Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord -  - E-Book

Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord E-Book

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 183

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord

Isländersagas

Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack

Aus dem Altisländischen von Mathias Kruse

Fischer e-books

Mit einer Einleitung von Mathias Kruse

Mit einem Vorwort der Herausgeber

Mit einer Faksimile der mittelalterlichen Handschrift

Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga

Mit einem Glossar

Vorwort

Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.

Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.

 

April 2011

Die Herausgeber

Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord

Hávarðar saga Ísfirðings

Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Mathias Kruse

Die erste Seite der Saga von Hávarð aus dem Ísafjord in einer Handschrift vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Die erste Zeile des Titels und die erste Zeile des Textes sind durch die Buchstabengröße und verzierte Initialen hervorgehoben. Ungewöhnlich sind die an vielen Stellen der Handschrift zu findenden verzierten Kustoden (rechts unten).

Einleitung

Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord ist die Geschichte eines in die Jahre gekommenen Mannes, der auf seine alten Tage noch einmal über sich hinauswächst und sich auf blutige Art und Weise gegen die Tyrannei seines mächtigen Nachbarn erhebt.

Einstmals ein berüchtigter Wikinger, führt der aufgrund einer Knieverletzung hinkende Hávarð im Alter ein geruhsames Leben am südlichen Ufer des Ísafjarðardjúp auf seinem am Laugabólsfell gelegenen Hof, der den Namen Blámýr trägt, »Schwarzmoor«. Er ist glücklich verheiratet und stolzer Vater eines vielversprechenden Jungen, der sich am ganzen Fjord als tüchtiger Schafhirte und Bezwinger eines Wiedergängers einen Namen macht. Doch dem aufstrebenden jungen Mann – sein Name ist Ólaf – wächst am Nachbarshof ein Neider heran, der mächtige Gode Þorbjörn, der es gar nicht gerne sieht, dass Ólaf einer Frau auf seinem Hof Besuche abstattet. So kommt es, wie es kommen muss: Ólaf wird von Þorbjörn erschlagen. Dem alten Hávarð bricht dies das Herz. Ganze drei Jahre, so heißt es, liegt er nach dem Tod seines Sohnes im Bett, unfähig, Þorbjörn für seine Tat büßen zu lassen. Nur seiner Frau gelingt es bisweilen, ihn aufzurütteln und aus dem Bett zu jagen. Sie ist es auch, die, nachdem die ersten Versuche, Þorbjörn um Entschädigung zu bitten, fehlgeschlagen sind, zur Tat schreitet und ihre Brüder und Neffen um Hilfe ersucht. So sammelt sich schließlich unter der Führung des alten Hávarð, der mit einem Mal seine alten Kräfte wiedergewonnen zu haben scheint, doch noch eine Schar bewaffneter Männer, zur Rache für Ólafs Tod entschlossen.

Die spannend und mit einigem Humor vorgetragene Geschichte lebt von ihren fast schon überzeichnet zu nennenden Figuren: dem strahlenden Helden Ólaf, dem alten Hávarð, der vom hinkenden Alten unvermittelt noch einmal zum jungen Draufgänger wird, dem Widersacher Þorbjörn, an dem (beinahe) kein gutes Haar gelassen wird, dem »erbärmlichen« Atli, einem kleingewachsenen Glatzkopf, der sich zum gefährlichen Kämpfer mausert, dem »Gutmenschen« Gest Oddleifsson oder dem kleinlauten Richter Þorkell. Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord ist ein gutes Beispiel für eine Saga der »Spätzeit«, in der bereits die Einflüsse anderer Sagagattungen spürbar sind. Die Entstehungszeit der Saga ist daher auch kaum vor Beginn des 14. Jahrhunderts anzusetzen. Die ältesten Handschriften, die sie uns überliefern, stammen gar erst aus dem 17. Jahrhundert. Das Zeugnis des Buchs der Landnahmen, dessen unterschiedliche Fassungen die Geschichte Hávarðs ebenfalls kennen, legt indessen nahe, dass es sich bei der vorliegenden Fassung um die überarbeitete Version einer älteren Saga handelt – die vielleicht eher den historischen Tatsachen entsprochen haben mag, jedoch verloren ist.

Die Saga von Hávarð aus dem Ísafjord

1Die Leute aus dem Ísafjord

Diese Geschichte beginnt mit einem Mann, der Þorbjörn hieß. Er war ein Sohn Þjóðreks. Er wohnte am Ísafjord auf jenem Hof, der Laugaból hieß. Er hatte das Godentum am Ísafjord inne und war ein Mann von vornehmer Herkunft. Er hatte in der Gegend das Sagen und war ein übler, zu Gewalt neigender Unruhestifter, so dass niemand dort am Ísafjord die Kraft besaß, ihm zu widersprechen. Er entführte den Leuten ihre Töchter, ihre Nichten und Enkelinnen, um sie eine Zeitlang bei sich zu haben und sie anschließend wieder nach Hause zu schicken. Einige Leute brachte er um ihren Hof oder verjagte sie von ihrem Grund und Boden. Þorbjörn hatte sich eine Frau auf den Hof geholt, um diesen zu führen, die Sigríð hieß. Sie war eine junge Frau aus einer angesehenen Familie. Sie besaß ein großes Vermögen, das ihren Unterhalt sichern, jedoch nicht angelegt werden sollte, solange sie bei Þorbjörn war.

Ein Mann wurde Hávarð genannt. Er wohnte an dem Ort, der Blámýr heißt. Er war ein Mann von bedeutender Herkunft und stand damals schon in einem recht hohen Alter. Die erste Zeit seines Lebens war er ein großer Wikinger gewesen und ein herausragender Kämpfer, und in einer dieser Schlachten war er schwer verwundet worden und hatte eine Verletzung unterhalb der Kniescheibe davongetragen, und seit dieser Zeit hinkte er. Hávarð war verheiratet, und seine Frau hieß Bjargey. Sie stammte aus einer angesehenen Familie und war eine außergewöhnlich tüchtige Frau. Die beiden hatten einen Sohn, der Ólaf hieß. Er war noch jung an Jahren und ein äußerst tüchtiger Bursche. Er war groß und kräftig, ein hübscher Junge. Hávarð und Bjargey liebten Ólaf sehr. Er war auch gehorsam und tat, was sie sagten.

Ein Mann hieß Þormóð. Er wohnte auf jenem Hof im Ísafjord, der Bakki heißt. Seine Frau hieß Þorgerð. Þormóð war bei den Leuten wenig beliebt. Er war damals schon in etwas fortgeschrittenem Alter. Es wurde behauptet, er sei ein Gestaltwandler und könne verschiedene Gestalten annehmen. Bekam man es mit ihm zu tun, das wusste jeder dort, konnte es schlimmer nicht werden.

Ljót hieß ein Mann, der auf Mánaberg am Ísafjord wohnte. Ljót war ein kräftiger, großgewachsener Kerl. Er war Þorbjörns Bruder und war ihm in jeder Hinsicht ziemlich ähnlich.

Þorkell hieß ein Mann, der auf der Insel Æðey wohnte. Er war ein kluger, wenn auch kein bedeutender Mann, obwohl er aus einer angesehenen Familie stammte, und er war mehr als unaufrichtig und unzuverlässig. Þorkell war Richter und Thingvorsteher der Leute aus dem Ísafjord.

Zwei weitere Männer werden in der Geschichte erwähnt. Der eine hieß Brand und der andere Vak. Sie waren Hausleute von Þorbjörn auf Laugaból. Brand war ein großgewachsener Mann von kräftiger Statur. Brands Aufgabe war es, den Sommer über durch die Gegend zu ziehen und alles zum Hof zu schaffen, was man so brauchte, während er im Winter die Ochsen und Kühe hütete. Er war beliebt und suchte mit niemandem Streit. Vak war ein Sohn von Þorbjörns Schwester. Er war klein und schmächtig, schwang bei jeder Gelegenheit eifrig Reden, am liebsten von Mord und Totschlag, und stachelte Þorbjörn, seinen Onkel, immer zu Dingen an, die alles nur verschlimmerten. Daher war er nicht sehr beliebt, womit die Leute richtig lagen. Seine Arbeit bestand aus nichts anderem, als mit Þorbjörn ein und aus zu gehen oder Botengänge für ihn zu erledigen, wenn dieser etwas Böses im Schilde führte.

Þórdís hieß eine Frau, die auf Hvoll am Ísafjord wohnte. Sie war Þorbjörns Schwester und Vaks Mutter. Sie hatte noch einen anderen Sohn, der Skarf hieß. Der war nicht nur groß, sondern auch stark. Er lebte bei seiner Mutter und kümmerte sich um deren Hof.

Þórálf hieß ein Mann, der dort wohnte, wo es Lónseyr heißt. Er war ein freundlicher Mann von eher bescheidener Art. Er war ein naher Verwandter der Frau, die sich bei Þorbjörn um den Hof kümmerte. Þórálf hatte angeboten, Sigríð bei sich aufzunehmen und ihr Vermögen ertragreich anzulegen, doch Þorbjörn wollte das nicht und zeigte damit wieder einmal, wie schwierig mit ihm auszukommen war, und er legte Þórálf nahe, nie wieder ein Wort darüber zu verlieren.

2Ólaf kämpft gegen den Wiedergänger Þormóð

Mit der Geschichte ist jetzt da zu beginnen, wo Ólaf auf Blámýr heranwächst. Er entwickelt sich zu einem vielversprechenden jungen Mann. Man erzählt sich, dass Ólaf Hávarðsson die Hitze eines Bären in sich hatte, denn es gab kein Wetter, keinen Frost und keine Kälte, bei dem Ólaf in mehr Kleider geschlüpft wäre als in eine Hose und ein Hemd, das er in die Hose steckte. Wärmer angezogen ging er niemals vom Hof.

Þórhall hieß ein Mann. Er war mit Hávarð verwandt und gehörte zum Hof, war ein junger Mann und äußerst flink. Er war dafür zuständig, ihren Hof mit Lebensmitteln zu versorgen.

Eines Herbstes kam es, dass die Leute aus dem Ísafjord die gemeinsamen Sommerweiden abgingen und man nur wenige Schafe nach Hause brachte. Þorbjörn aus Laugaból fehlten sechzig Hammel. Die Winternächte verstrichen, doch man fand sie nicht. Kurz vor Einbruch des Winters macht sich Ólaf Hávarðsson von zu Hause aus auf den Weg und geht überall in den Bergen die Weiden ab, sucht nach dem Vieh der Leute und entdeckt eine Herde Schafe, die teils Þorbjörn, teils ihm und seinem Vater, teils auch anderen Leuten gehörten, und treibt das Vieh dann nach Hause und bringt jedem das zurück, was ihm gehört. Dadurch wird Ólaf sehr beliebt, so dass jeder ihm Gutes wünschte.

Eines Tages in der Früh treibt Ólaf Þorbjörns Hammel nach Laugaból hinab. Er kam zu der Stunde dort an, als die Leute zu Tisch saßen und niemand draußen war. Ólaf klopft an die Tür, und eine Frau kommt herbei. Es war Sigríð, Þorbjörns Wirtschafterin, und sie grüßte ihn freundlich. Sie fragte, was er wolle.

Ólaf antwortete: »Ich habe Þorbjörns Hammel hergetrieben, die er im Herbst vermisst hat.«

Als Þorbjörn hörte, dass an die Tür geklopft wurde, schickte er Vak los nachzusehen, was da vor sich ging. Der eilte los und ging zur Tür, die von selbst zugefallen war. Dann sah er, mit wem Sigríð sich unterhielt. Er schwang sich auf den Querbalken an der Tür und stand dort, während die beiden miteinander redeten.

Da sprach Ólaf: »Weiter muss ich jetzt ja nicht. Du, Sigríð, wirst schon Bescheid sagen wegen der Hammel.«

Sie sagte, dass sie das machen werde, und wünschte ihm einen guten Heimweg.

Vak stürmte mit Geschrei in die Halle zurück. Þorbjörn wollte wissen, weshalb er so herumbrüllte und wer da aufgetaucht sei.

»Ich glaube«, sagte er, »dass da der Flegel Ólaf aus Blámýr gekommen ist, der Sohn von Hávarð. Er hat deine Hammel hergetrieben, die im Herbst gefehlt haben.«

»Das war nett von ihm«, sagt Þorbjörn.

»Ich glaube aber, dass sein Kommen noch einen zweiten, nicht minder wichtigen Grund hatte«, sagt Vak, »denn Sigríð und er haben den ganzen Morgen miteinander geredet. Ich habe gesehen, dass es Sigríð offenbar großes Vergnügen machte, ihm die Arme um den Hals zu legen.«

Þorbjörn sprach: »Mag Ólaf ein noch so tüchtiger Kerl sein – uns derart unerwünschte Besuche abzustatten, das ist mehr als dreist von ihm!«

Ólaf kehrt nach Hause zurück. Das Jahr geht vorüber, und man erzählt sich, dass Ólaf immer wieder nach Laugaból gekommen sei, um sich dort mit Sigríð zu treffen, und sie verstanden sich gut. Es wurde schon bald gemunkelt, Ólaf würde Sigríð verführen.

Im Herbst darauf zogen die Leute wieder los, um die Sommerweiden abzugehen, und sie fanden nur wenige Schafe. Die meisten aber fehlten wieder einmal Þorbjörn. Und als der Abtrieb der Schafe beendet war, ging Ólaf allein von zu Hause fort und sah sich weit auf den Weideflächen um, in den Bergen und im Hochland, und wieder entdeckte er eine Herde Schafe und trieb sie zu den Höfen zurück, und wieder brachte er jedem das, was ihm gehörte. Damit machte er sich so beliebt in der Nachbarschaft, dass ihm jeder Gutes wünschte, mit Ausnahme von Þorbjörn. Der begann ihn dafür zu hassen, dass andere ihn lobten, und weil ihm zu Ohren kam, wie überall in der Gegend über seine Besuche auf dem Hof und die Treffen mit Sigríð getratscht wurde. Vak hielt sich auch nicht damit zurück, vor Þorbjörn über die beiden herzuziehen.

Nun war es so weit, dass Ólaf mit den Hammeln nach Laugaból kam, mit einer ähnlich großen Zahl wie zuvor, und als er dort eintraf, befand sich niemand draußen auf dem Hof. Er geht dann ins Haus und kommt zur Stube. Dort in der Stube hielt sich der Bauer Þorbjörn auf und sein Neffe Vak und viele der Hausleute. Ólaf betritt den Raum. Die Axt hält er in der Hand. Und als er ganz nahe an die erhöhte Diele gekommen ist, die sich entlang der Wand erstreckt, stellt er seine Axt auf dem Boden ab und stützt sich auf den Schaft, doch niemand grüßt ihn, alle schweigen. Und als er sieht, dass keiner ihn auch nur eines Wortes würdigt, spricht er eine Strophe:

Schließlich zu fragen begann

der schweigsamste Mann,

wenn alle Schildbäume schweigen,

die sonst beredter sich zeigen;

nicht achten man kann

einen sprachlosen Mann;

gestanden habe ich hier lange,

nicht einen Gruß ich empfange.

Schildbäume = Krieger, Männer

Anschließend sagte Ólaf: »Ich bin hier, Þorbjörn, weil ich deine Hammel hergetrieben habe.«

Da sprach Vak: »Die Leute wissen inzwischen, Ólaf, dass du zum Schaftreiber hier am Ísafjord geworden bist. Wir wissen auch, weshalb du zu uns gekommen bist, nämlich um dir deinen Anteil zu holen an den Schafen. Der steht einem Bettler auch zu, und es ist ganz klar, dass wir an dich denken werden, auch wenn es nur eine Kleinigkeit sein wird.«

Ólaf antwortete: »Das ist nicht der Grund, weshalb ich gekommen bin, und ein drittes Mal werde ich sie nicht zu euch treiben.«

Danach wendet er sich ab, während Vak aufspringt und hinter ihm herplärrt. Ólaf schenkte dem keine Aufmerksamkeit und kehrte nach Hause zurück, und das Jahr ging vorüber.

Im Herbst gab es keine Probleme beim Schafabtrieb, außer bei Þorbjörn. Ihm fehlten sechzig Hammel, und man fand sie nicht. Er und sein Neffe setzten daraufhin das Gerücht in Umlauf, Ólaf würde sie wieder einmal zu sich auf den Hof holen wollen, um sich seinen Anteil zu sichern oder sie gar zu stehlen.

Es war eines Abends, als Vater und Sohn zu Tisch saßen, da lag vor ihnen in der Schüssel eine Hammelkeule. Ólaf hielt sie hoch und sprach: »Das ist mal eine gewaltige und fette Keule!«

Hávarð sprach: »Ich hoffe doch, mein Sohn, dass sie von unseren Schafen stammt, und nicht von denen des Bauern Þorbjörn, denn so ein Unrecht ist nur schwer hinzunehmen.«

Ólaf legte die Keule auf den Tisch und wurde rot, und die, die dabeisaßen, hatten den Eindruck, als ob er die Keule gegen den Tisch presste, und da sprang sie in Stücke, so heftig, dass der eine Teil oben in die Giebelwand schoss und dort stecken blieb. Hávarð sah auf und sagte nichts, lächelte aber. In dem Moment kam eine Frau in die Halle, und es war Þorgerð aus Bakki, die da gekommen war.

Hávarð hieß sie herzlich willkommen und fragte, was es Neues gebe.

Sie erzählte, dass Þormóð, ihr Mann, gestorben sei. »Wir haben es nicht sehr gut getroffen, denn jetzt kehrt er Nacht für Nacht zu seinem Lager zurück. Daher wollte ich euch bitten, mir irgendwie zu Hilfe zu kommen, da meine Leute mit Þormóð schon vorher so ihre Probleme hatten und es jetzt so weit gekommen ist, dass sie sich alle davonmachen wollen.«

Hávarð antwortete: »Ich habe die beste Zeit schon hinter mir und bin nicht mehr für so etwas gemacht, aber weshalb gehst du nicht nach Laugaból? Bei denen, die hier das Sagen haben, sollte man wohl erwarten können, dass sie in solchen Bezirksangelegenheiten unverzüglich Unterstützung anbieten.«

Sie erwiderte: »Nichts Gutes würde mich dort erwarten. Ich könnte wahrscheinlich noch zufrieden sein, wenn Þorbjörn mir nichts antut.«

Da sprach Hávarð: »Dann gebe ich dir den guten Rat, Ólaf zu fragen, meinen Sohn. Das ist doch das Richtige für junge Burschen, bei so etwas seine Tapferkeit auf die Probe zu stellen. Unsereins hätte das früher ziemlich kurzweilig gefunden.«

Das tat sie nun. Ólaf sagte ihr zu, sie zu begleiten, und bat sie, die Nacht noch bei ihnen zu verbringen, doch am Tag darauf ging Ólaf mit Þorgerð zu ihrem Hof zurück. Dort herrschte schlechte Stimmung unter den Leuten, und am Abend ging man zu Bett. Ólaf lag auf dem Lager an der Giebelwand, vorne an der Tür. Es brannte Licht in der Halle. In der oberen Hälfte des Raumes war es hell, unten aber dunkel. Ólaf legte sich in Hemd und Hosen ins Bett. Mehr trug er nie. Er warf sich ein Schafsfell über. Und als die Nacht hereingebrochen war, da kam Þormóð in die Halle und ließ seinen Schädel auf den Schultern herumschaukeln. Er bemerkte, dass man ein Lager bereitet hatte, wo es normalerweise keines gab. Er war nie besonders gastfreundlich gewesen, und so wandte er sich dorthin und griff nach dem Schafsfell. Ólaf will nicht loslassen und hält es fest, bis sie das Fell zwischen sich in Stücke reißen. Und als Þormóð feststellt, dass in dem, den er da vor sich hat, Kraft steckt, springt er die Sitzkante hinauf und auf den Schlafplatz. Ólaf fährt auf und greift nach der Axt und hat vor, ihm einen Hieb zu verpassen, doch kommt Þormóð ihm zuvor, wirft sich gegen ihn und packt ihn. Da ist Ólaf gezwungen, sich zur Wehr zu setzen. Der heftigste Kampf entbrennt. Þormóðs Griff war so hart, dass sich überall das Fleisch von den Knochen löste, wo er hinlangte. Fast alles ging in die Brüche, was ihnen in den Weg kam, und da erlosch das Licht. Damit schien es für Ólaf nicht gerade besser zu werden. Þormóð stürzt sich danach wie wild auf ihn, und schließlich kommt es dazu, dass sie ihren Kampf nach draußen verlagern. Auf der Wiese vor dem Haus lag ein großes Stück Treibholz, und so geschieht es, dass Þormóð mit beiden Hacken gegen das Holz stößt und hintenüber auf den Rücken fällt. Ólaf setzt ihm da das Knie auf den Leib und misst dort seine Kraft mit Þormóð, bis er ihm gibt, was er braucht.

Alle schwiegen, als Ólaf wieder hereinkam. Doch als er auf sich aufmerksam machte, waren plötzlich alle auf den Beinen und man sorgte für Licht und massierte ihn von oben bis unten. Jeder Spannbreit seines Körpers war übel zugerichtet vom Kampf mit Þormóð. Jeder, der auch nur sprechen konnte, dankte ihm. Er sagte, er schätze, Þormóð würde sie nicht länger behelligen.

Ólaf blieb noch einige Nächte lang dort und kehrte danach nach Blámýr zurück. Durch diese Tat wurde er weithin berühmt am Ísafjord und in allen Landesvierteln, und durch all das wuchs die Feindschaft zwischen Þorbjörn und ihm nur umso mehr.

3Ólafs zweiter Kampf gegen Þormóð; Hávarð verlegt seinen Hof

Als Nächstes ist davon zu berichten, dass ein Wal am Ísafjord angetrieben wurde, an einer Stelle, an der Þorbjörn und Hávarð beide Anspruch hatten auf das Strandgut. Es hieß allerdings sofort, er würde Hávarð zustehen. Es war ein prächtiger Finnwal. Beide kamen sie dorthin und wollten das Urteil des Thingvorstehers dazu einholen. Viele Leute liefen dort zusammen. Allen schien offensichtlich, dass der Wal Hávarð gehören müsse. Auch der Richter und Thingvorsteher Þorkell war dorthin gekommen. Ihn fragte man nun, wem er gehören solle. Þorkell antwortete ziemlich leise: »Auf jeden Fall gehört der Wal ihnen«, sagte er.

Þorbjörn ging dann mit gezogenem Schwert auf ihn zu und sprach: »Wem gehört er, Elender?«

Þorkell zog den Kopf ein und erwiderte sofort: »Dir, dir, ganz klar!«

Danach ging Þorbjörn ganz dreist her und heimste den ganzen Wal ein. Hávarð kehrte heim und war für seinen Teil übel zufrieden. Alle Leute fanden, Þorbjörn habe damit wieder einmal ganz offen gezeigt, wie er sich über alles hinwegsetzte und dass er einer von der schlimmsten Sorte war.

Eines Tages kam es, dass Ólaf zu seinen Ställen ging, denn den Winter über war die Witterung harsch, und die Leute mussten sich sehr um ihr Vieh kümmern. In der Nacht war das Wetter rau und ungemütlich gewesen. Und als er zum Haus zurückwollte, sah er, dass sich ein Mann dem Hof näherte. Brand der Starke war es, der gekommen war. Ólaf grüßte ihn freundlich. Brand erwiderte froh seinen Gruß.

Ólaf erkundigte sich, weshalb er so spät unterwegs sei.

Er antwortete: »Das ist nicht der Rede wert. Ich bin heute früh zu meinem Vieh gegangen, aber es war bei Ebbe runter auf den Strand gelaufen. Man kann es da auch an zwei Stellen wieder an Land treiben, doch jedes Mal wenn ich mich daranmachte, stand da ein Mann vor ihnen und scheuchte die Tiere mit wilden Handbewegungen wieder zurück, so dass es mir wieder in die Arme lief, und so ging das den ganzen Tag, bis gerade eben. Jetzt wollte ich ganz gern, dass wir es einmal zusammen versuchen.«

»Wenn du darum bittest, will ich das gerne tun.«

Sie gingen dann zusammen zum Strand hinunter. Und sobald sie die Tiere an Land treiben wollen, sehen sie, dass Þormóð vor ihnen steht, Ólafs alter Raufkumpan, und die Tiere zurückscheucht, so dass sie ihnen wieder in die Arme laufen.

Da spricht Ólaf: »Was ist dir lieber, Brand, das Vieh zu treiben oder dir Þormóð vorzuknöpfen?«

Brand antwortet: »Dann nehme ich das, was einfacher ist, nämlich das Vieh zu treiben.«