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»Ein isländischer Schriftsteller kann nicht leben, ohne beständig über die alten Bücher nachzudenken.« Halldór Laxness Der Stellenwert, den die Isländersagas im kulturellen Gedächtnis der Isländer einnehmen, ist enorm. Bis heute haben die fesselnden Geschichten rund um die Besiedelung der nordischen Insel nicht an Leuchtkraft verloren: Die Prosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind eine Sternstunde der Geistesgeschichte Europas – und können hier in einer breiten Auswahl bewundert werden. Mit der vorliegenden Neuedition öffnet sich dem Leser ein Tor in eine Welt, die beseelt ist von wütenden Außenseitern, starken Frauen und Rechtskundigen, von Rache, Totschlag und Buße, aber auch von Schadenszauber und Wiedergängern und nicht zuletzt abenteuerlichen Reisen in ferne Länder. Die Isländersagas sind Weltliteratur. Die ›Isländersagas‹ - vorgelegt von den besten literarischen Übersetzern und angereichert mit wissenschaftlichen Zusatzinformationen - räumen einer der bedeutendsten Literaturen den Platz ein, der ihr gebührt. Mit einem Vorwort der Herausgeber Mit Faksimiles der mittelalterlichen Handschriften Mit Karten der Handlungsorte der Sagas Mit einem Glossar
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Seitenzahl: 133
Die Saga von Hrafnkell Freysgoði
Isländersagas
Herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack
Aus dem Altisländischen
Fischer e-books
Mit einer Einleitung von Andreas Vollmer
Mit einem Vorwort der Herausgeber
Mit einer Faksimile der mittelalterlichen Handschrift
Mit einer Karte der Handlungsorte der Saga
Mit einem Glossar
Die Isländersagas (Íslendingasögur) sind umfangreiche Prosaerzählungen in altisländischer Sprache, entstanden im 13. und 14. Jahrhundert. Sie gelten als der wichtigste Beitrag Islands zur Weltliteratur und sind in viele Sprachen übersetzt worden, mehrfach auch ins Deutsche. Die vorliegende Ausgabe präsentiert eine breite Auswahl dieser Sagas in neuen deutschen Übertragungen, ergänzt durch eine Reihe thematisch und stilistisch verwandter Erzählungen (þættir) aus derselben Epoche. In ihrer novellenhaften Kürze und Pointiertheit legen sie zusammen mit den Isländersagas in eindrucksvoller Weise Zeugnis ab von der im Mittelalter einzigartigen Erzählkunst Islands.
Viele Übersetzer haben zum Entstehen der neuen Ausgabe beigetragen. Wenn die Übertragungen dadurch einen je individuellen Ton bekommen haben, dann ist dies durchaus beabsichtigt. Denn die Originaltexte haben bei allen Gemeinsamkeiten doch immer eine deutlich eigene Prägung, die auch in der Übersetzung noch durchscheint. Damit die Sagas als literarische Kunstwerke für sich wirken können, sollten sie von allen erläuternden Zusätzen möglichst frei bleiben. Für das Verständnis unverzichtbare Anmerkungen der Übersetzer sowie Karten zur geographischen Orientierung finden sich in einem Anhang. Den größeren kultur- und literaturgeschichtlichen Zusammenhang erschließt der Begleitband.
April 2011
Die Herausgeber
Hrafnkels saga Freysgoða
Aus dem Altisländischen und mit einer Einleitung von Andreas Vollmer
In diesem Manuskript aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, geschrieben von Einar Bjarnarson (1772 – 1856), beginnt die Saga von Hrafnkell Freysgoði mit einer prächtigen I-Initiale, deren Linien teils rot nachgezogen sind.
Die Saga von Hrafnkell Freysgoði ist knapp und hat eine einfache klare Handlung. Sie ist rasch gelesen und lässt am Ende doch viele Fragen offen. An ihrem Beispiel sind denn auch zahlreiche Diskussionen geführt worden, die stellvertretend für alle Isländersagas waren.
Der Einstieg ist kurz und direkt: Hrafnkell kommt mit seinen Eltern aus Norwegen, gründet einen eigenen Hof und schwingt sich mit Geschick und Gewalt zum lokalen Anführer auf. Es ist noch vorchristliche Zeit, und in Verbindung mit seiner Verehrung für den Gott Frey ist Hrafnkell bald auch als Gode etabliert, womit seine Position endgültig so gefestigt ist, dass eigentlich nichts mehr passieren kann. Er widmet sein edelstes Pferd Frey und legt einen Eid ab, denjenigen zu töten, der auf dem Hengst reitet. Sein Nachbar Þorbjörn hat einen Sohn, Einar, der vom Hof muss und Arbeit bei Hrafnkell bekommt. In einer Notsituation reitet er auf dem verbotenen Hengst Freyfaxi. Dass Hrafnkell den ehrlichen Einar dafür tötet, empfindet selbst der hartgesottene Hrafnkell als Fehler. Einars Vater will das außerordentlich großzügige Entschädigungsangebot nicht annehmen, ein Unding, da er sozial ganz unten steht. Þorbjörn will mehr, und er überredet seinen Neffen Sám zu einer ordentlichen Klage vor dem Allthing. Dort treten die Brüder Þorkell und Þorgeir in Erscheinung, mächtige Männer vom anderen Ende der Insel. Sie sind mächtig genug, um vorübergehend das Verhältnis der Kräfte umzukehren. Gegen Ende der Saga kehrt Sáms Bruder Eyvind aus dem Ausland zurück, und wieder wendet sich das Blatt.
Die Saga kommt mit wenigen Figuren aus, Frauen und Kinder sind ausgeblendet. Hrafnkell und Sám sind die beiden Antipoden: Ihr Fall und Aufstieg bzw. Aufstieg und Fall bilden das Zentrum der Saga.
Die Saga von Hrafnkell Freysgoði hat geradezu eine geographische Obsession. Die Genauigkeit, mit der die Bewegungen im Raum beschrieben werden, ist enorm. Wer möchte, kann eine moderne Geländekarte nehmen und dem Relief zu folgen versuchen, wenn Einar auf Freyfaxi nach seinen Schafen sucht, Hrafnkell und Sám auf zwei verschiedenen Routen zum Allthing reiten oder die Ankunft von Eyvind im Reyðarfjord und die Hetzjagden auf der Hochebene Fljótsheiði verfolgen. Die Saga aus dem 13. Jahrhundert inszeniert auf großer Bühne mit wenigen Hauptdarstellern eine Wirklichkeit, die fast dreihundert Jahre zurückliegt. Da muss sie ab und zu mit Erläuterungen zum »Damals« kommentieren. Die Reste dieser Bühne gibt es heute noch, sie ist so vermeintlich nah und doch auch fern wie die Figuren und ihre Dialoge.
Die äußere Präzision ist lange mit historischer Genauigkeit gleichgesetzt worden. Die Saga von Hrafnkell Freysgoði galt als Realgeschichte, so wie auch die meisten anderen Isländersagas verstanden wurden. Dann kam die radikale Wende, die Präzision der Erzählung wurde als das literarisch-fiktive Werk eines gestaltenden Autors angesehen. Die Verwobenheit mit anderen Sagas, die in Ostisland spielen, öffnete den Blick auf das Zusammenspiel von Texten jenseits unserer konkreten Überlieferung. Über die Saga von Hrafnkell Freysgoði ist so ziemlich alles gemutmaßt worden, und ziemlich alles wurde wieder bezweifelt.
Auch erzählerisch gibt es verschiedene Facetten: der eher handlungsorientierte Bericht, durchgestaltete Dialoge, kunstvoll gedrechselte Reden und die geradezu drehbuchartig geschnittene Verfolgung am Schluss.
So kurz die Saga ist, sie bietet eine verwirrende Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten. Aus einer ethisch-christlichen Perspektive stößt man auf Hochmut, Verführung, Schuld und Sühne. Aus einem politisch-sozialen Blickwinkel geht es um Macht, Machtverlust, Wiederaufstieg, geschicktes Herrschen und gesellschaftlichen Status. Was veranlasst die Figuren zu ihrem Handeln, ändern sie sich, bewertet die Saga das Tun und Lassen und das Ergebnis?
Die Stringenz der Handlung lässt eine Parabel des 13. Jahrhunderts erwarten, nur scheint es mehrere Schlüssel zu geben, die alle nicht vollständig passen wollen; gerade das unbequeme Ende will man nicht einfach hinnehmen. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum die Saga von Hrafnkell Freysgoði immer wieder neu gelesen wird und warum sie in ihrer – möglicherweise nur vermeintlichen – Offenheit modern anmutet, obwohl sie eine ganz fremde Welt beschreibt.
In den Tagen von König Harald Schönhaar – dem Sohn von Hálfdan dem Schwarzen, Sohn von Guðröð Veiðikóng, Sohn von Hálfdan Mildi und Matarilli, Sohn von Eysteinn Frey, Sohn des Schwedenkönigs Ólaf Trételgja – kam ein Mann namens Hallfreð mit seinem Schiff nach Island ins Breiðdal, unterhalb der Gegend von Fljótsdal. Auf seinem Schiff waren auch seine Frau und sein Sohn mit Namen Hrafnkell. Dieser war damals fünfzehn Jahre alt, vielversprechend und tüchtig.
Hallfreð gründete einen Hof. Im Winter starb eine ausländische Magd, die Arnþrúð hieß, und seitdem heißt es dort Arnþrúðarstaðir. Im Frühjahr verlegte Hallfreð seinen Hof nach Norden über das Hochland in das Tal, das Geitdal genannt wird.
Eines Nachts träumte er, dass ein Mann zu ihm kam und sagte: »Hier liegst du, Hallfreð, und das ist sehr unvorsichtig. Zieh mit deinem Hof weiter nach Westen über den Lagarfljót. Dort liegt dein ganzes Glück.«
Da wacht er auf und zieht weiter, über die Rangá in Tunga, wo es seither Hallfreðarstaðir heißt. Dort wohnte er bis ins Alter.
Er hatte jedoch einen Eber und einen Ziegenbock vergessen, und noch am selben Tag, an dem Hallfreð aufgebrochen war, begrub ein Erdrutsch das Gehöft mitsamt dem Vieh, und seitdem heißt es dort Geitdal.
Hrafnkell ritt im Sommer oft aufs Hochland. Zu der Zeit war das Jökulsdal bis hinauf an die Brücke besiedelt. Hrafnkell ritt die Hochebene über dem Fljótsdal weiter entlang und entdeckte ein noch unbesiedeltes Tal, das vom Jökulsdal abging. Dieses Tal kam Hrafnkell geeigneter vor als andere, die er sich bis dahin angesehen hatte.
Als er nach Hause kam, bat er seinen Vater um die Trennung ihrer Güter und sagte, er wolle einen eigenen Hof gründen. Sein Vater ist damit einverstanden, und er baut sich seinen Hof in diesem Tal und nennt ihn Aðalból. Hrafnkell heiratete Oddbjörg Sköldólfsdóttir aus dem Laxárdal. Sie hatten zwei Söhne. Der ältere hieß Þórir, der jüngere Ásbjörn.
Als Hrafnkell das Land um Aðalból besiedelt hatte, brachte er oft große Opfer dar und ließ einen großen Tempel bauen. Hrafnkell verehrte keinen Gott mehr als Frey, dem er seine wertvollsten Tiere zur Hälfte schenkte. Hrafnkell nahm das ganze Tal in Besitz und überließ anderen Männern Land, wollte aber, dass sie sich ihm unterordneten, und wurde ihr Gode. Daraufhin erhielt Hrafnkell den Beinamen Freysgoði.
Er war ungerecht und gewalttätig, aber sehr fähig. Er zwang die Leute vom Jökulsdal, seine Thingmänner zu werden, war freundlich und nachsichtig zu seinen eigenen Leuten, aber schroff und unnachgiebig zu denen vom Jökulsdal, die von ihm nie gerecht behandelt wurden. Hrafnkell führte oft Zweikämpfe und zahlte für niemanden Wiedergutmachung, weil er keine Buße leistete, egal, was er tat.
Die Hochebene Fljótsdalsheiði ist sehr steinig und sumpfig und schlecht zu überqueren, aber trotzdem ritten Vater und Sohn oft zueinander, denn sie verstanden sich gut. Hallfreð fand den Weg schwer passierbar und suchte eine andere Strecke oberhalb der Anhöhe, die aus der Fljótsdalsheiði ragt. Dort fand er einen trockeneren, wenn auch längeren Weg. Diesen Weg, der Hallfreðargata heißt, nimmt nur, wer sich auf der Fljótsdalsheiði sehr gut auskennt.
Bjarni hieß ein Mann, der auf dem Hof wohnte, der Laugarhús heißt. Das ist im Hrafnkelsdal. Er war verheiratet und hatte zwei Söhne mit seiner Frau, der eine hieß Sám, der andere Eyvind, ansehnliche und vielversprechende Männer. Eyvind lebte zu Hause bei seinem Vater, während Sám verheiratet war und weiter nördlich im Tal auf dem Hof wohnte, der Leikskálar heißt. Sám war sehr wohlhabend und trat gerne großspurig auf, und er kannte sich in Rechtsfragen gut aus. Eyvind jedoch trieb es fort: Er fuhr nach Norwegen und blieb dort während des Winters. Von dort zog er hinaus in weitere Länder und kam nach Konstantinopel, wo er die Wertschätzung des griechischen Königs genoss und eine Weile blieb.
Ein Tier bedeutete Hrafnkell mehr als alle anderen: Es war ein Falbe, den er Freyfaxi nannte. Dieses Pferd schenkte er seinem Freund Frey zur Hälfte. Seine Liebe zu dem Hengst war so groß, dass er einen Schwur leistete, jeden zu töten, der ihn gegen seinen Willen reiten sollte.
Þorbjörn hieß ein Mann. Er war der Bruder von Bjarni und wohnte auf dem Hof im Hrafnkelsdal, der Hóll heißt und östlich gegenüber von Aðalból liegt. Þorbjörn hatte wenig Vieh, aber viele Mäuler zu stopfen. Sein ältester Sohn hieß Einar. Er war ausgewachsen und sehr kräftig.
In einem Frühjahr sagte Þorbjörn zu Einar, er solle sich Arbeit suchen, »denn was hier zu tun ist, schaffen die anderen auch so. Du hast dich so gut entwickelt, dass du keine Probleme haben solltest, dich zu verdingen. Es ist nicht so, dass mir nichts an dir läge, denn du bist mir das liebste unter meinen Kindern. Armut und Not zwingen mich, dich fortzuschicken. Die anderen werden auf dem Land arbeiten, aber du hast bessere Möglichkeiten als sie, woanders unterzukommen.«
Einar antwortet: »Das sagst du reichlich spät, denn jetzt haben alle ihre besten Plätze schon vergeben. Ich werde nun nehmen müssen, was übrig ist, und das gefällt mir überhaupt nicht.«
Eines Tages holte Einar sein Pferd und ritt nach Aðalból. Hrafnkell saß im Haus. Er begrüßt ihn freundlich und guter Dinge.
Einar bittet Hrafnkell um Arbeit.
Er antwortet: »Warum kommst du bloß so spät? Dich hätte ich zu allererst genommen. Jetzt ist mein ganzes Gesinde vollständig bis auf eine Ausnahme. Diese Arbeit wirst du aber nicht haben wollen.«
Einar fragte, worum es ginge.
Hrafnkell sagte, er habe noch niemanden für die Schafe eingestellt, und dass er dafür dringend jemanden bräuchte.
Einar sagte, ihm sei egal, was er tun sollte, das oder etwas anderes, er wolle jedoch Kost und Unterkunft für zwei halbe Jahre haben.
»Ich mache dir jetzt ein Angebot. Du wirst fünfzig Mutterschafe hinauf zur Hütte treiben und das ganze Sommerholz machen und herbeischaffen. Damit wirst du dir zwei halbe Jahre Kost und Unterkunft verdienen. Außerdem will ich dich wie auch meine anderen Hirten zu einem verpflichten: Freyfaxi läuft mit seiner Herde frei durch das Tal. Du hast dich im Winter wie im Sommer um ihn zu kümmern. Eines verbiete ich dir jedoch ausdrücklich: Ich will, dass du niemals, in welcher Notlage auch immer, auf Freyfaxi reitest, denn ich habe feierlich gelobt, den Mann zu töten, der das tun sollte. Freyfaxi folgen zehn oder zwölf Pferde. Jedes von ihnen kannst du nehmen, ganz wie du willst, bei Tag oder Nacht. Halte dich an das, was ich dir sage, denn wie es seit alters her heißt: Nicht trifft den Mahner die Schuld. Du weißt nun von meinem Gelübde.«
Einar sagte, es würde ihm wohl kaum zum Verhängnis, ausgerechnet das eine Pferd zu reiten, das ihm verboten sei, wenn es so viele andere gebe.
Einar reitet nun zurück, um seine Kleidung zu holen, und zieht nach Aðalból. Dann wurde aufgetrieben in die Hütte weiter oben im Hrafnkelsdal, die Grjótteigssel heißt. Einar geht den ganzen Sommer alles gut von der Hand, so dass nie Schafe fehlen – bis zum Mittsommer, da vermisst er eines Abends an die dreißig Mutterschafe. Einar sucht auf allen Weiden und findet sie nicht. Fast eine Woche bleiben sie verschwunden.
Eines Morgens geht Einar früh hinaus, und da haben sich Dunst und Nieselregen von Süden her ganz aufgelöst. Er nimmt einen Stab, Zaumzeug und eine Reitdecke. Er geht zum Fluss Grjótteigsá, der vor der Hütte entlangfließt, und überquert ihn. Und dort auf den Landzungen lag Vieh, das am Abend noch zu Hause gewesen war. Er trieb die Schafe zurück zur Hütte, und sucht weiter nach denen, die zuvor verschwunden waren. Da sieht er draußen auf den Landzungen die Pferde stehen und weiß sofort, dass er schneller vorwärts kommen würde, wenn er sich eines nimmt und reitet, statt zu gehen. Als er die Pferde erreichte und versuchte, an sie heranzukommen, liefen alle weg, die doch sonst nie scheu waren. Nur Freyfaxi, der stand so ruhig da, als hätte er Wurzeln geschlagen.
Einar sieht den Morgen verstreichen und denkt, dass Hrafnkell es nicht erfahren würde, wenn er den Hengst ritte. Er geht zu ihm, legt ihm den Zaum an, wirft die Decke über ihn, sitzt auf und reitet hinauf zur Schlucht Grjótárgil, dann weiter bis zum Gletscher und dort entlang Richtung Westen bis dahin, wo die Jökulsá unter dem Gletscher heraustritt, und folgt schließlich dem Fluss oben bis zur Hütte Reykjasel. Er fragte alle Viehhirten auf den Hütten, ob jemand etwas von seinen Schafen wüsste, aber niemand hatte sie gesehen.
Einar ritt Freyfaxi vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag. Der Hengst war gefügig und trug ihn schnell und weit. Einar dachte, dass es allmählich Zeit sei, nach Hause zu kommen und erst einmal die Schafe zusammenzutreiben, die schon dort waren, selbst wenn er die anderen dann nicht mehr finden sollte. Er ritt nach Osten über den Höhenzug ins Hrafnkelsdal. Als er aber nach Grjótteig hinunterkommt, hört er ein Blöken in der Schlucht, wo er am Morgen vorbeigeritten war. Er folgt dem und sieht dreißig Mutterschafe auf sich zu rennen, genau die, die ihm vor einer Woche davongelaufen waren, und treibt sie jetzt nach Hause. Freyfaxi ließ er bei den anderen Pferden frei und ging zur Hütte.
Der Hengst war schweißnass, dass das Fell nur so triefte, er war lehmverspritzt und ganz erschöpft. Er wälzte sich etwa siebenmal umher und wieherte dann gewaltig. Darauf galoppiert er los von oben herab den Weg entlang. Einar läuft ihm entgegen und will ihn zu fassen bekommen und wieder zu seinen Stuten bringen, aber er war so widerspenstig, dass Einar nicht an ihn herankam.
Der Hengst läuft das ganze Tal hinunter, ohne anzuhalten, bis er nach Aðalból kommt. Hrafnkell saß da zu Tisch. Und als der Hengst die Tür erreicht, wiehert er laut.
Hrafnkell sagte zu der Frau, die ihm gerade auftrug, sie solle nachsehen, »denn da hat ein Pferd gewiehert, und es scheint mir das Wiehern von Freyfaxi zu sein.«
Sie geht hinaus an die Tür und sieht Freyfaxi, völlig verdreckt. Sie berichtete Hrafnkell, dass Freyfaxi draußen sei und zwar in erbärmlichem Zustand.
»Was wird der Kerl wollen, wenn er hierher nach Hause kommt?«, sagte Hrafnkell. »Das hat nichts Gutes zu bedeuten.«
Darauf ging er hinaus, sah Freyfaxi und sagte zu ihm: »Es missfällt mir, dich so zugerichtet zu sehen, mein Zögling. Es war ganz richtig von dir, mir Bescheid zu geben – es soll gerächt werden. Geh du zu deiner Herde.«
Und er lief das Tal hinauf zu seinen Stuten.
Hrafnkell ging am Abend zu Bett und schlief die Nacht.