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Asyl oder Invasion?
Als der Stern Tau Ceti in einer Supernova explodiert, gelingt es den Bewohnern dieses Sonnensystems, ein Schiff loszuschicken, das neue Welten erkunden soll. Die Aliens entdecken die Erde, auf der die Bedingungen für eine Kolonie perfekt wären. Sie nehmen Kontakt zu den Menschen auf, und zunächst scheint die Kommunikation zwischen den Völkern reibungslos zu verlaufen. Doch dann stellt sich heraus, dass die Tau-Ceti-Wesen nicht so friedlich sind, wie sie uns glauben machen …
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Seitenzahl: 476
HEYNE 〈
Im 23. Jahrhundert tauchen Außerirdische im Sonnensystem auf und bitten die Crew eines terranischen Aufklärers, an Bord ihres Scoutschiffs zu kommen. Aber welche Motive haben die fremden Wesen? Sie beteuern, in friedlicher Absicht zu kommen und als Heimatlose durch das All zu treiben. Als ihr Stern Tau-Ceti in einer Supernova unterging, verglühte auch ihr Planet. Nun sind sie auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten, und die Erde hat genau die richtigen Bedingungen. Doch als sich Widerstand aufseiten der Weltbevölkerung erhebt und das Militär sich bereit macht einzugreifen, enthüllen die Fremden ein Geheimnis, das nicht nur den Untergang der Erde, sondern die Vernichtung des ganzen Sonnensystems bedeuten könnte …
Nach den Bestsellern »Der Antares-Krieg« und »Sternenfeuer« – das neue phantastische Weltraum-Abenteuer von Michael McCollum.
Michael McCollum wurde 1946 in Phoenix, Arizona, geboren und studierte an der University of Arizona Luft- und Raumfahrttechnik. Seit seinem Abschluss ist er als Raumfahrtingenieur tätig und hat an beinahe allen militärischen und zivilen Raumfahrzeugtypen gearbeitet, die heute gebaut werden. Daneben hat er sich einen Namen als Autor zahlreicher Science-Fiction-Romane gemacht.
»Lebenssonden«
»Der Antares-Krieg«
»Sternenfeuer«
»Sternenstürme«
Für Catherine
Faslorn von den Phelanern stand auf der Brücke des Sternenschiffs Far Horizons und schaute zu, wie dicke Taue aus filigranen Fäden aus den Frachträumen quollen. Die Leinen der Takelage liefen schon seit einem halben Dutzend Schichtwechseln aus den Ladebuchten. Nun näherte sich die erste Phase des Bremsmanövers des Sternenschiffs dem Ende.
Faslorn ließ den Blick über die Instrumente des Schiffs schweifen, als die letzten paar kel der gebündelten Leinen sich ablösten. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder den Monitoren und verfolgte, wie die Millionen kel lange Masse der Sternenbremse sich zu voller Länge entfaltete und sich ruckartig spannte.
»Alarm«, befahl Faslorn. »Rückschlag erfolgt.«
Der Alarm hallte in allen Gängen des riesigen Sternenschiffs wider, und tausende Besatzungsmitglieder hielten in ihren jeweiligen Tätigkeiten inne und suchten einen Halt. Faslorn schlang eine Sechsfingerhand um einen Pfosten und hielt sich daran fest. Weit draußen sah er die Reflektionswelle der Sternenbremse auf die Far Horizons zulaufen.
Dann brandete die Rückschlagwelle gegen das Schiff und schüttelte es so stark durch, dass das Deck sich wölbte. Er nahm jedoch kaum Notiz von den Schwingungen, mit denen die Kräfte sich im Sternenschiff neu verteilten. Seine volle Aufmerksamkeit galt den Bildschirmen. Und der Takt seines Doppelherzens erhöhte sich leicht, als er die riesige Konstruktion überflog, von der sein Schicksal und das von hunderttausend Besatzungsmitgliedern abhingen.
»Keine Schäden an der Bremse oder dem Schiff«, meldete einer der Implementierungstechniker.
Faslorn stieß die phelanische Entsprechung eines Seufzers aus. »Sehr gut. Die Haltegurte kappen.«
Auf ganzer Länge der eingerollten Bremse erhellten winzige funkelnde Lichter die ewige Nacht des Alls, als die Bänder, die die Bremse zusammenhielten, durchtrennt wurden. Nach der Zerstörung der Bänder setzte die Wirkung der Zentrifugalkraft ein. Das ätherische Gespinst der Bremse schlug mächtige Wellen, als es sich aufrollte.
Es war schwierig, den Fortschritt der Implementierung zu verfolgen. Die zusammengerollte Bremse war anfangs eine lange Leine, die sich bis zum Fluchtpunkt verdrillt und verdreht hatte, und als diese Masse sich nun entfaltete, enthüllte sie die reflektierende Folie, mit der die Oberfläche beschichtet war. Eine zu hundert Prozent reflektierende Oberfläche ist im Weltraum praktisch unsichtbar. Sie reflektierte die Schwärze des Raums und verzerrte zugleich die Spiegelbilder der Sterne. Für einen Beobachter schien es, als ob das Universum von einer riesigen, unsichtbaren Klaue zerknüllt würde.
Weit hinter dem Sternenschiff öffnete eine riesige Blume ihre Blüten zum Weltraum und markierte das Ende einer Reise, die über drei phelanische Lebensalter gedauert hatte. Es war eine Reise, die in Feuer begonnen hatte und die damit enden würde, dass man an der Fotosphäre der kleinen gelben Sonne vorbeischrammte, die ihr Ziel war – und die im Moment nur den hellsten Lichtpunkt am Himmel darstellte.
Faslorns Generation war wahrscheinlich die letzte Generation der Phelaner, die ihr Leben zwischen den Sternen verbrachte. In ein paar Dutzend tarn würde die Begegnung mit den intelligenten Wesen der gelben Sonne stattfinden. Es war Faslorns Aufgabe – und die seiner Schiffskameraden –, eine Heimstatt unter den fremdartigen zweibeinigen Kreaturen zu finden, die sich selbst großspurig als Homo Sapiens bezeichneten. Falls er Erfolg hatte, würde die nächste Generation von Phelanern mit einem festen Boden statt einem stählernen Deck unter den Füßen geboren. Und wenn nicht, würde Faslorns Linie vermutlich mit ihm enden.
»Schau, wie sie den Himmel ausfüllt«, sagte sein Assistent. Über ihnen hatte die Sternenbremse sich schon so weit ausgedehnt, dass sie den kalten Lichtpunkt ausblendete, der einmal ihre Heimat gewesen war.
Faslorns Geste war die phelanische Entsprechung eines Lächelns. »Das stimmt, Paldar. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis sie uns bemerken.«
Während der Kapitän der Far Horizons den steten Reigen der Implementierung beobachtete, dachte er an die schwierige Aufgabe, die vor ihm lag. Es hatte auch eine gewisse Symbolkraft, dass die Sterne hinter ihm langsam durch die Reflexionen der Sterne vor ihm ausgeblendet wurden.
Die Far Horizons war im Einsatz. Es gab keinen Weg zurück. Das Schicksal zweier intelligenter Spezies würde durch die nun folgenden Ereignisse entschieden werden.
Die rötliche Kugel des Mars füllte einen ganzen Quadranten des sternenübersäten Himmels aus und flutete die transparente Kuppel mit rubinrotem Licht. Doch so schön der Anblick auch war, Victoria Bronson hatte nur Augen für das pyramidenförmige Ensemble aus Brennstofftanks und Rohrleitungen, die sich als Silhouetten gegen den Planeten abzeichneten. Nach einer zwanzigjährigen Planungs- und dreijährigen Bauphase war Starhopper nun fast fertig. Bald würden Tanker hunderttausend Tonnen Flüssigsauerstoff in die großen Brennstofftanks des Schiffs pumpen. Zehn Tage später – vorausgesetzt, dass beim komplexen Countdown keine Pannen auftraten – würde der erste Besucher der Menschheit bei einem anderen Stern zu seiner langen Reise in die tiefe Schwärze aufbrechen.
Die Menschen hatten fast die ganze Zeit von Reisen zu den Sternen geträumt, seit sie wussten, dass es sich bei den kleinen Lichtpunkten um ferne Sonnen handelte. Während Schriftsteller Oden an den Raumflug komponierten, stöhnten die Ingenieure über die enormen Energien, die hierfür erforderlich waren. Eskapistisch orientierte Science-Fiction-Autoren ersannen fantastische Pläne für den blitzschnellen Flug zwischen Sternsystemen, während Physiker das Problem nicht minder fantasievoll angingen. Wissenschaftler spekulierten über die Existenz von Wurmlöchern, Dimensionen außerhalb der normalen Raumzeit oder eine verzerrte Raumzeit als Breschen in der Mauer der Einstein-Barriere. Leider erwiesen die Anstrengungen der Wissenschaftler sich als genauso wirkungslos wie die Bemühungen der Dichter und Schriftsteller. Trotz aller Versuche entzogen die Sterne sich auch weiterhin dem Zugriff der Menschheit.
Das heißt, bis zum Jahr 2217. In diesem Jahr verkündete nämlich ein junger marsianischer Physiker namens Dardan Pierce, dass die Zeit für die Erforschung der näheren Sterne gekommen sei. In einer im System Journal for Astrophysics veröffentlichen Studie skizzierte Pierce die Parameter für einen erfolgreichen interstellaren Raumflug. Dabei war Pierces Sternenschiff gar nicht mal ein futuristisches überlichtschnelles Gerät, sondern ein Raumschiff, das fast ein ganzes Menschenalter für seine Reise benötigen würde. Er schloss seine Studie mit der Anregung für seine Kollegen, einen Prototypen in Form einer mit Instrumenten bestückten Raumsonde zu bauen und dieses Gerät auf eine Forschungsmission zu den Welten zu senden, von denen man wusste, dass sie Alpha Centauri umkreisten: den nächsten Nachbarn der Sonne am Firmament.
Die Triebwerke, die die erste interstellare Raumsonde der Menschheit antrieben, sollten mit Antimaterie befeuert werden, einer Technologie, die in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts entwickelt worden war. Die frühesten Raumschiffe mit Antimaterie-Antrieb hatten Mikrogramme des flüchtigen Materials benutzt, um Wasserstoff zu erhitzen, das dann durch konventionelle Raketendüsen ausgestoßen wurde. Moderne Raumschiffe verbrauchten dagegen mehrere Kilogramm Antiprotonen, die Wasserstoff in ein relativistisches Plasma umwandelten, das anschließend durch eine Reihe magnetischer Düsen im Heck des Raumschiffs ausgestoßen wurde.
Die Boosterrakete von Starhopper würde das Instrumentenpaket auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Und wenn die Reaktionsmasse eines Tages aufgebraucht war, würde der Booster abgestoßen. Am Ende der Beschleunigungsphase würden die mächtigen Triebwerke abgeschaltet, und Starhopper würde im freien Fall Kurs auf Alpha Centauri nehmen und eine Trümmerspur in ihrem »Kielwasser« hinterlassen, die bis zum Mars zurückreichte. Fast ein halbes Jahrhundert nach dem Start würde das Instrumentenpaket den Booster anweisen, eine Hundertachtzig-Grad-Drehung zu beschreiben und das Bremsmanöver einzuleiten. Auch hier würden die leeren Brennstofftanks mitsamt den Aufhängungen abgeworfen. Sogar die Triebwerke würden abgestoßen, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, das Instrumentenpaket auf Intrasystem-Geschwindigkeit abzubremsen.
Die Starhopper, die in das Centauri-System einflog, hätte kaum noch eine Ähnlichkeit mit der Version, die vom Mars gestartet war. Das Instrumentenpaket machte zwar nur ein Promille der ursprünglichen Masse des Raumfahrzeugs aus, war mit seinen hundertzehn Tonnen aber immer noch so schwer wie ein kleines Raumschiff. Der Instrumentenblock enthielt Steuertriebwerke, Antimaterie, Reaktionsmasse, einen Atomreaktor, Kommunikationsgeräte und Instrumente, die dem halben Dutzend Welten, die bekanntermaßen die Sonnen von Centauri umkreisten, ihre Geheimnisse zu entreißen vermochten.
Tory Bronson lag rücklings auf dem mit Teppichboden ausgelegten Deck einer Oberflächenkuppel auf Phobos und schaute zu dem Punkt hinauf, wo der interstellare Booster eine Station auf dem größeren der zwei Marsmonde unterhielt. Sie dachte an alle Probleme und Krisen, die das Programm seit seiner Einführung heimgesucht hatten. Zumal es manchmal den Anschein gehabt hatte, wie Dard Pierce ihr des Öfteren gesagt hatte, als ob die Raumsonde überhaupt nicht gebaut werden würde. Und selbst jetzt schien die Koalition aus Regierungen, Hochschulen und Unternehmen, die sich als Sponsoren für Starhopper engagiert hatten, ihre Großzügigkeit noch zu bereuen.
Tory war drei Jahre alt gewesen, als Pierce seine ursprüngliche Studie veröffentlicht hatte. Und als er genügend Rückhalt hatte, um mit einer ernsthaften Planung zu beginnen, hatte Tory sich in die University of Olympus auf dem Mars eingeschrieben. Ihr Berufswunsch war Rechtsanwältin. Von diesem Projekt hörte sie zum ersten Mal bei einer von Pierces Vorlesungen, die sie eigentlich nur deshalb besucht hatte, weil sie einen zusätzlichen Schein für ein naturwissenschaftliches Seminar brauchte. Das wäre vielleicht ihr einziger Kontakt mit Starhopper gewesen – wenn ihre Karrierepläne sich nicht mit Beginn des dritten Semesters grundlegend geändert hätten, als sie ihr erstes Computer-Implantat erhielt.
Wie der Antimaterie-Antrieb waren auch die Implantate eine alte Technologie, die in einer über hundertjährigen Praxis stetig verbessert worden war. Die ersten Implantate waren simple akustische Geräte gewesen, kaum mehr als diese Kehlkopfmikrofone, die dem Benutzer eine lautlose Befehlsübertragung ermöglichten und die Reaktion des Computers dann direkt ins Innenohr übertrugen. Damals waren Implantate im Grunde nur Statussymbole für die Reichen gewesen – Subminiatur-Mobiltelefone für Geschäftsgespräche unter dem Deckmantel einer anderen Beschäftigung. Erst mit der Entwicklung einer Methode für die direkte Stimulierung des Gehirns wurde auch das moderne Computer-Implantat möglich. Das Herzstück eines solchen Implantats war ein molekularer Computer und ein direkter Reiz-/Reaktions-Mikroschaltkreis. Nach der Implantierung hinterm linken Ohr – oder dem rechten Ohr für Linkshänder – registrierte es den komplexen elektrischen Rhythmus des Gehirns und übertrug Gedanken in elektrische Impulse, die wiederum an einen Remote-Computer übertragen wurden. Die Reaktion des Computers wurde dann in Hirnströme zurück übertragen, und die erforderlichen Muster wurden in den sensorischen Zentren des Gehirns induziert.
Das Konzept unterlag fast zwangsläufig gewissen Beschränkungen. So musste der Träger beispielsweise lernen, auf eine Art zu denken, die das Implantat auch als einen Befehl interpretierte und nicht etwa als das Hintergrundrauschen, das Gedanken eigentlich waren. Als ob man lernen wollte, mit den Ohren zu wackeln; niemand wusste genau, wie es ging, aber wenn man den Bogen erst einmal raushatte, verlernte man es auch nicht mehr. Genauso wenig, wie die Implantate eine Intelligenzsteigerung beim Träger bewirkten. Was sie aber ermöglichten, war ein phänomenales Gedächtnis – bis zu dem Punkt, wo die Träger sich an Dinge »erinnerten«, die sie vorher überhaupt nicht gewusst hatten.
Die Benutzung eines solchen Implantats unterlag noch weiteren praktischen Einschränkungen. Die meisten Leute gelangten nämlich schnell an einen Punkt, wo weitere Daten sie nur verwirrten. Das in der Wissenschaft schon seit langem bekannte Problem wurde als »Lawineneffekt« bezeichnet, weil man das Gefühl hatte, von einer Lawine von Daten überschüttet zu werden. Die Symptome, die jemand bei einer allzu intensiven Beschäftigung mit einem Thema zeigte, waren Desorientierung und Konfusion.
Komischerweise schienen jedoch ein paar Leute immun gegen das Problem zu sein. Ganz egal, wie komplex die Aufgabe auch war, diese seltene Spezies vermochte das Ziel im Blick zu behalten, ohne sich in Details zu verlieren. Eine solche »klare Sicht« war ein angeborenes Talent. Man vermochte es weder zu lehren noch zu lernen. Die mit dieser Gabe Gesegneten waren als Manager, Organisatoren komplexer Projekte und vor allem als hoch spezialisierte Computer-Synergisten sehr gefragt.
Ein Synergist war nicht etwa ein schnöder Computerprogrammierer, denn die Computer besaßen schon seit langer Zeit die Fähigkeit, sich selbst zu programmieren. Vielmehr überwachten Synergisten den Fluss der automatisierten Skript-Programme und wiesen ihnen die richtige Richtung. Denn wie die große Mehrheit der Menschen, so neigten auch Computer dazu, sich in Details zu verlieren.
Nachdem sie entdeckt hatte, dass sie gegenüber dem Lawineneffekt immun war, wechselte Tory Bronson von der juristischen zur synergistischen Fakultät. Dort machte sie die Bekanntschaft von Ben Tallen, einem anderen Synergismus-Kandidaten. Nachdem sie sich in ihrem zweiten Studienjahr regelmäßig verabredet hatten, beschlossen sie schließlich, zusammenzuziehen. Irgendwann sprachen sie dann darüber, sich gut dotierte Jobs bei einem irdischen Megakonzern zu angeln; und obwohl das Thema kaum zur Sprache kam, hatte zumindest Tory eine Vision von der Ehe.
Einen Monat vor dem Abschluss griff Tory auf die Liste der Unternehmen zu, die im Placement-Center der Universität Einstellungsgespräche führten, und entdeckte das Starhopper-Projekt. Sie erinnerte sich an die Vorlesung, die sie vor Jahren besucht hatte, und beschloss, sich das einmal anzuschauen. Worauf sie aber nicht vorbereitet war, war Bens Reaktion, als sie ihm beim Abendessen davon erzählte.
»Worüber zum Teufel willst du denn mit ihnen sprechen?«, fragte er sie zwischen zwei Bissen Pizza.
»Ich habe eine Weile frei, und es klingt interessant.«
»Sei doch kein Idiot!«
»Wen nennst du hier Idiot, du Schnapsnase?«
»Dich, falls du dich mit diesem verdammten Schwarzhimmel-Projekt einlässt. Du weißt doch, wer dahinter steht, oder? Der alte Centauri-Pierce in der Astrophysik! Das ist sein Hobby. Er hat ein paar Lokalmatadore als Sponsoren gewonnen und will nun die Erde durchkämmen, um den Rest aufzubringen.«
»Aber was kann es denn schon schaden, sich das einmal anzuhören?«
»Der Schaden, mein vergesslicher Schatz, ist die Minderung deiner Chancen bei einem irdischen Unternehmen. Falls ihnen nämlich zu Ohren kommt, dass du mit diesen Irren Kontakt gehabt hast, kommen sie vielleicht noch zu dem Schluss, dass du nicht die Richtige für sie bist.«
Bens Erwähnung dieser »Lokalmatadore« irritierte sie. Wie die meisten Marsianer wurde auch Tory von einem starken Minderwertigkeitskomplex geplagt, wenn es um die Erde ging. Zumal sie wusste, dass die University of Olympus in akademischen Kreisen als Schmalspuruniversität galt. Ben war ein terrestrischer Austauschstudent, der allen ständig erzählte, dass er auch nach New Yale oder Harvard hätte gehen können. Und wenn man ihn dann fragte, wieso er es nicht getan hatte, sagte er immer, dass er »Olympus U.« mit seiner Anwesenheit beehren wolle.
Torys Zorn, der bei Bens flapsigem Spruch in ihr aufgestiegen war, war noch nicht ganz verraucht. »Ich werde mit ihnen sprechen, auch wenn das den großen und mächtigen Konzernen auf der Erde nicht gefallen sollte!«
Aber sie hätte das alles wieder vergessen, wenn Ben sie nicht erneut hätte provozieren müssen.
»Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!«
Zu ihrer Überraschung war Tory von der Idee angetan, sich beim ersten Versuch der Menschheit zu beteiligen, zu den Sternen zu fliegen. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr diese Vorstellung. Dieses Interesse, gepaart mit Bens plumpen Versuchen, ihr das auszureden, bewogen sie schließlich dazu, das Angebot anzunehmen – für weniger als die Hälfte der Vergütung für frisch gebackene Synergisten. Sie teilte Ben ihre Entscheidung eine Woche vor der Abschlussprüfung mit. Der darauf folgende Streit führte schließlich zu ihrer Trennung.
Zwei Wochen später hatten sie zusammen in der Halle des Raumhafens Olympus gesessen und auf die Fähre gewartet, die Ben zum interplanetarischen Liner bringen würde, der vor Deimos lag. Sie hatten Smalltalk betrieben und sich versprochen, sich jede Woche zu schreiben, obwohl beide wussten, dass das nur leere Versprechungen waren. Tory erinnerte sich an den gezwungenen Abschiedskuss mit Ben und das Gefühl der Erleichterung, als seine schlaksige Gestalt in der Einschiffungsröhre verschwand.
Das war nun schon drei Jahre her. Seitdem hatte Tory eine Reihe von Aufgaben im Starhopper-Projekt ausgeübt. Bei der letzten war sie für das Programm verantwortlich, mit dem die interstellare Raumsonde ihre jahrzehntelange Reise absolvieren würde. Weil Software das Herzstück jedes modernen Systems war, war sie de facto Bauleiterin auf Phobos. Es gab zwar noch ranghöhere Mitarbeiter, aber niemanden, der zu irgendeinem Zeitpunkt einen umfassenderen Überblick über den Projektstatus gehabt hätte.
Eine Stimme, die plötzlich aus dem Computerimplantat drang, riss sie aus ihrer kontemplativen Stimmung.
»Bist du wach da oben?«
Die Stimme gehörte Vance Newburgh, der wie Tory ein Synergist und direkt von der Hochschule weg eingestellt worden war. Seine Stimme hatte einen starken australasiatischen Akzent, der vom Implantat nicht vollständig ausgefiltert wurde.
»Ich bin wach«, knurrte sie. »Was gibt’s?«
Sie war für ihre Angewohnheit berüchtigt, einmal wöchentlich an die Oberfläche zu kommen, um sich ein Bild vom Fortschritt von Starhopper zu machen. Auf diese Weise, so sagte sie den neugierigen Fragestellern, war sie zumindest mit einem Fuß in der Realität geerdet. Für die Leute, die mit direkten Computer-Bewusstsein-Schnittstellen befasst waren, bestand jedoch das Berufsrisiko, dass sie manchmal vergaßen, was die Realität überhaupt war. Und mehr als einer war schon zu Tode gekommen, weil er vergessen hatte, dass das Konzept der Schwerkraft mehr als graue Theorie war.
»Eine Nachricht von der Universität. Professor Pierce wünscht deine Anwesenheit bei einer Krisensitzung des Regierungsausschusses.«
»Wann?«
»Heute Abend. 0800, Konferenzraum 100, Lowell Hall.«
»Ich werde per Videokonferenz teilnehmen.«
»Negativ. In der Nachricht heißt es ausdrücklich ›persönlich‹.«
»Aber das ist doch Unsinn. Weiß er denn nicht, wie viel Arbeit wir noch vor dem Start im nächsten Monat zu erledigen haben?«
»Ich vermute, er wird deine Fortschrittsberichte lesen.«
»Dann müsste er auch wissen, dass die Programm-Zertifizierung eine Woche hinter dem Zeitplan herhinkt.«
»Nichts zu machen, Partner.«
Tory wartete, bis ihr Ärger halbwegs verraucht war. »Hat er auch gesagt, worum es bei dieser Besprechung überhaupt geht?«
»Nein. Soll ich ihm sagen, dass du es nicht schaffst?«
Tory schüttelte den Kopf. Eine lebenslange Angewohnheit war schwer abzuschütteln, auch wenn Vance einen Kilometer entfernt war und die Unterhaltung in ihrem Schädel stattfand. »Negativ. Du weißt selbst, wie zerbrechlich die Koalition ist. Wie lange noch, bevor das Nachmittagsshuttle nach Olympus abfliegt?«
»Siebenundzwanzig Minuten.«
»Reserviere einen Platz für mich. Sag ihnen, sie sollen auf mich warten.«
Der Bodensteward, der den Passagieren beim Einsteigen ins Phobos-Olympus-Shuttle half, ließ den Blick über Tory Bronson schweifen, als sie zur Einschiffungsröhre ging. Er sah eine attraktive Frau von ungefähr fünfundsiebzig Standardjahren. Wie viele Marsianer war sie groß gewachsen und schlank, und die alabasterfarbene Haut war vom Sonnenlicht unberührt. Sie hatte grüne Mandelaugen, und ihr Haar war so schwarz, dass es einen Blaustich hatte. Sie trug ein Haarnetz, damit es unter der minimalen Schwerkraft von Phobos nicht die Fasson verlor. Er sah, dass ihre kecke Stupsnase über einem breiten Mund hervorragte, der ein fast natürliches Lächeln zeigte. Nur dass sie jetzt nicht lächelte. Sie hatte diesen abwesenden Blick, der charakteristisch war für in Gedanken versunkene Leute und für solche, die aktiv auf ein Computerimplantat zugriffen.
Tory hangelte sich zügig durch die Einschiffungsröhre, ohne die leichte Schwerkraft des Monds von zwei Promille eines Standard-g überhaupt zu registrieren. Sie erspähte einen leeren Platz an einem Fenster und schnallte sich an, wobei sie die Blicke der anderen Passagiere ignorierte. Der Steward verlas die Startinformationen. Sie starrte auf ihr trübes Spiegelbild im Fenster und fragte sich, was den Regierungsausschuss wohl zur Einberufung einer Krisensitzung veranlasst haben mochte. Was auch immer geschehen war, eines stand fest: Eine gute Nachricht war es nicht.
Fast genauso komplex wie die Konzeption von Starhopper war die Politik, in die das Programm eingebettet war. Die University of Olympus managte das Projekt für ein Hochschulkonsortium, während die Finanzierung von mehreren privaten Stiftungen und den Regierungen von Mars, Lagrange Drei und Vier sowie von einigen Asteroidenkolonien sichergestellt wurde. Mehrere Konzerne von der Erde hatten ebenfalls in der Hoffnung zu dem Projekt beigetragen, als Materiallieferant und Serviceanbieter ausgewählt zu werden. Für einige hatte diese Hoffnung sich erfüllt, für andere nicht.
Es war ein Arrangement, bei dem Auseinandersetzungen garantiert waren. Die hauptsächliche Funktion des Regierungsausschusses bestand darin, Streitigkeiten zu schlichten und die Kosten gerecht auf alle Instanzen zu verteilen. Aber er traf auch Entscheidungen, die man zumindest nach Torys Ansicht den Konstrukteuren hätte überlassen sollen.
Tory hatte gehofft, den Grund für die unerwartete Vorladung in einer Sichtung der Protokolle der letzten Ausschusssitzungen zu finden, und hatte sie deshalb auf dem Weg zum Raumhafen quergelesen. Eile war auch deshalb geboten, weil das Implantat nicht mehr funktionieren würde, sobald die Fähre von Phobos abgelegt hatte; die Synchronisation der Breitbandverbindung ging verloren, sobald die Fähre sich außerhalb der Reichweite des Senders befand. Tory hatte den Verlust der Synchronisation einmal geübt. Auf eine Wiederholung dieses Erlebnisses konnte sie gut verzichten.
Sie hatte schon oft versucht, Außenstehenden das Gefühl zu vermitteln, wie es war, ein Implantat zu tragen: als ob sie versucht hätte, einem Sechsjährigen Sex zu erklären. Außer einem eidetischen Gedächtnis verliehen Implantate dem Benutzer ein zusätzliches Augenpaar, das das Sehvermögen verstärkte. Als Tory auf den Starhopper-Booster schaute, sah sie mehr als nur seine physische Gestalt. Vor dem geistigen Auge vermochte sie die komplexen Rohrleitungen des Raumfahrzeugs zu visualisieren, die sich durch den Booster der ersten Stufe schlängelte. Und sie sah die unterschiedlichen Temperaturen, die sich beim Start im Raumschiff entwickeln würden. Für sie war Starhopper weniger eine Maschine denn ein lebendiges Wesen, das es kaum zu erwarten vermochte, in sein natürliches Element einzutauchen – die kalte Schwärze des interstellaren Raums.
Tory war kein bisschen schlauer, als sie die Durchsicht der Sitzungsprotokolle beendete. In der Gewissheit, dass sie zumindest nichts getan – oder unterlassen – hatte, um eine Krise auszulösen, brachte sie das Implantat zum Schweigen, lehnte sich zurück und beschloss, den Flug zu genießen.
Das Shuttle hob mit feuernden Steuertriebwerken von PhobosPort ab. Nachdem sie die innere Verkehrszone von Phobos verlassen hatten, drehte der Pilot das Schiff, bis die Nase rückwärts in die Umlaufbahn wies, die das Shuttle sich mit dem Mond teilte. Sekunden später sprangen die Triebwerke an, und Tory hatte das Gefühl, dass eine Hand sie sanft in den Sitz drückte. Nach der ersten Zündung der Bremsraketen drehte der Pilot das Schiff, um den Passagieren einen Panoramablick auf den Mars zu bieten.
Obwohl der Rote Planet nur die Hälfte des Erddurchmessers hatte, war er trotzdem groß. Phobos war einmal ein vagabundierender Asteroid gewesen. Nachdem er vom Mars eingefangen worden war – ein Ereignis, über das die Astronomen noch immer diskutierten –, hatte der kleine Mond sich in einer Umlaufbahn sechstausend Kilometer über dem rostroten Sand stabilisiert.
Es war fast zwei Jahrhunderte her, seit die ersten Menschen ihren Fuß auf den Mars gesetzt hatten und dort gestorben waren – und anderthalb Jahrhunderte seit der Gründung der ersten Marskolonie. Die Menschheit hatte aber immer noch ein gutes Stück zu gehen, bevor sie den Planeten zu besiedeln vermochte. Denn trotz der geringeren Größe hatte der Mars wegen der fehlenden Meere eine fast so große Landmasse wie die Erde. Auf dem roten Planeten lebten 250 Millionen Seelen im Vergleich zu den zehn Milliarden, die die Erde bevölkerten.
Zwanzig Minuten nach dem Start von Phobos bemerkte Tory einen kreisrunden Schatten, der sich vom Sonnenaufgangs-Terminator löste und übers Hochland von Tharsis hinwegflog. Sie runzelte die Stirn. Phobos war zwar nah genug, um einen Schatten auf den Mars zu werfen, stand aber in der falschen Position für diesen Schatten. Und Deimos war wiederum zu klein und zu weit entfernt, um überhaupt einen Schatten auf die Marslandschaft zu werfen.
Nachdem sie diese beiden Möglichkeiten ausgeschlossen hatte, verspürte Tory den Nervenkitzel eines neu entdeckten Geheimnisses. Sie beobachtete den Schatten für ein paar Sekunden, bis ein Funken reflektierten Sonnenlichts ihre Aufmerksamkeit erregte. Und dann brach die Erkenntnis über sie herein wie die statischen Entladungen, die den Marshimmel bei den sommerlichen Staubstürmen illuminierten. Die Ursache für die Reflexion war, dass Sonnenlicht von einem Lichtsegel reflektiert wurde, das in einer tieferen Umlaufbahn stand als die Fähre. Und es war der Schatten des Segels gewesen, den sie über die Marswüste hatte hinwegziehen sehen.
Lichtsegel nutzten den Druck reflektierten Sonnenlichts, um ihre Fracht durchs Sonnensystem zu transportieren. Sie waren langsam, aber auch billiger als selbst ein Schiff in einem Hohmann-Transferorbit. Dieses Segel schleppte wahrscheinlich eine Ladung Eis von den Saturnringen und nutzte die Schwerkraft des Mars für den Anflug auf den inneren Mond. Die Phobos-Raffinerie war der eigentliche Grund, weshalb Starhopper dort gebaut wurde. Diese Anlage zur Aufspaltung von Wasserstoff sollte als Quelle für die Reaktionsmasse der interstellaren Raumsonde dienen.
Das Shuttle ging in den Sinkflug, und das Lichtsegel füllte das Fenster zusehends aus. Tory wusste, dass es sich beim Segel um eine große runde, metallisierte Kunststofffolie mit einer Stärke von nur ein paar Angström handelte. Dieses Segel und seine ›Geschwister‹ waren die größten je von Menschenhand gefertigten Objekte und zugleich auch die filigransten. Das größte Segel überhaupt hatte bei einem Durchmesser von hundert Kilometern eine Masse von nur ein paar hundert Tonnen.
Tory hielt Ausschau nach dem Frachtbehälter, sah ihn jedoch nicht. Innerhalb weniger Minuten driftete die riesige Erscheinung durch ihr Sichtfeld und war dann auch schon wieder verschwunden. Sie stellte zufrieden fest, dass der Shuttlepilot einen großen Abstand zum Segel eingehalten hatte. Das monomolekulare »Segeltuch« war zwar so leicht, wie die Wissenschaftler es überhaupt zu bewerkstelligen vermochten, konnte aber bei einer Kollision mit einem Geschwindigkeitsdifferenzial von ein paar Kilometern pro Sekunde selbst ein Kriegsschiff schwer beschädigen.
Das Shuttle ging tiefer. Ein paar Minuten später kam ihr Ziel über dem scharf konturierten Horizont in Sicht. Olympus Mons war der größte Vulkan im Sonnensystem – so groß, dass er als ein Fleck in den Teleskopen der Erde erschien. Er war einer der Punkte, die Percival Lovells Unterbewusstsein zur berühmtesten optischen Täuschung in der Geschichte der Wissenschaft zusammengesetzt hatte: die berühmten Marskanäle.
Die meisten Erdbewohner waren erstaunt, wenn sie erfuhren, dass die Hauptstadt des Mars sich im Kessel eines Vulkans befand. Olympus war seinerzeit ein spektakulärer Vulkan gewesen, doch zum Glück lagen seine »besten Zeiten« schon ein paar Milliarden Jahre in der Vergangenheit. Der Olympus Mons von heute spie nichts Tödlicheres mehr aus als mit Kohlendioxid gesättigten Wasserdampf. Diese leichteren Eruptionen waren auch der Grund, weshalb die Olympus-Kolonie überhaupt gegründet worden war; denn das wertvollste Gut auf dem trockenen Mars war Wasser.
Die Fähre ging mit dem Heck voran in einen steilen Sturzflug zum Raumhafen und ignorierte den Widerstand, den die dünne Atmosphäre ihrer alles andere als aerodynamischen Form entgegensetzte. Tausend Meter über dem Raumhafen feuerten die Triebwerke der Fähre. Und Sekunden später legte sie auf einem Schweif aus Plasmafeuer eine butterweiche Landung hin.
Tory verließ die Luftschleuse und betrat eine transparente Ausschiffungsröhre, die hundert Meter weit über den glasierten Sand des Raumhafens von Olympus verlief. Hinter der Röhre wurde die Marsnacht von gleißend hellen Lichtbögen erhellt. Eine weitere Fähre lag neben dem Phobos-Shuttle; Passagiere und Gepäck strömten durch die Verbindungsröhre in die unterirdische Passage, die zum Hauptterminal führte. Tory verzog das Gesicht bei diesem Anblick. Das bedeutete nämlich, dass der wöchentliche Liner von der Erde in der Umlaufbahn stand und dass es im Raumhafen – der sowieso schon ein regelrechter Taubenschlag war – nun noch hektischer zugehen würde.
Als sie das Terminal betrat, befahl Tory dem Implantat, sich mit dem Computer von Olympus City zu synchronisieren. Nachdem sie das Verbindungssignal erhalten hatte, schickte sie eine Mitteilung an Dardan Pierce.
»Hallo, Tory«, kam sofort die Antwort. »Wo steckst du denn?«
»Am Raumhafen.«
»Gut, dann komm möglichst schnell her. Die anderen werden schon vor dir da sein.«
»Was gibt’s denn, Dard?«
»Das musst du schon Hunsacker fragen«, ertönte die knappe Antwort. »Er hat die Besprechung schließlich angesetzt.«
»Aber er ist doch auf der Erde.«
»Nein, seit heute Mittag ist er nicht mehr dort. Er ist in meinem Büro aufgetaucht und hat mich gebeten, alle erreichbaren Personen zu kontaktieren.«
»In Ordnung, bin schon unterwegs.«
»Noch etwas«, sagte Pierces lautlose Stimme. »Hunsacker hat ein paar Leute mitgebracht.«
»Wen denn?«
»Praesert Sadibayan, einen Staatssekretär für Wissenschaft in der Hoffenzoller-Administration, und seinen Assistenten. Ich möchte, dass jeder sein bestes Benehmen an den Tag legt. Pierce Ende.«
»Bronson Ende«, erwiderte Tory abwesend.
Ein Fahrzeug setzte sie eine halbe Stunde später an der University Station ab. Wie die meisten Anlagen auf dem Mars war auch die University of Olympus überwiegend unter der Oberfläche angelegt. Auf Bodenhöhe wurde sie von einer großen Kuppel überwölbt; sie war mit Tauen verankert, die aus den monomolekularen Fasern gesponnen waren, welche auch für die Herstellung der Lichtsegel verwendet wurden. Der kürzeste Weg von der U-Bahn-Station zu Pierces Büro verlief durch eine Reihe unterirdischer Gänge, doch nach fast einem Jahr auf Phobos beschloss Tory, einen kurzen Umweg zu machen und durch die Kuppel zu gehen.
Die Kuppel beherbergte den Hochschulcampus: einen Komplex aus Pfaden, Blumenrabatten und terrestrischen Büschen, die im leichten Schwerefeld des Mars überdimensional wucherten. Tagsüber wimmelte es im Park von Studenten, die von einer Vorlesung zur anderen eilten. Und nachts war er nicht weniger bevölkert, auch wenn es nicht den Anschein hatte. Nach Sonnenuntergang erstrahlte die Oberflächenkuppel in bunten Pastelltönen und wurde von einem Geruch nach Kräutern durchdrungen. Das machte sie zu einem bevorzugten Ort für Paare, die dort Intimität pflegen wollten. Und im Zentrum des Parks sprudelte eine der wenigen Wasserquellen auf dem Mars. Die niedrige Gravitation sorgte für einen spektakulären Anblick und versorgte zugleich die Pflanzen mit der erforderlichen Feuchtigkeit.
Als Tory die Treppe erreichte, die zur astrophysikalischen Abteilung hinabführte, atmete sie die aromatische Luft ein letztes Mal ein. Die Vorlesungen waren schon seit Stunden zu Ende, sodass die Korridore nun verlassen waren. Ihre Phobos-Stiefel verursachten klickende Geräusche auf dem glasierten Felsboden. Dieses Klicken hallte auf ganzer Länge der leeren Korridore wider. Dann bog sie in einen Seitengang ein und sah Licht durch eine durchscheinende Bürotür am anderen Ende fallen.
»Tory, Gott sei Dank!«, sagte Pierce, als sie an die Tür klopfte. Er war ein Mann mit schütterem Haar, einem intensiven Blick und viel Charisma. Der Astrophysiker war mit Anfang fünfzig noch immer ein agiler Mann. Sein Enthusiasmus war ansteckend, vor allem was das Starhopper-Projekt betraf.
Das Büro war noch so, wie sie es in Erinnerung hatte. Ausdrucke und Datenwürfel waren überall verteilt. Eine Wand war mit Hologrammen tapeziert, die Pierce und mehrere Kameraden in Siegerpose vor irdischen Wahrzeichen zeigten – Souvenirs seiner langen Jagd nach Geld zur Finanzierung des Projekts.
»Was liegt an, Dard?«
»Was meinst du?«
»Schau mich nicht so doof an. Um eine Programmvalidierung zu unterbrechen, muss bei dir doch mindestens ein Notfall der Stufe eins vorliegen. Und du hättest die Arbeit schon gar nicht auf Hunsackers Aufforderung hin unterbrochen, wenn du nicht wüsstest, was los ist.«
»Schuldig im Sinne der Anklage«, sagte er. »Du bist hier, um einen Fortschrittsbericht zu geben.«
»Wir legen doch tägliche Fortschrittsberichte vor, wöchentliche Fortschrittsberichte und monatliche Zusammenfassungen! Wünscht der Ausschuss jetzt vielleicht auch noch stündliche Berichte?«
»Man ist mehr an deiner persönlichen Sichtweise des Projekts interessiert. In deiner Position hast du nämlich ein besseres Gefühl für die Entwicklung der Dinge als irgendjemand sonst.«
»Kannst du mir nicht wenigstens einen Tipp geben?« Als Tory die Frage stellte, wunderte sie sich über Pierces Gesichtsausdruck. Man vermochte sich kaum vorzustellen, dass von jemandem mit einem solchen Funkeln im Auge eine schlechte Nachricht kam. Es war wie der Blick eines Kindes vor der Weihnachtsbescherung.
»Nee. Nur damit ich nicht unangenehm überrascht werde, wie laufen die Vorbereitungen?«
»Du hast doch die Berichte gelesen.«
»Sag’s mir trotzdem.«
»In Ordnung.« Tory gab ihm einen kurzen Überblick über das, was sie in der letzten Woche oder so erreicht hatten. Die Arbeit bestand überwiegend aus Programmprüfungen, die sie nicht zu beschleunigen vermochten.
»Hört sich so an, als ob du den Zeitplan wieder einhalten würdest.«
»Das würde ich auch, wenn ich nicht ständig unterbrochen würde. Gib mir noch einen Monat, und ich werde dir ein raumtüchtiges Schiff präsentieren.«
Pierce antwortete nicht sofort, und Tory bemerkte den gleichen Blick der Vorfreude, den er schon vor ein paar Minuten gehabt hatte. Als er dann etwas sagte, beinhaltete es den Vorschlag, zum Konferenzraum zu gehen.
Konferenzraum 100 war so groß, dass ein Dutzend Teilnehmer Platz an einem ovalen Tisch fanden. Der Raum war bereits gefüllt, als die beiden eintrafen: Das Leitungsgremium des Projekts und Personal standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich. Die Szene erinnerte an eine Fakultätsfeier.
»Tory, ich möchte dir Boris Hunsacker vorstellen, den Projektkoordinator auf der Erde«, sagte Pierce, nachdem er sie zu einer der Gruppen gelotst hatte. »Boris, das ist Tory Bronson, von der Sie schon so viel gehört haben.«
»Ich freue mich, endlich einmal Ihre Bekanntschaft zu machen, Boris.« Hunsacker war kleiner, als Tory ihn sich aufgrund von Pierces Erzählungen vorgestellt hatte. Sie reichte ihm die Hand.
»Ganz meinerseits, Tory.« Er verwandelte den Handschlag in einen Handkuss. »Ich muss gestehen, dass ich Sie beneide. Der Rest von uns sind Politiker und Erbsenzähler. Aber Sie arbeiten wirklich an der ersten interstellaren Raumsonde der Menschheit.«
Tory lachte. »Sie klingen ja wie ein Ingenieur, Boris.«
Sie erntete ein Lächeln. »Ich habe leider schon seit vielen Jahren nicht mehr als Ingenieur gearbeitet. Aber das Faible für die Technik zum Anfassen habe ich wohl immer noch nicht verloren.«
»Ich würde Sie gern einmal herumführen, wenn Sie auf dieser Reise auch nach Phobos kommen.«
»Ist das eine generelle Einladung?«, ertönte eine bekannte Stimme hinter ihr. Gleichzeitig erwachte ihr Implantat zum Leben. »Wie geht’s, altes Haus?«
Tory drehte sich um und schnaufte erstaunt. Ben Tallen stand – mit einem Grinsen im Gesicht – direkt hinter ihr.
»Ben! Was machst du denn hier?« – »Und wieso hast du mir nicht gesagt, dass du auch kommst, du doofe Nuss?«
»Ich bin der Begleiter des Staatsministers. Ich bin sein Assistent.« – »Vielleicht gehen wir etwas trinken, wenn das hier vorbei ist?«
»Würde mich freuen.« – »Seit wann? Ich dachte, du würdest für Tramton Industries arbeiten?«
»Schon seit ungefähr einem Jahr nicht mehr. Ich finde den Politzirkus viel interessanter.«
»Ich nehme an, dass Sie beide sich kennen«, sagte Pierce und musterte die beiden.
»Wir sind alte Freunde, Professor«, erwiderte Tallen. Dabei sah er, wie ein kleiner dunkler Mann auf der anderen Seite des Raums eine Geste in seine Richtung machte. »Entschuldigen Sie mich bitte. Der Boss will etwas von mir. Möchtest du ihn kennenlernen, Tory?«
»Na klar.«
Die beiden bahnten sich einen Weg zum anderen Ende des Raums. »Tory, darf ich dir meinen Chef vorstellen, Praesert Sadibayan, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium. Sir, Miss Victoria Bronson. Ich glaube, ich hatte sie Ihnen gegenüber schon einmal erwähnt.«
»Aber ja, mindestens hundertmal«, erwiderte Sadibayan mit einem Grinsen. »Sie haben diesem jungen Mann das Herz gebrochen, Miss Bronson.«
»Das bezweifle ich, Herr Staatssekretär.«
»Es ist die Wahrheit! Er hatte sich auf der ganzen Reise immer nur gefragt, ob er die Gelegenheit hätte, Sie wiederzusehen.«
Sie wandte sich an Ben. »Wirklich?«
Er nickte. »Wenn du heute Abend nicht hier gewesen wärst, hätte ich das erste Phobos-Shuttle genommen.«
»Ich fühle mich geschmeichelt.«
Sadibayan wandte sich seinem Assistenten zu. »Sehen Sie, Ben. Es ist ganz einfach; Sie müssen nur ehrlich zu den Frauen sein.«
»Ich wünschte nur, ich hätte Ihr Talent, Sir«, erwiderte Tallen mit gespielter Demut.
Die lebhaften Unterredungen um sie herum wurden vom Läuten unterbrochen, das den Beginn einer neuen Vorlesung ankündigte. Dard bat alle Anwesenden, sich zu setzen. Dann bedeutete er Tory, auf dem Stuhl neben ihm Platz zu nehmen.
Pierce stellte die Teilnehmer vor. Außer Boris Hunsacker und den beiden Repräsentanten der Erdregierung erfuhr Tory zu ihrer Überraschung, dass auch ein Vertreter des Mars-Parlaments anwesend war.
»Sie sind dran, Boris«, sagte Pierce.
»Vielen Dank, Professor Pierce«, sagte der terrestrische Projekt-Repräsentant. Er verschob nervös ein paar Computerausdrucke, bevor er fortfuhr. »Sie werden sich sicher fragen, aus welchem Anlass wir uns überhaupt hier versammelt haben. Ich will Sie deshalb auch nicht länger auf die Folter spannen. Allerdings muss ich Ihnen zuvor noch ein paar Hintergrundinformationen geben; also haben Sie bitte Nachsicht mit mir. Licht aus, Würfel an!«
Diese letzte Aufforderung war an den Raumüberwacher gerichtet, der gehorsam die Lichter dimmte und den Holowürfel aktivierte, der in der Mitte des Tischs lag. Der Würfel zeigte eine altmodische zweidimensionale Fotografie. Es war das Bild eines Sternenfelds mit einem gelben Lichtpunkt in der Mitte; darüber hinaus waren noch ein paar andere Sterne über die Darstellung verteilt.
»Dies, meine Damen und Herren, ist eine Fotografie von Tau Ceti, die gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommen wurde. Damals war Tau Ceti ein gelboranger Zwergstern vom Typ K0 und außer der Nähe zur Sonne eigentlich nicht der Rede wert. Er ist nur zwölf Lichtjahre von hier entfernt, praktisch an der nächsten Tür.«
Die Szenerie änderte sich. Die Darstellung im Würfel war wieder zweidimensional. Es handelte sich offensichtlich um dasselbe Sternenfeld, denn die Verteilung der Sterne war im Wesentlichen die gleiche. Nur der zentrale Lichtpunkt hatte sich verändert. Er war nun gleißend weiß.
»Dies wurde am 25. August 2001 aufgenommen. Das war der Tag, an dem Tau Ceti sich in eine Nova verwandelt hat. Das Ereignis hat für ziemliches Aufsehen bei den Astronomen gesorgt. Wie die Sonne war Tau Ceti nämlich noch in der Hauptreihe, als sie explodierte, und Hauptreihensterne dürften sich eigentlich nicht so verhalten. Wir haben bis heute auch keine Theorie, die erklären würde, weshalb ein Stern wie Tau Ceti überhaupt explodieren konnte. Der Umstand, dass er explodiert ist, legt jedoch nahe, dass unsere diesbezüglichen Theorien einer Revision unterzogen werden müssen.«
»Ist bei dieser Nova denn nicht noch eine Anomalie aufgetreten?«, fragte Roger Aaron. Aaron war Mitglied im Fachschaftsausschuss der University of Olympus und darüber hinaus Archivar des Regierungsausschusses.
»Das stimmt. Aus den ersten Aufzeichnungen von der Nova ging hervor, dass die Strahlungsleistung der Nova um ein paar Prozent zu schwach war. Jedoch waren diese Werte möglicherweise falsch, denn spätere Beobachtungen haben gezeigt, dass die Lichtkurve sich noch innerhalb des Toleranzbereichs für eine Nova des Typs zwei befand.«
»Das ist ja alles sehr interessant, Boris«, sagte ein Ausschussmitglied. »Aber was hat das nun mit uns zu tun?«
Hunsackers Antwort bestand darin, die Steuerung des Würfels zu betätigen. Die Nova-Explosion verschwand vom Bildschirm und wurde von einer modernen holographischen Abbildung ersetzt. Wieder war die Darstellung um dieses Sternenfeld zentriert, doch Tau Ceti war kein loderndes Feuer mehr. Das Zentralgestirn war zu diesem gelben Funken geschrumpft, der der Nova vorangegangen war. Dieser Funke wurde nun von einem milchig weißen Lichtring umgeben, der die größte Ausdehnung der Gaswolke markierte, die durch die Explosion vor zwei Jahrhunderten entstanden war. Und es befand sich ein neuer Lichtpunkt im Hologramm. Ein weiterer gelber Funke war direkt hinter der Gaswolke erschienen.
»Was ist das denn?«, fragte Sharon Milos und deutete auf den Punkt.
»Das«, erwiderte Hunsacker triumphierend, »ist der Grund für diese Besprechung. Dieses Holo ist vor zwei Wochen von der Sternwarte auf Luna aufgenommen worden. Das Spektrum entspricht dem von Sol, allerdings mit einer leichten Dopplerverschiebung zum blauen Ende des Spektrums.« Hunsacker legte eine Pause ein, damit die Anwesenden die Weiterungen seiner Worte zu erfassen vermochten. Alle Gesichter am Tisch hatten einen perplexen Ausdruck, der sich langsam in einen des Staunens verwandelte.
»Ein Lichtsegel!«, rief Tory in Erinnerung an das Funkeln im Sonnenlicht, das sie aus dem Fenster der Phobos-Fähre gesehen hatte.
»Ein Lichtsegel«, pflichtete Hunsacker ihr bei. »Es ist uns gelungen, mit dem Teleskop auf Europa eine Dreieckspeilung vorzunehmen. Es ist zwei Lichtmonate weit entfernt und bewegt sich mit fünf Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Sein Ursprung ist höchstwahrscheinlich die Tau-Ceti-Nova.
Meine Damen und Herren, es hat den Anschein, als ob wir in Kürze unseren ersten Besucher von einem anderen Stern empfangen dürfen!«
Es herrschte für fast eine Minute verblüfftes Schweigen im Konferenzraum, bevor jemand etwas sagte. Diese Person war Carse Groschenko, seines Zeichens pensionierter Astronom und für die Projektaufsicht zuständig.
»In den Nachrichten kam aber kein Wort davon!«
»Dafür hat mein Vorgesetzter gesorgt«, erwiderte Sadibayan. »Minister de Pasqual hat darum gebeten, dass die Mondbewohner nichts von ihrer Entdeckung verlauten lassen, bis ich mit ihnen gesprochen habe.«
»Und sie haben auf ihn gehört?«
Sadibayan zuckte die Achseln. »Ein beträchtlicher Teil des Budgets für den Betrieb des Luna-Observatoriums wird von meiner Abteilung verwaltet. Das muss wohl eine gewisse Entscheidungshilfe gewesen sein. Und ich muss Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass dies eine Entdeckung der Mondbewohner ist und dass ihnen deshalb die Ehre dieser Mitteilung gebührt. Nichts von dem, was Sie hier erfahren, darf den Raum verlassen. Einverstanden?«
Ein Raunen der Zustimmung ging um den Tisch. Es war eine Tradition der Wissenschaft, dass diejenigen, die eine große Entdeckung machten, auch den Zeitpunkt und die Art und Weise bestimmten, wie ihre Ergebnisse an die Öffentlichkeit gelangten. Es war eine Tradition, die einigen peinlichen PR-Pannen in der Vergangenheit entsprungen war.
»Sie behaupten also, dass wir bald außerirdische Besucher hätten?«, fragte Tory.
Sadibayan schüttelte den Kopf. »Nun, das stimmt nicht ganz. Das Raumfahrzeug wird keine Besatzung mehr haben; allenfalls eine tote Besatzung nach zweihundertfünfzig Jahren im Weltraum. Es handelt sich vielleicht um eine Frachtkapsel, die durch die Nova von Tau Ceti weggeschleudert wurde oder um eine Botschaft der intelligenten Spezies, die in der Nova umgekommen ist!«
»Der Drang, sich ein Denkmal zu setzen, muss in jedem denkenden Wesen stark verankert sein«, murmelte Pierce.
Die Ereignisse überschlugen sich förmlich. Zuerst der Schock, als man erfahren hatte, dass die Menschheit nicht allein im Universum war, unmittelbar gefolgt von der Erkenntnis, dass die Wesen, die das Lichtsegel erschaffen hatten, tot waren. Tory hatte eine Vision von zum Untergang verurteilten Intelligenzen, die verzweifelt versuchten, ihre Arche loszuschicken, bevor Tau Ceti explodierte. Diese Vision war so lebendig, dass sie Hunsackers Frage beinahe überhörte.
»Wie schnell kann Starhopper startklar gemacht werden?«
Tory starrte ihn für eine Weile verständnislos an. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, weshalb man den Regierungsausschuss zu dieser Krisensitzung einberufen hatte.
»Sie haben vor, Starhopper zu einer Begegnung mit dem Alien zu entsenden?«
»Natürlich.«
»Aber das können Sie doch nicht machen!«
»Und wieso nicht?«
»Starhopper ist die einzige interstellare Raumsonde, die wir haben. Wir dürfen sie nicht aufs Spiel setzen. Wer weiß, wann wir in der Lage wären, die Ressourcen für den Bau einer neuen Sonde zusammenzukratzen. Entsenden Sie ein anderes Schiff, um das Lichtsegel abzufangen. Und lassen Sie Starhopper den Auftrag ausführen, für den sie entwickelt wurde.«
»Das ist leider unmöglich«, sagte Hunsacker. Er betätigte die Steuerung des Würfels. Das Sternenfeld verschwand und wurde von einer Darstellung ersetzt, in der zwei farbige Linien in einem dreidimensionalen Gitter hingen. Eine Kurve war steil nach oben gerichtet, während eine zweite mit einer viel geringeren Steigung folgte.
»Die rote Linie bildet die Zunahme in der beobachteten Stärke der Tau-Ceti-Nova über die ersten zwei Wochen nach der Explosion ab. Fünf Tage nach der ersten Explosion hatte die Strahlungsleistung von Tau Ceti sich um das Hunderttausendfache erhöht. Die blaue Linie zeigt die errechnete Geschwindigkeit eines hypothetischen Lichtsegels, das von einer solchen Explosion erfasst wurde.«
»Und was soll damit bewiesen werden?«, fragte Tory mit einem Blick auf den Holowürfel.
»Dass die Geschwindigkeit des Lichtsegels das Resultat des Ausstoßes durch die Nova ist. Wäre es nämlich gestartet, als Tau Ceti noch ein normaler Stern war, hätte seine Geschwindigkeit weniger als ein Prozent der Lichtgeschwindigkeit betragen. Das bedeutet, dass der Lichtdruck von der Sonne nicht ausreicht, um das Segel stark zu verlangsamen. Es wird in vierzig Monaten im inneren System eintreffen, in ein paar Tagen von einer Seite des
Titel der amerikanischen Originalausgabe THE SAILS OF TAU CETI Deutsche Übersetzung von Martin Gilbert
Deutsche Erstausgabe 11/08 Redaktion: Werner Bauer
Copyright © 1992 by Michael McCollum Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbHwww.heyne.de
Umschlagbild: Volkan Baga Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels
eISBN 978-3-641-08141-6
www.randomhouse.de
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