Die schwarzseidene Dame - Sabine Klewe - E-Book

Die schwarzseidene Dame E-Book

Sabine Klewe

4,7

Beschreibung

Düsseldorf, November 1819. Die Leiche des Tagelöhners und Gelegenheitsgauners Dietrich Lohner wird tot aus dem Rhein gefischt. Die Obduktion ergibt, dass er ermordet wurde. Am selben Tag beginnt in der ehemaligen Kreuzherrenkirche unter der Leitung von Konsistorialrat Bracht die Suche nach der Gruft der Herzogin Jakobe von Baden, die 1597 von ihren Widersachern im Schlaf erdrosselt und heimlich verscharrt wurde. Die junge Isolde Heinrich, die als Schreibkraft für Bracht arbeitet, protokolliert die Grabungen. Als sie am Abend nach Hause geht, steht plötzlich eine schwarz verschleierte Frau vor ihr, die sich als Geist der Herzogin Jakobe ausgibt und verlangt, ihre Gebeine in Frieden ruhen zu lassen. Ein großes Unglück drohe sonst der Stadt. Während die Polizei nach dem Mörder von Dietrich Lohner fahndet, versucht Isolde, das Geheimnis um die mysteriöse Dame in Schwarz zu lösen. Bis sie merkt, dass beide Fälle zusammenhängen …

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Seitenzahl: 427

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Sabine Klewe

Die schwarzseidene Dame

Historischer Kriminalroman

Impressum

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2009–Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2009

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung / Korrekturen: Doreen Fröhlich /

Susanne Tachlinski, Doreen Fröhlich

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart,

unter Verwendung des Bildes »Porträt der Mariana de Austria«

von Diego Velazquez, http://www.zeno.org

ISBN 978-3-8392-3382-5

Zitat

›Der schlimmste Fehler von Frauen ist ihr Mangel an Größenwahn.‹

Irmtraud Morgner (1933-1990), deutsche Schriftstellerin

KAPITEL I

Die Nacht spannte sich sternklar über den Rhein. Eine schwache, eisige Brise kräuselte das Wasser und spaltete das Spiegelbild des Mondes in Abertausende winzige Lichtpunkte. Fast lautlos glitt ein hölzerner Nachen durch den glitzernden Fluss. Er war mit Eichenfässern beladen und hing so tief im Wasser, dass die Bootskante nur zwei Fingerbreit über der Oberfläche lag. Zwei Männer hockten zwischen der Ladung, dunkel gekleidete Gestalten, die Mützen tief in die bärtigen Gesichter gezogen, sodass man kaum mehr von ihnen erkennen konnte als ihren weißen, dampfenden Atem. Mit gleichmäßigen, kräftigen Bewegungen steuerten sie das Fahrzeug flussabwärts. Nichts war zu hören außer dem leisen, regelmäßigen Schmatzen der Ruder, wenn sie sich nach jedem Stoß tropfend aus dem Wasser lösten.

Geschwind näherte sich der Nachen dem Düsseldorfer Ufer. Einer der Männer hielt inne und ließ seinen Blick wachsam über die schwach beleuchteten Konturen der Stadt gleiten, über den hohen, ein wenig gekrümmten Turm der Kirche zum heiligen Lambertus, die ausgebrannte Schlossruine und den runden, gemauerten Verladekran, der an der Einfahrt zum alten Sicherheitshafen aufragte. Alles schien still, lediglich gedämpft war das übermütige Grölen einiger Betrunkener zu vernehmen, die aus einem der Wirtshäuser nach Hause torkelten.

Die Männer ließen das Boot bis dicht ans Ufer gleiten und ruderten dann in seinem Schatten nordwärts, bis sie die südwestliche Ecke der Schlossruine erreichten. Aufmerksam studierten sie die Kaimauer, bis sie entdeckten, was sie suchten: ein schwaches, kaum merkliches Licht, das dreimal hintereinander kurz aufblinkte und dann erlosch. Rasch tauchten sie ein letztes Mal die Ruder ins Wasser und hielten auf die Stelle zu, an der das Signal aufgeleuchtet war.

Kaum zweihundert Schritte weiter südwärts, wo das Becken des alten Sicherheitshafens an die Hafenstraße stieß, riss ein junger Mann die Tür des Wirtshauses ›Zum Schiffchen‹ auf, trat in den Schankraum und blickte sich neugierig um. Fast alle Tische waren belegt, über den blank gewienerten Holzplatten pendelten rußgeschwärzte Petroleumlampen, deren Flammen in dem Windzug flackerten, den der Neuankömmling mit hereinbrachte. Süßlicher Pfeifenrauch stand in der Luft. In der Napoleon-Ecke, in der der französische Kaiser einst mit seinen Generälen gespeist hatte, steckten einige fremde Herren in dunkelblauem Frack die Köpfe zusammen, Zylinder und Handschuhe waren sorgsam vor ihnen auf dem Tisch abgelegt. Womöglich handelte es sich um preußische Beamte aus Berlin. An der Theke, direkt neben dem Bierfass, schwatzte ein magerer Herr mit Zwicker und struppigem Bart mit Schorn, dem Wirt, wobei sein linkes Auge bei jedem Wort kurz zuckte, so als bereite ihm seine eigene Sprache körperliche Schmerzen. Über den beiden hing der schwach bittere Geruch seit Tagen ungewaschener Kleidung, der jedoch vom Tabakqualm und den Ausdünstungen der übrigen Gäste fast vollkommen überdeckt wurde.

An einem Tisch dicht bei der Eingangstür leerten drei Tagelöhner bereits den fünften Krug Bier. Zwei von ihnen, Cornelius Fröhlich, ein muskulöser blonder Mann mit Bart und kräftigen Händen, denen man ansah, dass sie gut zupacken konnten, und Jakob Brügelmann, ein sehniger Kerl mit scharfkantigem Gesicht und wachsamem Blick, waren besonders guter Dinge. Der Konsistorialrat Bracht hatte ihnen für die nächsten Tage Arbeit verschafft, morgen in aller Frühe würde es losgehen. Dann durften sie in der ehemaligen Kirche des Kreuzherren-Klosters nach den Gebeinen der schwarzseidenen Dame graben, der Herzogin Jakobe von Baden, die dort nach ihrem rätselhaften Tod vor über zweihundert Jahren in aller Heimlichkeit verscharrt worden war. Wo genau sich die Gruft mit ihren sterblichen Überresten befand, wusste niemand. Wenn die beiden Glück hatten, lagen die Gebeine der Gräfin gut versteckt unter dem alten Gotteshaus und sicherten ihnen für die nächste Zeit ihr Auskommen.