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Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Autoren. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Sieben auf einen Streich? Uns imponiert damit so schnell keiner mehr, weil wir das tapfere Schneiderlein und seine Fliegenjagd kennen, mit der er protzend durch die Straßen zieht. Die Märchen von Ludwig Bechstein, voll böser Stiefmütter, Hexen und Könige, lesen wir seit Kindertagen. Ihre Botschaft ist jedoch nicht immer für Kinderohren geeignet: Wer frech genug lügt und Dumme findet, die ihm glauben, der kann sich einen faulen Lenz machen und heiratet am Ende die hübsche Königstochter. Ein bisschen Glück braucht aber auch das Schneiderlein.
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Seitenzahl: 701
Ludwig Bechstein
Märchen
Es war einmal ein Schneiderlein, das saß in einer Stadt, die hieß Romadia; das hatte auf eine Zeit, da es arbeitete, einen Apfel neben sich liegen, darauf setzten sich viele Fliegen, wie das Sommerszeiten so gewöhnlich, die angelockt waren von dem süßen Geruch des Apfels. Darob erzürnte sich das Schneiderlein, nahm einen Tuchlappen, den es eben wollte in die Hölle fallen lassen, schlug auf den Apfel, und befand im Hinsehn, dass damit sieben Fliegen erschlagen waren. Ei, dachte bei sich das Schneiderlein, bist du solch ein Held?! Ließ sich stracklich einen blanken Harnisch machen, und auf das Brustschild mit goldnen Buchstaben schreiben: Sieben auf einen Streich. Darauf zog das Schneiderlein mit seinem Harnisch angetan umher auf Gassen und Straßen, und die es sahen, vermeinten, der Held habe sieben Männer auf einen Streich gefällt, und fürchteten sich.
Nun war in demselben Lande ein König, dessen Lob weit und breit erschallte, zu dem begab sich der faule Schneider, der gleich nach seiner Heldentat Nadel, Schere und Bügeleisen an den Nagel gehangen, trat in den Hof des Königspalastes, legte sich alldort in das Gras und entschlief. Die Hofdiener, so aus und ein gingen, den Schneider in dem reichen Harnisch sahen, und die Goldschrift lasen, verwunderten sich sehr, was doch jetzt, zu Friedenszeiten, dieser streitbare Mann an des Königs Hof tun wolle? Er deuchte sie ohne Zweifel ein großer Herr zu sein.
Des Königs Räte, so den schlafenden Schneider gleichfalls gesehen, taten solches Sr. Majestät, ihrem allergnädigsten König, zu wissen, mit dem untertänigsten Bemerken, dass, so sich kriegerischer Zwiespalt erhebe, dieser Held ein sehr nützlicher Mann werden und dem Lande gute Dienste leisten könne. Dem König gefiel diese Rede wohl, sandte alsbald nach dem geharnischten Schneider, und ließ ihn fragen, ob er Dienste begehre? Der Schneider antwortete, ebendeshalb sei er hergekommen, und bäte die Königliche Majestät, wo höchstdieselbe ihn zu brauchen gedächte, ihm allergnädigst Dienste zu verleihen. Der König sagte dem Schneiderlein Dienste zu, verordnete ihm ein stattliches Losament und Zimmer, und gab ihm eine gute Besoldung, von der es, ohne etwas zu tun, herrlich und in Freuden leben konnte.
Da währete es nicht lange Zeit, so wurden die Ritter des Königs, die nur eine karge Löhnung hatten, dem guten Schneider gram, und hätten gern gewollt, dass er beim Teufel wäre, fürchteten zumal, wenn sie mit ihm uneins würden, möchten sie ihm nicht sattsam Widerstand leisten, da er ihrer sieben allwege auf einen Streich totschlagen würde, sonsten hätten sie ihn gern ausgebissen, und so sannen sie täglich und stündlich darauf, wie sie doch von dem freislichen Kriegsmann kommen möchten. Da aber ihr Witz und Scharfsinn etwas kurz zugeschnitten war, wie ihre Röcklein, so fanden sie keine List, den Helden vom Hofe zu entfernen, und zuletzt wurden sie Rates miteinander, alle zugleich vor den König zu treten, und um Urlaub und Entlassung zu bitten, und das taten sie auch.
Als der gute König sahe, dass alle seine treuen Diener um eines einzigen Mannes willen ihn verlassen wollten, ward er traurig, wie nie zuvor, und wünschte, dass er den Helden doch nie möge gesehen haben; scheute sich aber doch, ihn hinwegzuschicken, weil er fürchten musste, dass er samt all seinem Volk von ihm möchte erschlagen, und hernach sein Königreich von dem stracklichen Krieger möchte besessen werden. Da nun der König in dieser schweren Sache Rat suchte, was doch zu tun sein möge, um alles gütlich abzutun und zum Besten zu lenken, so ersann er letztlich eine List, mit welcher er vermeinte, des Kriegsmannes (den niemand für einen Schneider schätzte) ledig zu werden und abzukommen. Er sandte sogleich nach dem Helden und sprach zu ihm, wie er (der König) wohl vernommen, dass ein gewaltigerer und stärkerer Kampfheld auf Erden nimmer zu finden sei, denn er (der Schneider). Nun hauseten im nahen Walde zwei Riesen, die täten ihm aus der Maßen großen Schaden mit Rauben, Morden, Sengen und Brennen im Lande umher, und man könne ihnen weder mit Waffen noch sonst wie beikommen, denn sie erschlügen alles, und so er sich’s nun unterfangen wolle, die Riesen umzubringen, und brächte sie wirklich um, so solle er des Königs Tochter zur ehelichen Gemahlin, und das halbe Königreich zur Aussteuer erhalten, auch wolle der König ihm hundert Reiter zur Hülfe gegen die Riesen mitgeben.
Auf diese Rede des Königs ward dem Schneiderlein ganz wohl zu Mute und deuchte ihm schön, dass es sollte eines Königs Tochtermann werden und ein halbes Königreich zur Aussteuer empfangen; sprach daher kecklich: Er wolle gern dem König, seinem allergnädigsten Herrn, zu Diensten stehen, und die Riesen umbringen, und sie wohl ohne Hülfe der hundert Reiter zu töten wissen. Darauf verfügte er sich in den Wald, hieß die hundert Reiter, die ihm auf des Königs Befehl dennoch folgen mussten, vor dem Walde warten, trat in das Dickicht, und lugte umher, ob er die Riesen irgendwo sehen möchte. Und endlich nach langem Suchen fand er sie beide unter einem Baume schlafend, und also schnarchend, dass die Äste an den Bäumen, wie vom Sturmwind gebogen, hin- und herrauschten.
Der Schneider besann sich nicht lange, las schnell seinen Busen voll Steine, stieg auf den Baum, darunter die Riesen lagen, und begann den einen mit einem derben Steine auf die Brust zu werfen, davon der Riese alsbald erwachte, über seinen Mitgesellen zornig ward und fragte, warum er ihn schlüge? Der andere Riese entschuldigte sich bestens, so gut er’s vermochte, dass er mit Wissen nicht geschlagen, es müsse denn im Schlafe geschehen sein; da sie nun wieder entschliefen, fasste der Schneider wieder einen Stein, und warf den andern Riesen, der nun auffahrend über seinen Kameraden sich erzürnte und fragte, warum er ihn werfe? der aber nun auch nichts davon wissen wollte. Als beiden Riesen nun die Augen nach einigem Zanken vom Schlafe wieder zugegangen waren, warf der Schneider abermals gar heftig auf den andern, dass er es nun nicht länger ertragen mochte, und auf seinen Gesellen, von dem er sich geschlagen vermeinte, heftig losschlug; das wollte denn der andere Riese auch nicht leiden, sprangen beide auf, rissen Bäume aus der Erde, ließen aber doch zu allem Glück den Baum stehen, darauf der Schneider saß, und schlugen mit den Bäumen so heftig aufeinander los, bis sie einander gegenseitig totschlugen.
Als der Schneider von seinem Baume sahe, dass die beiden Riesen einander totgeschlagen hatten, ward ihm besser zu Mute, als ihm jemals gewesen, stieg fröhlich vom Baume, hieb mit seinem Schwerte jeglichem Riesen eine Wunde oder etliche, und ging aus dem Walde hervor zu den Reitern. Die fragten ihn, ob er die Riesen entdeckt oder ob er sie nirgends gesehen habe? »Ja«, sagte der Schneider, »entdeckt und gesehen und alle zwei totgeschlagen – habe ich, und sie liegen lassen unter einem Baume.« Das war den Reitern verwunderlich zu hören, konnten und wollten’s nicht glauben, dass der eine Mann so unverletzt von den Riesen sollte gekommen sein, und sie noch dazu totgeschlagen haben, ritten nun selbst in den Wald, dies Wunder zu beschauen und fanden es also, wie der Schneiderheld gesagt hatte. Darob verwunderten sich die Reiter gar sehr, und empfanden einen grauslichen Schrecken, ward ihnen auch noch übler zu Mute, denn vorher, da sie fürchteten, der Sieger werde sie alle umbringen, wenn er ihnen feind würde; ritten heim und sagten dem König an, was geschehen.
Da nun der Schneider zum Könige kam, seine Tat selbst anzeigte, und die Königstochter samt dem halben Königreich begehrte, gereute den König sein Versprechen, das er dem unbekannten Kriegsmann gegeben, gar übel, denn die Riesen waren nun erwürgt, und konnten keinen Schaden mehr tun; dachte darüber nach, wie er des Helden mit Fug abkommen möchte, und war nicht im mindesten gesonnen, ihm die Tochter zu geben. Sprach daher zum Schneider, wie er in einem andern Walde leider noch ein Einhorn habe, das ihm sehr großen Schaden tue an Fischen und Leuten; dasselbe solle er doch auch noch fangen, und so er dieses vollbringe, wolle der König ihm die Tochter geben. Der gute Schneider war auch das zufrieden, nahm einen Strick, ging hin zu jenem Walde, allwo das wilde Einhorn hauste, und befahl seinen Zugeordneten, draußen vor dem Walde zu warten, er wolle allein hineingehen und allein die Tat bestehen, wie er die gegen die zwei Riesen auch allein und ohne andere Hülfe bestanden. Als der Schneider eine Weile im Walde umherspaziert war, ersieht er das Einhorn, das gegen ihn daherrennt mit vorgestrecktem Horn und will ihn umbringen. Er aber war nicht unbehände, wartete, bis das Einhorn gar nahe an ihn herankam, und als es nahe bei ihm war, schlüpfte er rasch hinter den Baum, neben dem er zu allernächst stand, und da lief das Einhorn, das im vollen Rennen war und sich nicht mehr wenden konnte, mit aller Hast gegen den Baum, dass es ihn mit seinem spitzen Horn fast durch und durch stieß, und das Horn unverwandt darin stecken blieb. Da trat der Schneider, als er das Einhorn am Baume fest zappeln sah, hervor, schlang ihm den mitgenommenen Strick um den Hals, band es an den Baum vollends fest, ging heraus zu seinen Jagdgesellen, und zeigte ihnen seinen Sieg über das wilde Einhorn an. Darauf ging das Schneiderlein zum König, tät demütiglich Meldung von der glücklichen Erfüllung des königlichen Wunsches, und erinnerte bescheidentlich an das königliche zweimalige Versprechen. Darob ward der König über die Maßen traurig, wusste nicht, was zu tun sei, da der Schneider der Tochter begehrte, die er doch nicht haben sollte. Und begehrte noch eins an den Kriegsmann. Dieser solle nämlich auch das grausame Wildschwein, das in einem dritten Walde liefe und alles verwüste, einfahen, und so er auch dieses vollbringe, dann wolle der König ihm die Tochter ohne allen Verzug geben, wolle ihm auch seine ganze Jägerei zur Hülfe beiordnen.
Der Schneider zog, nicht sonderlich erbaut von des Königs abermaligem Begehren, mit seinen Gesellen zum Walde hinaus, und befahl ihnen, als der Forst erreicht war, draußen zu bleiben. Des waren die Jäger gar herzlich froh und zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon öfter dermaßen empfangen, dass ihrer viele das Wiederkommen auf immer vergessen hatten, und sie alle nicht mehr begehrten, ihm nachzustellen, dankten daher dem Schneider sehr aufrichtig, dass er sich allein in die Fahrnis wage und sie in Numero sicher dahinten lasse. Der Schneider war noch nicht lange in den Wald getreten, so wurde das Wildschwein seiner ansichtig, und stürzte auf ihn zu mit schäumendem Rachen und wetzenden Hauern und wollte ihn gleich zu Boden rennen, so dass sein Herz erzitterte und er sich schnell nach Rettung umsah. Da stand zum Glück eine alte verfallene Kapelle in dem Walde, darin man vor Zeiten Ablass geholt, und da der Schneider nahe dabei stand, und die Kapelle ersah, sprang er mit einem Satz hinein, aber auch der Türe gegenüber mit einem Luftsprung durch ein Fenster, darin keine Scheiben mehr waren, wieder heraus, und alsbald folgte ihm die Wildsau, die nun in der Kapelle rumorte, der Schneider aber lief flugs um das Häuslein herum, wischte vor an die Türe, warf sie eilends zu, und versperrte so das grausame Gewild in das Kirchlein, ging dann hin zu den Jagdgesellen, zeigte ihnen seine Tat an, die kamen hin, befanden die Sache also wahr und richtig, und ritten heim mit großer Verwunderung, dem König Bericht erstattend. Ob nun die Nachricht vom abermaligen glückhaften Sieg des heldenhaften Kriegsmannes den König mehr froh oder mehr traurig gemacht, das mag ein jeglicher, selbst mit geringem Verstand, leichtlich ermessen, denn der König musste nun dem Schneider die Tochter geben, oder fürchten, dass dieser seine Heldenkraft, davon er drei so erstaunliche Proben gegeben, gegen ihn selber wenden dürfte. Doch ist wohl zweifelsohne, hätte der König vollends gewusst, dass der Held ein Schneider wäre, so hätte er ihm lieber einen Strick zum Aufhenken, denn seine Tochter geschenkt. Ob nun aber der König einem Manne ohne Herkunft und ohne Geburt, außer der von seiner Mutter, seine Tochter mit kleiner oder mit großer Bekümmernis, gern oder ungern gebe, danach fragte Schneiderlein gar wenig oder gar nicht, genug er war stolz und froh, des Königs Tochtermann geworden zu sein. Also wurde die Hochzeit nicht mit allzu großer Freudigkeit von königlicher Seite begangen, und aus einem Schneider war ein Königseidam geworden, ja ein König.
Als eine kleine Zeit vergangen war, hörte die junge Königin, wie ihr Herr und Gemahl im Schlafe redete, und vernahm deutlich die Worte: »Knecht, mache mir das Wams – flicke mir die Hosen – spute dich – oder ich – schlage dir das Ellenmaß über die Ohren!« Das kam der jungen Königsgemahlin sehr verwunderlich vor, merkte schier, dass ihr Gemahl ein Schneider sei, zeigte das ihrem Herrn und Vater an, und bat ihn, er möge ihr doch von diesem Manne helfen. Solche Rede durchschnitt des Königs Herz, dass er habe seine einzige Tochter einem Schneider antrauen müssen, tröstete sie auf das beste, und sagte, sie solle nur in der künftigen Nacht die Schlafkammer öffnen, so sollten vor der Türe etliche Diener stehen, und wenn sie wieder solche Worte vernähmen, sollten diese Diener hineingehen und den Mann geradezu umbringen. Das ließ sich die junge Frau gefallen und verhieß also zu tun. Nun hatte der König aber einen Waffenträger am Hofe, der war dem Schneider hold, und hatte des Königs untreue Rede gehört, verfügte sich daher eilend zu dem jungen König und eröffnete ihm das schwere Urteil, das über ihn so eben jetzt ergangen und gefällt war, und bat ihn, er möge seines Leibes sich nach besten Kräften wehren. Dem sagte der Schneider-König ob seines Warnens großen Dank, und er wisse wohl, was in dieser Sache zu tun sei. Wie nun die Nacht gekommen war, begab sich zu gewohnter Zeit der junge König mit seiner Gemahlin zur Ruhe und tat bald, als ob er schliefe. Da stand die Frau heimlich auf und öffnete die Tür, worauf sie sich wieder ganz still niederlegte. Nach einer Weile begann der junge König wie im Schlafe zu reden, aber mit heller Stimme, dass die draußen vor der Kammer es wohl hören konnten: »Knecht, mache mir die Hosen – bletze mir – das Wams, oder ich will dir das Ellenmaß über die Ohren schlagen. Ich – hab sieben auf einen Streich – totgeschlagen – zwei Riesen hab ich – totgeschlagen – das Einhorn hab ich gefangen – die Wildsau hab ich auch gefangen – sollt ich die fürchten – die draußen vor der Kammer stehen?«
Als die vor der Kammer solche Worte vernahmen, so flohen sie nicht anders, als jagten sie tausend Teufel, und keiner wollte der sein, der sich an den Schneider wagte. Und so war und blieb das tapfere Schneiderlein ein König all sein Lebetag und bis an sein Ende.
Es waren einmal sieben Schwaben, die wollten große Helden sein und auf Abenteuer wandern durch die ganze Welt. Damit sie aber ein gut Gewaffen hätten, zogen sie zunächst in die weltberühmte Stadt Augsburg und gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister allda, um sich mit Wehr und Waffen zu versehen. Denn sie hatten nichts Geringeres im Sinne, als das gewaltige Ungetüm zu erlegen, das zur selben Zeit in der Gegend des Bodensees gar übel hausete. Der Meister staunte schier, als er die sieben sah, öffnete aber flugs seine Waffenkammer, die für die wackeren Gesellen eine treffliche Auswahl bot. »Bygott!«, rief der Allgäuer, »send des au Spieß? So oaner wär mer grad reacht zume Zahnstihrer. For mi ischt e Spieß von siebe Mannslengen noh net lang gnueg.« – Drob schaute ihn der Meister wiederum an mit einem Blick, der den Allgäuer beinahe verdross. Denn dieser lugte zurück mit grimmigen Augen, und bei einem Haar hätt’s etwas gegeben, wenn der Blitzschwab nicht just zur rechten Zeit sich ins Mittel gelegt. »Hotz Blitz!«, rief er, »du hoscht Reacht und i merk doin Maining: Wie älle siebe for oin, so for älle siebe noh oin Spieß.« Dem Allgäuer war dies nicht ganz klar, aber weil’s den andern just eben recht, so sagte er: »Joh.« Und der Meister fertigte in weniger als einer Stunde den Spieß, der sieben Mannslängen maß. – Ehe sie aber die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch etwas Apartes, der Knöpflesschwab einen Bratspieß, der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf, der Gelbfüßler aber Sporen für seine Stiefel, indem er bemerkte: Solche seien nicht nur gut zum Reiten, sondern auch zum Hintenausschlagen. Als der Seehaas sich endlich einen Harnisch gewählt, pflichtete ihm der Spiegelschwab in solcher Vorsicht vollkommen bei, meinte aber, es sei besser, den Harnisch hinten als vorn anzulegen. Und kaufte sich ein altes Barbierbecken aus der Rumpelkammer des Meisters, groß genug, um seine untere Kehrseite zu bedecken. »Merk’s: han i Curasche und gang i voran, noh brauch i koan Harnisch, goht’s aber hintersche und fällt mer d’Curasche anderswohnah, noh ischt der Harnisch an seinn reachte Blatz.«
Und nachdem die sieben Schwaben wie ehrliche Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt, auch als gute Christen bei St. Ulrich eine Messe gehört und zuletzt noch beim Metzger am Göppinger Tore gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so zogen sie zum Tor hinaus ihres Weges weiter. Den Spieß aber hielten sie alle sieben und gingen in einer Reihe hintereinander, dass sie schier aussahen, wie angespießte Lerchen. Voran ging der Herr Schulz, der Allgäuer, als der mannlichste unter ihnen, dann kam der Jockele, genannt der Seehaas, hierauf der Marle, genannt der Nestelschwab, dem folgte der Jerkle, war der Blitzschwab geheißen, hernach ging der Michel, Spiegelschwab zubenamset, dann kam der Hans, Knöpflesschwab, und zuletzt kam Veitle, das war der Gelbfüßler. Der Herr Schulz wurde der Allgäuer geheißen, weil er aus Allgau gebürtig war; der Seehaas hatte am Bodensee gesessen; der Nestelschwab führte darum seinen Namen, weil er statt der Knöpfe Nesteln hatte, er musste aber bei den Hosen fast immer mit der Hand nachhelfen und halten, dieweil die Nesteln oftmalen abgerissen waren. Der Blitzschwab hieß also, weil er sich die Redensart: »Hotz Blitz!« angewöhnt hatte. Der Spiegelschwab hatte die Gewohnheit, seine Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen, die davon einen gewissen Spiegelglanz annahm; das schaffte jenem den saubern Namen. Knöpflesschwab war ein Mann, der verstand gute Knöpfle oder Spätzle zu kochen, das ist im baierischen Deutsch Knötel, und im sächsischen Deutsch Klöße. Der Gelbfüßler endlich war aus der Bopfinger Landschaft, deren Einwohner die Umwohner Gehlfießler schimpfen. Darum, dass sie einstmals einen Wagen voll Eier, den sie ihrem Herzog als Abgabe bringen müssen, recht voll stampfen wollen, und die Eier mit den Füßen festgetreten, davon denn die Eier etwas weniges zerbrochen, und die Füße der Bopfinger gegilbt hätten.
Zogen nun die Sieben allesamt gutes Mutes mit ihrem Spieß dahin, kamen eines Heumondtages in der späten Dämmerung über eine grüne Wiese, da hob sich eine Horniss nicht weit von ihnen mit feindlichem Gebrummel hinter einer Dornhecke hervor, und flog vorüber. Darob erschrak der Schulz, Allgäuer, mächtiglich, und begann Angstschweiß zu schwitzen, und schrie seinen Kriegsgesellen zu: »Horchet! der Feind drommelt schoh!« Da schmeckte der Jockele, der dicht hinter dem Schulzen ging, einen übeln Geruch und rief: »Wohl! wohl! ’s ist ebbes in der Näche! I schmeck schaun ’s Pulver!« Da nahm der Herr Schulz Reißaus, ließ den Spieß fahren und sprang über einen Zaun, kam aber gerade auf die Zinken eines Rechens zu springen, und da fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und gab ihm einen ungewaschnen Schlag. Der Schulz vermeinte, der Feind haue auf ihn ein, und schrie: »Gieb Bardohn! i ergeb me.« Die andern sechs waren nachgesprungen über den Zaun, und da sie ihren Anführer also schreien hörten, so schrien sie alle: »Ergibscht du de, noh ergeb i me au! Ergibscht du de, noh ergeb i me au!« Aber es war niemand vorhanden, der die sieben Schwaben gefangen nehmen wollte; und da sie das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit und verschwuren sich, diese ihre erste Heldentat nicht weiter zu erzählen.
Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauflosmarschierten, merkten sie nicht, dass ein großmächtiger Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der Nase an ihn stieß. Als er ihn nun sah, war er hin vor Schreck, stolperte und stieß mit dem Spieße geradezu auf den Bären los, wozu er aber nichts konnte, und schrie dazu gottsjämmerlich: »E Bär! E Bär!« Vermeinte, sein letztes Brot wäre gebacken und bereits verzehrt. Doch rührte sich der Bär nicht, dieweil er maustot war. Des war der Allgäuer hoch erfreut, schaute nun nach seinen Brüdern, und sah mit neuem Schreck, dass alle mäusleinstill für tot auf dem Boden lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die am Boden Liegenden vermerkten, dass der Bär den Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor Schreck dahingepurzelt, lugten sie vorsichtig in die Höh, und wie sie sahen, dass der Bär tot war, erhoben sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum und auf ihn, und untersuchten, wie tief wohl die Wunde sei, die der Spieß ihm beigebracht, fanden aber keine, und der Blitzschwab sagte: »Hotz Blitz! Der Bär ischt verreckt und schoh lang tot!« – »Joh Joh«, sprach der Jockele, »mer schmeckt de Brohde.« Wurden eins, dem Bär das Fell abzuziehen und als Siegeszeichen mit sich zu führen, das Aas aber liegen zu lassen. »Jetzt kennet d’Schoof de Bäre fresse, wie er d’Schoof gfresse hod!«, sprach einer unter ihnen, und so zogen sie fürbass mit ihrem Bärenfell und ihrem Spieß.
Kamen nun just in einen Wald und gerieten tiefer und tiefer in die Stauden hinein, bis sie darin stecken blieben. Die Bäume standen zuletzt so dicht, dass des Fortkommens kein Gedanke war, bis der Allgäuer endlich vor einem derben Stamme stehen blieb, den Spieß erhob und wie ein Löw brüllte: »Bygott! durch muss e.« Sprach’s und rannte den Spieß mit solcher Gewalt zur Seite des Baums in den Boden, dass der Knöpflesschwab zwischen Baum und Spieß eingeklemmt wurde, wie ein Treibkeil, und sich weder rühren noch regen konnte. Und das war eben kein Kinderspiel, denn jetzt stockte der Zug vollends, konnte keiner vor- noch rückwärts. Zwar machten die Gesellen einige mächtige Versuche, den Knöpflesschwab aus der Klemme herauszuziehen, aber es war eitel Mühen: Der Hans saß fest und wankte nicht. Da war es plötzlich, als ob dem Allgäuer ein großer Gedanke durch das Hirn dämmerte; er lugte um sich und rief: »Bygott! i mießt ’s Teufels sei, wenn mer Gott et helfe tät!« Und er sagte: »Hui Ochs!«, und packte den Baum mit gewaltiger Faust und riss ihn heraus samt Wurzel, Stumpf und Stiel. Der Knöpflesschwab, mehr tot als lebendig, schnellte heraus just wie der Ball beim Pritschenschlagen, flog sechs Klafter himmelanwärts und plumpte hernieder, dass die Erde drob wackelte. Die fünf andern aber schauten gar ehrerbietig zu dem Allgäuer empor, denn erst jetzt ging ihnen ein Licht auf, welchen Fund sie an dem Herrn Schulz getan.
Um ein weniges weiter, zeigte sich’s abermals, dass der Allgäuer das Herz nicht im Sprungriemen trug, denn als die sieben sich aus den Stauden herausgefunden, kam ein Bräuer aus München des Wegs, der trieb ein Rudel Borstenvieh vor sich her und man konnt’s ihm auf hundert Schritt ansehen, wes Landes Kind er war. Blieb groß und breit stehen, als er die sieben mit dem Spieß erblickte und zog ein Gesicht, als wollt er die wackern Leut auslachen. Gleich war der Blitzschwab vor ihn her und fragte protzig: »Was luegscht Gsell? hoscht du noh koan Schwohbe gseah?« – »O genug«, gab jener zurück, »bei mir daheim auf der Malzdarre laufen sie zu Tausenden herum.« Meinte spottweise die schwarzen Käfer, also geheißen, weiß keine Menschenseele warum. Das war genug, um dem Blitzschwab, der zu Zeiten giftig war, wie ein Maifrosch, die Laus über den Grind laufen zu lassen. Machte sich an den Baier heran, und gab ihm flugs eine Watschel, dass jenem die Augen hell aufblitzten und die Ohren summten just eben so, wie die große Horniss. Der Baier, nicht faul, langte mit den Armen weitmächtig aus, um dem Schwäblein auch eine zu versetzen; und es wär auch eine gewesen, an die er sein Lebtag gedacht hätte. Nun war aber der Blitzschwab ein putziges Kerlchen, drehte sich auf einem Beine siebenmal herum, und hatte sein Lebtag nichts besser gelernt, als das Ausreißen. So kam es, dass der Baier gar mächtiglich in die Luft schlug, sich um und um drehte wie ein Kreisel, stolperte und zu Boden stürzte wie ein Wiesbaum. Das half ihm zum Garaus; der Blitzschwab stürzte über ihn her wie ein Queckenhamster und packte ihn an der Gurgel, während die andern Hände und Füße hielten und lustig darauf lostrommelten. Er wäre ihrer aber doch letztlich noch Herr geworden, weil er ein großer starker Kerl war, wäre nicht auch der Allgäuer über ihn hergefallen, wie ein Maltersack. Da musste er Abbitte tun, wohl oder übel, denn das Häufein ließ nicht eher locker und ledig.
Und es geschah, dass die guten Gesellen auf ihrer Weiterreise an einen weiten blauen See kamen, so dünkete es ihnen, denn es war alleweil etwas dämmerig geworden, der schlug Wellen im Wind, und droben an seinem Abhang standen die sieben Schwaben und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten über diesen See kommen möchten. Es war aber kein Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses, der so recht in seiner schönsten, blauen Blüte stand.
»Hotz Blitz!«, rief der Blitzschwab, »was ischt doh z’ tuan? Über des wild Wasser müsset mer nüber.«
»Allgäuer, trag du es nüber, wie der hoilich Krischdof ed Pilgersleut«, sagte der Seehaas. – »Bygott!«, antwortete der Allgäuer, »ins Wasser gieng i wohl, wenn’s net tiefer gieng als an de Hals.« Der Nestelschwab griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das edle Kleidungsstück festzuhalten, dass es ihm nicht entfalle, während er mit der andern Hand schwimmen täte; dem Knöpflesschwab war das Ding gar nicht einerlei, er lugte scharf, ob kein Haifisch, Wallfisch oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch die andern ganz verlegen da, bis der Blitzschwab sich hinter ihnen herumdrückte und ein Paar hinunterstieß, indem er ausrief: »Frisch gwohgt ischt halb gschwomme.« Da die nicht untersanken, fasste sich auch der Gelbfüßler ein Herz und tat einen Hupf hinunter; ihm folgte der Blitzschwab und der Nestelschwab mit besserem Vertrauen, und zuletzt ritt der Allgäuer auf dem Spieße hinab, und plumpte drunten einer auf den andern, bis sie merkten, dass sie mit der Nase ins Feld gefallen waren, und allgemach mit etwas gequetschten Rippen sich wieder aufmachten, den Spieß auffischten und an ihm wiederum fürbass schritten.
Bis zur Stunde hatten die sieben einträchtig an dem Spieße gehalten, war weder Unrecht noch Unfried zwischen ihnen vorgekommen. Da kam der böse Feind und säete Zwietracht zwischen dem Blitzschwab und dem Spiegelschwab mitten hinein. Das trug sich folgendermaßen zu. Als die Schar ein gut Stück weiter kam, war es schon Nacht und der Mond ging eben auf. Da wurde es dem Spiegelschwab wunderlich zu Mute, just wie daheim und meinte: »Jetzt hent mers gwonne, Memmenge ischt nemme weit.« Lugt ihn der Blitzschwab verwundert an und fragt, wie er das wissen könne. Der Spiegelschwab lachte pfiffig: »Werd joh doch de Memmenger Mond kenne.« Drob lachte jener, dass ihm das Wasser aus den Augen rannte, und schrie: »Hotz Blitz! Gsell, wie bischt du so blitzdumm!« Nun vertrug zwar der Spiegelschwab einen derben Puff, hatten ihn oft schon kurz und lang geheißen, aber für dumm gelten wollte er nicht. Das war so eben seine empfindliche Seite. Dies kaum gesagt, hatte der Blitzschwab daher auch schon seine Dachtel. Fuhren nun zusammen die beiden, gerade wie ein paar Metzgerhunde und draschen sich schier um die Wette, den andern zur Kurzweil, bis endlich der Seehaas den Allgäuer bat, Frieden zu stiften. Der ließ sich nicht lange bitten, sondern packte sogleich den Blitzschwaben am Hosenbündel und hielt ihn in der Luft, wie einen Frosch; er mochte zappeln, wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab nicht nach, den Blitzschwaben aufs Brett zu klopfen; daher ergriff der Allgäuer auch diesen und hielt ihn am Leibe unter der Gurgel so steif und fest, dass er bockstarr da stand und nicht mucksen konnte. »Bygott!«, rief der Herr Schulz, »i will euch Mores lehre, ihr donnderschlechtige Strohlkerle.« Schüttelte den einen und drosselte den andern immer ärger und ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, dass sie wieder gut Freund sein wollten, was sie denn auch geblieben von der Zeit an bis an ihren Tod.
Es wies sich auch bald aus, dass der Spiegelschwab gar nicht so dumm gewesen, wie der Blitzschwab allermeist geglaubt, denn als sie zwei Viertelstunden Weges gegangen, kamen sie richtig nach Memmingen, wie jener aus dem Monde prophezeit. Aber als ob just dieses Städtlein dem Spiegelschwaben heut nur Unglück bringen sollte, so geschah es alsbald wieder, dass es dem Armen zu Haut und Haaren ging. »Durch Memmenge ganget mer net«, hatte er gesagt und als man ihn ob der Ursache gefragt, hatte er den Kopf geschüttelt und gemeint, er wisse das selbst am besten! Gingen deshalb ringsum die Stadtmauer, die sieben, um just am andern Ende wieder die Heerstraße zu gewinnen. Aber da hat sich’s denn wiederum augenfällig gezeigt, dass der Mensch seinem Schicksal nicht entgehen könne. Denn ehe sich’s der Spiegelschwab versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in einem Ton, der durch Mark und Bein ging: »Bischt endlich wieder doh, du Schlingel? Wo bischt so lang rumkalfaktert, du Galgenstrick?« Dem Spiegelschwab wurde es grün und gelb vor den Augen und vermeinte, sein Ende sei gekommen, denn die Alte war niemand anders, als seine liebwerte Ehehälfte, die er mir nichts dir nichts sitzengelassen, als er hinausgezogen war mit den andern Gesellen auf die Wanderschaft. Hier galt’s, nicht lange zu überlegen, war daher flugs mit einem Satze hinüber in die Hopfengärten zum großen Jubel der andern, die schier bersten wollten vor Lachen. Aber die Alte, schnell wie eine Bachstelze auf den spindeldürren Füßen, war hurtig hinterdrein und es hätte wohl einen argen Strauß gegeben zwischen den beiden, wenn dem Spiegelschwaben nicht gerade zu guter Stunde ein Schelmenstückchen eingefallen wäre. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte als das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Eilig warf er es über den Kopf, schlüpfte behänd in die Tatzen und lief nun auf allen vieren, nicht anders als ein leibhaftiger Bär, rannte brummend auf das Weib zu, umfing sie mit den scharfen Krallen und drückte und herzte sie, dass ihr Hören und Sehen verging. Die Alte war froh, als sie dem Schalk entronnen, der nun freudig mit den andern von dannen zog. Von Stund an aber schreibt sich der Brauch, dass böse Männer von ihren Ehehälften gar häufig Brummbären genannt werden.
»Uf Leid folgt Freid!«, rief der Allgäuer und zeigte nach dem Leutkircher Tor, wo ein Wirtshaus stand, über dessen Tür zu lesen war: »Hier schenkt man Märzenbier aus!« War keiner unter den sieben, der nicht gern einen Trunk Bier geschenkt genommen hätte, richteten daher im Nu ihre Schritte nach dem Wirtshaus und langten mit dem Spieße in der Hausflur an, in demselben Augenblick, als der dicke Bräuer vor die Tür trat, nach dem Wetter auszulugen. Als der die Schar erblickte mit dem furchtbaren Spieß, wurde es ihm eben nicht warm ums Herz, zog aber schnell sein Käppchen und fragte höflich nach ihrem Begehr. »Se wellet e bissle sei Bier brobiere«, sagte der Allgäuer und schritt schnurstracks mit den Gesellen in die Zechstube. Da ward’s dem Wirt klar, dass die Gesandtschaft mit dem Spieße abgeschickt sei von der schwäbischen Kreisregierung, wie wohl zuzeiten geschieht, um das Bier zu kosten und zu prüfen, ob es preiswürdig sei. Rannte daher spornstreichs in den Keller und holte ein Körble vom Besten herauf, wie er nur für sich und seine Leute gebraut. Das Körble war leer im Umsehen, das zweite in noch kürzerer Zeit, und als die sieben in weniger als zwei Stunden nahe an einen halben Eimer getrunken, meinte der Wirt, er sehe, dass es ihnen schmecke. Der Blitzschwab aber, der immer das Maul vorweg hatte, sagte: »’s kennt besser sei, wenn net z’wenig Malz und Hopfe drin wär.« »Das ist nicht wahr«, versetzte der Wirt, der ein Schalk war, »Hopfen und Malz ist nicht zu wenig darin, aber zu viel Wasser.« Da merkte der Blitzschwab, dass er seinen Mann gefunden, trank noch ein Mäßle und sagte den Spruch, der ihm einfiel:
»In Langesalz, in Langesalz
(kennt au Memmenge hoiße, sagte er)
Braut mer drui Bier aus oinem Malz,
Es erschte hoißet se de Kern,
Des drinket d’ Burgemoischter gern,
Es andre hoißt es Mittelbier,
Des setzt mer de gmoane Leud fir;
Es dritt des hoißt Covent,
Drink di potz Sapperment!«
Zogen dann allesamt fürbass und der Wirt in Memmingen schwört heute noch Stein und Bein, dass das Häuflein nichts anders gewesen, als des Memminger Kreises Oberbierbeschauer.
»Uf Leid folgt Freid!«, hatte der Allgäuer gesagt, ohne zu bedenken, dass das weise Sprüchlein umgekehrt sich noch bei weitem häufiger bewahrheitet. Es sollte nun einmal Regen und Sonnenschein auf der abenteuerlichen Fahrt der sieben Gesellen fast immer abwechseln, drum war’s eben kein Wunder, dass das arme Häuflein gar bald wieder in die Tinte geriet. Noch drehte und wirbelte es in ihren Köpfen von dem überreichlich genossenen Märzenbier, da harrte ihrer schon wieder das tückische Geschick. Zogen eben bei Kronburg vorüber, da lauschte der gestrenge Herr Junker aus dem Fenster. Mochte ihm nicht recht geheuer vorkommen mit der lustigen Schar, die auch dem Äußern nach nicht eben allzu reputierlich einherzog. Er rief deshalb seinen Schergen und sagte: »Lug einmal nach den Landstreichern da drüben – scheint mir eine saubere Sippschaft zu sein.« Der Scherg nahm sieben Bullenbeißer mit sich, jeder groß genug, um zur Not mit einem Bären kämpfen zu können, und stieg hinab, Jagd auf die unglücklichen Schwaben zu machen. Hatte sie bald ereilt und da der Blitzschwab schnippisch war, wie immer, machte der Haltmichfest kurze Sache und nahm das Häuflein mit sich. Zwar wollte der Allgäuer nicht so ohne weiteres mitgehen, als aber die Hunde gar grimmig knurrten, da senkte er den Spieß mit den Ohren zugleich und trabte hinterdrein. Wurden nun sämtlich vor den Junker von Kronburg geführt, der ein strenges Verhör begann. Der Seehaas machte den Sprecher für alle und erzählte getreulich: Wie in der Gegend am Bodensee ein schreckliches Tier hause, und da hätten sie sich denn als brave Landsleute und biedere Männer zusammengetan aus allen schwäbischen Gauen, um das Land vom Ungeheuer zu befreien.
Das aber glaubte der Junker nicht, sondern blieb bei seiner Meinung, sie seien Strolche und Diebsgesindel, und ließ sie in das Häusle, das ist, ins Gefängnis stecken.
»So geht’s in Schnitzlebutz Heusle,
Doh singet und tanzet die Meusle
Und bellet die Schnecken im Heusle –«
hat der Blitzschwab im Häusle gesungen, aber ganz still, wie ein Mäusle.
Es hatte aber der Junker erst Tags zuvor, da ihn das Zipperlein plagte, den löblichen Entschluss gefasst, ein Zuchthaus zu stiften zum Schrecken aller Gauner und Tagediebe, zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft und zur Aufklärung des gemeinen Volkes. Da kamen ihm die sieben Schwaben eben recht. Sonst war er ein gar frommer und milder Herr, der sogar seinen eigenen Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben nötig hatte, um sich selbst warm zu kleiden. Befahl daher auch, dass man den Gefangenen Nahrung reichen solle, so weit sie des bedürften. Der Spiegelschwab aber, der ihn wohl kannte und wusste, dass Schmalhans in dessen Küche und Keller hauste, legte seinen Plan darauf an, welchen er den Gesellen mitteilte. Wie also der Scherg Mittags eine große Pfanne voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen, brachte, sprach der Blitzschwab zum Knöpflesschwaben: »Die ghairet wohl for di?« Der Scherg meinte, das sei wohl für alle genug. Der Knöpflesschwab aber sagte, er wolle lugen, ob’s für ihn lange, setzte sich und aß die Pfanne allein aus, so dass kein Krümchen noch Bröckchen übrig blieb. Der Scherg erschrak und lief zum Junker, meinend, man müsse für die Landstreicher eine ganze Braupfanne voll Spätzle auf einmal kochen, und das sei, dünke ihm, noch nicht genug. Da ging der Junker von und auf Kronburg in sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und der Menschheit kein so großes Opfer schuldig, dass er sich aushungern lassen sollte in seinem Schloss um einiger wenigen Strolche willen. Stracks wurden die sieben in Freiheit gesetzt, nur dass ihnen der Junker noch einen Steckbrief mit auf den Weg gab, um andere Behörden und Kerkerknechte pflichtschuldigst vor des Knöpflesschwaben großer Fresssucht zu warnen.
Nach mehr als einem andern Abenteuer, das zu viel wäre zu erzählen, gelangten die Schwaben an einen großen See, und da sagte der Seehaas, der ihn gleich erkannte: »Des ischt der Bodesee.« An dessen Ufer sollte, wie die Sage ging, das gefährliche Ungeheuer hausen, welches zu bekämpfen und zu erlegen die sieben Schwaben sich bekanntlich fest vorgenommen hatten. Da sie nun des Sees ansichtig geworden und zugleich des Waldes, in dem das Ungeheuer sich aufhielt, man wusste nicht, war es ein gräulicher Lindwurm, oder ein feuerspeiender Drache, so fiel ihnen zumeist das Herz in die Hosen, sie machten halt und zündeten ein Feuerlein an, auf dass der Knöpflesschwab noch zu guter Letzt (denn wer konnte wissen, ob das Untier sie nicht allesamt mit Haut und Haar verschlingen werde, mit oder ohne Spieß), eine Mahlzeit Knöpfle oder Spätzle bereite, und stellten während dem Essen Todesbetrachtungen an. »Joh«, sagte der Allgäuer und seufzte recht von unten ’rauf, »’s ischt e Sach, wenn mer bei sich so recht bedenkt, dass mer zum letzten Mohl in seim Leben z’Mittag isst.« Und wieder seufzte er und sagte: »’s ischt e Sach!«, und der Knöpflesschwab fing an still vor sich hin zu flennen, wobei er jedoch des Essens nicht vergaß. Als aber der Allgäuer zum dritten Mal ganz erschrecklich tief seufzte und sagte: »’s ischt e Sach!«, da fingen sie alle an so erbärmlich zu flennen und zu heulen, dass es einen wilden Heiden hätte erbarmen können. Der Nestelschwab allein ließ sich das Sterben nicht zu Herzen gehen; denn, sagte er, mein Mutter hat mir oft gesagt, dass mein Stündlein gar niemals kommen würde. Heulte aber dennoch aus gutem Willen zur Gesellschaft mit. Als sie aber endlich nicht mehr konnten, fiel’s ihnen doch ein, dass es Zeit sei, ihre Schlachtordnung herzurichten; dabei gab es aber allerlei Span und Zwietracht. Der Allgäuer sagte, er sei bislang emmer der vorderscht gwe, ’s wär jetzt Zeit, dass er au emohl der henterscht sei, und es soll der Blitzschwob voran. Der meinte aber: »Curasche han i gnueg em Leib, aber net Leib gnueg for d’ Curasche und dehs Bescht von Ongheuer.« Der Spiegelschwab wischte sich die Nase am Ärmel und tat den Vorschlag, es solle doch wohl besser sein, wenn einer für alle sterbe, und meinte, der Knöpflesschwab können ihnen diesen kleinen Gefallen tun; der aber schrie Zetermordio, als habe ihn das Ungeheuer schon am Schlafittich. Und so sprachen und stritten sie noch eine Weile hin und her, bis sie sich friedsam einigten und hurtiglich mit ihrem Spieße vorwärtsschritten, gerade auf den Wald zu, wo das Untier hausen sollte. Ehe sie den erreichten, kamen sie an einen Rain davor, da saß ein Has und machte ein Männlein, und streckte die langen Löffel in die Höh; das war den Schwaben grauentlich anzuschauen, hemmten darum ihren Schritt, hielten Rat und besannen sich, ob sie vorwärtsrücken und aufs Untier einrücken sollten mit lang vorgestrecktem Spieß, oder ob sie sich zur Flucht wenden sollten; doch hielt jeder fest am Spieß. Da nun der Veitle hinten am meisten in Numero sicher war, schwoll ihm der Kamm und er schrie dem Schulzen zu, der vorne stand:
»Stoßt zue in äller Schwobe Name,
Sonscht wünscht ih, dass ihr möcht erlahme!«
Der Hans, des Veitle Gehlfießlers Vordermann, Knöpflesschwab, spottete der Curasche des Veitle, indem er sagte:
»Beim Element, du hoscht guat schwätze,
Du bischt der letscht beim Drachahetze!«
Dem Michel sträubte die Herzhaftigkeit das Haar empor, er blickte gar nicht hin nach dem Ungeheuer, sondern sprach mit abgewandtem Gesicht, indem er den Ärmel seinem Gesicht näherte:
»Es wird net fehle um a Hoar,
So ist es wohl der Teufel gar!«
Jergle lugte dem Michel ins Gesicht, und schauete auch gar nicht hin nach dem Bescht von Ungeheuer, indem er zaghaft beistimmte:
»Blitz! ischt er’s net, so ischt’s sei Mueder,
Oder’s Teufels sei Stiefbrueder!«
Dem Marle Nestelschwab, der sich schon ziemlich weit vorn am Spieß befand, daran die Schwaben gingen, gefiel sein Platz nicht, und er hatte einen guten Einfall; er kehrte sich auch um, da er nicht für nötig fand, das Ungeheuer anzusehen, und rief dem Veit zu:
»Gang, Veitle, gang, gang du vorahn,
I will dohente for di stahn!«
Veitle drückte aber seine Ohren auf und tat, als hörte er nicht, worauf der Marle zu Jockele sagte:
»Gang, Jockele, gang, gang du vorahn
Du hoscht Sporn und Stiefel ahn,
Dass di der Drach net beiße kahn!«
Aber Jockele fand seinen Trost darinnen, dass der Allgäuer an der Spitze des Spießes der sieben Schwaben und des zu bestehenden Abenteuers stand, und sagte:
»Der Schulz, der mueß der erschte sei,
Denn ehm gebiehrt die Ehr allei.«
Schulz Allgäuer fasste sich ein Herz und sprach mutig, da es nun einmal in die unvermeidliche Gefahr ging:
»So zieht denn herzhaft in de Streit,
Dohran erkennt mer tapfre Leut.«
Und so ging es in Gottes Namen und im Sturmschritt auf das Ungeheuer los, und als dem Schulzen das Herz pfupferte, konnte er sich seiner Angst nicht erwehren und schrie: »Hau huelhau! Hau, hauhau!« Da erschrak der Has und gab spornstreichs Fersengeld querfeldein, und lief, was er laufen konnte. Jetzt rief Schulz Allgäuer freudiglich:
»Potz Veitle, luag, luag, was ischt das?
Es Ohngeheuer ischt noh e Haas!«
»Hoschts gsehe? Hoschts gsehe?«, fragten sich nun die andern untereinander. »Hotz Blitz! E Ding wie ne Kalb!«, rief der Blitzschwab. Der Nestelschwab tat seinen größten Fluch: »Mit Verlaub! Dass dih es Meusle beiß’! E Tier wie ne Mastochs!« »Oho!«, rief der Knöpflesschwab: »En Elefand ischt noh e Katz gegen des Ohntier.« »Bygott!«, erwiderte der Allgäuer, »wenn des koa Haas gweh ischt, noh woiß i de Dreimänner-Wei vom Racheputzer net z’ unterschaide!«
»Noh, Noh!«, vermittelte der Seehaas: »Haas her! Haas hen! E Seehaas ischt halt greßer und gremmiger, als älle Haase im heilige remische Reich.« »Wie der Seewei seurer und herber als älle Wei im heilige remische Reich«, sagte hinten der Gehlfüßler, und über diese Anzüglichkeit hätte ihm der Seehaas fast ein Paar Watscheln gegeben, denn es kränkte ihn schwer, dass der Veitle über den Seewein spottete, der ihm von Kindesbeinen an geschmeckt. Mit den Seeweinen verhält es sich aber also: Es gibt ihrer drei Arten, zum Ersten der Sauerampfer, schmeckt nur ein weniges besser als Essig und verzieht das Maul nur ein bisschen, zumal wenn man sich daran gewöhnt hat. Die zweite Gattung ist Dreimännerwein geheißen, steht im Geschmack nach 10 Grad unter Essig und wurde so getauft, weil man behauptet, dass derjenige, so ihn zu trinken verurteilt, von zweien gehalten werden muss, während ihn ein Dritter eingießt. Die dritte Sorte ist der Rachenputzer, hat die rühmliche Eigenschaft, dass er Schleim und alles andere abführt, tut aber dabei Not, dass wer sich mit dem Wein im Leib schlafen legt, in der Nacht sich wecken lasse, damit er sich umkehren möge, sonst möchte ihm der Rachenputzer ein Loch in den Magen fressen.
Da nun das Abenteuer mit dem Ungeheuer von den sieben Schwaben so glückhaft bestanden war, so wurden sie eins nunmehr von ihren Taten auszuruhen und wieder friedlich heimzuziehen. Zuvor aber tat Not, ein Siegeszeichen zu errichten, das der Mit- und. Nachwelt ihren Triumph auf ewige Zeiten vermelde. Da nun unmöglich war, wie vor Zeiten tapfere Ritter getan, die Drachenhaut in einer Kirche aufzuhängen, dieweil kein Drache sein Fell zu Markte getragen und der Has in seinem Balg wohlbehalten entkommen war, so wurden die guten Gesellen dahin eins, ihr Bärenfell und ihren Spieß als eine Trophäe in die nächstgelegene Kapelle zu stiften, die hieß man hernach die Kapell zum schwäbischen Heiland. Dort wird wohl der Spieß noch hängen, das Bärenfell aber haben die Motten verzehrt, und die Sperlinge haben die Haare in ihre Nester getragen.
Als unser lieber Herr und Heiland noch auf Erden wandelte, von einer Stadt zur andern, das Evangelium predigte und viele Zeichen tat, kam zu ihm auf eine Zeit ein guter einfältiger Schwab, und fragte ihn: »Mein Leiden-Gesell, wo willt du hin?« Da antwortete ihm unser Herrgott: »Ich ziehe um, und mache die Leute selig.« So sagte der Schwab: »Willt du mich mit dir lassen?« – »Ja«, antwortete unser Herrgott, »wenn du fromm sein willt und weidlich beten.« Das sagte der Schwab zu. Als sie nun miteinander gingen, kamen sie zwischen zwei Dörfer, darinnen läutete man. Der Schwab, der gern schwätzte, fragte unsern Herrgott: »Mein Leiden-Gesell, was läutet man da?« Unser Heiland, dem alle Dinge wissend waren, antwortete: »In dem einen Dorfe läutet man zu einer Hochzeit, in dem andern zum Begängnis eines Toten.« – »Gang du zum Toten!«, sprach der Schwab, »so will ich zur Hochzeit gehn.«
Darauf ging unser Herrgott in das Dorf und machte den Toten wieder lebendig, da schenkte man ihm hundert Gulden. Der Schwab tät sich auf der Hochzeit um, half einschenken, einem Gast um den andern, und auch sich selbst, und als die Hochzeit zu Ende war, da schenkte man ihm einen Kreuzer. Das war der Schwab wohl zufrieden, machte sich auf den Weg und kam wieder zu unserm Herrgott. Alsbald, wie der Schwab diesen von weitem sahe, hub er sein Kreuzerlein in die Höhe und schrie: »Lug, mein Leiden-Gesell! Ich hab Geld; was hast denn du?«, trieb also viel Prahlens mit seinem Kreuzerlein. Unser Herrgott lachet seiner, und sprach: »Ach, ich hab wohl mehr als du!«, tät den Sack auf und ließ den Schwaben die hundert Gulden sehen. Der aber war nicht unbehänd, warf geschwind sein armes Kreuzerlein unter die hundert Gulden, und rief: »Gemein, gemein! Wir wollen alles gemein miteinander haben!« Das ließ unser Herrgott gut sein.
Nun als sie weiter miteinander gingen, begab es sich, dass sie zu einer Herde Schafe kamen, da sagte unser Herrgott zum Schwaben: »Gehe, Schwab, zu dem Hirten, heiße ihm uns ein Lämmlein zu geben, und koche uns das Gehänge oder Geräusch zu einem Mahle.« – »Ja!«, sagte der Schwab, tat, wie ihm der Herr geheißen, ging zum Hirten, ließ sich ein Lämmlein geben, zog’s ab und bereitete das Gehänge zum Essen. Und im Sieden da schwamm das Leberlein stets empor; der Schwab drückt’s mit dem Löffel unter, aber es wollte nicht unten bleiben, das verdross den Schwaben über alle Maßen. Nahm deshalb ein Messer, schnitt das Leberlein, dieweil es gar war, voneinander und aß es. Und als nun das Essen auf den Tisch kam, da fragte unser Herrgott, wo denn das Leberlein hingekommen wär? Der Schwab aber war gleich mit der Antwort bei der Hand, das Lämmlein habe keines gehabt. »Ei!«, sagte unser Herrgott: »wie wollte es denn gelebt haben, ohne ein Leberlein?« Da verschwur sich der Schwab hoch und teuer: »Es hat bei Gott und allen Gottes-Heiligen keines gehabt!« Was wollte unser Herrgott tun? Wollte er haben, dass der Schwab still schwieg, musst er wohl zufrieden sein.
Nun begab es sich, dass sie wiederum miteinander spazierten, und da läutete es abermals in zwei Dörfern. Der Schwab fragte: »Lieber, was läutet man da?« – »In dem Dorf läutet man zu einem Toten, in dem andern zur Hochzeit«, sagte unser Herrgott. »Wohl!«, sprach der Schwab. »Jetzt gang du zur Hochzeit, so will ich zum Toten!« (vermeinte, er wolle auch hundert Gulden verdienen). Fragte den Herrn weiter: »Lieber, wie hast du getan, dass du den Toten auferwecket hast?« – »Ja«, antwortete der Herr, »ich sprach zu ihm, steh auf im Namen des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes! Da stand er auf.« – »Schon gut, schon gut!«, rief der Schwab: »nun weiß ich’s wohl zu tun!«, und zog zum Dorfe, wo man ihm den Toten entgegentrug. Als der Schwab das sahe, rief er mit heller Stimme: »Halt da! Halt da! Ich will ihn lebendig machen, und wenn ich ihn nit lebendig mache, so henkt mich ohne Urtel und Recht.«
Die guten Leute waren froh, verhießen dem Schwaben hundert Gulden, und setzten die Bahre, darauf der Tote lag, nieder. Der Schwab tät den Sarg auf, und fing an zu sprechen: »Steh auf im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit!« Der Tote aber wollte nicht aufstehen. Dem Schwaben ward angst, er sprach seinen Segen zum andern und zum dritten Mal, als aber jener Tote sich nicht erhob, so rief er voll Zorn: »Ei so bleib liegen in tausend Teufel Namen!« Als die Leute diese gottlose Rede hörten, und sahen, dass sie von dem Gecken betrogen waren, ließen sie den Sarg stehen, fassten den Schwaben und eileten demnächst mit ihm dem Galgen zu, warfen die Leiter an und führten den Schwaben hinauf.
Unser Herrgott zog fein gemachsam seine Straße heran, da er wohl wusste, wie es dem Schwaben ergehen werde, wollte doch sehen, wie er sich stellen würde, kam nun zum Gericht, und rief: »O guter Gesell, was hast du doch getan? In welcher Gestalt erblick ich dich?« Der Schwab war blitzwild und begann zu schelten, der Herr hätte ihm den Segen nicht recht gelehrt. »Ich habe dich recht belehrt«, sprach der Herr. »Du aber hast es nicht recht gelernt und getan, doch dem sei, wie ihm wolle. Willt du mir sagen, wo das Leberlein hinkommen ist, so will ich dich erledigen!« – »Ach!«, sagte der Schwab, »das Lämmlein hat wahrlich kein Leberlein gehabt! Wes zeihest du mich?« – »Ei du willst’s nur nicht sagen!«, sprach der Herr. »Wohlan, bekenn es, so will ich den Toten lebendig machen!« Der Schwab aber fing an zu schreien: »Henket mich, henket mich! So komm ich der Marter ab. Der will mich zwingen mit dem Leberlein, und hört doch wohl, dass das Lämmlein kein Leberlein gehabt hat! Henket mich nur stracks und flugs!«
Wie solches unser Herrgott hörte, dass sich der Schwab eher wollt henken lassen, als die Wahrheit gestehen, befahl er, ihn herabzulassen, und machte nun selbst den Toten lebendig.
Als sie nun miteinander wieder von dannen zogen, sprach unser Herrgott zum Schwaben: »Komm her, wir wollen miteinander das gewonnene Geld teilen, und dann voneinander scheiden, denn wenn ich dich allewege und überall sollte vom Galgen erledigen, würde mir das zu viel.« Nahm also die zweihundert Gulden und teilte sie in drei Teile Als solches der Schwab sahe, fragte er: »Ei Lieber, warum machst du drei Teile, so doch unsrer nur zween sind?« – »Ja«, antwortete unser lieber Herrgott, »der eine Teil, der ist mein; der andere Teil, der ist dein, und der dritte Teil, der ist dessen, der das Leberlein gefressen hat!« Als der Schwab solches hörte, rief er fröhlich aus: »So hab ich’s bei Gott und allen lieben Gottes-Heiligen doch gefressen!« Sprach’s und strich auch den dritten Teil ein, und nahm also Urlaub von unserm lieben Herrgott.
Es wohnten in einem Dorfe ein Paar sehr arme alte Leute mutterseelenallein in einem geringen Häuslein, das ganz weit draußen stand, und hörte gerade mit diesem Häuslein das Dorf auf. Die beiden Alten waren brav und fleißig, aber sie hatten keine Kinder. Einen Sohn, einen einzigen, hatten sie gehabt, aber der war ein ungeratener Bube gewesen, und heimlich auf und davon gegangen, hatte auch sein Lebetag nichts wieder von sich hören und sehen lassen, und so glaubten die beiden Alten, ihr Einziger sei lange tot und bei Gott gut aufgehoben.
Nun saßen einstmals die beiden Alten vor ihrer Haustür, an einem Feiertage, da fuhr zum Dorfe herein ein stattlicher Wagen, den zogen sechs schöne Rosse, und darin saß ein einzelner Herr, hintenauf stand ein Bedienter, dessen Hut und Rock von Gold und Silber nur so starrte. Der Wagen fuhr durch das ganze Dorf, und die Bäuerlein, die gerade aus der Kirche kamen, meinten schier, es fahre ein Herzog oder gar ein König vorbei, denn solche Pracht konnte der Edelmann, der droben im alten Schloss wohnte, nicht aufwenden. Da hielt mit einem Male der Wagen vor dem letzten Häuslein still, der Bediente sprang vom Bocke und öffnete dem darin sitzenden Herrn den Schlag, welcher ausstieg, und auf die beiden Alten zueilte, die sich ganz bestürzt von ihrer Bank erhoben hatten. Er bot ihnen freundlich guten Tag und Handschlag und fragte, ob er nicht ein Gericht Kartoffelhütes (Klöße) mit ihnen essen könne? Darüber verwunderte sich am meisten das Mütterlein, aber der junge hübsche und sehr vornehm gekleidete Herr stillte alsbald ihr Staunen, indem er sagte, dass ihm noch kein Koch diese Hütes habe recht machen können, er wolle sie einmal von Landleuten zubereitet essen, wie in seiner Jugend. Da luden die Alten den edlen Junker, für den sie den Fremdling hielten, freundlich in ihre Hütte, und er ließ den Wagen mit Kutscher und Bedienten einstweilen in das Wirtshaus fahren. Das Mütterlein holte eilends Kartoffeln aus dem kleinen Keller des Häusleins herauf, schälte, rieb und presste sie, ließ Wasser sieden, tat die geballten Klöße, zu denen sie etwas Schmalz getan, hinein, und segnete dieses Essen mit dem frommen Spruch: »Gott behüt es«, davon denn auch die Klöße an vielen Orten Südthüringens Hütes heißen. In dieser Zeit, dass die Alte ihr Mahl bereitete, war ihr Mann mit dem Fremdling in das Hausgärtchen gegangen, wo er an kurz zuvor gepflanzten jungen Bäumen sich eine kleine Beschäftigung machte, und nachsah, ob die Pfähle, an welche die Stämmchen mit Weide gebunden waren, noch fest hielten, und der Wind keine Weide losgerissen hatte, und wo dies geschehen war, da band der Alte jedes Stämmchen wieder fest. Da hub der junge Fremde an zu fragen: »Warum bindet ihr dieses kleine Stämmchen dreimal an?« – »Ja!«, sprach der Alte, »da hat es drei Krümmen, darum bind ich’s fest, dass es gerade wächst.« – »Das ist recht, Alter!«, sprach der Fremde; »aber dort habt ihr ja einen alten krummen Knorz von Baum! Warum bindet ihr den nicht auch an einen Pfahl auf, dass er gerade wird?« – »Hoho!«, lachte der Alte: »alte Bäume, wenn sie krumm sind, werden nicht wieder gerad. Wenn man sie gerade haben will, muss man sie jung gut ziehen.« – »Habt ihr auch Kinder?«, fragte der Fremde weiter. »O lieber Gott, Euer Gnaden!«, antwortete der Mann, »gehabt hab ich einen Jungen, war ein erzer Nichtsnutzer, hat wilde böse Streiche gemacht, und ist mir zuletzt davongelaufen, und sein Lebtag nicht wiedergekommen. Wer weiß, wo ihn der liebe Gott hingeführt hat, oder der Böse.« – »Warum habt ihr denn euern Sohn nicht beizeiten gerad gezogen, wie diese da, eure Bäumchen!«, sprach betrübt und vorwurfsvoll der Fremde. »Wenn er nun ein ungeratner krummer Knorz und Wildling worden, so ist’s eure Schuld. Aber wenn er euch nun wieder unter die Augen käme, würdet ihr ihn wohl erkennen?« – »Weiß auch nicht, lieber Herr!«,erwiderte der Bauer: »er wird wohl in die Höhe geschossen sein, wenn er noch lebt, doch hatte er ein Muttermal am Leibe, daran allenfalls könnt ich ihn kennen. Der kommt aber doch erst am Nimmermehrstag wieder heim.« Da zog der Fremde seinen Rock aus, und zeigte dem Alten ein Muttermal; der schlug die Hände übern Kopf zusammen, und schrie; »Herr Jes’s! Du bist mein Sohn – aber nein – du bist so schrecklich fürnehm. Bist du denn ein Graf geworden, oder gar ein Herzog?« – »Das nicht, Vater«, sprach der Sohn leise, »aber etwas anders, ein Spitzbub bin ich geworden, weil ihr mich nicht gerade gezogen habt, doch lasst’s gut sein, ich hab meine Kunst tüchtig studiert, bin nicht etwa so ein miserabler Pfuscher, wie’s ihrer viele gibt.«
Der alte Mann war ganz stumm vor Schreck und vor Freude, führte den Sohn an der Hand ins Haus, und zur Mutter, die justement die Klöße fertig hatte und auftrug, und sagte ihr alles. Da fiel das Mütterlein ihrem Sohn an das Herz und um den Hals, küsste ihn und weinte und sagte: »Dieb hin, Dieb her! Du bist doch mein lieber Sohn, den ich unterm Herzen getragen habe, und mir hüpft das Herz hoch in der Brust, dass ich dich in meinen alten Tagen wieder gesehen! Ach, was wird dein Herr Pate sagen, droben auf dem Schloss der Edelmann!« – »Ja!«, sprach dazwischen der Vater, während alle drei nun miteinander tapfer in die Klöße einhieben: »Dein Herr Pate wird nichts von dir wissen wollen, bei so bewandten Umständen, wie es mit dir steht; er wird dich am Ende an dem lichten Galgen zappeln lassen.« – »Nun, besuchen will ich ihn doch, den Herrn Paten!«, antwortete der Sohn, ließ seinen Wagen anspannen und fuhr aufs Schloss hinauf.
Der Edelmann war sehr erfreut, seinen Paten, den er als armes Kind aus Gnaden zur Taufe gehoben, so stattlich wieder vor sich treten zu sehen, als dieser sich ihm zu erkennen gab. Aber darüber freute er sich nicht im mindesten, als auf Befragen, was er denn in der Welt geworden sei, der junge Pate zur Antwort gab, er wäre ein ausgelernter Spitzbube geworden. Sann also bald darüber nach, wie er mit guter Art einen so gefährlichen Menschen in Zeiten los werden möchte.
»Wohlan!«, sprach der Edelmann zu seinem Paten, »wir wollen sehen, ob du das Deinige ordentlich gelernt hast, und ein so großer Dieb geworden bist, den man mit Ehren laufen lassen kann, oder nur so ein kleiner, den man an den ersten besten Galgen henkt. Letzteres werde ich in meinem Gerichtsbann mit dir unfehlbar tun, wenn du nicht die drei Proben bestehst, die ich dir auferlegen werde!« – »Nur her damit, gestrenger Herr Pate! Ich fürchte mich vor keiner Arbeit.«
Der Edelmann sann eine kleine Weile nach, dann sprach er: »Hör an! Dieses sind die drei Proben. Zum Ersten: Stiehl mir mein Leibpferd aus dem Stalle, den ich wohl bewachen lasse von Soldaten und Stallleuten, die jeden totschlagen, der Miene macht, in den Stall zu dringen. Zum andern stiehl mir, wenn ich mit meiner Frau im Bette liege, das Betttuch unterm Leibe weg, und meiner Frau den Trauring vom Finger, doch wisse, dass ich geladene Pistolen zur Hand habe. Zum Dritten und letzten – und merke, das ist das schwerste Stück: Stiehl mir Pfarrer und Schulmeister aus der Kirche und hänge sie beide lebend in einem Sack in meinen Schornstein. Tor und Türen im Schlosse sollen dir dazu offen stehen.«
Der Meisterdieb bedankte sich freundlich bei seinem Herrn Paten, dass er ihm so leichte Stücklein aufgegeben, und ging seiner Wege, um in nächster Nacht gleich das erste Stück auszuführen. Der Edelmann traf alle Anstalten, sein Leibross gut bewachen zu lassen. Sein erster Reitknecht musste sich darauf setzen, ein anderer Diener musste den Zaum fassen, ein dritter den Schwanz, und vor die Türe ordnete der Herr eine Soldatenwache. Die wachten und wachten, froren und fluchten, denn es war kalt, und alle waren durstig; da zeigte sich ein altes müdes Mütterlein, das trug ein Fässlein auf einem Korbe, hüstelte schwer und keuchte zum Schlosshof hinein. Das Fässlein weckte in der Seele der Soldaten ganz besonders anziehende Gedanken, nämlich die, dass möglicherweise Branntwein darin sein könne, und dass Branntwein ein Spezifikum gegen den Nachtfrost sei und gegen die bösen Nebel. Riefen daher das alte Mütterlein zum Feuer, dass sich’s wärme, und forschten nach dem Inhalt des Fässleins. Richtig geahnet! Branntwein war darin, und noch dazu veredelter, Doppelpomeranzen, Spanischbitter oder so eine Sorte. Auch war das Fässlein nicht tückischer Weise