Die Sklavin und andere Erzählungen - Friedrich Gerstäcker - E-Book

Die Sklavin und andere Erzählungen E-Book

Friedrich Gerstäcker

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Beschreibung

Friedrich Gerstäcker (1816 - 1872) ist vor allem für seine Reiseerzählungen über Nordamerika bekannt. Der junge Friedrich war ein begeisterter Leser von Daniel Defoes Roman "Robinson Crusoe" sowie der ersten Lederstrumpferzählungen von James Fenimore Cooper und gründete seine Vorstellung von der Neuen Welt gerade auf diese Lektüre. Er bereiste mehrmals in teils langjährigen Reisen die bekannte - und auch noch unbekannte - Welt und schrieb spannende und sehr detailfreudige Geschichten und Bereiche, die auch heute auf vortrefflichste unterhaltsam sind. Dieses Buch enthält neben der titelgebenden Kurzgeschichte noch folgende Erzählungen: "Der erkaufte Henker", "Der Fischfang am Mississippi", "Die Wolfsglocke", "Die Silbermine in den Ozarkgebirgen", "Der Osage" und "Die Vertreibung der Mormonen aus Missouri". 1. Auflage Umfang: 158 Normseiten bzw. 169 Buchseiten

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Friedrich Gerstäcker

Die Sklavin

und andere Erzählungen

Friedrich Gerstäcker

Die Sklavin

und andere Erzählungen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954180-64-6

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Au­tor

Die Skla­vin

Der er­kauf­te Hen­ker

Der Fisch­fang am Mis­sis­sip­pi

Die Wolfs­glo­cke

Die Sil­ber­mi­ne in den Ozark­ge­bir­gen

Der Osa­ge

Die Ver­trei­bung der Mor­mo­nen aus Mis­sou­ri

Dan­ke

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Autor

Fried­rich Ger­stäcker (* 10. Mai 1816 in Ham­burg; † 31. Mai 1872 in Braun­schweig) war ein deut­scher Schrift­stel­ler. Er ist vor al­lem durch sei­ne Bü­cher über Nord­ame­ri­ka be­kannt; sei­ne Best­sel­ler wa­ren Die Re­gu­la­to­ren von Ar­kan­sas (1846) und Die Fluß­pi­ra­ten des Mis­sis­sip­pi (1847).

Fried­rich Ger­stä­cker wur­de in Ham­burg als Sohn des Opern­sän­gers Sa­mu­el Fried­rich Ger­stä­cker (1790--1825) und sei­ner Frau Frie­de­ri­ke ge­bo­ren.

Ger­stä­cker war ein be­geis­ter­ter Le­ser von Da­niel De­foes Ro­man Ro­bin­son Cru­soe so­wie der ers­ten Le­der­strump­fer­zäh­lun­gen von Ja­mes Fe­ni­mo­re Cooper und grün­de­te sei­ne Vor­stel­lung von der Neu­en Welt ge­ra­de auf die­se Lek­tü­re.

1837 reis­te er erst­mals in die USA und ar­bei­te­te in ver­schie­de­nen Be­ru­fen (als Hei­zer, Ma­tro­se, Jä­ger, Far­mer, Koch, Sil­ber­schmied, Holz­fäl­ler, Scho­ko­la­den­er­zeu­ger, Ho­te­lier). Da ihm das städ­ti­sche Le­ben nicht zu­sag­te, führ­te er das auf­re­gen­de Le­ben ei­nes Jä­gers. Sei­ne Ta­ge­buchauf­zeich­nun­gen aus Ame­ri­ka schick­te er sei­ner Mut­ter, die sie an Be­kann­te wei­ter­gab.

Nach sechs aben­teu­er­li­chen Jah­ren, in de­nen er von Ka­na­da bis Texas und von Ar­kan­sas bis Loui­sia­na den Sub­kon­ti­nent durch­wan­dert hat­te, kehr­te er vol­ler Ta­ten­drang 1843 nach Deutsch­land zu­rück. Er ließ sich in Dres­den nie­der, fer­tig­te Über­set­zun­gen be­kann­ter Au­to­ren aus dem Eng­li­schen an und ver­öf­fent­lich­te sei­ne ers­ten schrift­stel­le­ri­schen Ar­bei­ten in ver­schie­de­nen Zeit­schrif­ten.

Die Re­gu­la­to­ren in Ar­kan­sas und Die Fluß­pi­ra­ten des Mis­sis­sip­pi be­grün­de­ten sei­nen schrift­stel­le­ri­schen Er­folg, Ger­stä­cker konn­te sei­nen Le­bens­un­ter­halt künf­tig als Frei­er Schrift­stel­ler sehr gut be­strei­ten.

1845 hei­ra­te­te er Anna Au­ro­ra Sau­er, die Toch­ter ei­nes Kunst­ma­lers aus Dres­den. Auch für die deut­schen po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se be­saß er ein wa­ches Auge und be­ob­ach­te­te die Er­eig­nis­se der Re­vo­lu­ti­on von 1848 sehr ge­nau. 1849 un­ter­nahm der jun­ge Fa­mi­li­en­va­ter eine wei­te­re Rei­se über den »großen Teich«, die ihn dies­mal nach Süd­ame­ri­ka, Ka­li­for­ni­en, Ta­hi­ti und Aus­tra­li­en führ­te und von der er erst 1852 wie­der nach Eu­ro­pa zu­rück­kam. Er schlug sich un­ter­wegs auf aben­teu­er­li­che Wei­se durch, sei­ne Fa­mi­lie wuss­te er durch die in­zwi­schen ver­öf­fent­lich­ten Wer­ke fi­nan­zi­ell ab­ge­si­chert.

1860 trat er eine Rei­se nach Süd­ame­ri­ka an, von der er 1861 zu­rück­kehr­te, in dem Jahr, in dem auch sei­ne Frau starb. Mit ei­ner Rei­se­ge­sell­schaft des Her­zogs Ernst II. von Co­burg-Go­tha be­gab er sich 1862 auf eine wei­te­re Rei­se, dies­mal nach Ägyp­ten. Im nächs­ten Jahr hei­ra­te­te er ein zwei­tes Mal, die 19-jäh­ri­ge Nie­der­län­de­rin Ma­rie Lui­se Fi­scher van Gaas­beek.

Zu sei­ner letz­ten großen Rei­se brach Ger­stä­cker 1867 auf, de­ren Rou­te von Nord­ame­ri­ka, Me­xi­ko über die West­in­di­schen In­seln und Ve­ne­zue­la ging. Da­nach ließ er sich in Braun­schweig nie­der und nahm noch als Kriegs­be­richt­er­stat­ter am Deutsch-Fran­zö­si­schen Krieg von 1870/71 teil.

Fried­rich Ger­stä­cker starb im Al­ter von 56 Jah­ren in Braun­schweig mit­ten in den Rei­se­vor­be­rei­tun­gen für eine Rei­se nach Asi­en und In­di­en nach ei­nem Hirn­schlag.

Die Sklavin

Das Mail- oder Post­boot war eben von New-Or­leans an­ge­langt und über die von dem­sel­ben an’s Ufer ge­scho­be­ne Plan­ke ström­ten in un­un­ter­bro­che­nem Zuge fast alle Ge­schäfts­leu­te und Mü­ßig­gän­ger der klei­nen Stadt Bay­ou Sa­rah an Bord, um teils für sie an­ge­kom­me­ne Brie­fe und Packe­te in Empfang zu neh­men, teils ihre Neu­gier­de zu be­frie­di­gen und an dem zier­lich aus­ge­schmück­ten Schenk­stan­de ein Glas Bran­dy und Eis­was­ser zu schlür­fen.

Der Ca­pi­tain des Post­boots, ein klei­ner Fran­zo­se mit grau­em Rock, schwar­zem Filz­hut und au­ßer­or­dent­lich blank ge­wichs­ten Stie­feln, schi­en über­all zu sein, und wäh­rend ihm große Schweiß­trop­fen an der ge­röte­ten Stirn glänz­ten, schimpf­te er in fürch­ter­lich ge­bro­che­nem Eng­lisch auf Gott und die Welt, vor­züg­lich aber auf den Post­meis­ter, der ihm aus sei­nem Comp­toir, eben als er kaum den Rücken ge­wandt, ein Packet Brie­fe in zu großem Amtsei­fer ent­führt und mit hin­auf auf die Post ge­nom­men hat­te.

»God dam him!« wet­ter­te der klei­ne Mann, mit der Faust auf das grün­be­schla­ge­ne Pult nie­der­schla­gend, daß die Tin­te hoch em­por spritz­te -- »was hat der Pflas­ter­schmie­rer (der Post­meis­ter hat­te zu glei­cher Zeit eine Apo­the­ke und einen Kram­la­den und ließ sich gern ›Doc­tor‹ nen­nen) in mei­nem Comp­toir zu su­chen? Schleppt Brie­fe hin­auf, eh? Denkt nach­her Wun­der, was er ge­tan hat; aber war­t’ -- Du kommst mir wie­der.«

»Ca­pi­tain! Brie­fe für mich an­ge­kom­men?« frag­te ein jun­ger schlan­ker Mann, dem Er­zürn­ten la­chend da­bei auf die Schul­ter klop­fend.

»Geht in die Höl­le oder zum Quack­sal­ber hin­auf!« fluch­te die­ser wei­ter, ohne sich nur die Mühe zu neh­men, her­um­zu­schau­en, wer ihn an­ge­re­det habe.

»Hal­lo! was ist wie­der im Wind?« lach­te der jun­ge Pflan­zer -- »die Kes­sel voll zum Zer­plat­zen? Dampf ge­nug, um drei ge­wöhn­li­che Boo­te in die Luft zu bla­sen! im­mer noch der Alte. Ihr Fran­zo­sen seid doch son­der­ba­res Volk; gleich Feu­er und Flam­me, wie Du­pont’s Schieß­pul­ver!«

»Der Post­meis­ter hat die Brie­fe mit hin­auf­ge­nom­men,« ant­wor­te­te der Buch­hal­ter statt des Ca­pi­tains.

»Dam him!« rief die­ser und warf die Glas­tür hin­ter sich in’s Schloß, daß die Schei­ben klirr­ten.

»Ne­ver mind,« sag­te der Pflan­zer, »er will gern sei­ne Vier­tel-Dol­lars da­für zie­hen -- Al­les zu On­kel Sam’s1 Bes­ten, ’s ist ein gar un­ei­gen­nüt­zi­ger Mann, ich ken­ne ihn wohl; wer einen Brief ab­holt, muß auch eine Klei­nig­keit im La­den kau­fen, oder eine Schach­tel Me­di­cin mit­neh­men. Doch ich will hin­ge­hen und se­hen, ob et­was für mich an­ge­kom­men ist.«

Da­mit trat er hin­aus auf den Gang, stieg die Ka­jü­ten­trep­pe hin­un­ter und war eben über die Plan­ke an’s Ufer ge­sprun­gen, als er eine Hand auf sei­ner Schul­ter fühl­te und ihn eine freund­li­che, wohl­be­kann­te Stim­me an­re­de­te:

»Hoho, Ned, wo­hin so ei­lig? rennst Du doch, als ob Du von ei­ner Wahl kämst und die wich­tigs­ten Neu­ig­kei­ten mit­bräch­test!«

»Gu­ston! bei al­len Teu­feln und En­geln der vier Ele­men­te,« rief der also An­ge­re­de­te in freu­di­gem Er­stau­nen aus, -- »Gu­ston! aber wie um des Him­mels wil­len kommst Du denn jetzt hier­her, wo ich Dich ehr­bar und fest in Connec­ti­cut an­ge­sie­delt glaub­te; hast Du die öst­li­chen Staa­ten schon satt?«

»Voll­kom­men, mein al­ter Jun­ge, voll­kom­men,« ent­geg­ne­te Gu­ston -- »der Böse hole die frei­en Staa­ten; ein Pflan­zer kann nun ein­mal da nicht exis­tie­ren, wo kein Skla­ven­han­del ist. Ich hat­te erst al­ler­lei phan­tas­ti­sche Ide­en von der Frei­heit und Gleich­heit der Men­schen,« fuhr er fort, als er sei­nen Arm in den des jun­gen Man­nes hing und mit ihm an das Ufer hin­auf­schlen­der­te -- »ich glaub­te es eine Sün­de, mei­nen ›schwar­zen Bru­der‹, wie die Metho­dis­ten sa­gen, zu schin­den und zu pla­gen, bat da­her mei­nen Al­ten um Rei­se­geld und ging nach New-York. Von dort aus schrieb ich Dir, daß ich ge­son­nen sei, mir ein Land­gut zu kau­fen und mich im Nor­den des Staats, oder in Connec­ti­cut, zwi­schen den dort ein­ge­wan­der­ten ge­müt­li­chen Penn­syl­va­ni­ern nie­der­zu­las­sen. Es war da­mals mei­ne Ab­sicht, und hät­te ich es ge­tan, so stän­den wir jetzt nicht hier auf loui­sia­ni­schem Grund und Bo­den zu­sam­men; ge­ra­de da­mals lern­te ich aber einen jun­gen Mann ken­nen, dem ich mich an­schloß und des­sen in­ti­mer Freund ich wur­de, so daß ich, da er in Ge­schäf­ten nach Eu­ro­pa muß­te, mit ihm ging und mit dem Gre­at Wes­tern hin­über nach dem ›al­ten Lan­de‹ se­gel­te.«

»So bist Du in­des­sen in Eu­ro­pa ge­we­sen?« un­ter­brach ihn er­staunt der jun­ge Pflan­zer.

»Ge­wiß,« nick­te Gu­ston, »in Eng­land, Ir­land und Deutsch­land; durch die ers­ten bei­den Län­der be­glei­te­te ich mei­nen neu­ge­fun­de­nen Freund, bis die­ser sich plötz­lich in ein ir­län­di­sches Mäd­chen, und zwar so ra­send ver­lieb­te, daß er in vier Wo­chen Hoch­zeit hielt, ge­gen­wär­tig mit al­len mög­li­chen al­ten Squi­res und jun­gen Gent­le­men nach Füch­sen und Kirchtür­men rennt, über alle nur auf­zu­fin­den­den He­cken, Grä­ben und Mau­ern weg­setzt, und sich jetzt, wenn er nicht un­ter der Zeit den Hals ge­bro­chen hat, ganz wohl be­fin­det. Ich selbst hat­te es da bald satt, ging zu­rück nach Eng­land und ließ mich von da nach Deutsch­land über­set­zen. Dort hat­te ich Ge­le­gen­heit, das Le­ben der un­te­ren Volks­klas­sen, das Le­ben der Ar­men ken­nen zu ler­nen, und, Ned, von dem Au­gen­blick an be­dau­er­te ich un­se­re Skla­ven nicht mehr. Es muß hart sein, die Frei­heit zu ver­lie­ren und der Will­kür ei­nes oft viel­leicht zu stren­gen Herrn preis­ge­ge­ben zu wer­den; aber das Elend, das ich dort ge­se­hen, die Nah­rungs­sor­gen der Un­glück­li­chen, vor de­ren Au­gen die ei­ge­nen Kin­der dar­ben und ver­der­ben; der Frost noch dazu im Win­ter, wo der Va­ter, der ein­zi­ge Brot­ver­die­ner, ein­ge­ker­ker­t wird, wenn er den Jam­mer zu Hau­se nicht mehr mit an­schau­en moch­te und in den Wald ging, um ein paar Zwei­ge ab­zu­bre­chen und die Sei­ni­gen we­nigs­tens zu er­wär­men, wenn er sie nicht sät­ti­gen konn­te -- der ein­ge­bil­de­te, förm­lich wahn­sin­ni­ge Stolz des Adels da­bei, ge­gen­über den un­glück­li­chen Ar­men -- und au­ßer­dem noch eine ›ge­setz­li­che‹ Will­kür, die dem Un­glück­li­chen mit dem vol­lem Pomp und Schein of­fen­ba­rer Ge­rech­tig­keit mit gie­ri­gen Hän­den das Letz­te nimmt und dem Ver­nich­te­ten in der Pracht und dem Lu­xus der Gro­ßen wie zum Hohn al­les Das zeigt, was er eben ent­beh­ren muß, nicht ein­mal im Stan­de, sei­ne Kin­der so zu füt­tern, wie die Hun­de der Gro­ßen ge­füt­tert wer­den -- das, Ned, füll­te mich mit Ekel und Über­druß, und ich kann Dir ge­ste­hen, ich war froh, als ich das ›al­te Lan­d‹ wie­der hin­ter mir hat­te. Es mag de­nen dort zu­sa­gen, die es ihre Hei­mat nen­nen, der Es­ki­mo liebt ja sei­ne Eis­ber­ge und Thr­an­nah­rung, aber dem, für den es die­sen Zau­ber ent­behrt, ist es ein trau­ri­ger Auf­ent­halt -- ich möch­te dort nicht le­ben. Nach kur­z­em Auf­ent­halt in Deutsch­land kehr­te ich über Ham­burg nach New-Or­leans zu­rück und bin heut, wie Du mich siehst mit dem Post­boot her­auf­ge­kom­men, um von hier zu Land mei­nes Va­ters Plan­ta­gen zu er­rei­chen.«

»Das zu ler­nen, brauch­test Du wahr­haf­tig nicht nach Eu­ro­pa zu ge­hen,« lach­te Ned -- »das weiß je­des Kind, daß es un­se­re Ne­ger bes­ser ha­ben als die ar­men Leu­te in Ir­land oder Deutsch­land; hol’ sie der Hen­ker, und doch mur­ren die Ca­nail­len. Aber heut Abend bleibst Du bei mir, und mor­gen früh nimmst Du mein Pferd; Dein Al­ter hat Dich nun so lan­ge nicht ge­se­hen, daß es auf den einen Tag auch nicht an­kom­men wird.«

»Topp!« rief Gu­ston, »doch laß uns den Schat­ten su­chen, die Hit­ze hier am Ufer ist un­aus­steh­lich. Du wirst mich üb­ri­gens füh­ren müs­sen, denn ich ken­ne Bay­ou Sa­rah ja gar nicht wie­der; kaum zehn Häu­ser wa­ren’s, wie ich fort von hier ging, und jetzt steht eine or­dent­li­che Stadt da.«

»Nun, die Mu­lat­tin Nel­ly lebt im­mer noch,« lach­te Wil­lis, »und führt so gu­ten Bran­dy wie frü­her; da wol­len wir denn vor al­len Din­gen ein­mal ein­spre­chen, viel­leicht fin­dest Du dort ei­ni­ge alte Be­kann­te.«

Mit die­sen Wor­ten nahm er sei­nes neu­ge­fun­de­nen Freun­des Arm wie­der in den sei­ni­gen und schlen­der­te mit ihm dem na­hen Kaf­fee­hau­se zu, aus dem ih­nen lau­tes La­chen und Ju­beln ent­ge­gen­tön­te.

Es war ein nicht sehr großes, nach der Stra­ße zu of­fe­nes Zim­mer, in das sie tra­ten, und des­sen Hin­ter­grund ein lan­ger Schenk­tisch aus­füll­te. Der ei­gent­li­che Schenk­tisch (Bar) be­stand aus ei­nem aus ge­ma­ser­tem Holz ver­fer­tig­ten, et­was ho­hen Auf­sat­ze, über den wei­ße Mar­mor­plat­ten ge­legt wa­ren, um die dar­auf ver­schüt­te­ten Flüs­sig­kei­ten wie­der leicht hin­weg­wi­schen zu kön­nen. Aus ei­nem großen, mit weißem Tuch über­deck­ten Prä­sen­tier­tel­ler stan­den meh­re­re Dut­zend rei­ner Trink­glä­ser, wäh­rend auf ei­nem an­dern dicht da­ne­ben eine glä­ser­ne große Scha­le mit ei­nem plat­tier­ten De­ckel, ge­rie­be­nen Zu­cker ent­hal­tend, prang­te. Ne­ben ihr be­fan­den sich wie­der­um zwei klei­ne Fläsch­chen, die, fest zu­ge­korkt und mit ei­ner durch den Stöp­sel lau­fen­den Fe­der­spu­le ver­se­hen, dazu dienten, die in ih­nen ent­hal­te­nen Flüs­sig­kei­ten (Staun­ton-Bit­ters und Pfef­fer­min­ze) in die Ge­trän­ke zu tröp­feln, um die­sen einen pi­kan­ten Ge­schmack zu ver­lei­hen. Hin­ter dem Schenk­ti­sche wa­ren in lan­ger Rei­he alle mög­li­chen Ar­ten von Ge­trän­ken, Wei­ne und Li­queu­re, in zier­li­chen, far­bi­gen und fein­ge­schlif­fe­nen Fla­schen und Car­af­fen ge­ord­net, und zwi­schen ih­nen Oran­gen und Zitro­nen auf­ge­schich­tet, was dem Gan­zen einen fri­schen, hei­tern An­schein gab. Un­ter dem Schenk­ti­sche stand eine große Schüs­sel mit Eis, das in Stücken in die Glä­ser ge­wor­fen wur­de, den Trank ab­zu­küh­len, und ein jun­ger Mann in ei­ner weiß­lei­ne­nen Ja­cke und eben sol­chen wei­ten Bein­klei­dern war em­sig be­schäf­tigt, den durs­ti­gen Gäs­ten, die sich bei der über­großen Hit­ze in be­trächt­li­cher An­zahl ein­ge­fun­den hat­ten, ein­zu­schen­ken. Ein lan­ger Doc­tor von der an­dern Sei­te des Mis­sis­sip­pi, von Poin­te-Coupé, schi­en üb­ri­gens be­son­ders tä­tig, sein Glas im­mer wie­der auf­’s Neue zu lee­ren, bei wel­chem Ge­schäft ihm denn alle An­de­ren hel­fen muß­ten, weil er schwur, daß er nicht al­lein trin­ken woll­te; und im­mer wie­der ließ er das sei­ni­ge wie die al­ler An­we­sen­den frisch fül­len, ob­gleich er sich kaum noch selbst auf den Fü­ßen hal­ten konn­te. Oft zwar ver­such­te ihm Ei­ner oder der An­de­re zu ent­schlüp­fen, aber mit Ad­ler­bli­cken ent­deck­te und er­wi­sch­te er die De­ser­teu­re, und ein fri­sches Glas war die Stra­fe, die ih­rer war­te­te. Meh­re­re, un­fä­hig noch einen Trop­fen zu ge­nie­ßen, sa­ßen in der Ecke, als un­se­re bei­den Freun­de zur Ver­stär­kung an­rück­ten und au­gen­blick­lich von dem Doc­tor mit of­fe­nen Ar­men emp­fan­gen wur­den.

»Wil­lis -- eh?« re­de­te er die­sen an, »durs­tig? im­mer durs­tig?«

»Hier, Doc­tor, ist ein Freund von mir, ein ge­wis­ser --«

»Ein Freund von Euch? er muß mit mir trin­ken. Sir, ge­ben Sie mir Ihre Hand -- so -- ich bin der Doc­tor Siel von Poin­te-Coupé, Sie müs­sen von mir ge­hört ha­ben. Was wollt Ihr trin­ken? Hier, Bar­kee­per, schnell, hier ist ein Mann, der durs­tig ist -- so recht, Glä­ser, und Eis hin­ein, -- mir aber kein Eis, ich will’s heiß ha­ben, heiß wie Lava, will Hit­ze mit Hit­ze cur­i­ren. Zum Hen­ker, wem ge­hört das lan­ge Ge­sicht, was da zum Fens­ter her­eins­tiert? kom­men Sie her­ein, Sir; was wol­len Sie trin­ken?«

»Dan­ke, dan­ke,« sag­te der Neu­an­ge­kom­me­ne, in­dem er rasch in die Tür trat und sich ohne wei­te­re Um­stän­de sein Glas fül­len ließ.

Es war ein Mann von au­ßer­ge­wöhn­li­cher Län­ge, der noch um meh­re­re Zoll über den schon un­ge­heu­er lan­gen Doc­tor hin­aus­reich­te, mit vor­ste­hen­den Ba­cken­kno­chen und grau­en, scharf und klug um­her­bli­cken­den Au­gen, des­sen gan­ze Ge­sichts­zü­ge aber den Yan­kee nicht ver­ken­nen lie­ßen. Ein blau­er lang­schö­ßi­ger Frack war trotz des hei­ßen, schwü­len Wet­ters fest zu­ge­knöpft, und ein ho­her wei­ßer Filz­hut, den er et­was nach hin­ten ge­drückt auf dem Kop­fe trug, mach­te die lan­ge Ge­stalt noch län­ger. Sei­ne Stie­feln wa­ren nach der mo­d­erns­ten Façon ge­ar­bei­tet und ganz neu, moch­ten ihn aber wohl ge­drückt ha­ben, denn auf bei­den hat­te er, ge­ra­de über den Ze­hen, mit ei­nem Mes­ser einen Kreuz­schnitt ge­macht, um sei­nen Fü­ßen Raum zu ge­wäh­ren; über­haupt schi­en er das Be­que­me zu lie­ben, denn er setz­te sich au­gen­blick­lich mit größt­mög­li­cher Ge­müts­ru­he auf den La­den­tisch, wo­bei ihm sei­ne Aus­deh­nung sehr zu stat­ten kam, und leer­te das ihm mit Wach­hol­der und Was­ser dar­ge­reich­te Glas.

»Gent­le­men,« be­gann jetzt der Yan­kee, nach­dem er ei­ni­ge Kreuz- und Qu­er­fra­gen des Doc­tors mit eben so vie­len an­de­ren Fra­gen be­ant­wor­tet hat­te, »ich den­ke, wir kön­nen ein Ge­schäft zu­sam­men ma­chen.«

»Ihr habt doch um Got­tes wil­len kei­ne Wand­uh­ren zu ver­kau­fen?« frag­te mit ko­mi­schem Schre­cken der Doc­tor.

»Nein,« ent­geg­ne­te la­chend der Yan­kee; »da­mit be­fas­se ich mich nicht.«

»Ihr Her­ren scheint Euch sonst nicht ge­ra­de an et­was Be­stimm­tes zu bin­den,« wand­te Gu­ston ein, in­dem er dem Lan­gen nä­her trat.

»Für dies­mal doch,« ant­wor­te­te der Yan­kee, »ich habe mich auf den Men­schen­fleisch­han­del ge­legt und mit dem läßt sich nicht gut ein an­de­rer ver­ei­ni­gen, Vieh- und Pfer­de­han­del aus­ge­nom­men; doch habe ich mei­ne letz­ten Mu­stangs in Ba­ton rou­ge ver­kauft und nur noch ein Ne­ger­mäd­chen von un­ge­fähr fünf­zehn Jah­ren üb­rig be­hal­ten, die ich heu­te Nach­mit­tag um vier Uhr in Mül­ler’s Kaf­fee­haus aus­spie­len will, um am Mitt­woch wie­der mit dem Mail­boot nach New Or­leans und von da nach mei­ner Hei­mat zu­rück­keh­ren zu kön­nen.«

»Und was kos­tet das Los?« frag­te Wil­lis.

»Fünf Dol­lars -- wir wol­len sie aus­wür­feln!« lau­te­te die Ant­wort; »es ist ein ca­pi­ta­les Mäd­chen, ge­sund und kräf­tig, und die schöns­te Ne­ge­rin, die Ihr je ge­se­hen habt.«

»Aber wo steckt denn die Dir­ne?« un­ter­brach ihn der Doc­tor; »schafft sie doch ein­mal her, und sieht sie gut aus, so neh­me ich drei oder vier Lose.«

»Sie ist nur we­ni­ge Schrit­te von hier ent­fernt,« sag­te der Yan­kee, von sei­nem Sitz auf­ste­hend -- »war­ten Sie einen Au­gen­blick, ich brin­ge sie her­über; es wol­len sie über­dies noch ei­ni­ge Her­ren hier an­se­hen.« Mit die­sen Wor­ten ver­ließ er das Schenk­zim­mer und kehr­te bald mit ei­nem schö­nen jun­gen Ne­ger­mäd­chen zu­rück.

Das kur­ze, wol­li­ge Haar hat­te Ra­ben­schwär­ze; die Nase war, ih­rer äthio­pi­schen Ab­kunft treu, breit ge­drückt, aber klein und zier­lich, und nur leicht auf­ge­wor­fen zeig­ten sich die kirsch­ro­ten Lip­pen, zwi­schen de­nen, wenn sie sprach, ein Paar blen­dend wei­ße Rei­hen Zäh­ne sicht­bar wur­den und um so mehr ge­gen die samt­ar­ti­ge, schwar­ze Haut und die dun­keln, glü­hen­den Au­gen ab­sta­chen. Sie war nicht groß, aber schlank ge­wach­sen und un­ge­mein zier­lich ge­baut, so daß selbst der sei­ner Sin­ne kaum noch halb mäch­ti­ge Doc­tor einen Fluch aus­stieß und schwur, sie wäre eine ver­teu­felt hüb­sche klei­ne Hexe.

Meh­re­re Pflan­zer aus der Um­ge­gend wa­ren jetzt noch hin­zu­ge­tre­ten, von de­nen fast Alle Lose ge­nom­men hat­ten, und der Yan­kee führ­te das Mäd­chen wie­der fort, um in St.-Fran­cis­ville oben noch mehr Teil­neh­mer für das Wür­fel­spiel um ein mensch­li­ches We­sen zu fin­den.

Un­mit­tel­bar hin­ter dem Mäd­chen war, als ihr Herr sie zur Schau in die Schenk­stu­be führ­te, ein jun­ger blas­ser, aber sehr an­stän­dig ge­klei­de­ter Mann ein­ge­tre­ten, der mit ge­spann­ter Auf­merk­sam­keit den gan­zen Ver­hand­lun­gen horch­te und zu­letzt, als je­der ein Los nahm, sei­ne Baar­schaft eben­falls her­vor­hol­te. Un­strei­tig hat­te er be­ab­sich­tigt, zwei Lose zu kau­fen, denn er über­zähl­te sein Geld meh­re­re Mal; es muß­te aber wohl nicht zu­rei­chen, denn seuf­zend schob er ei­ni­ge Dol­lar­no­ten wie­der in sein schmäch­ti­ges, stark ab­ge­nutz­tes Ta­schen­buch zu­rück und lös­te für fünf ein­zel­ne der­sel­ben ein ein­zi­ges Los.

Bald dar­auf, als sich der Doc­tor wie­der nach ihm um­sah und bei Al­lem, was im Him­mel und auf Er­den lebe, schwur, daß er mit ihm trin­ken oder sich mit ihm schla­gen müs­se, war er ver­schwun­den.

Un­ter­des­sen rück­te die vier­te Nach­mit­tags­stun­de her­an und eine große An­zahl von Men­schen hat­te sich vor dem eben er­wähn­ten Kaf­fee­hau­se ver­sam­melt, wo sie un­ge­dul­dig den Yan­kee er­war­te­ten. End­lich kam er -- an sei­ner Sei­te ging das Ne­ger­mäd­chen und nicht weit von ihr ent­fernt, doch et­was Zu­rück, der blei­che jun­ge Mann.

Lär­men­der Ju­bel emp­fing die Neu­an­kom­men­den und der Doc­tor war der Aus­ge­las­sens­te und Lus­tigs­te von Al­len. Das Bil­lard im großen Schenk­zim­mer wur­de jetzt schnell zum Wür­fel­tisch her­ge­rich­tet, die Lis­te der Wür­feln­den noch ein­mal ver­le­sen, und der Wirt pos­tier­te sich dann mit ei­nem Stück Krei­de an die Bil­lard­ta­fel, um den Na­men Des­sen, der den höchs­ten Wurf tun wür­de, auf­zu­schrei­ben und die Zahl der ge­wor­fe­nen Au­gen da­bei zu be­mer­ken. Das Mäd­chen stand in ei­ner Ecke auf ei­nem zu die­sem Zweck er­höh­ten Platz, um von Al­len ge­se­hen zu wer­den, und zwei große hel­le Trä­nen hin­gen an ih­ren dun­keln, nie­der­ge­schla­ge­nen Wim­pern.

Ein Herz nur, in all’ dem Drän­gen und Trei­ben, fühl­te ih­ren Schmerz und teil­te ihn -- es war der blei­che jun­ge Mann, der, nur we­ni­ge Schrit­te von ihr ent­fernt, an ein Fens­ter ge­lehnt, mit zu­sam­men­ge­preß­ten Lip­pen und für den Au­gen­blick von Fie­ber­hit­ze ge­röte­ten Wan­gen, die Arme fest in­ein­an­der ver­schränkt, da stand, vor sich nie­der­starr­te und nur dann und wann schnell und mit ei­nem die höchs­te Angst ver­ra­ten­den Blick das große, dunkle Auge zu ihr er­hob. Als aber das Zei­chen zum An­fang ge­ge­ben wur­de und Al­ler Auf­merk­sam­keit sich dem Bil­lard zu­wand­te, als selbst das Op­fer einen Mo­ment schüch­tern und be­bend auf­schau­te, be­geg­ne­ten sich ihre Bli­cke; im Nu war er an ih­rer Sei­te und flüs­ter­te ihr, dicht bei ihr vor­bei­strei­chend, zu. »Mut, Se­lin­de, Mut, Du sollst mein wer­den und wenn ich Dich aus ih­rer Mit­te steh­len müß­te!«

Ein mat­tes Lä­cheln über­flog für einen Au­gen­blick das trä­nen­feuch­te Ant­litz des ar­men Kin­des, bald aber schwand es wie­der und trau­rig senk­te sie das Köpf­chen und wein­te still.

Das Spiel hat­te un­ter­des­sen sei­nen An­fang ge­nom­men, dicht um das Bil­lard ge­drängt stan­den die Teil­neh­mer, mit ge­spann­ter Auf­merk­sam­keit die rol­len­den Wür­fel be­trach­tend, um schnell die fal­len­den Au­gen zu zäh­len.

»Fün­fund­vier­zig!« rief Wil­lis, als sein drit­ter Wurf ge­fal­len war -- »über­bie­tet das, Doc­tor, wenn Ihr könnt.«

»Nun, ich habe fünf Lose und kann es schon eine Wei­le mit an­se­hen,« ent­geg­ne­te die­ser; »aber ein­mal will ich es doch jetzt auch ver­su­chen.«

Er nahm die drei Wür­fel in den Be­cher, schüt­tel­te sie und warf drei Ei­ner.

»Das ist ein gu­ter An­fang!« rief er är­ger­lich, als lau­tes Ge­läch­ter ihn von al­len Sei­ten be­grüß­te -- »aber laßt nur, für dies ers­te Los wer­fe ich nicht mehr; könn­te ja so nur, im güns­tigs­ten Fall, neun­und­drei­ßig be­kom­men -- ich will un­ter­des­sen Eins trin­ken.«

Er trat vom Bil­lard zu­rück, An­de­re dräng­ten sich hin­zu, und eine Zeit lang herrsch­te ein ge­spann­tes, ängst­li­ches Still­schwei­gen, das nur von dem Klap­pern des El­fen­beins un­ter­bro­chen wur­de. Der blei­che jun­ge Mann, den Nie­mand im Zim­mer zu ken­nen schi­en, trat jetzt hin­zu und rief mit lei­ser, aber fes­ter Stim­me: »Mir die Wür­fel!«

Nur schwach war der Laut, mit dem die­se Wor­te ge­spro­chen wur­den; wie ein elek­tri­scher Schlag aber durch­zuck­ten sie den Kör­per des jun­gen Mäd­chens, das krampf­haft em­por­fuhr und mit ge­öff­ne­ten Lip­pen und an­ge­hal­te­nem Atem auf­merk­sam dem ge­rings­ten Laut horch­te.

Ei­nen Blick nur warf der Spie­ler auf die vor­ge­beugt lau­schen­de Ge­stalt, einen an­dern an die De­cke, wie um da Hil­fe zu er­fle­hen, und dann ras­sel­ten mit fes­ter Hand die ent­schei­den­den Wür­fel auf das grü­ne Tuch -- zwei Sech­sen und eine Vier. »Sech­zehn!« zähl­te mo­no­ton der An­schrei­ber; »noch ein­mal!« -- wie­der la­gen die­sel­ben Au­gen -- zum drit­ten Mal warf er die Wür­fel in den Be­cher, schüt­tel­te und -- drei Zwei­en roll­ten her­vor. »Achtund­drei­ßig! -- schlecht!« schrie der Aus­ru­fer, und lei­chen­blaß trat der Un­glück­li­che vom Bil­lard zu­rück. Ein An­de­rer nahm sei­nen Platz ein, und in sich zu­sam­men­schau­dernd hielt die Ne­ge­rin kaum ihre zit­tern­de Ge­stalt auf­recht; doch er­mann­te sie sich nach we­ni­gen Au­gen­bli­cken wie­der, und bat mit lei­ser Stim­me einen nicht sehr ent­fernt von ihr ste­hen­den wei­ßen Mann um ein Glas Was­ser.

»Ver­dam­m’ Dich -- hol es sel­ber; glaubst Du, daß ich Dein Nig­ger bin!« rief die­ser, sich un­wirsch von ihr ab­wen­dend. Ohne ein Wort zu er­wi­dern, schwank­te sie zum Schenk­tisch, nahm ein dort ste­hen­des Glas, füll­te es mit dem küh­len­den Eis­was­ser und trank es leer; neu­ge­stärkt hier­durch, schritt sie leich­ten, fast elas­ti­schen Schrit­tes zu ih­rem Platz zu­rück und barg, an die Wand ge­lehnt, das Ge­sicht in ih­ren Hän­den. Sie nahm sicht­bar kei­nen wei­te­ren Teil an ih­rem fer­ne­ren Ge­schick, und nur manch­mal, wenn der rohe, freu­di­ge Aus­ruf ei­nes glück­li­chen Würf­lers an ihr Ohr drang, schi­en eine plötz­li­che Angst ihr gan­zes In­ne­re zu durch­be­ben, und ein leich­tes Zit­tern über­flog ihre Glie­der.

Wohl eine hal­be Stun­de moch­te das Spiel so un­un­ter­bro­chen fort­ge­dau­ert ha­ben und nä­her­te sich jetzt sei­nem Ende, als der blei­che Mann, der sich auf kur­ze Zeit ent­fernt hat­te und dem so viel an dem Be­sitz des jun­gen Mäd­chens ge­le­gen zu sein schi­en, plötz­lich zu dem Skla­ven­händ­ler wie­der her­an­trat und ihn lei­se, mit ver­hal­te­ner, aber zit­tern­der Stim­me um ein an­de­res Los bat.

»Gut, mein Herr, ich habe ge­ra­de noch zwei, woll­te sie selbst wer­fen, aber um Ih­nen einen Ge­fal­len zu tun, ist hier eins da­von,« ant­wor­te­te die­ser ar­tig; »je­doch,« fuhr er, sich höf­lich ver­nei­gend, fort -- »wer­den Sie ein­se­hen, daß ich eine Ge­le­gen­heit, mein Ei­gen­tum selbst wie­der zu ge­win­nen, nicht ganz um­sonst aus den Hän­den ge­ben soll­te -- ich kann Ih­nen jetzt das Los nur für zehn Dol­lars las­sen.«

»Mann,« fuhr der Un­glück­li­che em­por, in­dem er krampf­haft sei­ne Schul­ter faß­te, »ich habe Al­les ver­äu­ßert, was ich bei mir hat­te, um die lum­pi­ge Sum­me von fünf Dol­lars zu er­schwin­gen, und jetzt wollt Ihr zehn; ich habe es nicht, mein gan­zes Ver­mö­gen be­steht in sechs Dol­lars.«

»Frei­lich kaum be­deu­tend ge­nug, ein Ge­schäft an­zu­fan­gen,« be­dau­er­te der Yan­kee; »doch er­in­ne­re ich mich, daß mein Bru­der Je­saiah einst --«