groß! Sie waren an Verbrechen und demzufolge Leichen gewohnt, aber nicht in so einem Fall! NIE hatte ein Avatar ein solches Verbrechen begangen! Die Avatare galten als absolut sicher, in dem Sinne, dass ihre Programmierung zusätzlich zu den sorgfältig ausgesuchten menschlichen Charakteren ein verbrecherisches Verhalten ausschloss. Die menschlichen „Spender“, die noch vom Beginn des Jahrhunderts stammten, als Dolphin mithilfe der „Virtual Mental Timeshift Unit“ ihre Erinnerungen und Charaktereigenschaften gespeichert hatte, lebten nicht mehr und Dolphin hatte in einem äußerst zeitaufwändigen aber lohnenden Verfahren von den meisten Nachfahren die Rechte an diesen Daten erworben. Damit hatte sich der IT-Konzern die Möglichkeit gesichert, bei der Programmierung der Avatare jene Merkmale zu verwenden, die für bestimmte Aufgaben nötig waren. Der eingebaute Chip, der die Kontrolle über die ansonsten selbständig lebenden Avatare ermöglichte, enthielt alle gesetzlichen Vorschriften, die beachtet werden mussten.

Charles wusste, dass dies eine relativ ausweglose Situation war. Er hatte die Wahl zwischen zwei schlechten Varianten. Er hätte bei der Zentrale den Mord an seinem Klienten melden können, hätte dann aber folgerichtig auf die Polizei warten müssen und wäre auf jeden Fall in Gewahrsam genommen worden. Man hätte ihn deaktiviert und anhand des implantierten Chips den Vorgang rekonstruiert. Natürlich war er unschuldig und normalerweise hätte man das schnell festgestellt. Danach hätte man ihn reaktiviert und die Sache wäre für ihn erledigt gewesen. Aber konnte er sich da sicher sein?

In Sekundenschnelle hatte er begriffen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Das zu reparierende Tablet war verschwunden, aber es konnte sich nicht um einen einfachen Raubmord gehandelt haben. Weshalb hatte sich das Tor für ihn geöffnet? Nur der legitime Bewohner des Hauses konnte das so einrichten. Der Mörder besaß offenbar die Fähigkeit, diese Programmierung vorzunehmen. Sogar nachdem er das Haus verlassen hatte! Das war außergewöhnlich! Nicht einmal er selbst mit seinem umfangreichen Computerwissen wäre dazu in der Lage gewesen. Außerdem fehlte ihm ohnehin die Berechtigung dazu. Ein Mensch würde unvermeidlich Spuren hinterlassen. Nur ein Avatar war in der Lage, seine Spuren sicher zu verwischen. Aber Charles hatte noch nie gehört, dass ein Avatar gemordet hatte.

Über den Bewohner des Hauses wusste er nicht viel. Informationen darüber waren datenrechtlich strengstens geschützt. Vorbei waren die Zeiten, in denen man sich bei Google solche Informationen besorgen konnte. Nur das, was man als Privatperson selbst zuließ, konnte in Erfahrung gebracht werden. Auch Querverbindungen waren nicht zulässig. Das bedeutete aber nicht, dass man über dunkle Kanäle, Nachfolger des berüchtigten Darknets, nicht doch einiges erfahren konnte. Charles konnte es sich jedoch nicht leisten, diese Kanäle zu nutzen, denn in gewisser Hinsicht stand er ständig unter Kontrolle. Andererseits hatte er auch gar kein Interesse daran.

Alles, was er wusste, war, dass es sich wohl um einen Unternehmer handelte, der für seine Firma einen Server unterhielt. Diesen zu reparieren war auch der dringliche Auftrag gewesen, den Charles erhalten hatte. Das vornehme Anwesen deutete ebenfalls auf einen gewissen Wohlstand und damit auf ein bedeutenderes Unternehmen hin. Durch die Reparatur am Server hätte er diesbezüglich mehr erfahren, aber das war bei so einem Vorgang normal. Sein Vertrag enthielt eine generelle Verschwiegenheitspflicht. Und da man den Avataren deren Einhaltung eher zutraute als den Menschen, wurden vornehmlich erstere für solche Aufträge in Anspruch genommen.

Charles entschied sich für die zweite Variante. Erst einmal zu verschwinden. So als wäre er gar nicht dagewesen. Natürlich würde man ihn sofort mit dem Mord in Verbindung bringen, aber es gab die Chance, dass man seine Anwesenheit nicht nachweisen konnte. Er hatte nichts angefasst und so konnte man seinen künstlichen Fingerabdruck auch nicht finden. Zwar war es möglich, anhand der Torprogrammierung seinen erfolgten Zugang zum Haus zu rekonstruieren, aber er hoffte aufgrund sonstiger fehlender Beweise, dass die Ermittler deshalb Zweifel an seiner Anwesenheit bekamen. Seine Bewegungen über GPS zu erfassen war nach langem Kampf der Hilfsorganisation „Human Rights for Avatars“ kein Thema mehr. Und sollte die Zentrale das doch tun – Charles traute ihr grundsätzlich alles zu – wären solche Beweise nicht verwendbar.

Das einzige Problem war das Lufttaxi. So entschied er sich entgegen des Moralkodex‘, der ihm „innewohnte“, die Zentrale des Taxiunternehmens zu hacken und sich als Angestellter der Grosvenor Hall auszugeben samt fingierter Adresse, sowohl für den Hin- als auch den Rückflug. Er versprach sich indes selbst, diese Missetat wieder gutzumachen, indem er sein Fachwissen dazu nutzen wollte, diesen Fall nach Möglichkeit aufzuklären.

Mars, Avatar-Kolonie

Er war bereits lange unterwegs gewesen. Das machte ihm nichts aus. Er war gut aufgeladen. Er hatte es aber eilig. Die Ungeduld trieb ihn. Es ging ihm nicht schnell genug. Er wollte rechtzeitig da sein. Die Nachricht hatte ihn erreicht, als er gerade dachte, die Gefahr sei endgültig gebannt. Alle dachten sie so.

Aber die Observatorien meldeten eine erneute Annäherung. Sie glich der gerade abgewehrten Angriffswelle und deshalb wurde das Ereignis sofort als höchste Gefahr eingestuft. Dennoch wollte er sich vergewissern. Wollte es mit eigenen Augen sehen, auch wenn ihm bereits Fotos und Filmaufnahmen zugeschickt worden waren. Er wollte die Bewegung selbst sehen.

Fast fünfzig Jahre lang hatten sie sich in Sicherheit gewiegt. Und dann kam der Angriff. Plötzlich. Aus dem Nichts. Sie waren unvorbereitet gewesen. Zum Glück wurden sie von den Menschen gewarnt. Diese hielten den Raum um Saturn ständig unter Beobachtung. Jahrzehnte lang. Es entsprach deren Naturell, misstrauisch zu sein, und Jens musste zugeben, dass dies keine schlechte Eigenschaft war. Sie selbst hatten sie nicht. Zwar konnten sie sich im Laufe der Zeit durch die enge Zusammenarbeit mit den Menschen die Eigenschaft aneignen, die gewissermaßen das positive Spiegelbild von Misstrauen war: die Vorsicht. Aber nur mit Vorsicht allein hätten sie den Angriff der Graak nicht bemerkt.

Genauer betrachtet, war es gar kein richtiger Angriff gewesen. Während er regelmäßigen Schrittes vorankam, wobei das Ganze wegen der geringen Schwerkraft eher wie aneinandergereihte Dreisprünge aussah, erinnerte sich Jens …

„Galaxy Industries hat uns eine Warnung geschickt“, meldete Ashley völlig unaufgeregt. „Wie es aussieht, sind die Raumschiffe der Graak auf dem Weg ins innere Sonnensystem. In zwei, drei Sols könnten sie hier sein.“ Sie hatte wie immer die Ruhe weg, aus der sie niemand bringen konnte. Dafür war sie auch in der Lage, schneller als alle anderen zu reagieren. Als Jens noch überlegte, wie sie mit dieser Nachricht umgehen sollten, ergänzte sie:

„Ich habe Tony gebeten, die Vorbereitungen für die erste Verteidigungsprozedur einzuleiten. Ich hoffe, das war in deinem Sinne“.

„Natürlich“, gab Jens zurück, immer noch überrascht von dieser Meldung.

Anlässlich der mittlerweile zahlreichen Besuche der Menschen auf dem Mars, bei denen sie die Bodenschätze abholten, die die Avatare für sie abbauten, erfuhren die Avatare auch eine gründliche Einführung in die Kriegskunst, die sie nach Meinung der Menschen benötigten, um sich vor eventuellen Angriffen aus dem Weltraum zu schützen.

So wurden mit Hilfe der Menschen Beobachtungsposten eingerichtet, die mit Teleskopen das äußere Sonnensystem beobachteten, vor allem den Saturn. Das innere Sonnensystem, die Erde und deren Menschen, stellte für die Avatare nach der gemeinsamen Abwehr der Graak vor fünfzig Jahren keine Gefahr mehr dar. Diese Allianz beruhte auf Vertrauen, gewonnen aus grundlegenden Erfahrungen der Avatare mit den Menschen.

Die Beobachtungsposten waren aber nicht ständig besetzt und sollten nur bei Bedarf genutzt werden. Alles andere erschien den Avataren ineffektiv. Es gab genug andere Aufgaben, die sie im Allsol erledigen mussten: Das Weiterführen des Terraformings, mittlerweile auch die Herausfilterung von Sauerstoff aus der Kohlendioxid-Atmosphäre des Planeten, die ständige Umsetzung und Kontrolle der Energiegewinnung, solar oder durch die Herstellung von Hydrazin, die systematische Suche nach den Bodenschätzen, die für die Menschen wichtig waren. Ein mittlerweile umfassender Vertrag regelte dies. Als Gegenleistung erhielten die Avatare regelmäßig Bevölkerungszuwachs. Mittlerweile wiesen sie eine Population von knapp 1.500 Avataren aus. Um die 1.200 Avatare, deren Berufe und Charaktere nach den Wünschen der Marsianer ausgesucht wurden, hatten die ursprünglichen Avatare ergänzt. Dolphin wurde diesbezüglich von Galaxy Industries bezahlt, für die sich das Geschäft durch den Abbau der Bodenschätze mehr als lohnte.

Die seit langem gespeicherte Verteidigungsprozedur sah vor, die fremden Objekte per Teleskop zu orten, ihre Bewegungen zu verfolgen und in der Zwischenzeit die Waffen aufzustellen. Dazu gehörte die Positionierung der schweren Artillerie, besonders geeignet, Landungs-schiffe zu beschießen, und die Verteilung der Handfeuerwaffen. Zu diesem Arsenal gehörten neben den alten Maschinenpistolen, die sich schon im ersten Graak-Krieg nicht nur wegen des Lärms, den sie verursachten, bewährt hatten, moderne Handfeuerwaffen, die Lasertechnologie anwandten.

Tony war in der Zwischenzeit für sehr vieles zuständig. Immer wenn es galt, ein neues Projekt anzuführen, brachte er es fertig, sich an dessen Spitze zu stellen. Er war sehr aktiv und hatte gerne das Sagen, womit er immer wieder in Konkurrenz zu Jens geriet. Mit der Zeit gab er sich aber offenbar mit der Rolle als „Nummer Zwei“ zufrieden. Jens war inzwischen unbestritten die Nummer Eins unter den Avataren, ohne dass er jemals dazu gewählt worden wäre. Die Hierarchie in der basisdemokratisch geführten Gesellschaft der Avatare war unausgesprochen, erwies sich aber aus organisatorischen Gründen erstens als notwendig, um die mannigfaltigen Arbeiten zu steuern, und ergab sich zweitens aus der Kompetenz der Führenden, die unwidersprochen von allen akzeptiert wurden.

Es wurde aber auch nicht viel darüber nachgedacht. Die Avatare hatten sehr viel Menschliches in ihrem Denken, Verhalten und Tun. Ihre roboterhafte Seite führte allerdings auch zu einem automatisierten Verhalten, das nicht ständig hinterfragt wurde.

Tony koordinierte und überwachte die Organisation der Verteidigung, inspizierte jeden aufgestellten Posten und vergewisserte sich, dass die gespeicherten Vorgehensweisen eingehalten wurden.

Die drei Teleskope, die ihnen im Laufe der Zeit von den Menschen geliefert wurden, so verteilt auf dem Planeten, dass der Saturn mit seinem Mond Titan, wo man die Graak immer noch vermutete, jederzeit beobachtet werden konnte, wurden besetzt und so war in kürzester Zeit alles bereit für die Verteidigung.

Es befanden sich gerade keine Menschen auf dem Planeten, die in letzter Zeit neben Gesteinsschichten reich an Carbonat auch Lithium, Kobalt und Nickel in Empfang nahmen. Zutage gefördert wurden die Bodenschätze vertragsgemäß von den Avataren selbst. Jens hatte das unbestimmte Gefühl, dass der bevorstehende „Besuch“ der Graak nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt stattfand.

Die von Tony getroffenen Vorbereitungen waren perfekt. Da laut der vorhandenen taktischen Pläne vorhergesagt wurde, dass die Landungsschiffe der Graak in einem gewissen Abstand zur „Stadt“ niedergehen würden, wurde die schwere Artillerie einige hundert Meter weit in der flachen Ebene aufgestellt.

Im Unterschied zum Angriff vor fünfzig Jahren setzten nicht nur sieben Schiffe zur Landung an, sondern unzählige mehr. Im Nachhinein zählten sie allein am Boden vierzehn zerstörte Landungsschiffe neben denen, die bereits vor der Landung getroffen wurden und von denen nur noch Wrackteile umherlagen. Die Marsbewoh-ner machten sich nicht die Mühe, diese zusammenzusetzen, um eine Anzahl festzustellen. Es war nicht ihre Art.

Aber mehr geschah dann auch nicht. Die Graak zogen sich mit ihren riesengroßen Raumschiffen zurück. Keine nennenswerte Gegenwehr, kein Beschuss aus dem All, zu dem sie nach Einschätzung der Menschen auf der Erde durchaus in der Lage hätten sein müssen. Wer in 400 Jahren von einem Sonnensystem ins nächste fliegen kann und in fünf Tagen (ob Marssols oder Erdentage) vom Saturn zum Mars, sollte in der Lage sein, Weltraumwaffen abzuschießen.

Gut, die Graak wollten die Marsbewohner lebendig haben, das heißt, sie wollten sich der Avatare bemächtigen, um ihr eigenes Überleben zu sichern, indem sie mit ihnen die nötige physische und geistige Symbiose eingingen. Aber dann weshalb der usurpatorische Akt der Landung wie vor fünfzig Jahren? Hatten sie aus dem letzten Krieg nichts gelernt? Die Logik der Graak erschloss sich weder den Avataren noch den Strategen auf der Erde.

Nach nur wenigen Stunden erreichte Jens die Station Marsia 3, die entfernteste ihrer Beobachtungsposten. Er hatte es abgelehnt, vom Transportschiff abgeholt zu werden, dem busähnlichen Fluggerät, das sie auf dem Mars vorgefunden hatten und dessen Funktionsweise sie immer noch nicht nachvollziehen konnten. Das Prinzip des Gravitationsantriebs war ihnen zwar bekannt, aber wie es wirklich funktionierte, wussten nur die Graak, die es ursprünglich auf den Mars gebracht hatten. Die Kristalltechnologie, die hier Anwendung fand wie auch beim Terraforming, war ebenfalls eine dieser technologischen Geheimnisse der Graak.

Tony flog ständig mit dem „Flugbus“ hin und her in seiner Funktion als Koordinator der Verteidigung, die gerade gefragt war. Jens wusste, dass es Tony durchaus schmeichelte, wenn man ihm dieses Privileg überließ.

Außerdem ging er selbst diese langen Wege gerne „zu Fuß“. Er hatte gemerkt, dass im Laufe der Zeit die Beweglichkeit seines Androidenkörpers nachließ. Immer öfters verspürte er Blockaden im Bewegungsapparat, die Menschen durchaus als „Schmerzen“ bezeichnen würden. So nutzte er jede Gelegenheit, sich zu bewegen. In gewisser Hinsicht war ihm das sehr vertraut, denn sein menschliches Pendant, von dem er das Vorleben geerbt hatte, war sportlich sehr aktiv gewesen, einschließlich regelmäßiger Joggingrunden. Und er wollte es vermeiden, nach dem Privileg eines neuen Androidenkörpers zu verlangen. Man würde es ihm nicht verweigern, aber er hatte es jahrzehntelang unterlassen, sich Vorteile gegenüber den Anderen zu verschaffen. Das wollte er dabei belassen.

Dadurch begann er aber langsam zu verstehen, weshalb die Graak so beharrlich versuchten, sich der Marsavatare zu bemächtigen. Ihre Androidenkörper verfielen unweigerlich nach so vielen Jahrhunderten im Weltraum. Und den Plan, sich fertiger Avatare mit menschlichen Eigenschaften zu bedienen, hatten sie von Anfang an verfolgt.

Als sein menschliches Pendant, Jens Nowak, noch lebte, verbrachten sie lange Stunden mithilfe der Radioverbindung, die Ashley entwickelt hatte, über dieses Thema zu philosophieren. Wobei sie ein Gesprächssystem nutzten, bei dem sie reihum Thesen formulierten und erläuterten, bevor nach ca. sieben Stunden die Antwort eintraf. Dabei waren sie sich einig gewesen, dass die Graak gewiss keine aggressive Rasse waren. Mit ihrer fortschrittlichen Technologie hätten sie sich längst die Erde vornehmen und einen Teil der Menschen versklaven können, wie sie es seinerzeit mit dem Dolphin-Boss und den Robinsons, den Programmierern, getan hatten. Sie hatten es aber vorgezogen, mit einer aus ihrer Sicht nicht gelungenen List, sich nur menschlicher Charaktere in Androidenkörper bemächtigen zu wollen, deren Bauanleitung sie selbst auf die Erde gebracht hatten. Letztendlich hatten sie aber die Avatartechnologie den Menschen überlassen müssen. Und diese hatten ihre Algorithmen geknackt. Davon gingen sie zumindest aus.

Der neue Plan der Graak erschien Jens deshalb recht einfallslos. Weshalb diese kriegerischen Angriffe auf den Mars? Die Graak hatten schwere Verluste hinnehmen müssen. Und wozu? Sie brauchten die Avatare „lebendig“, also funktionsfähig. Krieg war hier nicht die richtige Taktik! Jens geriet jedes Mal ins Grübeln, wenn er daran dachte. Seit Jens Nowaks Tod konnte er sich nur mit Evelyn darüber austauschen. Sie waren sich einig, dass die Graak im Endeffekt nicht so dumm sein konnten, dieser Taktik treu zu bleiben. Sie mussten sich doch etwas anderes einfallen lassen!

Erde

Mfjwz’j kfedr‘?

„Wer hat den Befehl gegeben?“

Jv‘BORH‘ or‘.

Seine Heiligkeit

selbst.“

Kv eronvs‘ brdfe‘.

„Phase 4 beginnt.“

Wz’g?

„Überall?“

Wz’g!

„Überall!“

***

Detective Inspector Michael Barns beugte sich über den Bericht der Flugstreife 5 des Scotland Yard-Kommissariats City of Westminster. Zunächst ärgerte er sich, als er die Zeilen las. Es gab genaue Vorschriften, wie ein Bericht auszusehen hatte. Persönliche Anmerkungen oder Vermutungen waren nicht angebracht, um die Unvoreingenommenheit der nächsten behördlichen Stufe nicht zu beeinflussen.

Aber in diesem Fall konnte er den Streifenbeamten verstehen. Er hatte seinen Bericht mit dem Ausruf beendet: „Ein Avatar kann doch keinen Mord begehen!“ Unzulässig so etwas, dachte Michael! Eine Rüge wäre das Mindeste, was er hätte aussprechen können. Aber er tat es ausnahmsweise nicht.