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Die Sebalduskirche in Nürnberg E-Book

Hoffmann, Wilhelm Friedrich

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The Project Gutenberg EBook of Die Sebalduskirche in Nürnberg, by Wilhelm Friedrich HoffmannThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Die Sebalduskirche in NürnbergAuthor: Wilhelm Friedrich HoffmannRelease Date: October 3, 2015 [EBook #50120]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE SEBALDUSKIRCHE IN NÜRNBERG ***Produced by Karl Eichwalder, Jens Nordmann and the OnlineDistributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

Tafel I.

Ansicht des Ostchores.

DIE SEBALDUSKIRCHE IN NÜRNBERG

IHRE BAUGESCHICHTE UND IHRE KUNSTDENKMALE VONFRIEDRICH WILHELM HOFFMANN ÜBERARBEITET UND ERGÄNZT VONTH. HAMPE, E. MUMMENHOFF, JOS. SCHMITZ MIT 15 TAFELN, ZUM TEIL NACH DEN UNTER PROFESSOR Dr. v. HAUBERRISSER GEFERTIGTEN PLANZEICHNUNGEN UND 144 ABBILDUNGEN IM TEXT

MIT UNTERSTÜTZUNG DER STADTGEMEINDE NÜRNBERG

HERAUSGEGEBEN VOM VEREIN FÜR GESCHICHTE DER STADT NÜRNBERG

WIENVERLAG VON GERLACH & WIEDLING 1912DRUCK VON FRIEDRICH JASPER IN WIEN.

Vorwort.

Im Frühjahr 1897 faßte der Ausschuß des Vereines für Geschichte der Stadt Nürnberg auf Anregung seines Vorstandes den wichtigen Beschluß, aus Anlaß des herannahenden Abschlusses des großen Unternehmens der Wiederinstandsetzung der St. Sebaldkirche in Nürnberg eine umfassende, reich illustrierte Geschichte dieses herrlichen Bauwerkes gleichsam zum Abschluß des Restaurationswerkes herauszugeben. Es sollte den Mitgliedern des Vereines und allen Freunden Nürnberger Kunst und Geschichte in Wort und Bild die Entstehung und Entwicklung des ehrwürdigen Gotteshauses mit seinen zahllosen Kunstschätzen eingehend geschildert und ein zuverlässiger Bericht über seine Wiedererneuerung durch die lebende Generation gegeben werden, so wie zehn Jahre vorher der Verein aus Anlaß des teilweisen Umbaues und der Erweiterung des Nürnberger Rathauses durch den unvergeßlichen August v. Essenwein und seinen getreuen Mitarbeiter, den städtischen Architekten und jetzigen Baurat Heinrich Wallraff, eine reich illustrierte, vom Stadtarchivar Ernst Mummenhoff verfaßte Geschichte des wichtigsten Profanbauwerkes der Stadt, des Rathauses, mit finanzieller Unterstützung der städtischen Kollegien herausgegeben hatte. Gleichwie diese schöne Publikation dem Verein allenthalben Ehre und Anerkennung eingetragen hatte, hoffte der Ausschuß sich ein Verdienst zu erwerben, wenn er auch das große Unternehmen der Restauration der St. Sebaldkirche nicht unbeachtet vorübergehen lassen, sondern nach besten Kräften zum Ruhme der um sie am meisten verdienten Männer, des vortrefflichen Kirchenrates Friedrich Michahelles und der Restauratoren Prof. Georg v. Hauberrisser und Professor Joseph Schmitz, beitragen würde. In der Tat fand auch dieser Gedanke überall Anklang. Aber niemand ahnte damals, welchen Schwierigkeiten seine Durchführung begegnen und wie viel Zeit vergehen würde, bis diese Geschichte der St. Sebaldkirche das Licht der Welt erblicken würde.

Wohl wissend, daß seine eigenen Kräfte zur Durchführung eines so großen Unternehmens nicht ausreichen würden, bemühte sich der Verein vor allem, sich auch in diesem Falle des Einverständnisses und der materiellen Unterstützung der städtischen Kollegien zu versichern. Bereitwillig und in dankenswerter Liberalität wurde der Bitte des Vereines von seiten der städtischen Kollegien entsprochen. Im Oktober 1897 wurde dem Vorstand die erfreuliche Mitteilung, daß die städtischen Kollegien beschlossen hätten, dem Verein zur Herausgabe eines illustrierten Prachtwerks über die St. Sebaldkirche für jedes der Jahre 1898, 1899 und 1900 einen Zuschuß von 1500 Mark aus der Stadtkasse unter bestimmten Voraussetzungen zu bewilligen.

Eine zur Bearbeitung des Textes geeignete wissenschaftliche Kraft wurde in der Person eines jüngeren Kunsthistorikers gewonnen, der, frei über seine Zeit verfügend, seine ganze Kraft der Aufgabe widmen konnte, des Dr. Friedrich Hoffmann in München. Nach dem mit ihm abgeschlossenen Vertrage sollte das Werk nach drei Jahren im Manuskript druckfertig vorliegen.

Allein durch eine ganze Reihe widriger, hier nicht näher zu erörternder Umstände wurde die programmäßige Fertigstellung des Werkes um Jahre verzögert. Besonders hinderlich stand der Förderung der Arbeit entgegen, daß Dr. Hoffmann nicht, wie man doch hätte erwarten müssen, seinen Wohnsitz in Nürnberg nahm, wo er in beständiger Fühlung mit dem Bauwerke selbst und dem bauleitendem Architekten sowie unter der Aufsicht der niedergesetzten Kommission viel eher seine Aufgabe hätte bewältigen können, sondern in München blieb. Ein weiteres Haupthindernis eines rüstigen Fortschreitens der Arbeit war die Annahme einer Assistentenstelle am bayrischen Nationalmuseum durch Dr. Hoffmann im Jahre 1898, infolgedessen er nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner Zeit und Kraft auf die übernommene umfassende Aufgabe verwenden konnte.

Da die Fortführung der Arbeit nach und nach immer mehr ins Stocken geriet und schließlich sogar das Erscheinen des Werkes in Frage gestellt wurde, sah sich der Vereinsausschuß gezwungen, von dem ihm vertraglich eingeräumten Rechte, die Vollendung des Werkes selbst in die Hand zu nehmen, Gebrauch zu machen, und übertrug im September 1909 die Durchführung der erforderlichen Abänderungs- und Ergänzungsarbeiten einer aus den Herren Direktor Dr. Hampe, Archivrat Dr. Mummenhoff und Professor Schmitz bestehenden Subkommission, die schon seither die Arbeit vom kunsthistorischen, historischen und architektonischen Standpunkte aus einer eingehenden und sorgfältigen Prüfung unterzogen hatte.

Das Werk wurde jetzt nochmals durchgeprüft, und es war dann keine geringe Arbeit und Mühe, welche die Abänderung des Textes, die Ausmerzung der Irrtümer und Mängel, die teilweise völlige Umgestaltung ganzer Partien und die mannigfachen Ergänzungen, zumal des Inventars, welch letztere schwierige und zeitraubende Arbeit die Herren Direktor Hampe und Professor Schmitz ausschließlich auf sich nahmen, endlich die gänzliche Umarbeitung des Urkunden- und Regestenteiles erforderten. Gern wären die Überarbeiter in den Änderungen und Ergänzungen noch weiter gegangen, aber sie hielten sich dazu nur im äußersten Notfall für berechtigt und wollten noch tiefere Eingriffe in die Arbeit des eigentlichen Verfassers vermeiden. Vor allem auch mußten sie auf die Beibringung weiteren Quellenmateriales verzichten, und so wird sich denn in Zukunft noch so manches zur Geschichte der Sebalduskirche beischaffen lassen, das der Verfasser nicht gebracht hat. Aber alles zu geben, was oft in ganz versteckten Quellen ruht, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit, zumal bei einem Werke, das auf Jahrhunderte zurückgeht.

Trotz so vieler Hindernisse, die sich dem Werke in den Weg stellten, und trotz aller Widrigkeiten, die oft alle Hoffnung auf das endliche Zustandekommen schwinden ließen, liegt es nun doch, wenn auch erst nach jahrelanger Verzögerung, in einer Gestalt vor, die hohen Anforderungen genügen dürfte. Auch hier darf man wohl sagen, wenn man das Werk und seine schöne, ja glänzende Ausstattung durch die bewährte Firma Gerlach & Wiedling ins Auge faßt: Ende gut, alles gut!

Freuen wir uns deshalb, daß es dem opferwilligen Zusammenwirken einer Reihe von berufenen Kräften endlich gelungen ist, ein der herrlichen St. Sebaldkirche würdiges Buch zustande zu bringen.

In Dankbarkeit sei zunächst der städtischen Kollegien gedacht, die durch Gewährung einer bedeutenden finanziellen Unterstützung erst das Zustandekommen des Werkes ermöglichten. Besonderer Dank gebührt ferner dem ersten Direktor am Germanischen Museum, Herrn Dr. v. Bezold, der als Vertreter der Kommission zunächst dem Bearbeiter als sachverständiger Berater beigegeben war, in welcher Funktion er dann durch den damaligen Konservator am Germanischen Museum und nunmehrigen Direktor des Bayrischen Nationalmuseums in München, Herrn Dr. Stegmann, in dankenswerter Weise abgelöst wurde, ferner den Verwaltungen der Archive, Bibliotheken und Anstalten, welche bereitwilligst dem Bearbeiter die einschlägigen Materialien zur Verfügung stellten, und nicht minder der Verwaltung des vereinigten protestantischen Kirchenvermögens wie dem kgl. Pfarramt St. Sebald, welche vielen und oft einschneidenden Wünschen des Vereines, wie z. B. der Bitte um Gestattung von Nachgrabungen in der Kirche, unbedenklich Rechnung trugen und so das Unternehmen ganz wesentlich förderten, endlich all den Gönnern, die durch ihre freiwilligen Beiträge die Kosten der Aufgrabungen deckten. Prof. Dr. Georg Ritter v. Hauberrisser in München hat sich das besondere Verdienst erworben, daß er die während der Restaurierung gefertigten Pläne und Werkzeichnungen zur Verfügung stellte, um ihre Vervielfältigung für das Buch zu ermöglichen. Prof. Jos. Schmitz hat dem Werke in allen Stadien seines Entstehens sein tatkräftiges Interesse zugewandt, die so wichtigen Ausgrabungen geleitet, den Bearbeiter vielfach beraten und auf die Auswahl und Vervielfältigungsart der Illustrationen Einfluß geübt.

Dem Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg ist es endlich auch gelungen, in der Firma Gerlach & Wiedling, Buch-, Kunst- und Musikalienverlag in Wien, Verleger zu finden, die bereit waren, dem Druck und der künstlerischen Ausstattung des Werkes diejenige Sorgfalt angedeihen zu lassen, die ihren längst anerkannten Ruf begründet hat.

Noch eines Mannes müssen wir in Wehmut gedenken, der viele Jahre hindurch dem Werke seine Kraft und Fürsorge widmete und dessen unermüdlicher Beharrlichkeit und nie nachlassender Geduld es gelang, dasselbe, wenn es ins Stocken geraten, wieder flott zu machen, und der, als gar sein Erscheinen in Frage gestellt war, als ein bewährter Steuermann doch alles wieder zum Besten lenkte, des langjährigen ersten Vorstandes des Vereines Dr. Georg Freiherrn v. Kreß. Leider sehen seine Augen das vollendete Werk nicht mehr, um dessen Zustandekommen er sich so große Verdienste erworben hat. Wir aber müssen es immer wieder rückhaltslos anerkennen, daß er, hier wie sonst, um alles und jedes besorgt und bemüht, seine ganze Kraft einsetzte, um dem Vereine zu dienen und das gesteckte Ziel zu erreichen.

So möge denn das Buch hinausgehen und nicht nur den Ruhm der kunstsinnigen Vorfahren verkünden, die einst die Vaterstadt mit dem herrlichen Bauwerk der St. Sebaldkirche schmückten, sondern auch den des lebenden Geschlechtes, das den Mut besaß, rechtzeitig seinem Verfall Einhalt zu tun und den Nachkommen den Besitz der hohen ethischen, kulturellen und künstlerischen Werte, die das ehrwürdige Baudenkmal darstellt und umschließt, auf Jahrhunderte hinaus zu sichern.

Nürnberg, im Januar 1912.

Dr. Ernst Mummenhoff,1. Vorsitzender.

Inhaltsverzeichnis.

Seite

Einleitung

11

I.

Der romanische Bau, etwa 1225–1273

13

II.

Die gotische Bauperiode

39

1.

Die Erweiterung der Seitenschiffe und die Umbauten am Querschiff und Westchor. 1309–1361

39

2.

Der Ostchor. 1361–1379

48

3.

Der Umbau der Türme. 1345, 1481–1484, 1489, 1490

67

III.

Die Restaurierungen der Kirche

75

1.

Die Restaurierungen der Kirche bis zur Neuzeit

75

2.

Das Restaurierungswerk der Neuzeit. 1888–1906

79

3.

Bericht der Bauleitung über die Wiederherstellung des Äußern. 1888–1904

85

4.

Bericht der Bauleitung über die Instandsetzung des Innern. 1903

104

5.

Nachtrag vom 15. Januar 1912

127

IV.

Das Inventar der Kirche

129

1.

1. Altäre und Kanzel

129

2.

Die Plastik

138

A. Die Plastik am Außenbau

140

B. Die Plastik im Innern

153

3.

Die Gemälde

168

4.

Die Glasgemälde

177

5.

Gedenktafeln, Totenschilder, Stuhlwerk, Orgeln und Glocken

187

6.

Altargeräte, Wandteppiche, Paramente

196

7.

Sammlung alter Skulpturen- und Baureste. — Büchersammlung

206

Urkundliche Beilagen

213

Anmerkungen

226

Chronologische Übersicht

234

Verzeichnis der Abbildungen

243

Verzeichnis der Personen, Orte und wichtigsten Sachen

246

Einleitung.

An Stelle der jetzigen Pfarrkirche St. Sebald in Nürnberg stand ursprünglich eine Kapelle, dem hl. Petrus geweiht. Ein urkundlicher Beleg kann hierfür nicht beigebracht werden, allein die älteren Chroniken berichten hiervon in übereinstimmender Weise und andererseits spricht für die Wahrheit jener Behauptung der Umstand, daß der Bau von St. Sebald erst dem 13. Jahrhundert seine Entstehung verdankt, während Nürnberg schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts den Rang einer Stadt besaß, und daß man in der späteren Pfarrkirche zur Aufnahme von Reliquien des hl. Petrus und zum Zweck seiner besonderen Verehrung durch Anlage eines eigenen Westchors einen entsprechenden Raum schuf. Denn so jung auch Nürnberg im Verhältnis zu anderen hervorragenden deutschen Städten des Mittelalters war, in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts war es schon ein ansehnlicher Ort; hatte doch der fränkische Kaiser Heinrich III. (1039–1056)[1] — wenn auch nur vorübergehend — den Markt von Fürth dorthin verlegt und er sowie sein Nachfolger Nürnberg mehrmals zum Aufenthalt erwählt. Selbstverständlich besaß die Gemeinde in jener Zeit zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse ein Gotteshaus. Dieses Gotteshaus war aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine Kapelle; von einem größeren Kirchenbau würden in Gestalt von Mauerresten oder handschriftlichen Nachrichten noch Zeugen zu finden sein. Aber auch nicht zu klein wird man sich jene Kapelle vorstellen dürfen. Trotz der raschen Entwicklung Nürnbergs und der starken Zunahme seiner Bevölkerung im Laufe des 12. Jahrhunderts hatte die Kapelle genügt. Obschon nun die hohe Verehrung des hl. Sebald in Nürnberg uns bereits für den Beginn der siebziger Jahre des 11. Jahrhunderts bezeugt ist, verstrich doch noch über ein Jahrhundert, bis man zur Erbauung eines ihm besonders geweihten Gotteshauses schritt. Die alte Kapelle blieb dem hl. Petrus zubenannt.

Von dem Aussehen der Kapelle ist nichts bekannt. Auch nichts von der Zeit ihrer Gründung. Auffällig will aber der Name des Heiligen erscheinen, dem sie geweiht war; er kann vielleicht über die Zeit der Erbauung Aufschluß geben. Wie eben erwähnt, fanden Reliquien des hl. Petrus auch in der Sebalduskirche eine Unterkunftstätte, der Westchor wurde hierzu ausersehen, und, wie im I. Kapitel dargelegt wird, steht die doppelchörige Anlage von St. Sebald im engsten Zusammenhang mit dem Bau des Bamberger Domes. Auch in Bamberg ist der Westchor dem hl. Petrus geweiht, während der eigentliche Schutzpatron, dem der Ostchor eingeräumt ist, nicht Petrus, sondern Georg heißt. Dasselbe gilt beinahe von allen Kirchenbauten in Bayern und Schwaben, welche, um das Jahr 1000 gegründet, mit dem Dom von Bamberg in naher Verwandtschaft stehen: den Ausgangspunkt bildet Augsburg, es folgen St. Emmeram und Obermünster in Regensburg, von wo aus durch Vermittlung des Kaisers Heinrich II., des ehemaligen Herzogs von Bayern, Bamberg beeinflußt worden ist. Die basilikale Anlage, bei welcher der Schwerpunkt nach Westen verlegt ist, wird direkt auf die Petersbasilika in Rom zurückgeführt. Nur scheint diese Epoche der Baukunst, zu deren wichtigen Vertretern auch Mainz (978–1009) und Worms (996–1016) zählen, mehr den Charakter einer Mode zu tragen als den einer für die Folgezeit wichtigen Entwicklungsstufe. Der Bau von Westchören oder gar westlichen Querhäusern wurde bald wieder aufgegeben und damit kam auch sonderbarerweise die Verehrung des Schutzpatrons von Rom wieder in Wegfall. Denselben noch nicht genügend bekannten Gründen, welchen jene befremdliche Abart von der Tradition des Bauwesens ihre Entstehung verdankt, wird man auch die Gründung der Kapelle St. Peter zuschreiben dürfen. Hier muß noch darauf hingewiesen werden, daß die Mutterkirche dieser Kapelle und der späteren Sebalduskirche, die Pfarrkirche zu Poppenreuth, ebenfalls dem hl. Petrus geweiht ist.

Der Platz, auf dem die Peterskapelle stand, wird sich ungefähr mit dem des Westchors der jetzigen Sebalduskirche gedeckt haben. Die Stelle bedeutete nach ihrer früheren Beschaffenheit, wie sich jetzt unschwer erkennen läßt, gegenüber dem östlich, südlich und westlich angrenzenden Gelände eine Erhebung, welche nach Osten nur wenig, nach Süden und Westen steiler abfiel. Nach Norden hatte die Erhebung Anschluß an den mit der Burg bekrönten Kegel, sie bildete gleichsam den südlichen in das sandige und sumpfige Nordufer der Pegnitz vorgeschobenen Ausläufer des Burgberges. An dem gegen den Fluß sich neigenden Südabhang der Burg siedelte sich nach und nach die Stadt an, vermied jedoch den weichen Boden der Pegnitzufer; die Kapelle St. Peter war somit eine Zeit lang der das Südende der Ansiedlung bezeichnende Punkt und lag ungefähr in der Mitte dieser Grenze an dem Knotenpunkte der alten Handelsstraßen.

Tafel II.

Grundrisse und Details des romanischen Baues.

I. Der romanische Bau, etwa 1225–1273.

Am 1. Oktober des Jahres 1256 erteilte Bischof Heinrich von Bamberg einen Ablaß allen jenen Christgläubigen, welche die Pfarrkirche St. Sebald zu Nürnberg am Tag ihrer Einweihung und an den Tagen ihrer Patrone St. Peter und Paul und St. Sebald besuchen und Almosen spenden würden.

Dies ist im wesentlichen der Inhalt der für die ältere Baugeschichte von St. Sebald wichtigsten Urkunde.[I]

Aus dem Text des in lateinischer Sprache abgefaßten Ablaßbriefes ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, was der Ausdruck „Tag der Einweihung“: dies dedicationis bedeuten soll. Handelt es sich hier um die Einweihungsfeier selbst oder um die Wiederkehr des Einweihungstages? In letzterem Falle würde die Einweihung der Kirche schon vor dem 1. Oktober 1256 — sei es nun unmittelbar oder ein oder mehrere Jahre vorher — stattgefunden haben und die Kirche als eine zu jenem Zeitpunkt vollendete oder wenigstens in einem ihrer Hauptteile vollendete zu betrachten sein. In ersterem Falle wäre die Einweihung der Kirche erst nach dem 1. Oktober 1256, und zwar bald nach diesem Termin anzusetzen.[2]

Der Inhalt unserer Urkunde ist in einfacher, schlichter Form vorgetragen. Der Bischof von Bamberg entbietet zunächst allen Christgläubigen, welche von dieser Ablaßeröffnung Kenntnis erhalten, seinen Gruß, spricht dann von dem Wert werktätiger Liebe und kündigt allen denen, welche die Kirche St. Sebald an den eingangs erwähnten drei Tagen besuchen und Almosen spenden, einen Nachlaß ihrer Sündenstrafen an. Der Inhalt ist überaus kurz und bündig. Es fehlt jegliche Zutat, welche als charakteristisches Kennzeichen dieser Urkunde zum Unterschiede von anderen, gewöhnlichen Ablaßurkunden gedeutet werden könnte. Demnach scheint es keine Urkunde zu sein, die aus Anlaß der feierlichen Einweihung der Kirche ausgefertigt wurde, ja es darf als ziemlich sicher gelten, daß mit dem dies dedicationis der alljährlich wiederkehrende Kirchweihtag gemeint ist. Denn es müßte doch andernfalls vom Bau oder dessen Vollendung die Rede sein, oder es wären Feierlichkeiten erwähnt, die gelegentlich der Einweihung abgehalten werden, oder es wären die geistlichen Würdenträger aufgezählt, welche der Feier beiwohnen. Kein Wort verlautet von alledem. Oder man müßte doch erwarten, daß der Tag der Einweihung besonders hervorgehoben wird; im Gegenteil, abgesehen davon, daß er überhaupt nur allein genannt sein sollte, wird er aufgeführt im Verein mit zwei anderen Tagen, und es wird ihm gewissermaßen die gleiche Bedeutung wie diesen zuerkannt.

Außerdem spricht für eine gewöhnliche Ablaßurkunde noch der Umstand, daß mit den beiden Tagen St. Peter und Paul und St. Sebald nicht nur die ersten auf das Datum der Urkunde folgenden Heiligentage gemeint sein können, sondern auch die des übernächsten Jahres und der folgenden Jahre mitinbegriffen sein müssen. Denn ein bestimmtes Jahr ist nicht bezeichnet. Und dann wäre es doch sehr auffällig, daß man, falls es sich in der Urkunde um die Feier der Einweihung handeln sollte, gerade jene beiden Tage, so enge sie auch mit der Kirchengeschichte von St. Sebald verknüpft sind, gewählt hätte, obwohl zwischen ihnen und dem Datum der Urkunde ein Zeitraum von mindestens drei Vierteljahren (vom 1. Oktober bis 29. Juni, beziehungsweise 19. August) liegt. Und was für jene beiden Tage gilt, muß auch für den dies dedicationis in Anspruch genommen werden: derselbe ist hier soviel wie „der stets wiederkehrende Kirchweihtag“.

Für die Baugeschichte von St. Sebald ergibt sich somit aus den bisherigen Erörterungen: Als der Bischof von Bamberg am 1. Oktober 1256 jenen Ablaß für die Kirche St. Sebald ankündigte, war die Kirche bereits eingeweiht und dem Gottesdienst übergeben.

Das gewonnene Ergebnis muß nun aber nicht unbedingt so gedeutet werden, als wäre der ältere Bau in allen seinen Teilen vollendet gewesen; es ist sehr wohl möglich, daß der Bau damals nur in einem seiner Hauptteile fertig war, in welchem vorerst provisorisch bis zur Vollendung des ganzen Bauwerkes Gottesdienst abgehalten wurde. Bekanntlich zog sich im Mittelalter die Vollendung von Kirchenbauten oft sehr lange hin, die größeren Bauten nahmen stets Jahrzehnte in Anspruch, mußten, wenn die Mittel ausgingen, längere Unterbrechungen erleiden, und so kam es häufig, daß man, um dem religiösen Bedürfnis der Gemeinde zu genügen, den zuerst in Angriff genommenen und am weitesten gediehenen Bauteil — in der Regel war es der Ostchor — für sich einweihte und Gottesdienst darin abhielt. St. Sebald war im Jahre 1256 offenbar in dem gleichen oder wenigstens in einem ähnlichen Zustande.[II]

An Stelle der Kirche St. Sebald stand zuvor eine Kapelle, welche ebenso wie ihre Mutterkirche, die Pfarrkirche in dem nordwestlich von Nürnberg gelegenen, eine Stunde entfernten Poppenreuth, dem hl. Petrus geweiht war.[1] Vom hl. Petrus wurden in jener Kapelle zweifellos Reliquien aufbewahrt und verehrt. Mit der Zeit fand in Nürnberg auch der hl. Sebald Verehrung, ja er machte bald dem hl. Petrus im Kult bedeutende Konkurrenz. Auch von ihm besaß man Reliquien. Bei dem stattlichen Neubau nun, welcher an die Stelle des bescheidenen Kirchleins treten sollte, mußten beide Heilige die entsprechende Berücksichtigung finden, und so entschloß man sich, für die neue Kirche die doppelchörige Anlage zu wählen, um den Ostchor dem hl. Sebald, den Westchor den Heiligen Petrus und Paulus weihen zu können.

Wenn nun, wie anzunehmen ist, jene alte Peterskapelle sich an der Stelle des heutigen Westchores erhob und schwerlich abgebrochen wurde, bevor durch Erbauung und Einweihung des Hauptteiles der neuen Kirche Ersatz für die alte Kultstätte geschaffen war, so wird es verständlich, daß mit dem Baue des Westchores kaum vor dem Jahre 1256 begonnen worden sein kann. Über die Zeit seiner Vollendung unterrichtet uns ein uns erhaltener Ablaßbrief vom 17. August 1274, in dem Bischof Berthold von Bamberg allen jenen Gläubigen Ablaß gewährt, die sich am Kirchweihtage jenes Jahres der Pfarrkirche des hl. Sebald zu Nürnberg, deren Chor und Altar er am 9. September 1273 geweiht habe, christlich vorbereitet nahen und daselbst ihre Almosen spenden würden.[III] Von dem gleichen Tage ist auch ein Ablaßbrief Bischof Bertholds für die Maria Magdalenakirche des Klaraklosters zu Nürnberg datiert, die nach dieser Urkunde einen Tag nach der Konsekration des Westchores der Sebalduskirche, nämlich am 10. September 1273 eingeweiht worden war. Die uns heute noch erhaltenen romanischen Teile dieser späterhin vielfach umgebauten Klarakirche zeigen mit den Architekturformen der Sebalduskirche so nahe Verwandtschaft, daß auf die Tätigkeit der gleichen Werkleute bei beiden Bauten mit voller Sicherheit geschlossen werden darf.

In der nördlichen Hälfte des von Mauern umgrenzten Gebietes der Stadt Nürnberg, nahezu in der Mitte zwischen Burg und Pegnitz, erhebt sich der vornehme Bau der Pfarrkirche von St. Sebald. Mit dem mächtigen Ostchor und den überschlanken spitzen Türmen beherrscht er einen großen Teil der Stadt, ja er ist eines jener Bauwerke, welche dem Stadtbild sein charakteristisches Gepräge verleihen. Denn so reich auch Nürnberg ist an hochragenden Kirchen, Türmen und steilen Giebeln, die Burg, St. Sebald und St. Lorenz sind diejenigen Bauwerke, welche auch auf weite Entfernung hin die dominierende Rolle spielen und besonders nach Osten oder Westen der alten Reichsstadt eine geradezu prächtige Silhouette verleihen.

Der Bau von St. Sebald ist ein Werk des Mittelalters, und zwar ein Werk mehrerer Jahrhunderte. Die oberen Teile der Türme sind Zeugen der spätesten Gotik, die Seitenschiffe und vor allen Dingen der stattliche Ostchor — abgesehen von den Mauern des westlichen Joches — entstammen dem 14. Jahrhundert und die übrigen Teile des Baues, insbesondere das Mittelschiff, die unteren Turmgeschosse und der Westchor, sind Werke des 13. Jahrhunderts. Die dem 13. Jahrhundert angehörenden Bauteile sind als die Überreste einer ehemals einheitlichen Kirche anzusehen (Taf. II und III).

Wir beschränken uns im folgenden auf diese älteren Bauteile und versuchen eine vollständige Rekonstruktion der früheren Kirche.[4]

Der Westchor ist intakt geblieben bis auf die drei mittleren spitzbogigen Fenster der polygonen Apsis, welche in späterer Zeit ausgebrochen wurden an Stelle von rundbogigen Fenstern mit ebensolchen Oberfenstern, wie sie sich noch neben den Türmen in der Nord- und Südwand der Apsis unverändert erhalten haben.

Das Dach des Westchores wurde später erhöht, und zwar zu gleicher Zeit, als auch das Dach und damit der Giebel des Mittelschiffes erhöht wurde. Unter dem Dach des Westchores kann man sowohl den Ansatz des früheren Westchordaches als auch das Dachgesims des Mittelschiffwestgiebels und den darunter hinlaufenden Rundbogenfries erkennen.

Von den Türmen gehören die vier unteren Stockwerke zum alten Bau. Das nächstfolgende Stockwerk enthält beim nördlichen Turm zwar auch älteres Mauerwerk und Teile eines Rundbogenfrieses, wurde jedoch vielleicht schon im 14., wahrscheinlich aber erst zu Ende des 15. Jahrhunderts mit teilweiser Verwendung des bisherigen Mauerwerkes und des Frieses erhöht. Es ist anzunehmen, daß das fünfte Stockwerk des nördlichen Turmes etwa die Höhe des nächst unteren Stockwerkes gehabt hat und zugleich das letzte Stockwerk war. Aus vierseitigen Helmen von mittlerer Höhe werden die Turmdächer bestanden haben.

Das Mittelschiff ist, abgesehen von der schon erwähnten Abänderung des Daches und der Giebel, völlig unverändert geblieben.

Die jetzigen Seitenschiffe stammen, wie bereits hervorgehoben, aus dem 14. Jahrhundert. Ausdehnung und Gestalt der älteren Seitenschiffe lassen sich ziemlich genau bestimmen.

An der östlichen Mauer des nördlichen wie des südlichen Turmes sind Spuren eines früheren Dachgesimses wahrzunehmen, welches in der Höhe der Fensterbänke des Mittelschiffes beginnt und bedeutend steiler verläuft als das jetzige Dach. Die gleichen Spuren finden sich auch am anderen Ende der Seitenschiffe, nämlich an der Westwand des jetzigen Ostchores oder ehemaligen Querschiffes vor. Nur sind weder hier noch dort die unteren Enden der Gesimse sichtbar, da sie durch das Gewölbmauerwerk der später erhöhten und erweiterten Seitenschiffe verdeckt werden. Dagegen ist das Kaffgesims an den beiden westlichen Strebepfeilern des Querhauses noch erhalten.

Den notwendigen Aufschluß über die Breite der alten Seitenschiffe bieten erst im Innern der Kirche die die Turmhallen von den Seitenschiffen trennenden Scheidbögen und noch zuverlässiger die über den Scheidbögen sichtbaren Ansätze des alten Seitenschiffgewölbes. Demnach hatten die Seitenschiffe nahezu die Breite der Türme und das Verhältnis der lichten Weite der Seitenschiffe zu der des Mittelschiffes war 4 : 7.

Über den Seitenschiffen waren zur Mittelschiffshochwand je zwei Strebebögen gespannt, wie die Spuren zwischen den drei mittleren Fenstern des Mittelschiffes auf jeder Seite heute noch beweisen. Beim Umbau der Seitenschiffe wurden die Strebebögen entfernt.

Die Wände des westlichen Joches des jetzigen Ostchores mit den Diensten und zum großen Teil den Strebepfeilern sind Bestandteile eines ehemaligen Querschiffes. Dasselbe war aus drei gewölbten Quadraten, jedes in Mittelschiffbreite, zusammengesetzt. Die Höhe des Querschiffes entsprach der des Mittelschiffes. Die mittleren Dienste und Streben an den Giebelwänden des Querschiffes finden darin ihre Erklärung, daß von den vierteiligen Gewölben die seitlichen oder äußeren Gewölbviertel in den Kreuzarmen in zwei Achtelfelder geteilt waren. In den beiden nördlichen Jochen des Querschiffes befanden sich kreisförmige Fenster, von deren Umrahmung heute noch im Innern der Kirche mehrere Werkstücke sichtbar sind.

Im übrigen ergibt der Bau über die Gestalt der alten Ostpartie keine Anhaltspunkte. Hier konnte nur durch Nachgrabungen Aufschluß erlangt werden.

Auf Anregung von verschiedenen Seiten und mit Genehmigung der Verwaltung des vereinigten protestantischen Kirchenvermögens unterzog sich der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg dieser anerkennenswerten Aufgabe, indem er im November 1899 auf eigene Kosten die erforderlichen Nachgrabungen unter der Leitung von Prof. Schmitz vornehmen ließ. Im dritten mittleren Joch des jetzigen Ostchores, von Westen gerechnet, und zugleich im zweiten südlichen Joch desselben wurde mit der Wegnahme der Bodenplatten und dem Ausheben des Grundes begonnen. Man stieß gleich in den ersten Tagen hier wie dort auf das Mauerwerk des alten Ostchores und führte nun die Nachgrabungen einseitig, nämlich auf der in Angriff genommenen Südhälfte des Chores, durch, mit Recht eine symmetrische Anlage des alten Ostchores voraussetzend. Im Verlauf von 14 Tagen waren die Nachgrabungen beendet (Abb. 1).

Abb. 1. Modell (von oben gesehen) der ausgegrabenen Ostchorkrypta.

Nach dem Ergebnis derselben hat sich an das Vierungsquadrat des alten Querschiffes, welchem ungefähr das erste mittlere Joch des jetzigen Ostchores entspricht, östlich ein ebenso großes Chorquadrat und an dieses eine halbrunde Apsis in der Breite des Chorquadrates angeschlossen; und unmittelbar an die beiden Querarme kleinere, ebenfalls halbrunde Seitenapsiden.[17][18][19] Der Chor, und zwar nicht nur Apsis und Chorquadrat, sondern auch die Vierung, ist um mindestens zehn Stufen über das Niveau der Kirche erhöht gewesen, und unter ihm hat sich eine zweischiffige, in drei Konchen endigende Krypta hingezogen. Das Gewölbe der Krypta, acht vierteilige Kreuzrippengewölbe, wurde in der Mitte von vier freistehenden Säulen und einer Wandsäule und an den Seitenwänden von zehn Diensten oder Wandsäulen getragen; das Gewölbe im Chorabschluß der Krypta bestand aus drei radial gestellten Kappen. Zugänglich war die Krypta durch zwei aus den Kreuzarmen und durch zwei aus dem Mittelschiff herabführenden Treppen von je acht Stufen. Auf den Chor werden wahrscheinlich zwei Zugänge von den Kreuzarmen neben den Kryptatreppen geführt haben; ein Zugang auf den Chor vom Mittelschiff aus hat nicht bestanden, da zwischen den beiden Mittelschiffstreppen, welche in die Krypta führten, ein Altar stand, über welchem sich an der Chorbrüstung die Kanzel befand. Nach den Querhausarmen zu wird der Chor durch eine Brüstung abgeschlossen gewesen sein.

Abb. 2. Innenansicht gegen Osten.

Der in allgemeinen Umrissen soeben rekonstruierte ältere Bau von St. Sebald war eine doppelchörige, kreuzförmige Pfeilerbasilika. Das Langhaus bestand aus drei Schiffen, welche durch je fünf Scheidbögen voneinander getrennt waren.

Das Querschiff lag im Osten des Baues. Dieses, ein daran anschließendes Chorquadrat und drei vermutlich halbrunde Chornischen bildeten die Ostpartie.

Der Westchor schließt polygon ab und zwar mit fünf Seiten des Achteckes, das in diesem Falle jedoch nicht regulär gebildet ist. Ein Rechteck verbindet Westapsis mit Mittelschiff. Dieses Rechteck ist von einem Turmpaar flankiert.

Jeder der beiden Chöre ist, beziehungsweise war mit einer Krypta versehen. Während die des Westchores nur Apsis und das vorliegende Rechteck umfaßt, erstreckte sich die östliche über Apsis, Chorquadrat und Vierung. Da jede der beiden Krypten eine Erhöhung des über ihr liegenden Bodens bedingte, so war hiermit zugleich auch die Ausdehnung der Chöre festgelegt; und war schon durch die Anlage des Querschiffes im Osten dem Ostchor eine bevorzugte Stellung gegenüber dem Westchor eingeräumt, so wurde derselben durch die Ungleichheit der Bodenausdehnung der Chöre noch mehr Nachdruck verliehen. Andererseits ergab sich für den Ostchor durch die Krypta notwendigerweise eine Spaltung. Denn dadurch, daß auch der Boden des Vierungsquadrates erhöht und mit zum Chor einbezogen wurde, nahm man ihn aus dem Querschiff heraus und löste so die beiden Kreuzarme voneinander los. Dieselben waren also nicht mehr vom Mittelschiff aus, sondern eigentlich nur von den Seitenschiffen aus zugänglich und erhielten mit ihren Apsiden als Nebenchöre sowohl eine in sich abgeschlossene selbständige als auch dem Hauptchor gegenüber untergeordnete Stellung. Hatten so die Seitenschiffe an Bedeutung nichts eingebüßt, so gilt dies um so mehr für das Mittelschiff. Denn abgesehen davon, daß das an und für sich schon kurz geratene Langhaus durch das Vorhandensein eines Westchores im Innern an Ausdehnung verloren hat, wird die Bedeutung des Mittelschiffes noch mehr dadurch beeinträchtigt, daß es zum Verzicht auf das Vierungsquadrat gezwungen wurde, worauf es doch — und dies liegt im Wesen der kreuzförmigen Basilika begründet — denselben Anspruch hätte wie das Querschiff.

Das Gewölbe. Der ganze Bau war eingewölbt. Die noch vorhandenen Gewölbe bestehen durchgehends aus Bruchsteinen in starker Mörtelbettung, wobei häufig ein leichter Tuffstein der fränkischen Schweiz zur Verwendung gekommen ist.

Die bei der Wölbung angewandte Gattung ist die des Kreuzgewölbes mit profilierten Rippen.

In den Seitenschiffen erhob sich die Wölbung über nahezu quadratischen Grundrissen. Im Mittelschiff dagegen, das bei größerer Breite ebensoviele Joche zählt wie die Seitenschiffe, haben die einzelnen Gewölbefelder rechteckige Form. Es ist also nicht das sogenannte gebundene, bei romanischen Bauten übliche System, bei welchem je zwei Seitenschiffjoche einem Mittelschiffjoch entsprechen, zur Anwendung gelangt, sondern das bei gotischen Bauten angewandte einfache System mit durchlaufenden Jochen.

Gurte und Rippen sind spitzbogig, erstere wenig gestelzt. Die Gewölbe haben leichte Busung mit fast horizontaler Scheitellinie.

Während die Gewölbe des Mittelschiffes selbst vierteilig sind, was auch bei den Turmhallen und den Seitenschiffen der Fall ist oder doch war, so zeigen die anderen, sowohl die noch vorhandenen wie zum Teil die noch rekonstruierbaren Gewölbe eine hiervon verschiedene Form.

Das Gewölbe des Westchorrechteckes ist sechsteilig.

Das Gewölbe der polygonen Westapsis selbst hat fünf, d. h. ebensoviele Kappen, wie der Chor Seiten hat, und noch einen Zwickel am Gurtbogen, so daß der Schlußstein den Gurtbogen nicht berührt.

Das Gewölbe über den beiden Querschiffarmen war eine Mischung von vier- und sechsteiligem Gewölbe. Denn die noch vorhandenen seitlichen Mauern weisen in der Mitte außen einen Strebepfeiler und entsprechend an der Innenseite einen Dienst auf, was darauf schließen läßt, daß die beiden seitlichen Gewölbeviertel nochmals geteilt waren, und zwar, wie die Spuren an der Innenwand erkennen lassen, in zwei Kappen mit niedrigeren Schildbögen und infolgedessen mit steileren Scheiteln wie die übrigen ungeteilten Viertel der Kreuzarmgewölbe.

Ob das Ostchorquadrat vierteilig oder sechsteilig eingewölbt war, läßt sich nicht mehr entscheiden, da die Nachgrabung Anhaltspunkte nicht gab und auch nicht geben konnte. Selbst wenn bei den Nachgrabungen die unteren Mauerteile des Chorquadrates ohne Pilastervorlagen und Dienste aufgefunden worden wären, wäre ein sechsteiliges Gewölbe noch nicht ausgeschlossen. Denn es hätten sehr wohl, wie es an den erhaltenen Bauteilen häufig der Fall ist, die für die mittleren Querrippen bestimmten Dienste nicht ganz herabgeführt sein, sondern in halber Höhe auf Konsolen ruhen können.

Die drei östlichen Apsiden hatten wahrscheinlich Halbkuppeln.

System des Aufbaues und Hochwandgliederung. Der ganze Bau ist ein Werksteinbau, jedoch mit der Einschränkung, daß die Mauer stets aus zwei Werksteinwänden besteht, deren Zwischenraum mit Bruchsteinmauerwerk ausgefüllt ist: die gewöhnliche Bauart des Mittelalters.

Tafel III.

Ansicht und Schnitte des romanischen Baues.

Die Gewölbgurte werden von Halbpfeilern mit vorgelagerten Dreiviertelsäulen oder Diensten getragen (Abb. 2). An die Halbpfeiler schließen sich auch seitlich Halbsäulen an, welche zur Aufnahme der Diagonalrippen bestimmt sind. Am Querschiff werden die Gewölbträger außen durch Strebepfeiler unterstützt. Dagegen fehlen die Strebepfeiler am Westchor, während wiederum an den Türmen Streben angebracht sind. Am Mittelschiff scheint durch je zwei Strebebögen Ersatz für die Strebepfeiler geschaffen worden zu sein, um dem etwaigen Schub des hohen Gewölbes nach außen Widerstand zu leisten. Ist hierbei nicht zu verkennen, daß der Baumeister von St. Sebald den Anlauf zu einer den wirkenden Kräften entsprechenden organischen Gliederung des Baues genommen hat, so muß andererseits auf die Inkonsequenz bei der Durchführung der gewollten Gliederung hingewiesen werden und zwar in Anbetracht der Stärke der Mittelschiffsjochmauern. Dieselben sollten eigentlich nur als Füllmauerwerk funktionieren, weshalb Mauern von bedeutend geringerer Stärke den gleichen Zweck erfüllt hätten. Nur bei den Bogenfeldern des Lichtgadens ist ein Versuch zur Entlastung des Mauerwerkes gemacht worden, indem dasselbe im Innern zurücktritt und die Schildbögen auf kleinen, an die Halbpfeiler angelehnten Säulchen ruhen.

Abb. 3. Innenansicht gegen den Westchor.

Was die Gliederung der Mittelschiffhochwand betrifft (Abb. 3), so ist durch die Einführung des schmalen durchlaufenden Joches jeder Pfeiler Hauptpfeiler geworden und so eine enge Aneinanderreihung der Gewölbstützen ermöglicht. Die auf diese Weise schlank gewordenen Proportionen des Längsschnittes korrespondieren mit der starken Höhenentwicklung des Querschnittes. Einen wohltuenden Gegensatz zur starken vertikalen Gliederung bildet die dreigeschossige Anlage des Aufrisses. Die Arkaden werden durch Einsprünge abgestuft; die so entstandenen rechtwinkeligen Vorlagen ruhen auf Halbsäulen, welche aber ihrerseits von Konsolen getragen werden, so daß den Pfeilern die quadrate Grundrißform bleibt. Die Mauerfläche zwischen den Arkaden und dem Lichtgaden ist belebt durch ein über die Bögen hinlaufendes Gesims und darüber durch eine Galerie, welche nach Art des französischen Triforiums aus der Mauerdicke ausgespart ist (Abb. 4). Die Bogenfelder des Lichtgadens sind, wie vorhin erwähnt, gegliedert und mit Rundbogenfenstern durchbrochen, so daß sich das Streben geltend macht, den an und für sich schweren, kräftigen Bau nach oben zu leichter erscheinen zu lassen.

Abb. 4. Triforien im Mittelschiff.

Ebenso wie die Fenster der Mittelschiffhochwand und die älteren Fenster des Westchores — zweifellos waren sämtliche Fenster rundbogig — sind auch die beiden einzigen erhaltenen Portale, die jetzigen Portale der Turmhallen, rundbogig, während Gewölbe und Arkaden spitzbogig gestaltet sind, was ein charakteristisches Merkmal für die Bauzeit der Kirche bildet.

Die Wände des westlichen Vorchores sind belebt durch je einen zweiteiligen loggienartigen Durchbruch nach den Turmhallen. Beide Doppelfenster wurden gelegentlich der letzten Restaurierung wieder bloßgelegt. An der nördlichen Wand hat sich durch Untersuchungen herausgestellt, daß das ehemalige Doppelfenster in späterer Zeit gründlich verändert wurde. Die Fenster hatten den Zweck, vom Westchor aus die Turmhallen zu erhellen.

Der fünfteilige Westchor erhält sein Licht durch ebensoviele Fenster mit Oberfenstern. Die Wände unterhalb der größeren Fenster sind mit Kleeblattblendarkaden gegliedert.

Abb. 5. Partie aus dem Engelschor.

Über dem Westchor befindet sich ein Obergeschoß, Engelschor genannt (Abb. 5). Denn die Wölbung des eigentlichen Chores erreicht nicht die Höhe des Mittelschiffes und der ausgesparte Raum mit dem gleichen Grundriß wie der untere dem hl. Petrus geweihte Chor ist auch analog diesem eingewölbt. Der Engelschor erhält sein Licht durch drei Fenster von gleicher Größe und Gestalt wie die oberen Fenster des Peterschores und durch zwei Rundfenster. Er hat die Bedeutung einer Empore. Die Sockelwände sind gleichfalls mit Kleeblattblendbögen gegliedert. Im übrigen ist Architektur und Dekoration reicher wie die des unteren Chores. Die Ausführung macht einen unfertigen Eindruck. Eine Brüstung mit halbrundem Erker in der Mitte schließt die Empore gegen das Schiff ab.

Von den Wänden der Querschiffarme sind die westlichen Mauern über den Seitenschiffen von je zwei rundbogigen Fenstern durchbrochen.

Über die Gliederung der Wände des Ostchores würden sich nur Vermutungen aufstellen lassen.

Der Außenbau. War es bei der bisherigen Beschreibung des Baues notwendig, stets die rekonstruierten Bauteile in Berücksichtigung zu ziehen, so gilt dies in nicht geringerem Grade von der Beschreibung des Außenbaues, insbesondere in bezug auf die Gesamtwirkung desselben.

Die Behandlung der Außenseite des Baues ist im allgemeinen sehr einfach. Der Bogenfries ist fast der einzige Schmuck.[5] Er läuft am Mittelschiff unter dem Dach hin, an den Türmen ziert er die einzelnen Stockwerkgesimse und außerdem hat ihn noch der Westchor aufzuweisen. Wahrscheinlich wird er auch Querschiff, Seitenschiffe und die Ostpartie geschmückt haben. An den Türmen tritt anstatt des einfachen ein mit Laubwerk reich ornamentierter Bogenfries auf. Die Wände sind glatt behandelt bis auf eine schlichte Gliederung der polygonen Westchorapsis durch Dienste an den Eckkanten, welche oben in Kapitäle endigen und anfangs wohl fünf Giebel mit runden, viereckig geblendeten Fenstern, wie sie noch die äußeren Seiten aufweisen, getragen haben dürften. Möglicherweise waren Ostchor und Seitenschiffe mit Lisenen belebt. Man scheint eben bei der dekorativen Gliederung mehr Nachdruck auf den Innenbau gelegt zu haben.

Die Haupteingänge befanden sich, wie mit ziemlicher Gewißheit angenommen werden darf, an den beiden Seitenschiffen, wohl zwischen den Strebebögen. Diese Portale wurden beim Umbau der Seitenschiffe an die Türme transferiert. Ob die Turmhallen von Anfang an mit Eingängen versehen waren, kann nicht zuverlässig behauptet werden.[6] Kleinere Portale führten vermutlich an Stelle des späteren Brautportales und des Dreikönigsportales in das Querhaus.

Bei der Baumasse, als Ganzes betrachtet, lag der Schwerpunkt auf der Ostpartie. Gleichwohl ist eine starke Hervorhebung der Westpartie mit dem Turmpaar (Abb. 6) nicht zu leugnen, wenn auch auf eine Fassade im richtigen Sinne des Wortes wegen des Chores verzichtet werden mußte. Andererseits darf nicht vergessen werden, daß der Gedanke, die Ostpartie mehr zu betonen, fast auf den Grundplan beschränkt geblieben ist, da am Ostchor wahrscheinlich weder Türme noch Kuppel vorhanden waren, so daß im Hochbau die vertikale Entfaltung eigentlich nur in der Westpartie zum präzisen Ausdruck kommt.

Kurz geraten in der Anlage ist das Langhaus mit seinen nur fünf schmalen Jochen. Ost- und Westpartie sind einander dadurch ziemlich nahe gerückt, eine enge Gruppierung der Baumassen war die Folge. So bescheiden die Außenarchitektur im einzelnen auch ist, im ganzen muß die geschlossene Komposition eine malerische Wirkung geübt haben.

Einzelglieder und Dekoration. Das reiche Formenspiel des Innenbaues bietet eine malerische Verteilung und Abwechslung von Licht und Schatten. In der Verwendung von Säulen und Säulchen, Halbsäulen, Bögen und Blendbögen ist nicht gespart; dabei gibt sich das Bestreben kund, die struktiven Glieder den dekorativen zu substituieren. Von statuarischer Plastik der romanischen Kirche haben sich keine Reste erhalten. Die Bogenfelder der nicht mehr existierenden oder der später umgebauten, beziehungsweise versetzten Portale hatten vielleicht Reliefplastik aufzuweisen. Die Dekoration war nur in beschränktem Maße polychrom, wie die Feststellungen bei der letzten Restaurierung bewiesen haben. Möglicherweise war der Ostchor mit größeren Wandmalereien ausgestattet. Im Langhaus genossen in der Hauptsache die Schlußsteine und einige Kapitäle die Vorteile des Farbenkleides. Anspruch auf romanischen Ursprung können aber nur die im Westchor vorgefundenen Farbenreste erheben, wonach eine Anzahl von Halbsäulenvorlagen oder Diensten an ihren Schäften nach rheinischer Art im Schieferton, die Rippen und Gurte mit weißem und grauem Steinmuster und die Gewölbekappen mit kleinem Steinfugenschnitt bemalt waren. Auch einzelne Gesimse zeigten eine dunkelgraue Färbung. Glasmalerei ist wahrscheinlich auch vertreten gewesen.

Der Pfeiler (Abb. 7) funktioniert im Innern der Kirche als freistehende Stütze der Hochwand und steht mit dieser in naher struktiver wie formaler Beziehung. Er ist quadratisch im Grundriß und hat im Seitenschiff eine Pfeilervorlage, an jeder Seite eine Halbsäulenvorlage. Die Ecken sind mit Rundstäben versehen. Der Sockel fehlt. Im Mittelschiff ruhen die Halbsäulenvorlagen auf Konsolen oder setzen auch trichterförmig am Pfeiler an. Durch die Halbsäulenvorlagen an den Schiffsseiten ist eine enge organische Verbindung zwischen Pfeiler und Gewölbeträger hergestellt. Das Gesims wird an den vier Seiten ringsum geführt, sogar um die Vorlagen, dort die Deckplatten der Halbsäulenkapitäle bildend.

Abb. 6. Westansicht vor der Restaurierung.

Die Säule ist meist als Halbsäule mit dem Pfeiler oder der Pfeilervorlage verbunden und trägt als solche Gurte und Rippen. Sie stützt auch leichtere Lasten, und hier mehr in dekorativer als in konstruktiver Verbindung, so an den Kleeblattblendbögen, an den Schildbögen, an den Arkadenvorlagen. Freistehend findet sie sich nur in der Triforien- oder Zwerggalerie und im Engelschor vor. Als reines Zierglied steht sie an den Wandungen der Westportale. Die Behandlung des Schaftes ist glatt, die Form zylindrisch, ohne Schwellung und ohne Verjüngung, an der Triforiengalerie auch achteckig. Im Westchor, wo die Säule, als Dreiviertelsäule an die Wand angelehnt, die Gewölberippen trägt, ist ihr Schaft mit einem scharf profilierten Ring in der Mitte umgürtet. Ebenso an den beiden noch vorhandenen westlichen Vierungspfeilern.

Die Kapitäle (Abb. 8, 9, 10, 11, 12) gruppieren sich in Knospenkapitäle und solche mit Blattornament, beziehungsweise in Kelch- und Würfelkapitäle. Der Kern des Knospenkapitäls ist die Kelchform, die Behandlung des Reliefs zum großen Teil eine mehr zeichnende, abgesehen natürlich von den Knospen, welche zuweilen über den Rand der Deckplatte vortreten. Bei den Blattornamentkapitälen geht die Kelchform in die des Würfels über infolge plastischer Behandlung der Blätter; dabei zeigt sich eine Vorliebe für das bandförmige Blattornament, indem Stengel und Ranken wie gestickte Bänder gearbeitet, die Blätter gleichsam mit Schnüren von Perlen oder Edelsteinen besetzt sind. Eine freiere zum Teil phantastische Behandlung weisen nur die Kapitäle in der Triforiengalerie auf, wo auch die Würfelform mehr Anwendung gefunden hat. Häufig vertreten hier Fratzen die Stelle von Kapitälen.

Die Basen, von der bei romanischen Bauten üblichen attischen Art, sind nicht mehr starr und hoch, sondern biegsam und zeigen bereits die flache, gedrückte Gestalt, welche dem Druck elastisch nachgegeben hat und mit dem unteren Wulst über den Rand des Sockels hinausgedrängt worden ist. Manche Basen weisen Eckknollen auf.

Unter den Konsolen (Abb. 13, 14) sind die am häufigsten vorkommenden die Hornkonsolen, in welche die für die Diagonalrippen bestimmten seitlichen Halbsäulenvorlagen oder Dienste unmittelbar über dem Gesims der Arkadenpfeiler endigen. Sie sind meist glatt behandelt, die Spitze nach außen gebogen. Einige tragen auch schlichtes Blattornament. Die Gurtdienste im Mittelschiff werden zuweilen von hockenden bärtigen Gestalten gestützt. Die übrigen Konsolen haben einfache Form, in einen schaftartigen Rundbogenfries gehüllt.

Von den Türen kommen nur die jetzigen beiden West- oder Turmportale (Abb. 15, 16, 17, 18) in Betracht. Dieselben treten mit ihrem verschrägten Gewände und ihrem bogenförmigen Abschluß als Umrahmung vor die Fläche der Turmmauer vor. Gewände und Bogenleibung sind durch drei rechtwinkelige Einsprünge aufgelöst. In den Winkeln stehen zu beiden Seiten je drei Säulen, welche mehrfach profilierte Bögen tragen. Plastischer Schmuck ist nur an den Kapitälen vorhanden, und zwar sind dieselben an der einen Seite als Knospenkapitäle, auf der anderen Seite als Blattornamentkapitäle unterschieden. Die Bogenfelder ruhen auf Pfeilern auf, welche aber mit den flankierenden Säulen nur das bekrönende Gesims gemein haben. Durch die beiden Turmportale hat die Westseite nachträglich die Bedeutung einer Fassade gewonnnen.

Bisheriges Ergebnis. Die im Vorausgehenden gegebene Beschreibung des Baues führt zu dem Ergebnis, daß die ältere Kirche St. Sebald im großen und ganzen ein der romanischen Stilart angehöriger Bau ist. Es haben allerdings die drei gotischen Grundelemente: der Spitzbogen, der Strebebogen und das einfache System bereits Eingang gefunden. Allein diese Anleihen haben nicht den Organismus des Gliederbaues völlig durchdrungen, sie sind nicht durchweg zu konstruktiver Notwendigkeit geworden. Hat man doch beim späteren Umbau der Seitenschiffe den Überfluß der Strebebögen erkannt und ihre Beseitigung herbeigeführt. Auch der Eindruck des Innern, wo erst das einfache System dem Beschauer sichtbar wird, ist trotz der reichen Hochwandgliederung und trotz der starken Höhenentwicklung nicht der eines gotischen Baues. Der Bau ist in seinem innersten Kern romanisch. Den romanischen Charakter bestätigen auch die Ornamente.

Stilkritik. Die erste Periode der Nürnberger Bau- und Kunstgeschichte fällt in das 12. Jahrhundert. Die ehemalige Schottenkirche St. Egidien mit der Euchariuskapelle und die Doppelkapelle auf der Burg sind ihre Repräsentanten. Die Egidienkirche brannte 1696 ab. Nur Abbildungen aus der Zeit vor und unmittelbar nach der Brandkatastrophe haben uns ein Bild der romanischen, in gotischer Zeit mehrfach umgebauten und erweiterten Klosterkirche überliefert, allein sie genügen nicht, um genau Konstruktion oder gar Ornamentik erkennen zu lassen. Wir wissen nur, daß die Kirche eine dreischiffige Basilika mit östlichem Querschiff, westlichen Türmen und Vorhalle war; vielleicht eine Säulenbasilika, in welcher die Seitenschiffe gewölbt, das Mittelschiff dagegen flach gedeckt war. Mit ziemlicher Sicherheit aber wird man annehmen können, daß die Kirche des um 1140 von Kaiser Konrad III. gestifteten und mit Regensburger, teilweise auch mit Würzburger Schottenmönchen besetzten Klosters auch in der Bauweise als Schottenkirche gekennzeichnet und mit St. Jakob in Regensburg eng verwandt war. Deutlich ist der Einfluß der Schotten an der Doppelkapelle auf der Burg, der Margareten- und Kaiserkapelle (etwa 1170 bis etwa 1180). Weniger in der Gewölbekonstruktion, als besonders durch Gestalt und Ornamentik der Kapitäle und durch die Anlage des Oratoriums mit den kurzen, gedrungenen Säulen wird man sofort an die Regensburger Schottenkirche erinnert. Dagegen deutet die gegen Ende des 12. Jahrhunderts erbaute Euchariuskapelle mit ihren Rippengewölben und den hohen, reich profilierten Sockeln, Basen und Kämpfern auf Bamberg.

Abb. 7. Ansicht vom südlichen Seitenschiff gegen Norden.

Von wie hoher Bedeutung auch für die Kunstgeschichte Nürnbergs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Beziehungen zu Regensburg gewesen sind, eine Nürnberger Bauschule scheint sich aus jener nicht allzu umfangreichen, im wesentlichen auf die beiden ersterwähnten Kirchen beschränkten Bautätigkeit nicht entwickelt zu haben. Es ist anzunehmen, daß die Bauleute für die Doppelkapelle auf der Burg und für die Egidienkirche von auswärts, das heißt von Regensburg, gekommen waren und nach Vollendung der Bauten wieder weitergezogen sind, also weder aus der Bevölkerung Nürnbergs hervorgegangen sind, noch sich in Nürnberg dauernd angesiedelt haben.

Abb. 8. Kapitäl der Dienste im Mittelschiff.

Mit der Wende zum 13. Jahrhundert war auf einige Jahrzehnte eine Stockung im Bauleben Nürnbergs eingetreten, bis sich mit der Niederlassung der Bettelorden, vor allem aber mit dem Bau von St. Sebald eine um so regere Tätigkeit entfaltete. So kam es, daß sich an die von den Schotten angewendete Bauweise keine Tradition knüpfte und man die technischen Vorteile und die dekorative Eigenart, welche jene mitgebracht, völlig vergaß. Und als das Bedürfnis nach einem größeren Gotteshaus wach wurde, war in Nürnberg ein gänzlicher Mangel an geschulten Baumeistern wie Steinmetzen, welche einen umfassenden Auftrag hätten übernehmen und durchführen können. Dazu handelte es sich jetzt nicht mehr um eine Kirche für einen geschlossenen Orden, sondern um die Kirche für eine Pfarrgemeinde. Stand bereits die zum Egidienkloster gehörige Euchariuskapelle unter dem Einfluß des Bamberger Domes, so war es ganz natürlich, daß die unterbrochenen Beziehungen zu dem erst 1237 vollendeten Dom wieder aufgenommen wurden, um so mehr als Bamberg die Diözesanhauptstadt von Nürnberg war.

St. Sebald und der Dom zu Bamberg. Bei der Gründung der Diözese Bamberg durch Kaiser Heinrich II. im Jahre 1007 wurde der neue Sprengel gegen den von Eichstätt mit dem Laufe der Pegnitz abgegrenzt. Was also vom jetzigen Stadtgebiet Nürnbergs nördlich dieses Flusses lag, gehörte zu Bamberg, was dagegen auf der anderen Seite lag, zählte vorerst zu Eichstätt. Dieses Verhältnis scheint jedoch nicht lange bestanden zu haben, denn schon 1162 wird die Kapelle zum Heiligen Grab, an deren Stelle sich jetzt die Pfarrkirche St. Lorenz erhebt, als zu Fürth eingepfarrt erwähnt, und Fürth gehörte damals zur Diözese Bamberg. Im 13. Jahrhundert kommt also für Nürnberg als Diözesanhauptstadt nur Bamberg in Betracht.

Im ersten Drittel dieses Jahrhunderts entwickelte sich in Bamberg im Anschluß an den Dombau ein reges Kunstleben. Der unter Kaiser Heinrich II. erbaute, 1081 abgebrannte, unter Bischof Otto dem Heiligen wieder aufgebaute und 1185 abermals durch eine Feuersbrunst zerstörte Dom wurde gleich nach dem Brande von neuem aufgebaut. Begonnen wurde mit der Ostpartie. Nach Vollendung derselben vor 1202 trat eine kurze Unterbrechung ein. Man ging nun energisch an die Vollendung des ganzen Baues. Auf die provisorische Einweihung von 1232 folgte am 6. Mai 1237 die letzte und endgültige.[7] Es ist ganz natürlich, daß bei dem Bau eines Gotteshauses von den Dimensionen des Bamberger Domes, der noch dazu in verhältnismäßig kurzer Zeit zur Ausführung gelangte und infolgedessen eine zahlreich besetzte Bauhütte erforderte, sich eine eigene Bauschule heranbildete, die im Bedarfsfalle imstande war, auch nach auswärts Parliere und Steinmetzen abzugeben. Was liegt da näher, als daß die Nürnberger Pfarrgemeinde, als man nach einem monumentalen, nur mit dem Aufgebot gediegener und geschulter Kräfte zu erbauenden Gotteshaus verlangte, zur Dombauschule der Diözesanhauptstadt in engste Beziehungen trat.

Abb. 9. Romanisches Kapitäl mit Blatt- und Bandornament.

Abb. 10. Romanisches Kapitäl mit Blatt- und Bandornament.

Abb. 11. Gotisches Kapitäl im Seitenschiff.

Wir fassen zunächst die beiden Grundrisse, beziehungsweise Plandispositionen ins Auge.

Beim Bamberger Dom ist die Plandisposition des alten Heinrichsbaues — doppelchörige Basilika mit westlichem Querschiff — beibehalten worden. Es kann daher weder in der doppelchörigen Anlage, noch im westlichen Querschiff eine auf Rechnung des Neubaues kommende Besonderheit erblickt werden, es ist vielmehr auf andere ähnliche Beispiele, nämlich einerseits auf die Dome von Mainz (erster Bau 978–1009) und Worms (996–1016), andererseits auf die schwäbisch-bayerischen Bauten, so auf den Dom von Augsburg (994 bis 1006), auf Obermünster (1010 und 1020) und St. Emmeram in Regensburg (1002 und 1020), unter deren Einfluß der Heinrichsbau des Bamberger Domes zweifelsohne stand, zu verweisen.[8] Das Schwergewicht bei der Anlage einer Kirche nach Westen zu verlegen, wurde, wenn nicht ähnliche zwingende Gründe vorhanden waren, von jener Zeit ab vermieden. Um so auffälliger muß es erscheinen, daß bei dem Bau einer Kirche wie St. Sebald, der von Grund aus einen Neubau bildet, zwar nicht das Hauptgewicht auf den Westchor verlegt, aber doch demselben eine dem Ostchor beinahe gleichkommende Bedeutung zuteil wird, ja daß überhaupt ein Westchor noch Anklang findet. Denn spätere doppelchörige Anlagen sind nicht bekannt.

Abb. 12. Romanisches Kapitäl mit Knollenornament.

Wie schon erwähnt, stand zuvor an Stelle der Kirche St. Sebald eine Kapelle. Dieselbe war von Anfang an dem hl. Petrus geweiht und bewahrte Reliquien von ihm. Im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts fand allmählich auch der hl. Sebald Verehrung, er wurde bald zum Stadtpatron erhoben, ohne daß auf die Verehrung des hl. Petrus verzichtet worden wäre. Auch vom hl. Sebald waren Reliquien vorhanden. Es mußte daher, als man eine Gemeindekirche größerer Ausdehnung als Ersatz für die kleine Kapelle erbauen wollte, gleich von vornherein auf beide Heilige Rücksicht genommen werden. So blieb nichts anderes übrig, als den Grundriß einer doppelchörigen Kirche zu wählen, und hierzu bot der Bamberger Dom das geeignetste Vorbild. Man begnügte sich aber nicht mit der bloßen Kopie, sondern ging in einer Hinsicht sehr selbstständig vor. Beim Bamberger Dom liegt, weil die Plandisposition des Heinrichsbaues beibehalten wurde, das Querhaus im Westen. Vom 11. Jahrhundert an jedoch wurden überall nicht nur doppelchörige Anlagen soviel wie möglich vermieden, sondern auch die Kirchen regelmäßig nach Osten angelegt. Infolgedessen ist der Grundriß von St. Sebald gegenüber dem Bamberger Grundriß in der Himmelsrichtung gerade umgekehrt. Und da im Laufe des 12. Jahrhunderts der hl. Sebald Stadtpatron geworden war, nach welchem auch die Kirche benannt werden sollte, so wurde seiner Verehrung der größere Ostchor eingeräumt, während dem hl. Petrus der kleinere Westchor zufiel.[9]

Abb. 13. Romanische Hornkonsole.

Abb. 14. Romanische Konsole.

Eine weitere Selbständigkeit liegt in dem Mangel eines zweiten Turmpaares am Querschiffe von St. Sebald, welches dafür zwei Apsiden als Nebenchöre hat.

Dagegen spricht wieder deutlich für die enge Verwandtschaft, daß bei den östlichen Apsiden der Kirche St. Sebald genau wie bei der Ostapsis des Bamberger Domes die halbrunde Form gewählt, während hier wie dort der Westchor polygon abgeschlossen wurde.

Abgesehen von dieser Ähnlichkeit im Grundriß haben die beiden Westchöre auch fast den gleichen Aufbau, wenn wir die durch den Unterschied der Größenverhältnisse gegebenen Abweichungen außer acht lassen. Außen: Mangel an Strebepfeilern, Abtrennung eines oberen Stockwerkes mit Oberfenstern durch ein kräftiges Gesims, an den Ecken Dienste, welche nicht bis zum Dachgesims reichen; ein Unterschied besteht in den hier runden, dort spitzbogigen Fenstern und darin, daß bei St. Sebald auch das untere Stockwerk Oberfenster hat. Innen: sechsteilige Gewölbe in den Rechtecken, Dienste mit Schaftringen und Kleeblattblendarkaden an den Wänden der Apsis.

Sowohl hier wie dort ist die Außenwand des Mittelschiffes so schlicht wie möglich behandelt. Wandgliederung fehlt. Die Anzahl der Fenster stimmt überein, es trifft auf jedes Joch ein Fenster. Die Fenster sind bei beiden Bauten rundbogig, mit glatten Wandungen, und sitzen unmittelbar auf dem Ansatz der Seitenschiffdächer auf. Ein ebenfalls übereinstimmender Rundbogenfries, welcher sich unter dem Dachgesims hinzieht, bildet den einzigen Schmuck der Hochwand.

Ferner ist im Außenbau der Ansatz der Chornische, beziehungsweise des Chordaches an den Mittelschiffgiebel der gleiche (bei St. Sebald im Westen, beim Dom zu Bamberg im Osten), und ebenfalls belebt der eben erwähnte Rundbogenfries die Giebellinie. Übrigens hat aller Wahrscheinlichkeit nach beim Bamberger wie beim Nürnberger Westchor der Abschluß in einem Kranz von Giebeln mit Giebeldächern bestanden, wie die Endigungen der Eckdienste beweisen; zum mindesten war eine derartige Bekrönung bei beiden Apsiden geplant wie an rheinischen Bauten des Übergangsstiles.

Sonst fällt von den Übereinstimmungen am Außenbau noch der an den beiden Westapsiden unter dem das untere vom oberen Stockwerk trennenden Gesims sich hinziehende Rundbogenfries auf, der auch auf die flankierenden Türme übergreift und dessen Bogenansätze von blattwerkgeschmückten Konsolen getragen werden.

In allen übrigen Punkten kommt beim Außenbau der Unterschied zwischen der reich ausgestatteten Bischofskirche und der einfachen, schlichten Pfarrkirche zum Ausdruck.

Bezüglich der Einzelglieder und der Dekoration im Innern der beiden Kirchen kann nur eine teilweise Übereinstimmung festgestellt werden: die Kleeblattblendarkaden im Westchor (bei Bamberg auch an den Westchorschranken)[10] in der Anlage sowohl wie in der Detailbildung, Abschluß der Dienste in halber Höhe durch stützende Konsolen, auch Hornkonsolen (bei Bamberg nur im Westchor, bei St. Sebald durchgehends) und Abrundung der Scheidbögenkanten in Wulste.

Zum Schlusse sei noch betont, daß sämtliche Steinmetzzeichen von St. Sebald sich unter den zahlreichen Zeichen des Bamberger Domes vorfinden.

Durch diese Nebeneinanderstellung wird die von der Kunstgeschichte ausgesprochene Vermutung, daß die Kirche St. Sebald in ihrer ersten, durch spätere An- und Umbauten noch nicht erweiterten Gestalt durch den Bamberger Dom wesentlich beeinflußt ist, vollauf bestätigt. Es gilt dies in erster Linie von der Plandisposition, in zweiter Linie vom Außenbau. Was vom Dom zu Bamberg aus dessen erster Bauperiode vor und kurz nach 1200 auf die Kirche St. Sebald übertragen wurde, ist die doppelchörige Anlage und die Idee, die Chorapsis mit zwei Türmen zu flankieren. Beides wurde in selbständiger und eigenartiger Weise vom Baumeister von St. Sebald verwertet. Alle übrigen Übereinstimmungen der beiden Bauten gehen auf die zweite Bauperiode des Bamberger Domes zurück, welche die Zeit vom Ende des zweiten Jahrzehnts bis 1237 umfaßt. Und da die Nürnberger Steinmetzzeichen nur am westlichen, der zweiten Bauperiode angehörenden Teil des Bamberger Domes vorkommen, so steht fest, daß die zweite Bamberger Bauperiode und die erste Hälfte der Nürnberger Bauzeit durch keinen größeren Zeitraum getrennt sein können.

Es erübrigt nun beide Bauwerke auf ihre Verschiedenheiten und Abweichungen zu untersuchen.

Technik und Konstruktion der Gewölbe ist bei beiden Kirchen so ziemlich die gleiche: Bruchsteingewölbe in reicher Mörtelbettung, spitzbogige Kreuzrippengewölbe mit schwacher Busung und nahezu horizontalem Scheitel. Allein die angewandten Systeme sind grundverschieden: beim Dom zu Bamberg das gebundene, bei St. Sebald das einfache System.

Ferner ist bei St. Sebald an einigen Stellen der Versuch gemacht worden, durch Stützwerk eine Verringerung der Mauerstärke herbeizuführen und so den Gliederbau mehr zu betonen: an den Türmen und am Querschiff durch Strebepfeiler, am Mittelschiff sogar durch Strebebögen. Am Dom zu Bamberg fehlt — abgesehen von den beiden Stützpfeilern an den Osttürmen aus dem Jahre 1274 — jede Strebe; es entspricht fast durchwegs die Mauerstärke der Stärke der alten Grundmauer, so daß Strebepfeiler oder Strebebögen auch überflüssig waren.

Was die Maßverhältnisse und die Raumwirkung anlangt, so macht sich am Bamberger Dom im Querschnitt ein Streben nach imposanter Breitenentwicklung geltend. Die Höhe des Mittelschiffes verhält sich zu dessen lichter Weite wie 2 : 1. Anders bei St. Sebald. Hier ist bei einem Verhältnis von 3 : 1 eine ganz bedeutende Höhenentwicklung festzustellen.[11]

Im engsten Zusammenhang mit den Unterschieden im Querschnitt stehen die in der Hochwandgliederung. Der breiten Anlage im Querschnitt beim Dom zu Bamberg entspricht im Mittelschiff die breite Wandfläche eines Joches, welche sich über zwei Arkadenbögen erhebt und um so breiter erscheint, weil sie vom Gesims bis zum Fenster völlig leer geblieben, d. h. weil jede Gliederung streng vermieden ist. Bei St. Sebald entspricht der Höhenentwicklung des Mittelschiffes die schmale Bildung einer Jochwand, die schon dadurch schlank erscheint, daß sie sich bei enger Aneinanderreihung der Stützen nur über einer Arkade erhebt und außerdem durch Belebung mit einer Triforiengalerie und Gliederung des Lichtgadens kurzweiliger wirkt.

Der Gesamteindruck des Außenbaues ist beim Bamberger Dom bedingt — und zwar für den in spätromanischer Zeit errichteten Hochbau nicht in der günstigsten Weise — durch die vom alten Heinrichsbau beibehaltene Anlage. Der ganze Bau ist langgestreckt und so scheinen gegenüber der leeren Mittelschiffhochwand die mehr oder minder reich behandelte Ost- und Westpartie in einem losen Zusammenhang zu stehen. Grundverschieden hiervon ist der Gesamteindruck des Außenbaues von St. Sebald, oder besser gesagt, wird er gewesen sein. Starke Anklänge an Bamberg hat eigentlich nur die Westpartie. Das Gesamtbild jedoch bietet eine ganz andere Massenwirkung und Silhouette. Vor allen Dingen fehlt ein zweites Turmpaar. Die Ostpartie mit den drei Apsiden ist Bamberg gegenüber ein neues, jedenfalls selbständiges Motiv. Und dann, dies dürfte wohl der Hauptunterschied sein, stellt St. Sebald von den Fundamenten an einen einheitlichen Bau dar, der auch nach außen hin die charakteristischen Merkmale des spätromanischen oder Übergangsstiles zur Schau trägt: die Entfernung vom östlichen Querschiff zu den Westtürmen ist im Verhältnis zu Bamberg eine überaus kurze, was bei der gleichen Anzahl von Mittelschiffjochen in der Verschiedenheit der Systeme liegt, die Baumassen sind demnach eng zusammengruppiert, und diese Wirkung wird noch verstärkt durch Strebepfeiler und Strebebögen.

Ein nicht gerade wesentlicher Unterschied ist an den Westchören zwischen den spitzbogigen Bamberger und rundbogigen Nürnberger Fenstern zu verzeichnen.

Diese mannigfachen, teilweise schwerwiegenden Unterschiede der beiden Kirchen lehren, daß St. Sebald in vielen Punkten noch auf andere Bauten zurückgehen muß. Die kunstgeschichtliche Bedeutung des Bamberger Domes liegt vor allen Dingen in der eigenartigen Verschmelzung fremder Einflüsse, die nicht nur verschiedenen lokalen, sondern auch verschiedenen zeitlichen Ursprunges sind. Fällt die Anlage unter den Einfluß Regensburgs im Anfang des 11. Jahrhunderts, so zählt anderseits der Hochbau zu den bedeutendsten Schöpfungen des deutschen Übergangsstiles, wobei der Außenbau des Ostchores vom Ende des 12. Jahrhunderts stark an die Ostpartie des Mainzer Domes und an andere rheinische Bauten erinnert; und während einzelne Bauglieder des Westchores aus dem zweiten und dritten Zehnt des folgenden Jahrhunderts der Ebracher Schule angehören, weisen die Einwölbung des Westchores und der Ausbau der Westtürme aus den dreißiger Jahren desselben Jahrhunderts auf Nordfrankreich, speziell auf Laon. Es ist ganz klar, daß von einem derartigen Bauwerk mit so vielen stilistischen Verschiedenheiten nur verhältnismäßig wenige Einzelheiten auf den Bau von St. Sebald übergehen konnten: ein Teil der Plandisposition, die Anlage des Westchores und Teile am Außenbau. Und dann war eben bei St. Sebald die Einführung zeitgemäßer Neuerungen möglich, weil nicht, wie beim Bamberger Dom, alte Grund- und Hochmauern einen Zwang auf die Gestaltung des neuen Hochbaues ausübten. Da nun bis zum damaligen Zeitpunkt eine Bauschule in Nürnberg nicht bestanden hat, so müssen jenen Neuerungen, welche St. Sebald gegenüber Bamberg aufzuweisen hat, andere verwandtschaftliche Beziehungen zugrunde liegen.

St. Sebald und die Klosterkirche zu Ebrach. Die Entwicklung der Baukunst in der romanischen Epoche wurde vorzugsweise in den großen Städten gefördert, welche Bischofssitze waren. Man braucht da nur an die Städte Mainz, Speyer oder Köln zu erinnern und man kennt sofort die Bedeutung ihrer romanischen Bauwerke und den Einfluß derselben auf die ganze Entwicklung.

Daneben machte sich aber eine Bewegung geltend, deren Einfluß nicht geringer als jener geschätzt werden darf. Es ist die Bewegung, welche durch die Bauschulen des Benediktiner- und des Zisterzienser-Ordens hervorgerufen wurde.[12] Ja, der Einfluß derselben ist in gewisser Hinsicht von weit höherer Bedeutung für die Kunstgeschichte als der der Dombauschulen; denn dieser war selten über ein eng begrenztes Gebiet, meist nicht über die Grenzen der Diözese hinausgegangen, der Einfluß jener Ordensbauschulen war aber nie lokal beschränkt, er erstreckte sich weithin nach allen Richtungen in die verschiedensten Länder, er darf mitunter geradezu als international betrachtet werden. Und waren es dort die Kirchen und Dome, welche von ihrer Zentral- oder Metropolitankirche Neuerungen empfingen und mit größerer oder geringerer Modulation in sich aufnahmen, so waren es hier die Kirchen des Landes, gewöhnlich die Klosterkirchen, denen — natürlich ebenfalls in lokaler Anpassung — das charakteristische Gepräge der entsprechenden Ordensbauschule aufgedrückt wurde.