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Beschreibung

»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar

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Die Saga von den Schwurbrüdern und zwei weitere Erzählungen

Isländersagas

Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack

Aus dem Altisländischen von Wolfgang Butt

Fischer e-books

Mit einer Einleitung von Thomas Butt

Mit einem Vorwort der Herausgeber

Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften

Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga

Mit einem Glossar

Vorwort

Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.

Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.

 

April 2011

Die Herausgeber

Die Saga von den Schwurbrüdern

Fóstbrœðra saga

Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Wolfgang Butt

Mit der G-Initiale in der linken Spalte beginnt die Saga von den Schwurbrüdern in der Flateyjarbók (Buch aus Flatey) vom Ende des 14. Jahrhunderts. Die Initiale ist zweifarbig (rot-grün) und zeigt im Binnenfeld ein Tiermotiv; die Fadenausläufer des Fleuronné-Besatzes ziehen sich links der Spalte entlang nach oben und unten. Unterhalb der Initiale hat das Pergamentblatt mitten in der linken Spalte ein Loch – der Text ist sorgfältig außen herum geschrieben.

Einleitung

Zwei junge Männer im nordwestlichen Island kurz nach der Jahrtausendwende schließen eine Schwurbruderschaft. Sie wollen Krieger und Helden werden, verschaffen sich jedoch zunächst nur den Ruf notorischer Streithähne und Störenfriede. Þorgeir, der eine, wird wegen eines Totschlags geächtet, muss das Land verlassen und tritt in Norwegen in den Dienst König Ólafs. Þormóð, der andere, bleibt im Land und verstrickt sich in Liebschaften. Als Þorgeir eines Tages erschlagen wird, macht Þormóð sich auf, den Freund zu rächen.

Dies ist klassischer Sagastoff, bis in die Entstehungszeit der Saga wohl mündlich in kurzen Erzählungen und Anekdoten überliefert: Abenteuer der Schwurbrüder, Þorgeirs Totschläge, Þormóðs Liebeshändel, ihre Jahre im Dienst König Ólafs. Beide entsprechen dem Klischee vom einfachen isländischen Bauernsohn, der im Ausland zu Ehre und Ansehen kommt. Eine Geschichtenflora also, die sich vielleicht um erhaltene Gedichte Þormóðs rankte und auf sie stützte, die aber auch ihrerseits dafür gesorgt haben kann, dass überhaupt Strophen des Skalden erhalten blieben. Zu diesem heimischen Überlieferungsmaterial kam noch das, was in der Geschichtsschreibung und Legendenbildung um den heiligen Ólaf über Þormóð zu finden war. Aus diesem Stoff schuf der anonyme Verfasser vermutlich gegen Ende des 13. Jahrhunderts die Saga von den Schwurbrüdern.

Die Saga von den Schwurbrüdern unterscheidet sich jedoch trotz ihres alten Stoffs durch einige Auffälligkeiten in Erzählhaltung und -stil von den klassischen Isländersagas. Dabei handelt es sich um eine Reihe kürzerer Exkurse, die der Sagahandlung teils theologische und moralisierende, teils historische und anatomische Kommentare hinzufügen, sowie um gelegentliche stilistische Anleihen bei der Bildsprache der skaldischen Kenningar und beim schwülstigen Ton übersetzter Ritterromane kontinentaler Herkunft.

Wir können uns den Verfasser der Saga als einen in der Gelehrsamkeit seiner Zeit bewanderten Isländer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorstellen, dem die Verklärung der lange vergangenen Sagazeit mit ihrem noch weitgehend heidnisch geprägten Welt- und Menschenbild nicht mehr zeitgemäß erschien. Ihm lag daran, die Differenz zwischen der Sagazeit und seiner eigenen Zeit hervorzuheben, und er tut dies, indem er mit seinen Kommentaren Zeichen einer anderen Sichtweise setzt als der, die in dem alten Sagastoff vorherrscht. Die Kommentare brechen das alte Verklärungsmuster auf und relativieren beispielsweise den Heldenstatus der Hauptperson des ersten Teils, Þorgeir, durch den Hinweis darauf, dass die Gottesgabe der Tapferkeit zum Guten wie zum Schlechten benutzt werden könne, da Gott die Menschen mit einem freien Willen ausgestattet habe. Der Begriff des Helden wird quasi mit einem Fragezeichen versehen.

Þormóð, die Hauptfigur der späteren Teile der Saga, wird als Held ebenfalls in Frage gestellt, allerdings nicht durch Erzählerkommentare, sondern auf der Handlungsebene selbst; so raten ihm seine grönländischen Helfer und Beschützer Skúf und Bjarni zur Mäßigung, da er mit der Tötung des Hauptschuldigen an Þorgeirs Tod seiner Rachepflicht ja Genüge getan habe, doch Þormóð in seiner – nach heutigen Begriffen nachgerade pathologischen – Rachgier kann kein Ende finden. Auch der König, der Þormóðs Rachezug nach Grönland sozusagen formal sanktioniert hat, scheint die Anzahl der Getöteten übertrieben zu finden.

Doch die Tendenz wirkt nicht eindeutig, nicht stringent durchgeführt; wo sie spürbar wird, geht sie auf leisen Sohlen. Der Text ist mehrdeutig, und das macht seinen Reiz aus. Zwei Zeitalter begegnen sich in ihm, und zwei Seelen wohnen, ach, in des Erzählers Brust. Er macht keinen Hehl daraus, dass sein Bewusstsein ein anderes ist als das der Sagazeit, aus der sein Stoff stammt, aber gleichzeitig ist er auch in diesen Stoff und seine Motive verliebt. Dem Heldischen an sich und dem Kampf als männliches Kräftemessen ist er keineswegs abhold; davon zeugen die zahlreichen ausführlich gestalteten Kampf-, Tötungs- und Sterbeszenen. Allerdings versteht der Verfasser es auch, indirekt, durch Zitieren der communis opinio, den Leser merken zu lassen, welche Taten eines Helden nicht würdig sind.

Ähnlich ambivalent handhabt er das Motiv der Zauberei. Bei der ersten Erwähnung der zauberkundigen Gríma stellt er eine gewisse Distanz dazu her, wenn er kommentiert, dass viele Menschen es damals für eine besondere Gabe gehalten hätten, wenn jemand zauberkundig war, weil das Christentum im Land noch jung und unvollkommen gewesen sei. Das hindert ihn jedoch nicht daran, genüsslich das zauberische Täuschungsmanöver einer zweiten Gríma auf Grönland vorzuführen, ohne Anstoß zu nehmen – rettet sie doch den Gefolgsmann König Ólafs. Sie darf sogar ein Bildnis Thors in ihren hochsitzartigen Stuhl geschnitzt haben – mit einer rhetorischen Finte sorgt der Erzähler dafür, dass sie sich aus der Klemme befreit –, und damit ist auch er selbst als Christ aus dem Schneider.

Da scheint nicht wenig Ironie im Spiel zu sein, und stellenweise nähert sich der Autor dem Parodistischen, am deutlichsten wohl in den auffälligen stilistischen Brechungen, die ein spielerisches Moment in den Text tragen. Aber sind es bewusst gesetzte Signale der Ironisierung oder Lesefrüchte eines eitlen Autors, der seine Belesenheit durchblicken lässt und zeigen will, dass ihm auch andere Stillagen geläufig sind?

Wie dem auch sei, wir spüren, dass der Text unter einer Spannung steht, die ihn bis heute lebendig erhalten hat. So ist es sicher kein Zufall, dass Halldór Laxness in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg einen Roman mit dem Titel Gerpla (dt. Die glücklichen Krieger) schrieb, der als Parodie auf die Saga von den Schwurbrüdern und als Satire über amoralisches Kriegertum gilt. Die Saat des Zweifels, die der anonyme Verfasser der Saga von den Schwurbrüdern säte, ist bei Laxness aufgegangen.

Drei mittelalterliche Sammelhandschriften haben die Saga überliefert, zwei davon (Hauksbók; H, und Möðruvallabók; M) jedoch nur fragmentarisch. Die Flateyjarbók (F) enthält den gesamten Text; er ist dort in die Saga von Ólaf dem Heiligen integriert, aber bis auf die Schlusskapitel leicht herauszulösen. Diese Fassung, der die vorliegende Übersetzung weitgehend folgt, enthält auch die Mehrzahl der kommentierenden Passagen und stilistischen Extravaganzen, durch die der Text vom klassischen Sagastil abweicht.

In der Forschung über die Saga von den Schwurbrüdern galt es lange als unzweifelhaft, dass die knapper formulierten Fassungen in M und H der Urform der Saga näherstünden, die man für eine der ältesten Sagas überhaupt hielt. Dagegen wurde die längere F-Fassung als eine spätere, von einem historisch und medizinisch-anatomisch interessierten Kleriker aufgeblähte, und damit – gemessen am klassischen Sagaideal – verhunzte Version angesehen. Jüngere Forschungen haben an diesem althergebrachten Bild gerüttelt und es auf den Kopf gestellt. Heute geht die Mehrzahl der Forscher von einer späten Entstehung der Saga von den Schwurbrüdern aus; man nimmt an, dass der »aufgeblähte« Text der ursprünglichen Saga am nächsten steht, während die anderen Versionen von dem Versuch zeugen, durch Straffung einen Text herzustellen, der dem klassischen Sagastil mehr entsprach.

Die Saga von den Schwurbrüdern

1Þorgeirs und Þormóðs Herkunft[1]

In den Tagen König Ólafs des Heiligen lebten viele mächtige Männer unter seiner Königsherrschaft, nicht nur in Norwegen, sondern in allen Ländern, auf die seine Herrschaft sich erstreckte, und diejenigen von ihnen, die dem König am liebsten waren, betrachtete Gott mit Wohlgefallen. In dieser Zeit lebte im Gebiet des Ísafjords auf Island ein angesehener Mann mit Namen Vermund; er war der Sohn von Þorgrím und ein Bruder von Víga-Styr. Vermunds Hof lag im Vatnsfjord; er war klug und beliebt. Seine Frau hieß Þorbjörg, sie war eine Tochter von Kjartan Ólafsson und wurde Þorbjörg die Dicke genannt; sie war eine kluge, großherzige und einflussreiche Frau. Immer wenn Vermund nicht zu Hause war, übernahm sie die Führung über den Bezirk und seine Bewohner, und alle, über deren Angelegenheiten sie entschied, fanden, dass sie bei ihr in guten Händen waren.

Hávar hieß ein Mann; er war der Sohn von Klepp. Er lebte auf Jökulskelda. Hávar stammte aus Akranes im Süden und war wegen einer Totschlagsgeschichte von dort weggezogen, denn er war ein großer Kämpfer und ein anmaßender und unverträglicher Mann. Seine Frau hieß Þórelf, sie stammte aus dem Breiðafjord; sie war die Tochter Álfs aus Dalir, eines angesehenen und ausgezeichneten Mannes. Hávar und Þórelf hatten einen Sohn mit Namen Þorgeir. Er war früh entwickelt und hoch von Wuchs, stark und draufgängerisch; schon in jungen Jahren übte er, sich mit dem Schild zu schützen und mit dem Schwert zu kämpfen.

Ein Mann hieß Bersi und lebte im Ísafjord. Seine Frau hieß Þorgerð und ihr Sohn Þormóð. Er war schon in jungen Jahren ein forscher und stolzer Bursche, er war mittelgroß und hatte schwarzes, lockiges Haar.

Zu dieser Zeit lebte auf Reykjahólar auf Reykjanes Þorgils Arason; er war ein mächtiger Mann, klug und beliebt, wohlhabend und rechtschaffen. Sein Bruder Illugi gehörte der Garde König Ólafs des Heiligen an. Er war viel auf Reisen und verbrachte jeden zweiten Winter bei König Ólaf und den anderen Winter auf Reykjahólar; er brachte das Bauholz für die Kirche und für das Wohnhaus dort mit nach Island. Die Brüder Þorgils und Illugi waren Söhne von Ari Másson, des Sohns von Atli, des Sohns von Úlf dem Scheelen, der Reykjanes als Erster besiedelt hatte, des Sohns von Högni dem Weißen, dem Sohn von Ótrygg, dem Sohn von Óblauð, der ein Sohn König Hjörleifs war. Die Mutter von Þorgils und Illugi hieß Þorgerð; sie war eine Tochter Álfs aus Dalir. Álfs Mutter war Þorhild, die Tochter Þorsteinns des Roten, eines Sohns Óleifs des Weißen, des Sohns von Ingjald, dem Sohn von Fróði; die Mutter Ingjalds war Þóra, die Tochter von Sigurð Orms-i-auga; Sigurðs Mutter war Áslaug, eine Tochter von Sigurð Fáfnisbani. Þorgeir Hávarsson war ein Schwestersohn von Þorgils Arason.

Þorgeir und Þormóð wuchsen in der Gegend des Ísafjord auf, und sie wurden schnell Freunde, weil sie in vieler Hinsicht vom gleichen Schlag waren. Früh sagte ihnen eine Ahnung, was sich später ja auch bewahrheiten sollte, dass sie durch Waffengewalt den Tod finden würden, denn sie waren entschlossen, in nichts nachzugeben und nie den Kürzeren zu ziehen, mit wem sie es auch zu tun hatten. Sie hatten stets eher die Mehrung des Ruhms im diesseitigen Leben im Sinn als die Herrlichkeit der Wonnen im jenseitigen. Deshalb trafen sie die feste Absprache, dass derjenige von ihnen, der länger lebte, den anderen rächen sollte. Aber obgleich die Menschen damals dem Namen nach christlich waren, war das Christentum in jener Zeit noch jung und unvollkommen, so dass bei vielen Menschen noch Funken heidnischen Irrglaubens weiterlebten. Es war der Brauch bei berühmten Männern gewesen, die eine solche Absprache trafen, also dass derjenige, der länger lebte, den anderen rächen sollte, dass sie unter drei Erdstreifen hindurchgingen, und das war ihr Schwur. Es lief so ab, dass drei lange Rasenstreifen losgeschnitten wurden; deren Enden mussten noch fest mit dem Boden verbunden sein, und die Streifen wurden in der Mitte angehoben, dass Menschen darunter durchgehen konnten. So verfuhren auch Þormóð und Þorgeir bei ihrem Schwur. Þormóð war etwas älter, aber Þorgeir war stärker. Ihr Aufstieg gestaltete sich rasant; sie zogen im gesamten Bezirk umher und waren nicht beliebt, sie galten allgemein als unverträglich. Aber sie fanden Zuflucht und Rückhalt bei ihren Vätern, wie zu erwarten war. Viele meinten, dass diese sie in ihrem unrechten Tun unterstützten. Aber die Männer, die glaubten, durch die Schwurbrüder geschädigt worden zu sein, begaben sich zu Vermund und baten ihn, sie von dieser Plage zu befreien. Vermund ließ Hávar und Bersi zu sich kommen und sagte ihnen, dass ihre Söhne bei den Menschen wenig beliebt seien.

»Du, Hávar, kommst aus einem anderen Bezirk«, sagt er, »und hast dich hier ohne jemandes Erlaubnis niedergelassen. Bisher haben wir daran keinen Anstoß genommen, aber jetzt scheint es mir, als ginge von deinem Sohn Þorgeir Unruhe und Unfrieden aus. Deswegen wollen wir, dass du mit deinem Haushalt und deiner Wirtschaft aus dem Ísafjord wegziehst, aber Bersi und seinen Sohn werden wir nicht vertreiben, weil sie von hier stammen; außerdem erwarten wir, dass Þormóð weniger Unruhe stiftet, wenn er und Þorgeir getrennt sind.«

Hávar sagt: »Du kannst darüber bestimmen, Vermund, dass wir mit unserem Haushalt den Ísafjord verlassen, aber ich frage mich, ob Þorgeir über seinen Aufenthalt nicht selbst entscheiden will.«

Nach dieser Unterredung verlegte Hávar seinen Haushalt nach Süden an den Borgarfjord und ließ sich an der Stelle nieder, die heute Hávarsstaðir heißt. Þorgeir war nun abwechselnd bei seinem Vater und im Westen bei Þormóð im Ísafjord, und viele Menschen, zu denen er kam, fürchteten sich vor ihm. Er hielt sich lange in Reykjahólar bei seinem Onkel Þorgíls auf, und zwischen den beiden herrschte ein gutes Einvernehmen. Mit Þorgíls Arason war er schon früh eng befreundet, und diese Freundschaft hielt, solange sie beide lebten.

2Jöð erschlägt Hávar

Auf dem Hof Skeljabrekka lebte ein Mann mit Namen Jöð, ein Sohn von Klæng. Er war ein mächtiger Mann und ein Kämpfer und Streithahn, der sich vielen Menschen gegenüber herablassend verhielt, einer der reichen Männer im Bezirk und großspurig, er hatte schon manchen Mann erschlagen, zahlte aber trotzdem selten eine Buße. Eines Winters trug es sich zu, dass Jöð und seine Knechte zum Mehlkauf nach Akranes hinauszogen. Unterwegs kam er bei Hávar vorbei und bat ihn, er möge ihm ein Pferd bis nach Nes hinaus leihen. Hávar lieh ihm das Pferd, – »aber ich möchte, dass du das Pferd auf dem Rückweg wieder herbringst und es nicht länger behältst.« Jöð sagte, damit sei er einverstanden. Dann ritt er hinaus nach Nes und kaufte Mehl, wie er es vorgehabt hatte, und machte sich wieder auf den Heimweg. Und als er am Grunnafjord entlang zurückkehrte und an Hávars Hof vorüberkam, da sagten seine Begleiter zu ihm, dass sie das Pferd zurückbringen sollten.

Jöð sagt: »Ich habe keine Lust, mich damit aufzuhalten. Jetzt nehme ich es unter der Last mit nach Hause und schicke es zurück, sobald ich es nicht mehr brauche.«

Sie sagen: »Du kannst machen, was du willst, aber es hat Hávar noch nie gefallen, wenn man sich nicht an die Abmachungen hält.«

»Daran lässt sich jetzt nichts ändern«, sagt Jöð.

Hávar sieht sie reiten und erkennt sie, geht zu ihnen und grüßt sie und sagte: »Das Pferd lasst ihr jetzt aber hier.«

Jöð sagt: »Du wirst es mir doch leihen, bis ich zu Hause in Skeljabrekka bin.«

Hávar sagt: »Ich will nicht, dass das Pferd weiter mitgeht.«

Jöð sagt: »Wir nehmen es trotzdem mit, auch wenn du es uns nicht leihen willst.«

Hávar sagt: »Das werden wir ja sehen.«

Er läuft zu dem Pferd und wirft die Packsättel herunter, nimmt es am Zügel, dreht sich um und macht sich auf den Heimweg. Jöð hatte einen großen Hakenspieß in der Hand. Er schleudert ihn hinter Hávar her und durchbohrt ihn; an dieser Verletzung starb Hávar. Jöð nahm das Pferd und zog damit weiter, bis er nach Hause kam. Die Männer auf Hávars Hof fanden, dass er lange fortblieb. Sie suchten ihn und fanden ihn tot an der Stelle, wo er erschlagen worden war. Sie hielten das für eine unerhörte Begebenheit, und viele andere auch.

3Þorgeir erschlägt den Bauern Jöð

Þorgeir befand sich zu diesem Zeitpunkt im Westen in Ísafjord. Die Erschlagung Hávars sprach sich schnell in den Bezirken herum, und als Þorgeir vom Totschlag an seinem Vater erfuhr, da war ihm beim Hören der Nachricht nichts anzumerken. Er wurde nicht rot, weil der Zorn ihm nicht unter die Haut ging; er wurde nicht blass, weil der Hass ihm nicht in die Brust schoss; sondern er blieb unverändert bei der Überbringung der Nachricht, weil sein Herz nicht war wie der Kropf eines Vogels; es war nicht mit Blut gefüllt, so dass es vor Angst bebte, sondern vom höchsten Schöpfer in aller Tapferkeit gehärtet.

Es heißt, dass Þorgeir sich wenig aus Frauen machte; er sagte, es sei eine Entwürdigung seiner Kraft, sich mit Frauen abzugeben. Er war wenig gesprächig, lachte selten und war harsch im täglichen Umgang mit den Leuten. Er war großgewachsen und von männlicher Erscheinung und strotzte vor Kraft. Þorgeir besaß eine breite Axt, eine ungewöhnlich große polierte Axt; sie war scharf geschliffen und hatte manchem Mann das Nachtmahl bereitet. Er besaß auch einen langen, gefiederten Speer mit gehärteter Spitze und scharfen Schneiden, mit starker Tülle und schwerem Schaft. In jener Zeit waren Schwerter hierzulande eine wenig gebräuchliche Waffe.

Als nun Þorgeir vom Totschlag an seinem Vater erfuhr, da begab er sich nach Reykjahólar zu Þorgísl und erklärte ihm, er wolle nach Süden in den Borgarfjord ziehen und seine Mutter besuchen, und bat ihn, ihm eine Überfahrt über den Breiðafjord zu beschaffen. Þorgils kam seiner Bitte nach. Jetzt zieht Þorgeir hinunter in den Borgarfjord, und es ist nicht überliefert, wo er übernachtet. Die Wegverhältnisse im Bezirk waren gut, es lag kein Schnee, und die Seen waren alle gefroren. Und als er über die Hvítá nach Süden kommt, da schlägt er den Weg nach Skeljabrekka ein. Es war neblig und mild, draußen war es dunkel, wegen des Wetters und weil die Nacht hereinbrach. Þorgeir gelangt spät am Abend nach Skeljabrekka, und als er den Hof erreicht, waren die Türen verriegelt und die Männer gerade vom Feuer hereingekommen in die Stube, wo Licht brannte. Þorgeir schlug an die Tür.

Jöð sagte: »Es klopft an der Tür; geh mal einer von euch hinaus, Leute.«

Ein Knecht geht hinaus und sieht einen bewaffneten Mann vor der Tür stehen und fragt ihn, wer er sei.

Er antwortet: »Ich heiße Vigfús.«

Der Knecht sagte: »Komm herein; hier findest du Unterkunft.« Þorgeir sagte: »Von einem Knecht nehme ich keine Einladung an; sag, dass Jöð herauskommen soll.«

Der Knecht geht hinein, aber Þorgeir bleibt draußen stehen. Der Hausherr fragte den Knecht, als er in die Stube zurückkam: »Wer ist da gekommen?«

Der Knecht antwortet: »Das weiß ich umso weniger, als ich vermute, dass er es selbst nicht weiß.«

Jöð sagt: »Hast du ihm Unterkunft angeboten?«

Er antwortet: »Das habe ich.«

Jöð sagte: »Und was hat er geantwortet?«

»Er hat gesagt, er wolle von einem Knecht keine Einladung annehmen, er will, dass du hinauskommst.«

Jöð griff nach seinem Speer und setzt seinen Helm auf und geht von zwei Knechten begleitet an die Tür, sieht den Mann davor stehen und dreht den Speer um und setzte die Speerspitze auf die Türschwelle. Er fragt, wer der Ankömmling sei.

Der sagte: »Ich heiße Þorgeir.«

Jöð sagt: »Welcher Þorgeir bist du?«

»Ich bin Hávars Sohn.«

Jöð sagt: »Was führt dich hierher?«

Er sprach: »Ich weiß nicht, was geschehen wird, aber ich will von dir wissen, ob du eine Buße zahlen willst für den Totschlag, den du an meinem Vater Hávar verübt hast.«

Jöð sprach: »Ich weiß nicht, ob du gehört hast, dass ich schon viele Totschläge begangen und keine Buße dafür bezahlt habe.«

»Davon weiß ich nichts«, sagt Þorgeir. »Aber wie dem auch sei, so kommt es mir zu, diese Totschlagsbuße zu fordern, denn der Hieb hat auch mich mit getroffen.«

Jöð sagt: »Es liegt mir nicht gänzlich fern, dich mit irgendetwas zu bedenken, Þorgeir, aber eine Buße für diesen Totschlag werde ich dir deswegen nicht zahlen, weil dann andere meinen, dass ich für andere Totschläge auch Buße zahlen sollte.«

Þorgeir antwortet: »Ihr müsst entscheiden, welche Genugtuung ihr leisten wollt, aber wir müssen nach unserer eigenen Meinung entscheiden.«

Während sie diese Worte wechselten, stand Þorgeir nicht allzu nah an der Tür; er hält den Speer in der rechten Hand und wendet die Spitze nach vorn, und die Axt in der linken Hand. Jöð und seine Männer konnten nur unscharf nach draußen sehen, weil sie aus dem Licht gekommen waren, und für Þorgeir war es leichter, die Männer zu sehen, die in der Tür standen. Und als sie es am wenigsten erwarten, geht er zur Tür und stößt Jöð den Speer in die Mitte und sogleich durch ihn hindurch, so dass er nach hinten in die Tür und seinen Begleitern in die Arme fällt. Þorgeir verschwindet sofort im Dunkel der Nacht, und die Knechte bemühen sich um Jöð. Þorgeir war damals fünfzehn Jahre alt, als dieser Totschlag sich zutrug, wie Þormóð es in der Erfidrápa auf Þorgeir dichtete:

Arbeit begann, als den Erben

Klængs der Reichtumgeber

tot niederstreckte – kühn war

der Slipppferde Reiter;

fünfzehn Jahre alt war

der Meerrosse Módir, als

– angetrieben zu glückhafter Tat –

ihm Rache für Hávar gelang.

Erbe Klængs = Klængs Sohn = Jöð; Reichtumgeber = großzügiger Mann = Þorgeir; Slipp (Slip) = Rollbäume, über die die Schiffe zu Wasser gebracht wurden; Rollbäumepferde = Schiffe; der Schiffe Reiter = Seefahrer = Þorgeir; Módir der Meerrosse (dasselbe)

4Þorgeir trifft seine Mutter

Þorgeir zieht in der Nacht weiter übers Hafnarfjöll und macht erst halt, als er Hávarsstaðir erreicht. Er klopfte dort ans Tor, und es wurde lange nicht aufgemacht. Þórelf sagte einem ihrer Männer, er solle hinausgehen. Er wird wach und reibt sich heftig die Augen und ist verärgert darüber, dass er aufstehen soll, und sagt:

»Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, ans Tor zu gehen, wenn Leute nachts unterwegs sind.«

Þórelf entgegnete: »Nur jemand, dem es notwendig erscheint, wird nachts draußen in der Dunkelheit unterwegs sein.«

»Ich weiß nicht«, sagt der Mann, steht auf und lässt sich viel Zeit und geht zum Tor und sieht einen Mann davor im Dunkel der Nacht und grüßt ihn nicht, dreht sich um und geht wieder in sein Bett und zieht sich die Decke über. Þorgeir tritt ein, macht das Tor hinter sich zu und geht in die Stube.

Þórelf fragt: »Wer ist denn da gekommen?«

Der Knecht antwortet: »Ich weiß nicht, wer er ist, und es interessiert mich auch nicht.«

Sie sagte: »Neugierig bist du nicht gerade.« Dann wandte sie sich an eine Magd: »Steh auf und geh zur Stube und sieh nach, wer der Mann ist, der gekommen ist.«

Die Magd stand auf und geht zur Stube und öffnet die Tür ein wenig und fragt, ob jemand da sei.

Ihr wird geantwortet: »Ja, hier ist ein Mann.«

Sie fragt, wer er sei. Er antwortet, er heiße Þorgeir.

Sie schließt die Tür und geht ins Schlafhaus. Þórelf fragte:

»Wer ist der Mann?«

Sie antwortet: »Ich nehme an, dass da dein Sohn Þorgeir gekommen ist.«

Þórelf steht auf und macht ein Licht an, geht zur Stube und begrüßt ihren Sohn herzlich und fragt ihn nach Neuigkeiten.

Þorgeir sagt: »Heute Abend hat es auf Skeljabrekka einen tätlichen Angriff gegeben.«

Þórelf fragt: »Wer war daran beteiligt?«

Þorgeir antwortet: »Jöð ist angegriffen worden.«

Sie sagt: »Kein großer Verlust. Und wer war der Angreifer?«

Þorgeir antwortet: »Ich kann nicht abstreiten, dass ich es war.«

Þórelf sagt: »Wie schwer war die Verletzung?«

Þorgeir antwortet: »Ich nehme nicht an, dass die Wunde, die ich ihm zugefügt habe, eines Verbands bedurft hätte; ich habe an meinem Speer gesehen, dass er ganz durch ihn hindurchgegangen ist, und er fiel nach hinten in die Arme seiner Männer.«

Þórelf sprach da hocherfreut: »Das war keines Kindes Tat. Gesegnet sei das Werk deiner Hände, mein Sohn. Aber warum haben seine Männer dich nicht verfolgt?«

Þorgeir antwortete: »Sie hatten erst einmal anderes zu tun.«

Dann brachte sie ihm ein Nachtmahl, und als er satt war, sprach Þórelf: »Ich rate dir, dich jetzt hinzulegen und zu schlafen, und vor Tagesanbruch stehst du auf, steigst auf das beschlagene Pferd, das wir besitzen, und reitest nach Westen in den Breiðafjord; meine Männer werden dich begleiten, so weit du willst. Morgen wird man herkommen und nach dir suchen, und wir sind nicht stark genug, dich gegen eine Übermacht zu schützen; das Eis der Seen wird auch bald aufbrechen, wenn das Tauwetter anhält, und dann wird das Vorankommen schwierig sein. Du hast jetzt das getan, was am nötigsten war. Richte meinem Verwandten Þorgísl aus, dass er mir bei sich im Westen eine Bleibe besorgt; ich will wieder in die Nähe meiner Familie ziehen.«

Þorgeir tat, wie seine Mutter ihm riet, legte sich zum Schlafen hin, stand vor Tagesanbruch auf und ritt davon. Von seinem Weg wird nichts berichtet, bis er in den Westen zum Breiðafjord kam, wo er sich eine Überfahrt nach Reykjanes beschaffte und dort den Totschlag an Jöð verkündet.

 

Allen Menschen, die von dieser Begebenheit hörten, schien es verwunderlich, dass ein junger Bursche einem so hartgesottenen Bezirksoberen und großen Kämpfer wie Jöð zum Verhängnis werden konnte. Und doch war es nicht verwunderlich, weil der höchste Schöpfer dem Þorgeir ein so unerschrockenes und hartes Herz geschaffen und in die Brust gegeben hatte, dass er sich nicht fürchtete, und er war so furchtlos in allen Mutproben wie der Löwe. Und da alle guten Dinge von Gott gemacht sind, ist auch die Furchtlosigkeit von Gott gemacht und kühnen Recken in die Brust gegeben, und dazu die Eigenverantwortung, sie so zu benutzen, wie sie es wollen, zum Guten oder zum Schlechten, denn Christus hat die Christen zu seinen Ziehsöhnen gemacht, und nicht zu Sklaven, und er wird es jedem nach seinem Tun vergelten.

Þorgeir hielt sich wechselweise in Reykjahólar oder westlich im Ísafjordgebiet auf. Im Frühjahr nach diesen Begebenheiten zog Þórelf mit ihrem gesamten Besitz nach Reykjanes. Im Sommer wurde wegen der Totschläge an Hávar und Jöð ein Vergleich herbeigeführt. Þorgeir hielt sich zu dieser Zeit lange bei Bersi auf. Er und Þormóð waren die besten Freunde, sie beschafften sich ein kleines Fährboot, heuerten noch sieben andere Männer an und ließen sich den Sommer über hier- und dorthin treiben.

5Von den Schwurbrüdern Þorgeir und Þormóð

Ingólf hieß ein Mann, der in Jökulsfjord wohnte; er wurde Ingólf Sviðinn genannt; der Hof, auf dem er wohnte, hieß Sviðinsstaðir. Sein Sohn hieß Þorbrand; er war ein großer Kämpfer, unverträglich und unbeliebt. Vater und Sohn waren ziemlich üble Burschen und brachten oft das Eigentum anderer Männer in ihren Besitz, sei es mit Gewalt oder durch Raub. Sie waren beide Thingmänner Vermunds, und er hielt ständig die Hand über sie, denn sie machten ihm regelmäßig gute Geschenke, und ihre zahlreichen Übergriffe wurden nur deswegen nicht so schnell gerächt, weil sie unter Vermunds Schutz standen.

In Jökulsfjord wohnte eine Frau mit Namen Sigrfljóð, sie war Witwe. Sie war klug und beliebt und zeigte sich vielen Menschen gegenüber hilfsbereit. Zwischen den Ländereien Sigrfljóðs und Ingólfs lag der Fjord, und sie hatte in vielfacher Hinsicht schwer unter diesen Nachbarn zu leiden.

Þorgeir und Þormóð bereiteten sich für die Fahrt in den Norden nach Strandir vor, um dort auf Fischfang zu gehen; und als sie fertig waren, setzte eine ungünstige Wetterlage mit Gegenwind ein, die es ihnen unmöglich machte, aus dem Ísafjord herauszusegeln; für viele Menschen waren die beiden in diesem Sommer eine wahre Plage. Und als es auf den Winter zuging, kam Wind auf, und sie setzten das Segel und segelten bei gutem Wetter und mit einer leichten Brise aus dem Ísafjord hinaus. Das Schiff machte wenig Fahrt wegen des Wetters, und als sie eine Weile gesegelt waren, da trübte es sich ein, und als Nächstes begann es zu schneien. Und als sie vor dem Jökulsfjord lagen, da wehte es ihnen schneidend und kalt mit Schneetreiben und Frost entgegen. Jetzt wussten sie nicht mehr, wohin sie segelten, das Schneewetter und die einbrechende Nacht machten die Dunkelheit undurchdringlich. Sie drehten jetzt das Schiff und liefen vor dem Wind ab, doch hohe Sturzwellen schlugen über sie und durchnässten sie, und ihre Kleider gefroren ihnen am Körper; die Töchter Ráns erprobten sie und boten ihnen ihre Umarmung dar. Zu guter Letzt kamen sie an einen Fjord und liefen hinein, und am Fjordende waren Bootshäuser, und darin lagen Boote. Da setzten sie ihr Schiff an Land und versorgten es und gingen anschließend auf die Suche nach einem Gehöft. Schließlich finden sie einen kleinen Hof, klopfen an die Tür, und ein Mann kommt heraus und grüßt sie, bittet sie herein, die bei solch schlechtem Wetter draußen waren, und sie gehen zur Stube, wo Licht brannte. Ihnen werden Plätze auf der oberen Bank angewiesen. Da fragt eine Frau, wer der Anführer der Angekommenen sei. Ihr wird gesagt, Þorgeir und Þormóð seien gekommen, – »aber wer fragt danach?«, sagten sie.

Ihnen wird gesagt, dass die Hausherrin Sigrfljóð danach frage.

»Ich habe von euch reden hören«, sagt sie, »gesehen habe ich euch noch nicht; aber habt ihr heute mehr Glück mit dem Wetter oder mehr Glück mit den Freunden gehabt?«

Sie sagen: »Viele würden sagen, das käme aufs Gleiche hinaus, aber es unterscheidet sich wohl ein wenig, je nachdem, wer darüber spricht.«

Sigrfljóð antwortet: »Damit könnt ihr recht haben.«

Jetzt erklärt sie, sie wolle sich ihrer Kleidung annehmen, und es wurde ein großes Feuer für sie entfacht, und ihre Kleider, die gefroren waren, wurden aufgetaut. Anschließend wurde ihnen Essen gebracht und danach die Schlafstatt bereitet und gut für sie gesorgt. Und sie schlafen schnell ein.

Schneegestöber und Frost sangen Hexengesänge der Hel um die Hausdächer und zeigten denen, die hinausschauten, ihr grimmes Spiel mit wenig Mühe und großem Schrecken; es bellte der Erlenhund mit nimmermüden Kiefern und schlug seine grimmen Kältezähne in die ganze Erde. Und bei Tagesanbruch sah ein Mann hinaus, und als er wieder hereinkam, fragt Þorgeir, was für ein Wetter draußen sei. Der Mann sagt, dass das gleiche Wetter sei wie am Abend zuvor.

Sigrfljóð sagte: »Ihr braucht euch wegen des Wetters keine Sorgen machen, denn ihr seid hier willkommen, wenn ihr vorliebnehmt mit dem, was wir euch bieten können, und fahrt erst wieder von hier fort, wenn das Wetter gut ist.«

Þorgeir erwidert: »Dein Angebot an uns ehrt dich, Hausherrin, aber das schlechte Wetter kann uns nichts anhaben; wir haben weder Frauen noch Kinder, nach denen wir sehen müssten.«

Das schlechte Wetter hielt eine Woche an. Der Fjord fror zu und hatte eine dicke Eisdecke. Eines Morgens stand Sigrfljóð früh auf und sah hinaus, und als sie wieder hereinkommt, fragt Þorgeir, wie das Wetter sei.

Sie sagt: »Jetzt ist das Wetter gut, klar und windstill.«

»Dann lasst uns aufstehen«, sagte Þormóð.

»Was habt ihr vor?«, fragte Sigrfljóð.

Þormóð antwortet: »Wir werden in den Norden nach Strandir ziehen und sehen, ob es etwas zu fangen gibt, aber unser Schiff lassen wir hier.«

»Ihr seid mir komische Männer, wollt nach Strandir ziehen und Wale fangen, und den näherliegenden und heldenhafteren Fang lasst ihr unbeachtet liegen.«

Þormóð sagte: »Was ist das für ein Fang?«

Sie sagt: »Ich hielte es für heldenhafter, die Übeltäter zu erschlagen, die hier die Menschen berauben, als auf Walfang zu gehen.«

Þormóð sprach: »Von welchen Männern sprichst du?«

Sie sagt: »Ich spreche von Ingólf und Þorbrand, die vielen Menschen hier übel mitgespielt und schweren Schaden zugefügt haben; wenn ihr sie aus dem Weg räumtet, würdet ihr mit eurer Tat eine Menge Männer rächen, und viele würden es euch aufs beste lohnen.«

Þormóð sprach: »Ich frage mich, ob dein Rat wirklich gut ist, denn sie sind Freunde von Vermund, und es wird nicht ohne Folgen bleiben, wenn ihnen etwas zustößt.«

Sie sagte: »Jetzt bewahrheitet sich das Sprichwort, dass man böse Männer am liebsten nur vom Hörensagen kennt. Ihr haltet euch für große Krieger, solange ihr kleine Leute drangsaliert, aber wenn ihr euch wirklich beweisen müsst, kriegt ihr es gleich mit der Angst zu tun.«

Da sprang Þorgeir auf und sprach: »Auf mit euch, Jungs, vergelten wir der Hausherrin ihre Gastfreundschaft.«

Und da standen sie auf, legten die Waffen an und gingen hinaus, als sie fertig waren.

6Ingólf und Þorbrand werden erschlagen