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Dieses Buch ist kein üblicher Scheidungsratgeber. Wir wollen mit diesem Buch eine neue Perspektive aufzeigen. Statt rechtlicher Regelungen beleuchten wir auch die psychologischen Aspekte, weil wir denken, dass man nur damit für eine Familie eine gute Lösung finden kann. Es werden anhand von praktischen Beispielen Probleme beschrieben, die zu einer Scheidung führen können, aber auch Konflikte, die sich durch eine Scheidung in vielen Fällen ergeben. Zusätzlich enthält das Buch auch Tipps für Paare bei Problemen in der Partnerschaft. Da die meisten Betroffenen wahrscheinlich einer Glaubensgemeinschaft angehören, werden die Positionen der verschiedenen Kirchen zu diesem Thema dargestellt. Durch die hohe Anzahl der Scheidungen ist die Problematik auch gesamtgesellschaftlich zu sehen. Deshalb wurde eine Psychotherapeutin interviewt und die Parteien um Stellungnahme gebeten.
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Seitenzahl: 220
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1 Einleitung
2 Die Familie
2.1 Was versteht man unter einer Familie?
2.2 Bedeutung der Familie
2.3 Die Familie und Ehe früher
2.4 Familie und Ehe heute
3 Die Scheidung
3.1 Definition, Häufigkeit und Population
3.2 Ursachen ehelicher Probleme
3.2.1 Mangelnde Empathie
3.2.2 Ehelicher Streit
3.2.3 Konflikte
3.2.4 Gewalt in den Familien
3.2.5 Alkoholismus und Sucht
3.2.6 Die Dreierbeziehung und der Ehebruch
3.2.7 Persönlichkeitsstörungen
3.2.8 Die Utopie von der glücklichen Ehe
3.2.9 Bindung
3.3 Die Trennung
3.4 Die Unterhaltsprobleme
3.5 Das Scheidungsurteil
3.6 Die Kinder
4 Nach der Scheidung
5 Lebenslüge oder Lösung?
6 Können wir andere ändern?
7 Können wir uns selbst ändern?
8 Die Scheidung aus der Sicht der Kirche
8.1 Lehre der römisch-katholischen Kirche
8.2 Die Scheidung und die evangelische Kirche
8.3 Die Scheidung im Islam
9 Interview mit einer Psychotherapeutin
10 Die Parteien und das Thema Scheidung
10.1 Die CDU
10.2 Die SPD
10.3 Die Linke
10.4 Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)
10.5 Die CSU
10.6 Die FDP
11 Schlusswort
12 Literatur
Dieses Buch enthält keine Rechtsberatung, denn ich bin keine Juristin und möchte mich mit dem Scheidungsrecht nicht beschäftigen. Vielmehr sind die betroffenen Personen hier im Blick und die möglichen Auswirkungen einer Scheidung.
Vielleicht wird es den Leser interessieren, was mich bewogen hat über dieses Thema zu schreiben. Im Blick auf die Gesellschaft ist es die stark gestiegene Anzahl der Scheidungen. Das Zitat von Kolping könnte auf die Konsequenzen deuten:
„Das Schicksal der Familie ist über kurz oder lang das Schicksal des Landes.“ (Kolping)
Man darf aber auch nicht übersehen, dass hinter jeder Scheidung Betroffene zu finden sind, die dadurch beeinträchtigt werden. Es ist aber nicht meine Absicht ein Buch gegen die Scheidung zu schreiben, es soll auch nicht für die Scheidung sprechen, in diesem Buch möchte ich über die Scheidung schreiben. Das heißt, ich möchte zu diesem Thema, soweit wie möglich, einen neutralen Standpunkt einnehmen.
Um das Thema möglichst umfassend zu beschreiben ist es erforderlich sich zuerst mit dem Begriff der Familie zu beschäftigen. Wir haben zwar wahrscheinlich alle eine Vorstellung davon wer zu einer Familie gehört, aber diese Vorstellung ist von unserer Kultur und der Zeit, in der wir leben, geprägt. Zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen hatten die Menschen eine andere Vorstellung von den Begriffen Familie und Ehe. Deshalb werde ich einen kurzen Überblick über die Familie und Ehe in früheren Zeiten geben. Dies geschieht aber nur in Bezug auf die deutsche Familie, eine Ausweitung auf andere Kulturen wäre zu umfangreich und gehört nicht zum Thema dieses Buches.
Im folgenden Kapitel über „Familie und Ehe heute“ werde ich die Veränderungen im Familienmodell, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg ergeben haben, beschreiben. Diese haben vielfältige Ursachen, die anzusprechen sind. Wie wir sehen werden haben viele Veränderungen in der Gesellschaft Auswirkungen auf Familie und Ehe in Bezug auf den Lebens- und Familienzyklus. In der heutigen Kleinfamilie haben sich Vater- und Mutterrolle und die Einstellung gegenüber den Kindern geändert. Die gesellschaftlichen Wertevorstellungen bezüglich Familie und Ehe sind heute durch hohe Erwartungen in Bezug auf die eheliche Partnerschaft und die Kindererziehung gekennzeichnet. Um diese Vorstellungen erfüllen zu können bedarf es einer hohen sozialen Kompetenz. Welche Fähigkeiten dazu erforderlich sind werde ich später noch ansprechen.
Im folgenden Kapitel wende ich mich dann dem Thema der Scheidung zu. Dazu gibt es zuerst einen Überblick mit Definition und Häufigkeit. Bezüglich der Population wird festgestellt, in welchen Ehen rein statistisch gesehen das Scheidungsrisiko am höchsten ist.
Kapitel 3.2 ist sehr umfangreich. Es werden die möglichen Ursachen ehelicher Probleme und ihre Eskalation bis hin zur Scheidung beschrieben werden. Ratschläge, wie dieser Prozess vielleicht zu verhindern ist, ergeben sich im Verlauf der Schilderung der Problematik. Dabei wird zuerst das Problem der mangelnden Empathie behandelt. Ohne Einfühlungsvermögen gelingt keine gute Partnerschaft. Dann folgt der ehelichen Streit. Dies ist nicht möglich ohne sich mit dem Thema der Kommunikation zu beschäftigen. Da verschiedene Wissenschaftler dieses Thema aus einem unterschiedlichen Blickwinkel betrachten, habe ich bei Roth, Goleman, Watzlawick und Nolting nachgelesen und versuche die wichtigsten Punkte der unterschiedlichen Sichtweisen kurz darzustellen. Auf der Basis dieser Erkenntnisse sind die Ursachen des ehelichen Streits besser zu verstehen. Ihn haben die Autoren Willi, Goleman und Nolting bezüglich der Auslöser, des Ablaufes und der Folgen beschrieben. Die dabei dargestellten Empfehlungen sollen helfen die Gespräche in eine positive Richtung zu lenken. Wer über Ehestreitigkeiten schreibt, der muss sich mit dem Thema Konflikte beschäftigen. Viele Menschen sind nicht in der Lage ihre Konflikte, die im Umgang mit ihren Mitmenschen entstehen, konstruktiv zu lösen und zeigen daher ein Konfliktverhalten, das nicht zur Lösung von anstehenden Problemen führen kann. Wie dies eskalieren kann (aber nicht nur in Ehe und Familie) wird in diesem Kapitel beschrieben. Dabei werde ich nicht vergessen kurz am Beispiel des konstruktiven Konfliktverhaltens zu beschreiben wie man zu einer friedlichen Lösung kommt, mit der beide Parteien leben können.
Wenn Konflikte nicht gelöst werden, dann steigt das Gewaltrisiko. Auslöser von Gewalt in den Familien ist oft Aggression. Beschrieben werden in diesem Zusammenhang die Aggressionsarten und ihre möglichen Auslöser. Im Verlauf einer Kommunikation kann es zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten kommen, wenn die Situation eskaliert. Deshalb werde ich die Vorschläge verschiedener Autoren vorstellen, die dazu dienen, Aggression und Gewalt in der Familie und Ehe zu vermeiden.
Weitere Scheidungsgründe sind Alkoholismus und Sucht. Nach Alkoholgenuss erfolgen oft Gewalthandlungen, die die Familie bis über ihre Belastbarkeitsgrenze beanspruchen.
Ebenfalls eine große Belastung für eine Ehe ist eine lange andauernde außereheliche Beziehung. Enorme seelische Verletzungen beim betrogenen Ehepartner sind die Folge und führen daher oft zur Scheidung. Diese Problematik werde ich in Kapitel 3.2.6 darstellen.
Es gibt Menschen, die aufgrund einer Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage sind eine langjährige Ehe zu führen. Die Betroffenen können nichts dafür und dies auch nicht erkennen. Das trifft zum Beispiel für Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder Personen mit einer Borderline-Störung zu. Warum dies so ist wird im Kapitel über Persönlichkeitsstörungen beschrieben werden.
Gerade Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung haben oft sehr idealisierte Vorstellungen von der Ehe, sie sind Utopisten, die sich einen Partner vorstellen, den es in Wirklichkeit nicht geben kann. Deshalb werde ich noch kurz die Utopie von der glücklichen Ehe vorstellen, die zum Scheitern verurteilt ist.
Wenn man über das Thema Ehe und Familie schreiben will, dann ist der Begriff der Bindung zu erklären, denn wir haben nicht alle dieselbe Bindungsfähigkeit. Da dies in Bezug auf die Ehescheidung von zentraler Bedeutung ist werden die verschiedenen Bindungsstile dargestellt.
Eng mit dem Problem der Bindung ist das Thema der Trennung verbunden, das in Kapitel 3.3 folgen wird. Hier werde ich die Reaktionen von Menschen beschreiben, die eine Bindung zu ihrem Partner hatten und von ihm verlassen wurden. Diese sehr schmerzhafte Erfahrung kann extreme Reaktionen hervorrufen und sogar gesundheitliche Folgen für den Verlassenen haben.
Nach der Trennung entstehen oft Unterhaltsprobleme, wenn einer der Partner wegen der gemeinsamen Kinder auf die Berufstätigkeit zum Teil oder ganz verzichtet hat. Durch getrennte Wohnsitze entstehen Mehrkosten, die zu finanziellen Problemen führen können. Besonders belastet ist davon der Partner, der auf Unterhalt vom anderen angewiesen ist. Dann entsteht oft ein Konflikt, der darin besteht, dass einer der Partner möglichst viel Unterhalt fordert, der andere aber nach Möglichkeit überhaupt keinen Unterhalt bezahlen will. Daher wird von manchen Unterhaltsverpflichteten versucht sich mit verschiedenen Methoden der Verpflichtung zu entziehen. Damit Unterhaltsberechtigte sich nicht davon beeinflussen lassen, werde ich einige davon in diesem Kapitel beschreiben. Es folgt das Kapitel über das Scheidungsurteil. Ich werde ein Beispiel zitieren, von dem ich aber nicht informiert bin, ob es repräsentativ ist. Die Interpretationen erfolgen mit Hilfe von wissenschaftlicher Literatur. Eines der wichtigsten Kapitel dieses Buches ist Kapitel 3.6 über die Kinder. Die Kinder sind eigentlich immer von der Scheidung betroffen, haben aber kein Mitspracherecht. Dies hat bei manchen bis in ihr Erwachsenenalter noch negative Auswirkungen. Daher sollten Eltern in jedem Fall verantwortungsbewusst handeln und das Wohlergehen der Kinder sollte stets Vorrang haben.
Es folgt das Kapitel mit dem Titel „Nach der Scheidung“, denn nach der Scheidung organisieren sich die Familien neu. Dabei können Probleme auftreten. In dieser Phase versuchen die geschiedenen Partner mit Hilfe verschiedener Mechanismen die Scheidung, die sie erlebt haben, seelisch zu verarbeiten. Im Kapitel „Lebenslüge oder Lösung“ möchte ich das genauer beschreiben. Letztendlich entsteht für viele wahrscheinlich nach der erlebten Scheidung die Frage, ob wir unsere Mitmenschen und uns selbst verändern können und welche Möglichkeiten es dazu gibt. Denn ein Ziel ist es, die nächste Partnerschaft besser zu gestalten, damit sie nicht scheitert. Dies sind die Fragen in Kapitel 6 und 7.
Da dies ein Buch über die Scheidung ist, werde ich noch Interviews und Stellungnahmen in Kapitel 8 einfügen. Zunächst die Scheidung aus der Sicht der Kirchen. Nach dem Rechtsverständnis der römisch-katholischen Kirche ist eine Scheidung nur in begrenzten Fällen möglich, denn die katholische Ehe ist ein Sakrament und damit ist sie unauflöslich. Allerdings steht dieses Rechtsverständnis im Gegensatz zum liberalen Scheidungsrecht der BRD. Das ist ein Problem für geschiedene und wiederverheiratete Katholiken.
Die protestantische Kirche dagegen akzeptiert die Ehescheidung.
Die Regeln von Ehe und Scheidung im Islam unterscheiden sich von den christlichen Kirchen. Deshalb werden sie kurz angesprochen.
Wesentlich anders wird die Sicht einer Psychotherapeutin sein, deren Aufgabe es ist, den Betroffenen, die durch diese Erlebnisse beeinträchtigt sind, wieder zu einer positiven Lebenseinstellung zu verhelfen. Dann folgen kurze Stellungnahmen zum Thema durch die Parteien.
Im Schlusswort, wird zu diskutieren sein, was die Ursache der starken Zunahme der Scheidungen ist, die doch eher als ein unerfreuliches Ereignis zu bezeichnen sind, und ob ein jahrelanger Scheidungskrieg, der alle beteiligten Personen schädigt, verhindert werden kann.
Alle Ähnlichkeiten mit den beschriebenen Beispielen sind rein zufällig. Die Beispiele sind als nicht unbedingt repräsentativ anzusehen, da es sich hier immer nur um Einzelfälle handelt.
Jeder von uns hat wahrscheinlich eine Vorstellung davon, was darunter zu verstehen ist, wenn ihm das Wort „Familie“ genannt wird, und die meisten von uns haben einen Teil ihres Lebens in einer Familie verbracht. Dabei können diese Vorstellungen recht unterschiedlich sein, denn was unter diesem Begriff zu verstehen ist unterliegt zum einen dem Wandel der Zeit und zum anderen gibt es auch kulturelle Unterschiede.
In der Literatur über Familiensoziologie findet man dazu Definitionen und genauere Beschreibungen über die Funktionen der Familie. Zuerst eine Definition aus dem Buch „Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theoretische Ansätze und empirische Befunde:
„So wird z.B. in gesamtgesellschaftlicher Sicht die Familie als eine soziale Institution bezeichnet, die bestimmte gesellschaftliche Leistungen für die Gesamtgesellschaft erbringt bzw. zu erbringen hat. Mikroperspektivisch gilt die Familie als ein gesellschaftliches Teilsystem oder als eine Gruppe besonderer Art, die gekennzeichnet ist durch eine genau festgelegte Rollenstruktur und durch spezifische Interaktionsbeziehungen zwischen ihren Mitgliedern“ (Nave-Herz 2006, S.30)
Nach dieser recht allgemeinen und eher abstrakten Definition nun eine genauere Beschreibung der Funktionen einer Familie:
„Familien sind im Vergleich zu anderen Lebensformen gekennzeichnet:
1. durch ihre „biologisch-soziale Doppelnatur“ (König 1946/2002), d. h. durch die Übernahme der Reproduktions- und Sozialisationsfunktion neben anderen gesellschaftlichen Funktionen, die kulturell variabel sind,
2. durch die Generationendifferenzierung (Urgroßeltern / Großeltern / Eltern / Kind(er)) und dadurch dass
3. zwischen ihren Mitgliedern ein spezifisches Kooperations- und Solidaritätsverhältnis besteht, aus dem heraus die Rollendefinitionen festgelegt sind.“ (Nave-Herz 2006, S. 30)
Dazu ist weiter zu bemerken, dass die Familie in allen Gesellschaften die biologische Reproduktionsfunktion und auch die frühkindliche Sozialisationsfunktion hat. Sie erfüllt aber auch weitere Funktionen wie die Schutz-und Fürsorgefunktion und die Befriedigung emotional-expressiver Bedürfnisse. Was die Generationendifferenzierung betrifft, ist hier auf die verschiedenen Familienformen zu verweisen, denn was unter einer Familie zu verstehen ist, das ist je nach Zeit und Kultur, wie schon erwähnt, recht verschieden. Dies gilt auch für die Rollenerwartungen innerhalb der Familie. Zwar gilt in allen Gesellschaften, dass die Familie durch eine spezifische Rollenstruktur gekennzeichnet ist, aber diese Rollenerwartungen sind eben kulturabhängig. Innerhalb einer Familie bestehen spezifische und engere Interaktionsbeziehungen (vgl. Nave-Herz 2006, S. 31, 32).
Hill und Kopp definieren in ihrem Buch „Familiensoziologie“ als gemeinsamen Kern verschiedener Definitionsvorschläge die folgenden Elemente:
„eine auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau
mit gemeinsamer Haushaltsführung und
mindestens einem eigenen (oder adoptierten) Kind.“
(Hill/Kopp 2006, S. 13)
Diese Definition schließt allerdings eine Reihe von Lebensformen aus, die bei Huinink/Konietzka in “Familiensoziologie” ebenfalls als Familie bezeichnet werden. So heißt es dort:
„Als Familie werden im Rahmen des Lebensformenkonzepts alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, d. h. Ehepaare, nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie allein erziehende Mütter und Väter mit ledigen Kindern im befragten Haushalt definiert. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um leibliche Kinder oder Stief-, Pflege- und Adoptivkinder handelt.” (Huinink/Konietzka 2007, S. 35)
Diese Definition bezieht sich auf das Lebensformenkonzept des Statistischen Bundesamtes, das die amtliche Statistik und damit die empirischen Daten zur Entwicklung der Familie in Deutschland liefert. Aber auch hier werden viele Lebens- und Familienformen nicht erfasst. Die Eltern-Kind-Gemeinschaft wird heute im deutschsprachigen Raum als Familie angesehen. Dazu gehören die Familien, in denen die Eltern verheiratet sind, Familien, in denen die Eltern nicht verheiratet sind und die Alleinerziehenden mit ihren Kindern (vgl. Huinink/Konietzka 2007, S. 35 – 38).
Fazit:
Die Vorstellung von dem, was unter einer Familie zu verstehen ist, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt und ist immer noch einer ständigen Veränderung unterworfen. Ebenso gibt es zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie wir noch sehen werden, viele unterschiedliche Familienformen. Deshalb auch die unterschiedliche Definitionen des Begriffes “Familie”.
Familien gibt und gab es in allen Gesellschaften und Kulturen. Sie haben bestimmte Funktionen zu erfüllen. Dazu gehören die Reproduktions- und Sozialisationsfunktion, das heißt, in der Familie werden Kinder geboren und aufgezogen. Sie wachsen damit in die Gesellschaft und Kultur, in der sie geboren wurden.
Das Verhalten der einzelnen Familienmitglieder ist durch Rollendefinition festgelegt. Damit ist gemeint, dass von jedem Familienmitglied ein bestimmtes Verhalten erwartet wird, das gesellschaftlich vorgegeben ist (zum Beispiel, dass sich eine Mutter um ihre Kinder kümmert). Dadurch entsteht das besondere Verhältnis (besondere Beziehungen) der Familienmitglieder zueinander.
Hill und Kopp betonen die zentrale Rolle der Familie bei der Entwicklung der menschlichen Gesellschaften. Um eine Familie zu gründen gehen die Menschen in der Regel längerfristige Bindungen ein. Das war wohl auch bei den frühen Hominiden so. Die Anzahl der Kinder war relativ gering und meistens sorgten wahrscheinlich beide Eltern für sie (vgl. Hill/Kopp 2006, S. 25).
Hill/Kopp halten folgendes fest:
„…..dass familialen Strukturen ein bedeutender Einfluss bei der evolutionären Entwicklung des Menschen zukommt. Familie in dem hier angesprochenen biologischen Sinne stellte die notwendigen Randbedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung der menschlichen Spezies dar.“ (Hill/Kopp 2006, S. 28)
Dabei wird angenommen, dass sich die Familie als soziale Institution in prähistorischen Zeiten aus der Mutter-Kind-Dyade und der Geschwisterbeziehung entwickelt hat.
Bei den Wildbeutergesellschaften der Jäger und Sammler, die als älteste Form der menschlichen Existenz gelten, bestanden über eine Horde hinaus fast keine gesellschaftlichen Integrationsmechanismen. Die Horde war durch verwandschaftliche Beziehungen verbunden. Allerdings stammten die Ehepartner aus unterschiedlichen Horden, was die Befriedung begünstigte (vgl. Hill/Kopp 2006, S. 30).
Nachdem sich die Gartenbau- und Ackerbaugesellschaften entwickelt hatten kam es zu einem enormen Bevölkerungswachstum. Durch die Sesshaftigkeit konnten sich die Frauen nun um mehrere Kinder gleichzeitig kümmern und die Kinder mussten bei den landwirtschaftlichen Arbeiten helfen. Auch war die Anzahl der Kinder oft ein Prestigefaktor. In den agrarischen Gesellschaften wurde damit die Familienzugehörigkeit zum zentralen Kriterium in Bezug auf die soziale Stellung innerhalb der Gemeinschaft und auch in Bezug auf die ökonomische Organisation und ihre Hierarchie. Die gemeinsame Abstammung oder Verwandtschaft führte zum Zusammenschluss und zum ökonomischen Verband der erweiterten Familie. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen und das Unterstützungsnetzwerk führten zu mehr sozialer Sicherheit. Innerhalb der Familie wurden die Aufgaben geteilt (vgl. Hill/Kopp 2006, S. 31, 32).
Wie hier anhand dieser Schilderungen nach meiner Meinung zu erkennen ist, bildeten die Familien die zentralen und wichtigsten Einheiten, ohne die eine Entwicklung zur menschlichen Gesellschaft nicht möglich gewesen wäre, denn die Familie garantierte die Reproduktion, aus ihrer Struktur heraus entstanden die sozialen gesellschaftlichen Systeme.
Dazu schreibt Web er-Keller man:
„Verwandtschaft als biologisches System der Blutsbeziehungen wird also im Verlauf der menschlichen Geschichte zur Verwandtschaft als soziales System der Bündnisse, zu einem System der Beziehungen von Familienmitgliedern zueinander und zu ihrer Umwelt.” (Weber-Kellermann 1996, S. 17)
Dazu weiter:
„Dieses System wird in historischer Vielfalt gestaltet als kulturelle Leistung der Familie. Ihre zahlreichen Funktionen für Arbeit und Wirtschaft, Recht und Kultur, ihre Aufgaben als Erziehungsinstanz und Sozialisationsstätte sind keine primär biologischen Gegebenheiten, sondern ändern sich mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Familie ist also nicht eine hauptsächlich anthroprologisch bedingte, sondern eine historisch determinierte Sozialform.” (Weber-Kellermann 1996, S. 17)
Dabei ist noch der traditionelle Familienzyklus zu erwähnen. Es war früher festgelegt, dass das Leben in der Herkunftsfamilie in eine eheliche Beziehung überging, die zur Gründung einer eigenen Familie führte (Huinink/Konietzka 2007, S. 45)
Die historische Entwicklung möchte ich im folgenden Kapitel darstellen.
Fazit:
Die Familie ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Aus ihrer ursprünglich biologischen Funktion entwickelten sich im Laufe der Zeit verwandtschaftliche Beziehungen und soziale gesellschaftliche Systeme mit zahlreichen Funktionen. In dem Maße, in dem sich die Gesellschaft weiterentwickelt, ist auch die Familie den entsprechenden Änderungen unterworfen. Damit ist gemeint, dass Änderungen in Gesellschaft und Umwelt zu Änderungen in der Familienstruktur (Größe, Rolle der Familienmitglieder) geführt haben. Auf der anderen Seite ist anzunehmen, dass Änderungen in der Familienstruktur (erhöhte Anzahl der Scheidungen) auch wieder eine Rückwirkung auf die Gesamtgesellschaft haben.
Da die Familie einem ständigen Wandel unterworfen ist und sich im Laufe der Zeit die Vorstellung davon, was eine Familie ist, sehr verändert hat, möchte ich im folgenden die historische Entwicklung schildern, und zwar in Bezug auf die deutsche Familie, denn so unterschiedlich wie die verschiedenen Kulturen, so unterschiedlich ist auch ihre Vorstellung von Familie.
Wenn von Familie gesprochen wird, dann ist auch der Begriff der Ehe zu definieren, denn auch heute wird meist eine Ehe geschlossen, wenn die Gründung einer Familie geplant ist.
„Mit Ehe bezeichnet man (1.) eine durch Sitte und/oder Gesetz anerkannte, auf Dauer angelegte Form gegengeschlechtlicher sexueller Partnerschaft.
Weiterhin ist (2.) ein wesentliches Strukturmoment aller Ehen, auch der heutigen, dass sie über das Paarverhältnis auf Familie hinausweist.” (Nave-Herz 2006, S. 24)
Wenn ich nun über Familien früher und heute berichte, so werde ich auch die Ehe in diesen Zeiten beschreiben.
Gehen wir zuerst zurück zu unseren Vorfahren, den Germanen. Sie lebten in Sippen. Dazu schreibt Weber-Kellermann in ihrem Buch „Die deutsche Familie”:
Es
„bestand die Sippe aus erwachsenen blutsverwandten männlichen Mitgliedern, einem auf gegenseitige Hilfe ausgerichteten Verband gleichberechtigter Genossen, und deren Frauen und Kindern. Jeder Sohn, der heiratete, entzündete ein eigenes Herdfeuer, so daß sich die Sippe aus einem System koexistierender Kleinfamilien zusammensetzte. Ihre gegenseitigen, streng normierten Verpflichtungen gingen nicht über den Sippenverband hinaus und besaßen einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert als ein irgendwie geartetes Staatsdenken2,” (Weber-Kellermann 1996, S. 18)
Dazu schreibt sie weiter, dass bei den Germanen der erbliche Grundbesitz an oberster Stelle stand. Sie hatten weder Steuern zu bezahlen noch eine Wehrpflicht zu erfüllen und waren auf ihren Anwesen frei. Wegen der hohen Bedeutung des erblichen Grundbesitzes entwickelten sie auch eine Ahnenverehrung großen Stils und damit eigene Familienkulturen. Dadurch wurde die ökonomische Bedeutung des Sippenverbandes gefestigt (vgl. Weber-Kellermann 1996, S. 19).
Die Ahnenverehrung drückte sich auch unter anderem darin aus, dass die Namen vererbt wurden, das heißt, ein Neugeborener erhielt den Namen eines bedeutenden Ahnen, und dessen Kräfte sollten damit auf ihn übertragen werden (Weber-Kellermann 1996, S. 20).
Ehe- und Familienlosigkeit bedeutete bei den Germanen ein wertloses und beziehungsloses Leben zu führen. Diese Ansicht änderte sich erst im Mittelalter durch die christliche Kirche (vgl. Weber-Kellermnn 1996, S. 20).
Die Eheschließung war bei den Germanen ein wirtschaftlich begründeter Rechtsvertrag, den zwei Sippen miteinander geschlossen haben. Dadurch erhielt die Hauptfrau einen gewissen Rechtsschutz und eine Sicherstellung in der Gesellschaft. Ihre männlichen Nachkommen führten das Geschlecht weiter. Die Eheschließung war also ein reines Rechtgeschäft, die Braut wurde gegen die Zahlung des Kaufpreises übergeben. Vorher hatte man sich über die Bedingungen, den Preis und den Hochzeitszeitpunkt geeinigt. Die Verlobung und Trauung wurde meist vom Vater der Braut oder dem nächsten männlichen Verwandten im Beisein der Sippe durchgeführt. Die Braut brachte eine Art Mitgift in die Ehe, die im Scheidungsfalle ihr Eigentum blieb. Für Ehebrecherinnen gab es harte Strafen, (vgl. Weber-Kellermann 1996, S. 20–28).
„Der Mann konnte seine eigene Ehe gar nicht brechen, höchstens eine fremde, aber das war dann kein Ehe- oder Treuebruch, sondern eine Art Eigentumsdelikt. Die Frau und ihr Recht in der Ehe standen unter rechtlich-wirtschaftlichen Bedingungen, die sonst sachlichem Eigentum zukommen. Nach germanischem Recht galt also die Frau mit den gemeinsamen Kindern als Eigentum des Mannes. Alles Besitzrecht – mit Ausnahme ihrer persönlichen Mitgift – war durch den Ehevertrag an ihn übergegangen, und er konnte neben anderem Hab und Gut auch seine Frau vor dem Tode einem Freund oder Verwandten vermachen,…” (Weber-Kellermann 1996, S. 30)
Der wohlhabende germanische Bauer konnte sich auch Nebenfrauen halten, solche Verbindungen nannte man Friedelehe. Es gab auch die sogenannte Kebsehe. Das war die Verbindung zu einer unfreien Magd oder Sklavin. Die Söhne aus solchen Beziehungen konnten aber gesellschaftlich aufsteigen, wenn sie hervorragende Persönlichkeiten waren (vgl. Weber-Kellermann 1996, S. 29).
Die Frauen waren bei den Germanen für die häuslichen Arbeiten und die Verwaltung des inneren Besitzes zuständig. Wenn die Männer von zuhause abwesend waren, waren sie für die gesamte Wirtschaftsführung zuständig. Ansonsten waren sie weitgehend rechtlos. Was die Kinder betraf, so wurden die Neugeborenen nicht besonders geschätzt, das besserte sich erst, wenn sie etwas älter waren und vielversprechende Anlagen aufwiesen. Die Germanen lebten unter harten Bedingungen und führten einen eher kriegerischen Daseinsstil. Das wirkte sich auch auf das Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich innerhalb der Familie aus, das oft sehr grausam war. Die Familie innerhalb einer Sippe strebte vor allem nach Besitz und Macht (vgl. Weber-Kellermann 1996, S. 26–28).
Im Mittelalter begann sich der Einfluss der christlichen Kirche auszuwirken. Das Christentum wirkte demokratisierend auch auf Ehe und Familie. Die Kirche setzte die christlichen Normen von Glaubensgleichheit, Monogamie und Treue, bräutliche Jungfräulichkeit und Inzesttabus allmählich durch. Auch sollte der Mann nun das Schutzrecht und die Schutzpflicht über Frau und Kinder übernehmen(vgl. Weber-Kellerman 1996, S. 38, 39).
Man kann also sagen,
„daß sich durch das Christentum ein neues Eheideal aufzubauen begann, in dem vor allem die Vielweiberei und Verstoßung der Frau keinen Platz mehr fanden. Die Forderung nach ehelicher Treue und Dauermonogamie scheint seit etwa 1000 eine Art von Normvorstellung über die »christliche Familie« eingeleitet zu haben, die entscheidend durch die sich verwandelnde Stellung der Frau gekennzeichnet wurde.” (Weber-Kellermann 1996, S. 49)
Durch die Kirche wandelte sich das Familienrecht, es erfolgte die Trauung durch den Geistlichen und der gesamte Trauungsakt wurde im Verlaufe des 16. Jahrhunderts in das Gotteshaus verlegt. Seit dieser Zeit gibt es auch das Aufgebot, durch das Ehehindernisse festgestellt werden sollen (vgl. Weber-Kellermann 1996, S. 51–54).
Ebenso wie sich die Lebensverhältnisse unterschieden, gab es im Mittelalter auch unterschiedliche Familienformen, die ihnen angepasst waren. Dabei kann man zwischen Fürsten- und Adelsfamilien, Familienhaushalten als Produktionsgemeinschaft und besitzlosen Familienhaushalten unterscheiden. Bei den Fürsten- und Adelsfamilien war weiterhin die Fortsetzung der Abstammungslinie von Bedeutung. Die Familienhaushalte als Produktionsgemeinschaft bestanden aus den Eltern und ihren Kindern, aber es gehörten auch Lehrlinge, Handwerksgesellen, Knechte und Mägde und unverheiratete Verwandte dazu. Dieser Haushalt musste als Arbeitseinheit funktionieren. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern dieser Haushalte waren vor allem zweckorientiert. In den bäuerlichen Familien mussten die Kinder sehr bald mitarbeiten. Durch die hohe Sterblichkeit waren diese Familien einem starken Wandel unterworfen. Wenn ein Ehepartner gestorben war, so wurde schnell wieder geheiratet. Auch die Kinder, sofern sie wegen der hohen Sterblichkeit überhaupt erwachsen wurden, verließen das Haus früh und daher musste ständig Personal ersetzt werden. Die besitzlosen Familien waren sehr arm und bestanden nur aus einer Kernfamilie. Sie arbeiteten außer Haus (vgl. Huinink/Konietzka 2007, S. 63–65).
In der Zeit der Industrialisierung gab es immer noch die Familienhaushalte in der Landwirtschaft und im Handwerk. Ein neue Haushaltsform war die Heimarbeiterfamilie. Da die Maschinen, mit denen produziert wurde, immer größer waren, erfolgte in Anpassung auf die veränderte Situation bald eine Trennung von Arbeitsbereich und Wohnbereich. Die Auflösung des Hauses als Wohn- und Arbeitseinheit betraf alle Beschäftigten. In den Bürgerfamilien ergab sich für die Frauen dadurch eine völlig neue Situation. Sie wurden auf das eigene Heim zurückgedrängt (vgl. Huinink / Konietzka 2007, S. 100–102).
Die Frau in der bürgerlichen Familie war nun abgeschlossen von der beruflichen und politischen Lebenswelt ihres Mannes und hatte sich nur noch den Hausgeschäften hauptsächlich als Verbraucherin zu widmen (vgl. Huinink / Konietzka 2007, S. 106).
„Die Gedanken der Ehe als einer geistigen und gefühlsmäßigen Gemeinschaft, der Familie als Ort für die Erziehung des Menschen zu einem sozialkulturellen Wesen waren Produkte jener Epoche. Auf ihrem Grunde wuchs das 19. Jahrhundert-Leitbild der Bürgerfamilie als gutsituierte Kleinfamilie, in welcher der Vater die gesellschaftliche Stellung bestimmte, die Mutter die Häuslichkeit gestaltete, beide verbunden in ehelicher Liebe (was immer das auch sein mochte), verbunden im Interesse an der Aufzucht wohlgeratener und wohlerzogener Kinder, die sich bei Berufs- und Gattenwahl nach den Wünschen der Eltern zu richten hatten. – Dieses Leitbild wurde immer mächtiger, immer fixierter und statischer, je stärker sich die tragende Schicht des Bürgertums entfaltete und je mehr sich nun wiederum die Kirche an seiner Prägung beteiligte.” (Huinink / Konietzka 2007, S. 107)
Im Gegensatz dazu lebte die Arbeiterfamilie zu dieser Zeit unter völlig anderen Bedingungen.
Diese Familien hatten unter den vom Kapitalismus gesetzten unmenschlichen Lebensbedingungen zu leiden. Die Löhne waren so niedrig, dass die ganze Familie gezwungen war an 6 Arbeitstagen pro Woche täglich 12–14 Stunden zu arbeiten. Die Löhne der Frauen und Kinder waren wesentlich niedriger. Aber auch dieser Verdienst reichte nur für eine knappe und schlechte Ernährung. Dazu kamen noch die schlechten und sehr beengten Wohnverhältnisse (vgl. Huinink / Konietzka 2007, S. 128–136).
Die Arbeiterfamilie war eine Kleinfamilie und fast ausschließlich eine Wbhn-und Essgemeinschaft. Die äußeren harten Bedingungen erforderten innerfamiliäre Solidarität um dieses Dasein zu bewältigen (vgl. Huinink / Konietzka 2007, S. 139).
Die Nationalsozialisten entwickelten eine Vorstellung von Familie, die in ihre Rassenideologie passte.