Die Rückkehr der Lebenspflückerin - Regine Kölpin - E-Book
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Die Rückkehr der Lebenspflückerin E-Book

Regine Kölpin

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Beschreibung

Die friesische Saga geht weiter.

Im Frühling des Jahres 1550 kehrt die schwangere »Lebenspflückerin« Hiske an der Seite ihres Mannes, des Arztes Jan Valkensteyn, nach Jever zurück. Ihre alte Freundin, die Duuvke Anneke Hollander, fürchtet um ihr Leben, weil sie Augenzeugin eines Mordes geworden ist. Kurz vor dem Eintreffen der beiden wird noch ein weiterer Mann tot aufgefunden. Besteht am Ende ein Zusammenhang zwischen den Morden und der beständig voranschreitenden Reformation? Das Jeverland ist schließlich dem katholischen Kaiser als burgundisches Lehen verpflichtet. Oder ist es womöglich die Absicht der Ostfriesen, Unfrieden zu stiften, um endlich das Land für sich einzunehmen? Jan und Hiske suchen fieberhaft nach Verbindungen zwischen den Toten, bis Hiske schließlich selbst in große Gefahr gerät und dabei sogar das Leben ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel setzt ...

Vierter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.

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Über das Buch

Die friesische Saga geht weiter Im Frühling des Jahres 1550 kehrt die schwangere »Lebenspflückerin« Hiske an der Seite ihres Mannes, des Arztes Jan Valkensteyn, nach Jever zurück. Ihre alte Freundin, die Duuvke Anneke Hollander, fürchtet um ihr Leben, weil sie Augenzeugin eines Mordes geworden ist. Kurz vor dem Eintreffen der beiden wird noch ein weiterer Mann tot aufgefunden. Besteht am Ende ein Zusammenhang zwischen den Morden und der beständig voranschreitenden Reformation? Das Jeverland ist schließlich dem katholischen Kaiser als burgundisches Lehen verpflichtet. Oder ist es womöglich die Absicht der Ostfriesen, Unfrieden zu stiften, um endlich das Land für sich einzunehmen? Jan und Hiske suchen fieberhaft nach Verbindungen zwischen den Toten, bis Hiske schließlich selbst in große Gefahr gerät und dabei sogar das Leben ihres ungeborenen Kindes aufs Spiel setzt.

Vierter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.

Über Regine Kölpin

Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren und wuchs die ersten Jahre ihrer Kindheit auf einem alten Rittergut „Hof Hirschberg“ bei Großalmerode auf. Seit ihrem 5. Lebensjahr lebt sie an der Nordseeküste in Friesland. Die mehrfache Spiegel-Bestsellerautorin schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Ihre Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie über 200 Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist mit dem Musiker Frank Kölpin verheiratet. Sie haben fünf erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf in Küstennähe. In ihrer Freizeit verreisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen.

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Regine Kölpin

Die Rückkehr der Lebenspflückerin

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Historisch verbürgte Personen

Erfundene Personen

Jever, Januar 1550

1. — Zwei Monate später in der Herrlichkeit Gödens

2.

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18.

Eine Woche später

Historische Grundlagen des Romans 1550

Glossar

Literaturhinweis/Quellen:

Danke für die Hilfe bei der Recherche an:

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Impressum

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Regine Kölpin, geb. 1964 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen), lebt seit ihrer Kindheit in Friesland an der Nordsee. Sie schreibt für namhafte Verlage (auch unter Franka Michels) Romane und Kurztexte und war mehrfach auf der Spiegel-Bestsellerliste zu finden. Regine Kölpin hat einige Auszeichnungen erhalten. Unter anderem den Bronzenen Homer 2020 (mit Gitta Edelmann), den Titel Starke Frau Frieslands 2011, das Stipendium Tatort Töwerland 2010 u.v.m. Mit ihrem Mann Frank Kölpin lebt sie in einem kleinen idyllischen Dorf an der Küste. Dort konzipieren sie gemeinsam Musik- und Bühnenprojekte und genießen ihr Großfamiliendasein mit fünf erwachsenen Kindern und mehreren Enkeln oder lassen sich auf ihren Reisen mit dem Wohnmobil zu Neuem inspirieren.

Mehr Infos unter: www.regine-koelpin.de

Historisch verbürgte Personen

Maria von Jever

Maria von Jever war die damalige Herrscherin über Jever und das Jeverland. Sie hatte die schwere Aufgabe, das Land gegen die Ostfriesen zu verteidigen. Dazu verbündete sie sich u. a. mit Kaiser Karl V. und machte Jever zu einem burgundischen Lehen. Dennoch gab es immer wieder Versuche von Seiten der Ostfriesen, Maria das Jeverland abspenstig zu machen, indem Gräfin Anna von Ostfriesland beispielsweise versuchte, den 1540 ausgehandelten Vertrag als nichtig zu erklären.

Maria von Jever hat für ihre Stadt viel getan. Sie gab Jever das Stadtrecht, sie ließ die Lateinschule (heute Mariengymnasium) bauen, baute die Burg zu einer vierflügeligen Anlage um, erbaute das Renaissance-Grabmal Edo Wiemkens, sorgte für eine Wasserversorgung der Stadt und vieles mehr. Maria von Jever gilt als kluge und umsichtige Herrscherin ihrer Zeit. Man sagt ihr weiterhin nach, sie sei »wie eine Kluckhenne für ihre Küken« gewesen.

Remmer von Seediek

Kanzler von Fräulein Maria. Hat schon früh den reformatorischen Grundgedanken in sich getragen. Er schaffte es, die Reformation behutsam in Jever umzusetzen. Endgültig bekannte sich Fräulein Maria aber erst fünf Jahre nach seinem Tod als evangelische Landesherrin.

Jacobus Franckenberg

Hofkaplan bei Fräulein Maria. War ein sehr fleißiger, aber kein studierter Geistlicher, weshalb er vermutlich nie ein eigenes Kirchspiel bekam, was ihn sehr gekränkt hat. Jacobus Franckenberg hat Jever deshalb später verlassen.

Edo Boing von Oldersum und Gödens, »Kind Jevers«

Er wurde vermutlich 1527/1528 in Gödens geboren, als Sohn von Hebrich von Knyphausen und Haro von Oldersum. Es ist möglich, dass er der Zwillingsbruder von Hyma von Oldersum war, er gilt aber auf jeden Fall als der älteste Sohn des Häuptlingspaares. Er verbrachte einige Zeit zur Ritterausbildung in Jever bei Fräulein Maria und seinem Onkel Boing von Oldersum. Maria hatte eine enge Bindung zu ihm. 1541 holte Hebrich ihn aber fort, weil er eine weitere Ausbildung erhalten sollte. Er ging 1545 zum Studium nach Wittenberg und war später Häuptling von Gödens. Er starb 1552.

Boing von Oldersum

Drost von Jever. Er war Marias Verlobter, starb aber bereits 1540 bei der Belagerung von Wittmund. Er vertrieb, obwohl von den Ostfriesen eingesetzt, 1531 die Ostfriesen aus Jever und stand von dem Tag an fest an Marias Seite. Er galt als stattlicher und attraktiver Mann.

Hyme und Almet

Zwei der Zauberei angeklagten Frauen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sind. Hyme soll versucht haben, Boing von Oldersum zu verzaubern, um ihn Maria abspenstig zu machen. Almet soll verschiedener Zauberpraktiken mächtig gewesen sein. Hyme starb am 1.9.1542 und Almet am 20.6.1543 auf dem Scheiterhaufen.

Bedecker

Er war als Dieb in Jever bekannt und wurde am 14.6.1550 wegen Einbruchs und Diebstahls mit dem Schwert hingerichtet.

Gerhardus Wandscher

Pfarrer in Jever, starb 1549. War einer der Reformationsbefürworter, allerdings ein Lehrer der alten Schule. Auf seine Stelle hoffte Jacobus Franckenberg.

Jacobus Cornicius

Emder Stadtarzt. War als Humanist und Naturwissenschaftler aktiv und ein Verfechter der Reformation. Verdingte sich u. a. als Leibarzt am Ostfriesischen Hof.

Hinrich Krechting

Jurist und rechte Hand von Hebrich von Knyphausen. War früher in Münster der Kanzler des Täuferführers Jan van Leyden.

Hebrich von Knyphausen

Häuptlingswitwe in Gödens.

Erfundene Personen

Hiske Valkenstijn

Die Lebenspflückerin, früher Hiske Aalken. Hat Jan inzwischen geheiratet. Eine aus Jever stammende Hebamme, die eine Zeit in Gödens verbrachte. Wurde in Jever 1544 der Zauberei angeklagt und konnte fliehen.

Jan Valkenstijn

Arzt aus Amsterdam. Nach zähem Ringen um ihre Liebe hat er Hiske 1549 geheiratet.

Anneke Hollander

Duuvke aus Gödens, nach Jever geflüchtet.

Der Wortsammler

Geistig zurückgebliebenes Ziehkind von Hiske.

Hajo

Gassenjunge in Jever, der neue Freund vom Wortsammler.

Theda, Zofe Marias

Ist für Fräulein Maria wie eine Tochter.

Keno Ockenga

Blaufärber in Jever.

Frankus Trinitatis

Waidhändler aus Erfurt.

Sarina Trinitatis

Ehefrau von Frankus.

Thilman Markfeld

Wassermüller aus dem Hessischen.

Vinzenz Markfeld

Thilmans Vater.

Popko Beninga

Wachmann Fräulein Marias und überzeugter Katholik.

Tammo Ibben

Sohn des Schmieds Frerich Ibben.

Frerich Ibben

Schmied in Jever.

Mieke van der Buer

Zukünftige Ehefrau von Tammo Ibben.

Tjard von der Weiden

Weser-Skipper.

Hein

Weser-Skipper.

Jutta Markfeld

Thilmans Schwester.

Wiegand von dem Brooke

Schüler von Jacobus Franckenberg.

Bauer Wilkens

Bauer im Jeverland.

Tido Wenninga

Erster Besitzer von Anneke. Kommt aus Bremen

Jever, Januar 1550

Es war kalt, der Himmel spie einen weiteren kräftigen Schneeschauer auf die Stadt und bedeckte Unrat und Schlamm in den Gassen. Doch schon bald würde sich beides wieder von unten durch das Weiß fressen. Es war kein Schnee, der rasch wieder gehen würde, schon viel zu lange hielt der Frost das Land in seinem Arm, und es sah keineswegs danach aus, als würde er den Griff lockern wollen. Anneke Hollander hatte sich das Tuch fest ins Gesicht gezogen, als sie Jever durchquerte. Ein wollener Schal bedeckte ihr auffälliges rotblondes Haar. Keno Ockenga, ihr Herr, hatte sich ein Huhn zum Abendessen gewünscht, und es war nun an ihr, dafür zu sorgen, dass eines im Topf über dem Feuer kochte, wenn er aus der Färberei kam. Es galt also, sich zu sputen: Keno Ockenga konnte sehr ungehalten werden, wenn sie nicht spurte.

Anneke hatte gehört, dass es bei Bauer Wilkens, dessen Gehöft am Stadtrand hinter dem Kalkberg lag, noch Hühner zu kaufen gab, denn die Vorräte schrumpften in Zeiten wie diesen, wo die Wege zugeschneit und die Gewässer zugefroren waren. Selbst die Heringe waren knapp geworden.

Sie betrat den Hof und trug ihr Anliegen vor.

»Erst das Geld!« Auffordernd reckte sich ihr eine dicke Pranke entgegen.

Anneke öffnete die Handfläche, wo sie ein paar Oertjen aufbewahrt hatte. Bauer Wilkens, der mit einem dicken Fellmantel bekleidet war und auf seinem Kopf einen hohen, schwarzen Hut mit Stirnkrempe trug, griff nach dem Geld und winkte die junge Frau nach hinten durch. Sein Gang war in den klobigen Stiefeln laut, als er über den Lehmfußboden in den Stall voranging. Anneke fürchtete den kräftigen Mann, der bekannt dafür war, von seiner Kraft Gebrauch zu machen, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Alles kuschte vor ihm, denn er galt als einer der reichsten Bauern im Jeverland.

Sein Hühnerstall war tatsächlich gut gefüllt: Schon von Weitem ertönte lautes Gegacker, und in Annekes Nase zog der typische Geruch nach Hühnerkot. Als der Bauer die Tür öffnete, vermehrte sich das Getöse, ein paar Hühner flogen vor Aufregung ein Stück in die Höhe. Andere pickten und hackten nach ihrem Nachbarn. Bauer Wilkens würde auch weiterer Frost nicht darben lassen.

Er blickte sich kurz um, packte eine braune Henne, die sich gackernd und strampelnd zu befreien versuchte. Er schleuderte sie ein paarmal an den Beinen durch die Luft, bis das Gackern verstummte. »So können wir ihr gleich den Kopf abschlagen, ohne dass sie aufmuckt«, grummelte er, schob Anneke beiseite, verließ den Hühnerstall und ging zu einem Hauklotz, in dem ein Beil steckte, an dem noch getrocknete Blutreste zu erkennen waren.

Das Huhn hing schlaff in seiner mächtigen Pranke. Mit einem gezielten Schlag beförderte der Bauer das Tier endgültig ins Jenseits und hängte es an den Füßen mit dem Kopf nach unten auf. Anneke wartete, bis das Huhn ausgeblutet war, wickelte es in ein Tuch und stopfte es in ihr Bündel. Besser, man trug einen solchen Reichtum nicht offen zur Schau.

Ausnehmen würde sie es zu Hause, dann konnte sie morgen aus den Innereien und den Knochen noch eine schmackhafte Suppe herstellen. Mit etwas Glück fiel schon jetzt zumindest ein bisschen Brühe, vielleicht sogar ein kleines Stück Fleisch, für sie ab. So kräftig Keno beim Essen zulangte, ganz schaffte auch er eine fette Henne nicht.

Anneke verabschiedete sich rasch von dem Bauern und stapfte los. In den Gassen Jevers war es nun, allein der Kälte wegen, merklich ruhiger als auf dem Hinweg. Der Schnee hatte alle Spuren mittlerweile gnädig verdeckt, und die dichten Wolken hatten sich zurückgezogen, sodass die Stadt jetzt in friedlichem Weiß schimmerte. Es war totenstill, kein Laut störte die winterliche Stille.

Anneke freute sich auf die warme Küche, in der gleich ein Feuer Wärme spenden würde, bevor sie sich in ihre kalte, nicht heizbare Gesindekammer zurückziehen musste. Aber jemand wie sie durfte keine Ansprüche stellen. Sie konnte froh sein, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Auch wenn der Preis hoch war, den sie dafür als Magd von Keno Ockenga zu zahlen hatte.

Anneke stapfte mit gesenktem Kopf weiter, damit sie die beißende Kälte nicht direkt abbekam. Sie zerrte das Tuch noch tiefer ins Gesicht, doch es war dünn und von Motten zerfressen, sodass es keinen wirklichen Schutz bot. Plötzlich verharrte sie. Erst konnte sie nicht sagen warum, doch der vermeintliche Friede täuschte. Ihr war, als hätte sie einen Schrei gehört. Der klare Winterabend, der weiße Schnee … eine scheinbare Idylle, doch ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes.

Anneke hatte in ihrem kurzen Leben viel mitgemacht und kannte die Hölle auf Erden. Sie wusste, dass das Fegefeuer auf Erden viel schlimmer und grausamer war als alles, was nach dem Tod kommen mochte. Sie schaute sich vorsichtig um, horchte in den Abend, ob sie ein weiteres ungewöhnliches Geräusch ausmachen konnte, doch da war nichts. »Du bist eine dumme Gans«, schalt sie sich selbst. »Was auch immer du gehört haben willst: Hier ist nichts!«

Anneke beschleunigte ihren Schritt. Bloß weg hier! Ihr wurde vom schnellen Gehen warm. Doch dann hielt sie erneut inne, denn sie hatte eine Bewegung am Ende der Straße wahrgenommen. Eine dunkle Gestalt, mächtig und groß. Der Körper war unter einem schwarzen Umhang verborgen, nur hin und wieder blitzten helle, enge Beinlinge darunter hervor. Der Mann schleppte einen Menschen, der sich nicht wehrte, sondern lediglich zwei Furchen mit den Fersen im Schnee hinterließ. Die Gestalt verschwand mit ihrer Last rechts in einer Gasse. Genau diesen Weg musste Anneke gehen, um zurück zur Blaufärberei zu gelangen.

»Ich will ihm keinesfalls begegnen, und ich will schon gar nicht wissen, wen er durch die Gassen schleppt. Und auch nicht, warum«, murmelte Anneke, verstummte aber, denn die Worte hörten sich in den stillen Abendstunden viel zu laut an. Sie blieb stehen und wartete ab, ob der Mann verschwunden blieb. Erst dann wollte sie weitergehen.

Kurz darauf trat die dunkle Gestalt tatsächlich wieder zwischen den Häuserzeilen hervor. Sie prüfte die Umgebung. Ihr letzter Blick ging in Annekes Richtung. Sich nun in einen Hauseingang zu ducken, war zu spät. Warum hatte sie sich nicht zuvor versteckt? Anneke zog geschwind das Tuch noch fester um den Kopf. Der Mond schien mittlerweile hell und ließ ihr rötliches Haar aufleuchten. Sekundenlang standen sie nicht weit voneinander entfernt und taxierten einander. Dann erwachte Anneke aus ihrer Erstarrung, zog sich nun doch in einen Hauseingang zurück und ging in die Hocke. Das ist alles viel zu spät! Er hat dich längst gesehen, hämmerte es durch ihren Kopf.

Dennoch wartete sie, bis sie sicher war, dass der Mann ihr nicht hinterherkam. Als Anneke nach einer Weile vorsichtig und mit eiskalten Gliedern aus ihrem Versteck herauskroch, war er verschwunden. Sie überlegte, einen Umweg zu machen, aber der würde sie außerhalb der Wallanlagen vorbeiführen. Das war gefährlich, dort lungerten oft zwielichtige Gestalten herum, denen Anneke im Dunklen lieber nicht begegnen wollte. Und die sicher gefährlicher waren als der eine Mann, der vermutlich längst verschwunden war. Es reichte Anneke, dass sie das letzte Stück des Weges außerhalb der Wallanlagen entlanggehen musste, denn die Blaufärberei von Keno Ockenga lag an einem kleinen Tief.

Anneke scheute nicht nur die Gefahr, sondern auch den erheblich längeren Fußmarsch. Zum einen war es bitterkalt, zum anderen wartete Keno Ockenga auf sein Abendmahl. Sie wollte seinen Zorn nicht entfachen. Erst letzte Woche war das Bein seines Schemels zu Bruch gegangen, als er ihn auf Annekes Rücken hatte tanzen lassen. Unwillkürlich tastete sie nach den blauen Flecken. Seine Übergriffe wurden immer heftiger, er wirkte oft geradezu beseelt, wenn er Anneke mal wieder geschlagen und vergewaltigt hatte. Von daher war es besser, ihn nicht zu verärgern. Es half nichts, sie musste den Weg durch die Gasse nehmen.

»Sicher war es nur ein Betrunkener, den er vom Wirtshaus aus nach Hause gebracht hat«, flüsterte Anneke. Sie wusste, dass es nicht so war, aber mit etwas Glück konnte sie an allen Geschehnissen, wie auch immer sie geartet waren, einfach vorbeihuschen und zu Hause rasch das Abendessen vorbereiten, als sei rein gar nichts geschehen. Sie war ohnehin viel zu spät dran, weil sie wegen der vielen Arbeit nicht so früh aus der Blaufärberei hatte verschwinden können, wie es nötig gewesen wäre, um ein Huhn zu kaufen und rechtzeitig ein schmackhaftes Essen zuzubereiten.

Anneke tastete sich vorsichtig noch ein Stück vor, aber der Mann war wirklich nirgendwo zu sehen. Der frisch gefallene Schnee knirschte unter ihren Füßen, als sie in die Gasse einbog. Schon nach ein paar Schritten wusste sie, dass der Mann keinen Betrunkenen abgeliefert hatte. Der Geruch von Blut zog augenblicklich in ihre Nase und vermischte sich mit dem des Rauchs, der in feinen Schwaden um die Häuser zog. Anneke stapfte weiter, bemüht, weder nach rechts noch nach links zu schauen, aber es war unmöglich, den Toten nicht zu beachten. Zwischen zwei eingeschossigen Häusern lag ein Mann, der in einen dunklen Umhang gehüllt war. Unter seinem Kopf hatte sich eine dunkle Lache in den weißen Schnee gefressen, sein Hals war mit einem einzigen sauberen Schnitt durchtrennt.

Anneke wollte fliehen, einfach vergessen, doch sie war nicht in der Lage, auch nur einen Schritt weiterzugehen, und starrte auf den toten Mann, dessen Gesicht sie erkannte. Es war einer ihrer Kunden, der Pastorenanwärter Wiegand von dem Brooke. Ein junger Mann, der sein erstes Mal mit einer erfahrenen Frau hatte erleben wollen, damit er in seiner Ehe, die bald anstand, nicht als Döskopp dastand, der von nichts eine Ahnung hatte. Er hatte sich ungeschickt angestellt, und es hatte Anneke einige Mühe gekostet, ihn in die Geheimnisse der Liebe einzuweihen. Nun würde er das mit seiner Ehefrau nicht mehr erleben. Anneke sah sich hastig um. Nach einer Weile beruhigte sich ihr Herzschlag. Es war schließlich nicht der erste Tote, dem sie in die starren Augen blicken musste. Sie hatte weitaus Schlimmeres erlebt. Es war das Beste, einfach zu verschwinden, gerade und vor allem, weil ihr der Mann nicht unbekannt war. Wobei sie leider viele Männer Jevers kannte. Sie war eine Duuvke, auch wenn sie Ockenga gehörte. Doch der gab ihr oft nicht genug zu essen, sodass sie ihre Beine für ein Stück Brot woanders spreizen musste. Aber sie war nicht nur eine Hure. Sie war auch Mennonitin, und das im katholischen Jever, galt als Ketzerin. Es gab zwar reformatorische Strömungen, aber die Täufer waren nicht wohlgelitten, wurden allenfalls geduldet, solange sie sich ruhig verhielten. Es war also wirklich besser, nicht aufzufallen. Womöglich wurde sie gar als Zauberin angeklagt. Wie schnell waren sie mit ihren Beschuldigungen dabei! Mord. Totzauberei. Und das bloß, weil sie den Toten gefunden hatte. Es war das Beste, jetzt die Beine in die Hand zu nehmen und sich davonzumachen.

Anneke rannte los. Als sie um die Ecke bog, glaubte sie, in einem Hauseingang in ein Paar düstere Augen zu sehen, aber vermutlich war das ihrer großen Angst geschuldet. Atemlos kam sie in der kleinen Blaufärberei an und schlug die Tür hinter sich zu. Sie war entkommen.

1.

Zwei Monate später in der Herrlichkeit Gödens

Der Wind pfiff ums Haus und ließ die kleine Kate wackeln. Durch alle Ritzen drang ein feiner Zug. Die Hebamme Hiske Valkenstijn legte Torf nach und wickelte sich ein wollenes, rotes Tuch um die Schultern. Es war wirklich bitterkalt, egal wie kräftig sie das Feuer auch schürte. Es sollte, nach Hinrich Krechtings Aussage, der letzte Winter sein, den sie in der Kate verbringen mussten, aber der Bau der Neustadt stagnierte wegen der kalten Jahreszeit. Hiske befürchtete, dass sie also einen weiteren Winter in der Kate, die weitab des Ortes lag, verbringen mussten. Krechting und die Neustädter würden sie wieder vertrösten, so wie schon im vergangenen Jahr, als ihnen der Nordweststurm das halbe Dach weggerissen und Jan es nur notdürftig wieder geflickt bekommen hatte. Nun, immerhin hatten sie ein Heim! Bald würde Tauwetter einsetzen, die Temperaturen am Tag pendelten sich schon oft oberhalb der Frostgrenze ein. Der nahende Frühling aber vereinfachte das Leben nicht grundsätzlich. Die Schneemassen der letzten Wochen forderten ihren Tribut und verwandelten alle Zuwegungen in rutschige Schlammlöcher, vor allem, wenn noch Regen hinzukam. Es war besonders beschwerlich, wenn Hiske es eilig hatte, weil ein Kind in der Neustadt auf die Welt kam. Da halfen nur ihre Holzschuhe, die ein tiefes Einsinken im Morast verhinderten.

Hiskes Blick wanderte zum Küchentisch. Der Brief, den Krechting vorhin von der Burg Gödens mitgebracht hatte, lag unverändert auf der Holzplatte, wirkte wie eine Provokation, von der sie nicht wusste, ob sie sie annehmen sollte oder nicht.

Ihr Mann, der Arzt Jan Valkenstijn, hatte ihn dorthin gelegt, nachdem er ihn zuvor ausgiebig und mit gerunzelter Stirn studiert hatte. Nun stand er schweigend und mit einem unergründlichen Blick am Fenster. Er starrte hinaus, als könne er dort die Antwort finden, nach der er offenbar suchte. Seine ganze Haltung machte deutlich, dass er nicht wusste, wie er seiner Frau den Inhalt erklären sollte.

»Er ist von Anneke«, stieß Jan schließlich hervor.

»Von Anneke?«, fragte Hiske nach. Sie wollte sichergehen, dass sie sich nicht verhört hatte.

»Ja«, bestätigte Jan knapp.

»Was steht in dem Brief?«, fragte Hiske, als sie die ungesagten Worte, die wie giftige Dämpfe zwischen ihnen hingen, nicht länger ertrug. Da Jan nicht sofort antwortete, stocherte sie, um irgendetwas zu tun, mit dem Schürhaken in der Glut. Die Funken stoben heftig auf.

»Lies selbst!« Jan deutete auf den Tisch. »Ich kann es schlecht erklären. Das Geschriebene ist allerdings schwer zu lesen, Anneke ist der Schriftsprache kaum mächtig.«

»Sie hat das Schreiben doch damals von dieser Amilia gelernt«, sagte Hiske, aber ihr Mann winkte ab. »Vermutlich hat sie ihr Wissen zu selten angewendet. Man kann zwar verstehen, was sie meint, aber ihre Buchstaben sind ein einziges Gekrakel. Oder sie hat es doch nur halbherzig beigebracht bekommen. Welches Weib ist schon der Schrift kundig? Außer dir«, fügte Jan mit einem liebevollen Blick zu seiner Frau hinzu.

Hiske zuckte mit den Schultern. Sie war müde, hatte sie doch gestern in der Neustadt gleich zwei Kindern auf die Welt helfen müssen. Es waren schwere Geburten gewesen, die sich beide lange hingezogen hatten. Erschöpft hatte sich Hiske auf den Weg gemacht und sich durch den Matsch zurück nach Hause gequält. Einmal war ihr der Holzschuh vom Fuß gerutscht und sie war bis zum Knie eingesackt. Ihre Wollstrümpfe trockneten noch immer neben dem Feuer, weshalb sie kalte Füße hatte, denn ein weiteres Paar besaß sie nicht. »Warum kannst du mir nicht sagen, was Anneke Hollander von dir will?«, fragte sie vorsichtig, aber auch mit einer für sie ihrem Mann gegenüber ungewohnten Schärfe. Wenn Jan mit allem hinterm Berg hielt, konnte der Inhalt nichts Gutes bedeuten. Es war ohnehin ein Wunder, dass ein Brief bei diesen Witterungsverhältnissen überhaupt durchgekommen war.

»Es geht nicht«, sagte er schließlich. »Ich … kann nicht.«

Hiske griff nach dem Brief, das Papier brannte zwischen ihren Fingern, als sie es auseinanderfaltete. Sie zögerte, dann las sie langsam. Wort für Wort. Ein Begreifen glitt über ihr Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf. Ihre Lippen formten ein lautloses »Nein«, während sie die Hand mit dem Brief langsam senkte. »Nein, Jan. Anneke muss das allein schaffen. Wir haben nichts damit zu tun.«

Jan sah seine Frau lange und mit einem fast flehenden Blick an. Er hatte im letzten Jahr um ihre Hand angehalten, und der Landrichter Wolter Schemering hatte sie im Beisein des Juristen Hinrich Krechting getraut. »Ich weiß nicht so genau, wie ich mit dem, was sie schreibt, umgehen soll«, sagte er schließlich mit schleppender Stimme. »Ich kann ihr meine Hilfe doch nicht versagen!«

Hiske sah Jan lange an. In ihr ratterten die Gedanken durcheinander. Anneke Hollander hatte von Anfang an ein Auge auf Jan geworfen und nichts unversucht gelassen, ihn für sich zu gewinnen und war schließlich mithilfe ihres getöteten Freundes, dem Mönch Garbrand, geflohen. Nun lebte sie offenbar in Jever. Was hatte es nun mit diesem Brief auf sich, in dem sie ihren Mann bat, zu ihr nach Jever zu reisen? Jan sah Hiske noch immer stumm an. Sie fühlte sich genötigt, etwas zu sagen: »Ich dachte, Anneke wäre weit fort und würde sich nie mehr in die Nähe dieses Fleckens wagen. Nach alldem, was damals mit dem Meerkristall geschehen ist. Es wäre für uns alle das Beste gewesen.« Hiske senkte den Blick. So gut sie sich zu Beginn ihrer Zeit mit der Duuvke verstanden hatte, so sehr hatte Annekes Buhlen um Jan ihre Beziehung am Ende belastet.

Ihr Mann biss sich auf die Unterlippe, er schien sich tatsächlich in einer prekären Lage zu befinden. »Ich weiß auch nur, was in dem Brief steht. Und demnach steckt sie in Schwierigkeiten. Das kann ich mir doch nicht tatenlos ansehen! Sie ist in Gefahr.«

»Und da schreibt sie dir?« Hiske war fassungslos. »Warum ausgerechnet dir?«

Anneke hatte Jan Valkenstijn als Möglichkeit zur Flucht aus ihrem Dilemma als Duuvke gesehen. Dieser Brief jetzt und Jans Reaktion darauf beunruhigten Hiske zutiefst. Auch wenn Jan nie in Erwägung gezogen hatte, Annekes Werben nachzugeben, so war sie mit ihren Sommersprossen, dem feinen rotstichigen Haar und der schlanken Figur eine überaus schöne Frau. Und dazu eine, die genau wusste, wie man Männer für sich gewann. Anneke Hollander hatte es als einziges Weib in Hiskes Leben verstanden, sie zu verunsichern, und ihr so manches Mal das Gefühl gegeben, unterlegen zu sein. Und das lag eindeutig an Jan, den sie um nichts in der Welt an diese Frau verlieren wollte. »Ich frage mich, ob sie noch immer ihrem Gewerbe nachgeht. Das ist ihr am Ende doch zum Verhängnis geworden.«

Jan antwortete nicht, sondern starrte auf den Boden.

Hiske wäre es entschieden lieber gewesen, nie wieder von Anneke Hollander zu hören. Dieser Brief aber schmerte se und bohrte nun in ihrer Seele, denn sie ahnte, in welche Richtung sich das Gespräch zwischen ihr und Jan gleich bewegen würde. Ihr Mann hätte das Schreiben längst ins Feuer geworfen, wenn er nicht ernsthaft darüber nachdenken würde, der Duuvke zu Hilfe zu eilen. Aber er wusste auch, was er seiner Frau mit diesem Ansinnen zumuten würde.

»Was wirst du tun?«, rang Hiske sich schließlich zu der entscheidenden Frage durch. Es musste so oder so auf den Tisch.

Jan sah Hiske mit einem durchdringenden Blick an.

»Und?«, hakte sie nach.

»Anneke will, dass ich komme.«

»Das habe ich selbst gelesen, das musst du nicht wiederholen. Aber allein, wie du herumdruckst, zeigt mir, dass du deine Entscheidung längst gefällt hast. Und das, ohne sie mit mir abzusprechen.«

Jan schaute verlegen aus dem Fenster.

»Sie weiß nicht, dass du mich geheiratet hast, sonst würde sie das nicht einfordern«, versuchte Hiske die Situation zu retten und ihm eine Brücke zu bauen. Sie legte den Brief, den sie noch immer in der Hand hielt und mit ihren Fingern arg zerknittert hatte, auf den Tisch zurück. »Sie glaubt, du bist noch immer auf der Flucht vor dir selbst und möchtest kein Weib an deiner Seite. Und schon gar keines wie mich. Eine dunkelhaarige Frau und dann noch als Zauberin angeklagt. Hiske Aalken, die Toversche aus Jever!«

»Wo Anneke mittlerweile lebt«, sagte Jan, den Blick weiter auf die Marsch gerichtet und ohne auf Hiskes Einwurf einzugehen.

»Ja, in dieser Stadt …« Hiske durchzuckte es bis ins Mark. Genau dort war sie vor Jahren der Zauberei angeklagt gewesen und hatte das nur überlebt, weil jemand, als man die Hexenprobe an der Toverschen Graft mit ihr begonnen hatte, eine Bürgschaft für sie übernommen hatte und sie nach der zweiten Anschuldigung in die Herrlichkeit Gödens geflohen war. Ihr Mann plante doch nicht ernsthaft, dorthin zu reisen?

Hiske setzte sich auf den Schemel und verbarg den Kopf in den Händen. Jan musste nicht weitersprechen. Er fühlte sich Anneke verpflichtet, weil Garbrand für sie und Jan sein Leben geopfert hatte und der sich wiederum für Anneke verwendet hatte. Das alles hatte ihre Liebe von Beginn an belastet. Und wenn Jan jetzt das Gefühl hatte, er könne irgendetwas an den Geschehnissen wiedergutmachen, dann würde er es tun. Auch wenn das bedeutete, dass er zu Anneke nach Jever ging.

»Du willst ihr helfen«, sagte Hiske. Ihre Stimme klang dumpf, sie hatte bei den Worten nicht aufgeschaut.

»Ja.« Jan näherte sich ihr. »Ich muss das tun.«

»Ich weiß«, antwortete Hiske, aber in ihr tobte ein Sturm. Sie hatte Angst. Angst, Jan doch wieder zu verlieren, nachdem er sich endlich dazu durchgerungen hatte, sesshaft zu werden, eine Frau an seiner Seite haben zu wollen. Was, wenn er doch schwach wurde? Anneke beherrschte den koketten Augenaufschlag von unten herauf. Den schräg gestellten Blick. Dieses unergründliche Lächeln. Alles Dinge, die Hiske fremd waren. Die sie nicht wollte. Sie war eben, wie sie war.

»Ich komme, sobald es geht, zurück zu dir.« Jan strich Hiske übers Haar. Es war eine verzweifelte, ja unsichere Geste.

Sie rührte sich noch immer nicht. Einerseits durfte sie Jan nicht aufhalten, ihm war es wichtig, seine Ehre wiederherzustellen, die er durch Garbrands Tod verloren glaubte. Diese unsägliche Schuld gutzumachen, obwohl es in Hiskes Augen gar nichts gutzumachen gab.

Andererseits verlangte er Übermenschliches von ihr. Vor allem gerade jetzt. In ihrem Zustand. »Ich habe Angst«, stieß sie schließlich doch aus. Unwillkürlich glitt ihre Hand zum Bauch. Sie hatte es Jan noch nicht gesagt, aber ihre Blutung war zum dritten Mal ausgeblieben. Sie hatte es ihm heute Abend erzählen wollen, aber das durfte sie nun nicht tun, denn dann würde er nicht reisen, und sein schlechtes Gewissen, sollte Anneke Hollander etwas zustoßen, würde immer zwischen ihnen stehen und sie einander entfremden. Es war das erste Mal, dass sie seine Ehrenhaftigkeit verfluchte. Warum konnte er nicht einmal einfach nur an sich und Hiske denken?

Jan schob seine Hand unter ihr Kinn und hob es an, sodass sie nicht umhinkam, ihm in die Augen zu sehen. »Ich liebe dich, Hiske Valkenstijn. Der Name klingt so wunderbar, und ich bereue keinen Tag, den ich mit dir gemeinsam verbracht habe. Das wird sich auch nicht ändern. Du bist mein Leben.« Er senkte die Stimme, denn auch ohne dass Hiske es aussprach, wusste er, wovor sie genau Angst hatte. »Du musst vor Anneke keine Furcht haben. Sie wird niemals zwischen uns stehen! Hörst du? Niemals!«

Hiske tauchte schweigend in seine warmen Augen ab. Sie würde ihm so gern glauben, aber es fiel ihr schwer. Warum misstraute sie ihm? Hätte Jan mit Anneke das Laken teilen wollen, hätte er in den vergangenen Jahren Möglichkeiten genug gehabt. Es konnte nur an der Schwangerschaft liegen, dass sie so unruhig reagierte. Schwangere taten die merkwürdigsten Dinge, das wusste sie schließlich aus Erfahrung. Sie musste stark sein und ihn als Mann das tun lassen, was er tun musste. Er schuldete es seinem alten Freund, dem Mönch. Schweren Herzens formten sich die Worte auf ihrer Zunge. »Ist gut, Jan. Du hast meinen Segen. Geh!«

Doch schon als sie es aussprach, fühlte es sich nicht gut an. Es war wie eine Kröte, die ihr Gift im Mund verspritzt hatte und deren Hinterlassenschaften sie nun nicht loswurde.

Sarina sah ihrem Mann Frankus Trinitatis zu, wie er packte.

»Wohin wirst du den Färberwaid und die Stoffe dieses Mal bringen?«

»In den Norden. Hab auch noch hochwertigen Safran und eine hervorragende Färberdistelfarbe dabei.«

Sarina sah, wie er auch noch den Färberkrapp einpackte. Das Rot wurde neben den anderen Farben immer gern genommen. Frankus hatte stets große Mengen Stoffproben dabei, um die Qualität seiner Färberpflanzen zu beweisen. Das eine Tuch aber sah intensiver blau gefärbt aus als die Farbe, die Sarina sonst kannte. »Warum ist es so tiefblau?« Sie langte danach, und Frankus schlug ihr fest auf die Hand. »Pfoten weg, Weib!« Sarina zuckte erschrocken zurück. Frankus konnte sehr ungehalten sein, und in der letzten Zeit war es schlimmer mit ihm geworden. Doch als seine Ehefrau musste sie sich fügen und hatte nicht zu widersprechen oder gar Wünsche anzumelden.

»Wann kommst du aus dem Norden zurück?«, wagte sie dennoch zu fragen. Sie fasste sich unwillkürlich an den Bauch, in dem endlich ein Kind heranwuchs. Noch hatte sie Frankus davon nichts erzählt, sie wollte erst ganz sichergehen, dass es nicht wieder abging. So wie ihre anderen drei Kinder, die die ersten drei Monate in ihrem Leib nicht überstanden hatten.

»Ich werde so lange fort sein, wie es nötig ist«, antwortete ihr Mann und sortierte weiter seine Waren. Dabei zitterten seine Hände. Er verheimlichte etwas vor ihr, und Sarina hätte zu gern gewusst, was es war.

Doch sie nickte und fügte sich. Frankus sorgte für sie, und sie hatten ein gutes Auskommen, aber sie hatten in den vier Jahren ihrer Ehe nie ein vertrautes Miteinander gehabt. Er legte sich zu ihr in die Bettstatt, wenn es ihm beliebte und er sich als Ehemann beweisen wollte, was in den letzten Monaten sehr oft der Fall gewesen war. Er litt sehr unter der Kinderlosigkeit und wollte seine Vaterschaft regelrecht erzwingen. Seitdem der Waidjunker ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, wie wichtig er einen Erben für die Waidhandlung Trinitatis erachtete, war es noch schlimmer geworden. »Wir haben ein Monopol auf den Waidhandel hier in Erfurt, und es ist wichtig, dass alles an die Erben weitergegeben wird. Sorge dafür, dass der Leib deines Weibes endlich die Frucht behält!«

Sarina fürchtete sich vor dem Wutausbruch ihres Gatten, wenn es wieder schiefging. Das eine Wundmal nässte noch immer. Es reichte, wenn sie ihm nach seiner Rückkehr von der Schwangerschaft erzählte, denn sollte das Kind wieder nicht bei ihr bleiben wollen, würde er dessen nicht gewahr werden, denn zwei Monate würde er bestimmt auf Reisen sein.

Frankus hatte nun alles beisammen, prüfte die Waren auf dem Karren vor dem Haus. Sein Knecht sollte ihn bis zur Werra begleiten. Bei Wanfried wartete ein Schiff auf ihn, mit dem er flussabwärts reisen wollte.

»Frankus, du kommst doch sicher zurück?«, hakte Sarina nach. In ihr hatte sich in den letzten Tagen eine unbestimmte Furcht breitgemacht. Nachdem ihr Mann von der letzten Sitzung der Zunft zurückgekommen war, hatte er verändert gewirkt. Fahrig, ein bisschen aggressiv. Ihr Haus, das in der Nähe des Ursulinenklosters lag, war ihr plötzlich fremd erschienen. Kalt. Und alles andere als heimelig.

»Warum sollte ich nicht nach Erfurt zurückkommen? Wir leben doch hier, und du bist mein Weib.« Frankus Trinitatis sah Sarina an, doch in seinem Blick lag ein Funkeln, das ihn der Lüge überführte. »Gehab dich wohl, bis ich zurück bin.«

»Gehab dich wohl«, gab sie zurück. Sie schaute lange auf die Tür, die hinter ihm ins Schloss fiel. Mit Frankus stimmte etwas nicht. Er hatte ihr nicht die Wahrheit über seine Reise gesagt.

»Das tiefe Blau des einen Stoffes«, murmelte Sarina. »Seine Unruhe. Dieses Gehetzte.« Sie mochte den aufkommenden Gedanken nicht zu Ende denken. Frankus war in den letzten Wochen oft sehr spät nach Hause gekommen, und das Weib des anderen Waidhändlers hatte Sarina gestern quer über den Markt hinweg zugerufen, dass ihr Mann sich was schämen sollte und dass solche Dinge schon bald Konsequenzen haben würden. Bis Sarina den dunkelblauen Stoff gesehen hatte, war ihr nicht klar gewesen, was sie damit gemeint haben könnte, zumal die Frau für ihre spitze Zunge bekannt war.

Ein großer Teil von Thüringen lebte vom Waidanbau. Das Goldene Vlies sicherte ihrer aller Einkommen und auch das der Familie Trinitatis. Aber es gab diesen Konkurrenzfarbstoff aus Indien. Die Bauern, die Händler … alle wehrten sich gegen die Einfuhr, denn der fremde Farbstoff war besser als ihr Waid. Die blaue Farbe konnte nur unter großem Aufwand und in einem langen Prozess hergestellt werden. Man munkelte sogar, dass es schon bald eine Polizeiordnung geben würde, wenn die Tuchfärber das Indigo, die »Teufelsfarbe«, verwenden würden. Das indische Gift sollte verboten werden.

Hatte Frankus’ Verschwinden damit zu tun? Es war ja nicht nur das Weib des anderen Waidhändlers, das ihr Kummer machte. Auch so glaubte sie ständig, dass über sie getuschelt wurde. Sarina nahm sich eine Näharbeit und setzte sich ans Fenster, von wo aus sie das Geschehen rund ums Ursulinenkloster beobachten konnte. Der Schlachter brachte etwas ins Tor hinein, während der Tuchhändler gerade herauskam. Er warf einen Blick zu Sarinas Haus, schaute sich immer wieder um und näherte sich dann. Es dauerte nicht lange, bis er klopfte. Sarina hatte der Magd heute freigegeben, weil deren Mutter schwer erkrankt war, und ging deshalb selbst zur Haustür. »Was wünscht Ihr?«, fragte sie den Tuchhändler, der sich kurz vor ihr verneigte.

»Ist Euer Gemahl im Haus?«

»Nein, er ist vorhin mit der Ware in Richtung Norden aufgebrochen. Kann ich etwas für Euch tun?«

Der Tuchhändler wurde blass. »Er ist fort und Ihr seid noch da?«

Sarina nickte.

»Dann nichts für ungut. Ich hätte noch gern ein wenig gelbe Farbe von Eurem Gemahl abgekauft, aber nun soll es wohl nicht sein.« Er machte eine Pause. »Ist er schon lange fort? Oder kann ich ihn noch einholen?«

»Er müsste das Stadttor schon passiert haben«, sagte Sarina. Etwas in ihr sagte, es wäre besser, wenn der Tuchhändler ihren Mann nicht einholte.

Anneke stand vor der Küpe und rührte das Leinen. Sie hatte abwarten müssen, bis Keno Ockenga die Küpe im Holzbottich angerührt hatte. Er machte daraus stets ein großes Geheimnis. Aber sie hatte trotzdem gesehen, woraus die Flüssigkeit bestand. Waidpulver kam hinein, Pottasche und Krapp nebst Kleie und gelöschtem Kalk. Nur die Mischung, die verstand sie nicht. Die maß ihr Herr mit seinen mächtigen Pranken ab, und er schien ein untrügliches Gespür dafür zu haben. Die Flüssigkeit hatte er zuvor angewärmt, damit sie die richtige Temperatur zum Färben hatte.

Gleich würde sie den nächsten Stoff herausziehen, und er würde eine Gelbfärbung haben. Erst im Laufe der Zeit dunkelte die Farbe in ein Grün, später in das erwünschte Blau nach. Es gab Leute genug, die das gefährlich fanden und Hexerei dahinter vermuteten. Sie selbst gruselte es auch jedes Mal. Es war eigenartig, und es ging auch nicht mit rechten Dingen zu, wie sich die Farbe Stück für Stück veränderte.

Anneke verhielt kurz in der Bewegung. War da ein Geräusch gewesen, das nicht hierher gehörte? Sie fürchtete mittlerweile alles und jeden, seitdem sie den Toten gesehen hatte und geflohen war. Denn sie wurde seit jenem Abend verfolgt. Unregelmäßig. Es gab keine Gesetzmäßigkeit, jedenfalls keine, die sie verstand. Der Mann musste sie erkannt haben, und sicher befürchtete er, dass sie wusste, wer er war. Nur – warum hatte ihr Widersacher nicht gleich zugeschlagen und sie aus dem Weg geräumt? Stattdessen tauchte er immer wieder bei Anneke auf und machte ihr Angst. Anneke wusste nur eines: Sie war nicht mehr sicher in der Stadt.

Ihr Brief an Jan, den sie schon vor Wochen geschrieben hatte, war ihre einzige Hoffnung. Vielleicht hatte er Hiske Aalken längst aufgegeben und konnte sich nun in dieser schweren Zeit um sie kümmern. Diese Hebamme mit ihrem fremdländischen Aussehen, ihrem großen Mundwerk, mit dem sie sogar Hinrich Krechting, dem Anführer von Gödens, Paroli bot. Sie konnte ihr, Anneke, an Weiblichkeit doch nicht das Wasser reichen. Denn Anneke hatte einen Trumpf in der Hand, und den würde sie ausspielen. Er würde Jan langfristig an sie ketten. Sie, die Duuvke, glich äußerlich Lieke, Jans großer, verlorener Liebe! Sie, nicht Hiske, dieses vermaledeite schwarzhaarige Weib mit der viel zu dunklen Hautfarbe. Sollte Jan Valkenstijn wirklich nach Jever kommen, würde sie dieses Mal gewinnen. Die letzten zwei Jahre waren hart für Anneke gewesen, sie war zu einer Getriebenen geworden, nachdem sie Gödens verlassen hatte. Zuerst musste sie sich ihr Geld als Wanderhure verdienen, bis sie in Bremen angekommen war. An die Zeit dort mochte Anneke gar nicht mehr zurückdenken. Tido Wenninga, ein grobschlächtiger und mächtiger Kerl, hatte sie eingesperrt und zu Dingen gezwungen, die nicht einmal ihr bis dahin geläufig gewesen waren. An einem trüben Tag im November letzten Jahres hatte er sie schließlich an seinen Freund Keno Ockenga nach Jever verkauft. Zuerst war der freundlich gewesen, sie glaubte sich sicher. Aber nach und nach fiel Kenos Maske von ihm ab. Er glich Tido Wenninga immer mehr. Sie waren aus einem Guss und brauchten die Pein anderer Menschen zum Glücklichsein.

Jan musste Hiske Aalken vergessen und sie hier rausholen! Es war Annekes einzige Hoffnung! Diese Toversche konnte ihm nicht das geben, was ein Mann wirklich wollte, denn woher sollte die Hebamme in ihrer Unerfahrenheit dieses Wissen haben?

Anneke stieß den Stab in die Brühe und prüfte das nächste Leinen, das sie in die Küpe gegeben hatte. Es war an der Zeit, es aus dem Sud zu nehmen und zu den anderen Tüchern zu hängen, die sich bereits leicht grün verfärbten. Danach kam der schwere Wollstoff dran, der fein gewebt neben der Küpe hing. Er sollte auf die Burg zu Fräulein Maria von Jever gehen.

Im Hinterhof polterte Hajo und gab seine eigentümlichen Laute von sich. Er war ein Gassenjunge, ein bisschen dumm, aber nicht ganz so zurückgeblieben wie der Wortsammler, den Hiske bei sich aufgenommen hatte und der eine sehr eigenartige Sprache sprach. Hajo verdingte sich für einen Kanten Brot bei Keno Ockenga, fegte dessen Hof oder holte Torf vom Händler. Obwohl es eindeutig Hajo gewesen war, der da draußen herumlärmte, stellten sich die Haare an Annekes Unterarmen auf. Vermutlich würde gleich Tammo Ibben, ein junger, gut aussehender Mann mit blondem Haar, der sich hin und wieder um den verwaisten Jungen kümmerte, angesprungen kommen und ihn zurechtweisen. Tammo war der Sohn des Schmieds und der einzige Mensch, der ihr in dem ganzen Dilemma zur Seite stand. Hin und wieder schlich er sich am Abend zu ihr. Immer dann, wenn sein Vater früh zu Bett gegangen war. Denn der war ein grober Mann, der sich auch hin und wieder an Anneke vergriff. Er hatte kein Weib, seit ihm seine Frau vor zwei Jahren am Fieber verstorben war. Doch er zahlte gut, sodass Anneke mit ihm zurechtkam. Es gab wahrlich noch schlimmere Kunden als den alten Schmied. Wie anders aber war Tammo! Obwohl er seinem Vater an Stärke und Muskelkraft in nichts nachstand, war er ein feinfühliger und sensibler Mann. Niemals näherte er sich Anneke in eindeutiger Absicht. Er kam nur zum Reden. Anneke vertraute ihm fast so wie Jan, nur war Tammo leider nicht mit dem Medicus zu vergleichen. Dazu fehlte ihm das Besondere, das Jan Valkenstijn umgab. Es würde nie einen anderen Mann als den Arzt für Anneke geben.

Ihr Brief an Jan Valkenstijn war allerdings kein Vorwand gewesen, um ihn herzulocken. Sie brauchte seine Hilfe tatsächlich. Sie wagte ja kaum noch, allein vor die Tür zu gehen, und ging nur fort, um die anfallenden Einkäufe zu erledigen.

Oder eben, wenn sie hungerte und sich das Geld auf andere Art und Weise dazuverdienen musste.

Jeden Kunden der Blaufärberei sah sie mittlerweile als gefährlich an, musterte ihn, erschnüffelte seinen Geruch. Denn der Mann, der sie bedrängte, roch nach Lavendel. Da konnte Anneke keiner etwas vormachen. Sie hatte lange genug mit Seifen und Düften zu tun gehabt.

Heute Morgen war ganz sicher wieder jemand in ihrer Kammer gewesen. Zweifelsohne hatte der Kerzenständer nicht mehr am selben Platz gestanden, und in der Luft hatte erneut der fremde Duft von Lavendel gehangen. In der Blaufärberei roch es nach allem, aber ganz sicher nicht nach guter Lavendelseife.

Wieder hatte der Mann ihr nichts getan. Er wartete vermutlich nur auf den rechten Zeitpunkt. Sie war eine unliebsame Zeugin, die er loswerden musste. Sollte der Brief pünktlich bei Jan Valkenstijn angekommen sein, würde er in ein paar Tagen Jever erreichen. Denn dass er kam, daran zweifelte Anneke keine Sekunde.

2.

Jan küsste Hiske auf den Scheitel. Sie hatten gestern nicht mehr über seine Reise gesprochen, aber die Luft zwischen ihnen brannte, die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Hiske wäre am liebsten auf ihren Mann losgegangen, hätte ihm mit den Fäusten auf der Brust herumgetrommelt und gebettelt, dass er nicht zu Anneke nach Jever ging. Aber eine solche Reaktion widersprach Hiskes Naturell. Niemals würde sie sich so erniedrigen.

»Wir müssen reden, Liebes«, sagte Jan schließlich, als Hiske auf seine Annäherungsversuche nicht reagierte. Er legte etwas Torf nach und das Feuer züngelte auf.

»Worüber, Jan? Du hast deine Entscheidung getroffen, dir steht die Ehre über unsere Ehe, und ich muss das hinnehmen. Dass es mir nicht gefällt, weißt du. Aber welche Wahl habe ich?« Hiske stand auf, rüttelte ihre dunklen Locken zurecht und schlüpfte in ihr grün-schwarzes Kleid, das sie gestern noch ausgebürstet hatte. Am rechten Ärmel zeigten sich Löcher, sie musste sich bald um neuen Stoff bemühen und ein neues Gewand nähen lassen. Der Schneider im Ort suchte nach Aufträgen, denn die Menschen in Gödens waren nach wie vor arm und konnten das Wenige, was sie hatten, nicht für Kleider ausgeben. Aber Krechting hatte Hiske im letzten Herbst, aus Dankbarkeit, weil sie seine kranke Frau gepflegt hatte, etliche Ellen Fiefschaft gegeben. Dieser hochwertige, feste Stoff aus Leinen und Wolle war tiefblau gefärbt. Sie wollte dem Schneider in Kürze den Auftrag für ein neues Kleid und eine neue Schürze überbringen.

»Hiske, nun komm. Ich weiß, dass dein Kleid schäbig ist und du dringend ein neues haben musst«, erahnte Jan Hiskes Gedanken. Sie hatte wohl zu offensichtlich an den Löchern herumgespielt. »Aber dennoch müssen wir über meine Reise sprechen!«

Hiske ignorierte Jans Worte, griff nach einem Lappen und begann den Topf über der Feuerstelle zu scheuern. Sie musste irgendetwas tun, sonst würde sie doch noch auf ihren Mann losgehen.

Jan sah Hiske eine Weile zu, stand schließlich mit einem Seufzen auf und folgte ihr in die Küche. Als sie ihn weiterhin nicht zur Kenntnis nahm, stellte er sich ans Fenster. »Es gibt aber noch einen Weg, den du noch nicht bedacht hast«, sagte er nach einer Weile.

Hiske hielt nun doch mit ihrem Tun inne und senkte langsam den Lappen in ihrer Hand. »Und welcher Weg soll das bitte schön sein?«

»Du kommst mit.«

Hiske schrak zusammen. »Ich soll was?« Sie lachte hektisch auf. »Ich soll nach Jever zurückkehren? In die Stadt, die mich der Zauberei angeklagt hat, wo man mich der Wasserprobe an der Toverschen Graft übergeben hat und sich gefreut hätte, mich auf dem Scheiterhaufen brennen zu sehen?« Hiskes Stimme überschlug sich beinahe. »Ausgeschlossen!«

»Du bist doch nicht allein. Ich bin da. In Jever hat sich viel getan.« Jan tat einen Schritt auf sie zu, verharrte aber, als er Hiskes Widerstand spürte. Seine Stimme wurde weich. »Ich wünsche so sehr, dass du mich begleitest. Ich reise nicht zu Anneke, weil ich sie als Weib begehre. Ich reise aus anderen Gründen.«

»Das weiß ich, Jan. Aber dennoch geht es um sie. Verzeih mir, aber es gibt für mich keinen Grund, mit dir nach Jever zu gehen. Nur sehr viele, die dagegen sprechen.« Hiske sah ihn lange an. »Du bist ein einflussreicher Mann, aber überschätze deine Macht nicht. Gegen Fräulein Maria und ihren Kanzler kannst auch du nichts ausrichten. Wenn sie erneut gegen mich Anklage erheben, bin ich des Todes.«

»Aber es ist Jahre her!« In Jans Stimme schwang Verzweiflung mit.

Hiske sah ihren Mann noch immer mit festem Blick an. »In Jever wartet eine Frau, die alles dafür geben würde, dich in ihr Bett zu kriegen. Und in dieser Stadt brennen bestimmt noch immer die Feuer. Ich laufe Gefahr, dass sie gleich eines für mich schüren, wenn ich das Jeverland betrete.« Hiske lachte bitter auf. »Dann hätte Anneke Hollander auf ganzer Linie gewonnen.«

»Du hasst sie«, stellte Jan fest.