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Eine Frau in den Wirren der Politik: Der historische Roman »Die Spionin der Königin« von Jane Feather jetzt als eBook bei dotbooks. England im 16. Jahrhundert. Die junge Rosamund kann es kaum glauben, als sie von Elisabeth I. an den Königshof bestellt wird. Doch dann erfährt sie den wahren Grund ihrer Anstellung: Getarnt als Zofe soll sie die Damen am Hof rund um die Uhr beschatten. Pflichtbewusst führt Rosamund die Befehle der Königin aus, aber insgeheim fühlt sie sich einsam in der Welt des kalten, berechnenden Königsadels. Ihr einziger Vertrauter ist der Höfling Will, zu dem sie sich immer mehr hingezogen fühlt – doch schon bald muss sie ihn zurücklassen, um einen neuen Auftrag zu erfüllen: Sie soll in den Norden reisen, um die schottische Königin Maria Stuart auszuspionieren. Schweren Herzens begibt Rosamund sich auf den Weg, nicht ahnend, auf was für ein gefährliches Spiel sie sich eingelassen hat … »Jane Feather ist eine begnadete Geschichtenerzählerin – hinreißend und außergewöhnlich!« Los Angeles Daily News Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Historienepos »Die Spionin der Königin« von Jane Feather wird alle Fans von Rebecca Gablé und Elizabeth Fremantle begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 642
Über dieses Buch:
England im 16. Jahrhundert. Die junge Rosamund kann es kaum glauben, als sie von Elisabeth I. an den Königshof bestellt wird. Doch dann erfährt sie den wahren Grund ihrer Anstellung: Getarnt als Zofe soll sie die Damen am Hof rund um die Uhr beschatten. Pflichtbewusst führt Rosamund die Befehle der Königin aus, aber insgeheim fühlt sie sich einsam in der Welt des kalten, berechnenden Königsadels. Ihr einziger Vertrauter ist der Höfling Will, zu dem sie sich immer mehr hingezogen fühlt – doch schon bald muss sie ihn zurücklassen, um einen neuen Auftrag zu erfüllen: Sie soll in den Norden reisen, um die schottische Königin Maria Stuart auszuspionieren. Schweren Herzens begibt Rosamund sich auf den Weg, nicht ahnend, auf was für ein gefährliches Spiel sie sich eingelassen hat …
»Jane Feather ist eine begnadete Geschichtenerzählerin – hinreißend und außergewöhnlich!« Los Angeles Daily News
Über die Autorin:
Jane Feather ist in Kairo geboren, wuchs in Südengland auf und lebt derzeit mit ihrer Familie in Washington D.C. Sie studierte angewandte Sozialkunde und war als Psychologin tätig, bevor sie ihrer Leidenschaft für Bücher nachgab und zu schreiben begann. Ihre Bestseller verkaufen sich weltweit in Millionenhöhe.
Bei dotbooks erscheint ihre »Duncan Sisters«-Trilogie:
»Ein Kuss für Lady Constance – Band 1«
»Ein Ring für Lady Prudence – Band 2«
»Ein Gentleman für Lady Chastity – Band 3«
Außerdem veröffentlichte die Autorin Ihre romantische Trilogie der »Regency Angels«:
»Die unwiderstehliche Spionin – Band 1«
»Die verführerische Diebin – Band 2«
»Die verlockende Betrügerin – Band 3«
Unter dem Titel »Regency Nobles« erschienen die Romane:
»Das Geheimnis des Earls – Band 1«
»Das Begehren des Lords – Band 2«
»Der Kuss des Lords – Band 3«
Weiter erschienen in der Reihe »Love Charms«:
»Die gestohlene Braut – Band 1«
»Die geliebte Feindin – Band 2«
»Die falsche Lady – Band 3«
Bei dotbooks finden Sie auch Jane Feathers Trilogie »Die Ladys vom Cavendish Square«:
»Das Verlangen des Viscounts – Band 1«
»Die Leidenschaft des Prinzen – Band 2«
»Das Begehren des Spions – Band 3«
Zu guter Letzt veröffentlichte die Autorin auch Ihre Einzelbände »Die Spionin der Königin« und »Im Land der weißen Tabakblüten«.
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eBook-Neuausgabe Januar 2023
Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2010 unter dem Originaltitel »All the Queen’s Players« bei Gallery Books, A Division of Simon & Schuster, Inc., New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Gefährliche Rivalinnen« bei Blanvalet, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2010 by Jane Fetaher
Published by Arrangement with Shelagh Jane Feather
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2011 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Natykach Natalia, AcantStudio, KathySG, detchana wangkheeree
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98690-454-8
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Jane Feather
Die Spionin der Königin
Roman
Aus dem Amerikanischen von Ingrid Klein
dotbooks.
Für meine Lektorin der amerikanischen Originalausgabe, Maggie Crawford, ohne deren Einfühlungsvermögen und Erfindungsgabe dieses Buch wahrscheinlich nie erschienen wäre. Vielen Dank, Maggie.
Fotheringay Castle, 8. Februar 1587
Sie waren am Vorabend zu ihr gekommen. Amyas Paulet, ihr Gefängniswärter und sittenstrenger Peiniger, und der liebe, treu ergebene Shrewsbury, der ausgesehen hatte, als müsste er seinen eigenen Tod verkünden.
Es war Shrewsbury, der mit Tränen in den Augen gesprochen hatte. Ihr Todesurteil, unterzeichnet von der Königin, sei eingetroffen. Sie würde morgen früh um acht Uhr in der großen Halle sterben. Wenig Zeit für letzte Vorkehrungen, für die Briefe, die noch zu schreiben waren, für die Verfügung über ihre persönliche Habe, für ihre letzte Beichte. Aber das Todesurteil war trotz der unziemlichen Hast, mit der es ausgeführt werden sollte, nicht überraschend gekommen.
Und so war sie also zur verfügten Stunde hier in der großen Halle. Es war ein bitterkalter Morgen und draußen noch dunkel. Drinnen warfen die Kerzen in den Wandleuchtern Schatten an die Wände. Ihre Besucher vom Vorabend standen hinter dem neu errichteten Schafott am anderen Ende der Halle. Andere Mitglieder des Haushalts und all ihre Hofdamen – mit Ausnahme der beiden, die sie auf diesem letzten Gang begleiteten – standen zusammen mit dem Sheriff und seinen Männern entlang der Wände. Einige senkten den Blick, als sie sich dem Schafott näherte.
Maria nahm wahr, dass ihr kleiner Skye Terrier sich an die umfangreichen Falten ihres schwarzen Samtrockes drängte. Sie hielt einen Augenblick inne, überflog den Saal und betrachtete diejenigen, die sehen wollten, wie sie starb. Ihr Blick verharrte auf dem Gesicht einer Frau, jünger als die übrigen Damen. Sie hob eine Hand, und die junge Frau trat vor und kam zu ihr. Sie verbeugte sich tief.
»Rosamund, nehmt Ihr bitte meinen Hund?«, bat Maria ruhig. »Ich fürchte, es erschüttert ihn zu sehr, wenn er in meiner Nähe bleibt.«
»Selbstverständlich, Madam.« Rosamund bückte sich und hob das kleine Tier hoch, streichelte seinen rauen Kopf. Sie trat wieder zurück, und die Königin von Schottland ging weiter auf das Schafott zu.
Maria erklomm die fünf Stufen. Ein Hocker für ihre Kleider stand neben dem Block, ein Kissen zum Niederknien lag davor. Sie vermied den Blick auf das blutbefleckte Schlachterbeil. Wahrscheinlich das Beste, was sie auf die Schnelle auftreiben konnten, überlegte sie. Zur Ausstattung von Königsschlössern gehörten in der Regel keine Henkerbeile. Flüchtig ging ihr durch den Kopf, ob sie wohl daran gedacht hatten, es zu schärfen, nachdem es zuletzt an einem unglücklichen Tier angewendet worden war.
Aber jetzt blieb keine Zeit für weitere Gedanken. Die Scharfrichter waren bereits da, und ihre Damen kamen, um sie zu entkleiden. Sie nahm das Kreuz und das Agnus Dei ab und gab es ihren Begleiterinnen, segnete sie und schlug das Zeichen des Kreuzes über sie.
Ihre Scharfrichter knieten nieder und baten um Vergebung, und sie lächelte und sagte laut und deutlich: »Ich vergebe Euch, weil Ihr meine Mühsal beendet.« Ihre Damen befestigten ein Leib-Christi-Tuch über ihrem Gesicht, einen Schleier, den sie selbst bestickt hatte.
Rosamund Walsingham hielt den kleinen Terrier an ihre Brust gedrückt, sodass sein Blick nicht auf das Schafott fiel. Ihr eigener verharrte gebannt auf den Scharfrichtern und den beiden Frauen, die Maria Stuart ihr schwarzes Kleid abnahmen, der Unterrock und das Mieder wurden sichtbar. Beide Kleidungsstücke waren scharlachrot, die Farbe des Märtyrertums. Rosamund wusste, dass sie dieses Detail in ihrem Bericht an Sir Francis unbedingt erwähnen musste. Es gab offizielle Zeugen dieser Hinrichtung, aber Sir Francis Walsingham würde von ihr wie immer eine persönliche, inoffizielle und absolut akkurate Beschreibung auch noch des kleinsten und scheinbar unwichtigsten Details fordern.
Maria Stuart lächelte leicht, während sie entkleidet wurde, und sagte leise etwas zu den Scharfrichtern, was Rosamund nicht verstehen konnte. Ihre Begleiterinnen halfen der Königin beim Hinknien, und Maria legte ihren Kopf auf den Block. Mit ihren Händen umklammerte sie das Holz.
Einer der Scharfrichter löste ihre Hände, und Rosamund schauderte angesichts des Offensichtlichen. An Ort und Stelle geblieben, wären sie ihr zusammen mit dem Kopf abgeschlagen worden. Maria Stuart streckte die Arme hinter ihren Rücken und sprach ihr letztes Gebet mit lauter, klarer Stimme.
Der kleine Hund wimmerte an Rosamunds Brust, als ihre Arme sich beim ersten Schlag verkrampften. Entsetzt sah sie mit an, wie die Axt ihr Ziel verfehlte und den Hinterkopf des Opfers traf. Marias Lippen bewegten sich unhörbar. Die Axt fiel erneut.
Rosamund schloss die Augen, als der Henker die letzte verbliebene Sehne durchtrennte, die den Frauenkopf noch mit dem Hals verband. Dann hob er den Kopf in die Höhe und verkündete: »Gott schütze die Königin.«
Ein kollektives schockiertes Stöhnen ging durch die Menge, als sich der in ihrem Haar befestigte Schleier mitsamt den langen, rotbraunen Locken einer Perücke unter der Hand des Mannes löste. Maria Stuarts eigenes Haar war kurz und grau. Der Kopf fiel auf das Stroh, und das Gesicht war das einer alten Frau, kaum noch wiederzuerkennen als die große, elegante, rotbraune Schönheit, die sie gewesen war.
Es war vorüber, endlich. Rosamund, die den Terrier leise beruhigte und streichelte, schloss sich dem allgemeinen Aufbruch aus der großen Halle an, während der Sheriff und seine Männer sich darum kümmerten, dass die Leiche zum Einbalsamieren zu den Chirurgen nach oben gebracht wurde.
Ihre Beine zitterten, und am Kopf der Treppe setzte sie sich auf den weißen steinernen Sims eines Sprossenfensters und spähte hinaus auf die Landschaft von Northamptonshire. Welche Schuld trug sie, Rosamund Walsingham, an Marias Hinrichtung? Sie hatte durchaus einigen Anteil daran ... hatte keine andere Wahl gehabt, als so zu handeln. Ihr war nur nicht klar gewesen, wie ihr Wirken in dieser geheimnisvollen, von ihrem Furcht einflößenden Cousin Francis beherrschten Welt für seine Zwecke verdreht und ausgenutzt werden konnte. Sie hätte es natürlich wissen müssen. Ihr Bruder Thomas hatte genügend Andeutungen gemacht, aber seine kleine Schwester hatte sich für unschlagbar gehalten, sicher hinter den starken Festungsmauern ihres eigenen Willens. Aber sie hätte daran denken sollen, was man über die sagte, die Pech berührten. Wer es anrührt, dem klebt es an der Hand.
Ihre Hände waren feuchtkalt, und sie spürte, wie ihr Herz immer schneller schlug. Sie erinnerte sich an den Trick, von dem Kit Marlowe ihr erzählt hatte, dass die Schauspieler mit tiefem Durchatmen ihr Lampenfieber zu überwinden versuchten. Oder war es Ned Alleyn gewesen? Das wäre passender, er war schließlich Schauspieler. Kit lebte mit jeder Faser seines Seins für das Theater, aber er hatte nie als Darsteller auf Bühnenbrettern gestanden. Seine Leidenschaft war das Stückeschreiben.
Diese düstere, unangenehme Gefangenschaft schien ewig gedauert zu haben. Was gäbe sie darum, einen weiteren verlockenden Blick auf die wundervolle, ausgelassene, lautstarke und rundherum wilde Welt der Schauspieler zu werfen.
Sie dachte an Will und diesen einen herrlichen Nachmittag, den sie mit den Schauspielern verbracht hatten. Vielleicht war Will inzwischen, wenn nicht gerade im Dienst für Sir Francis unterwegs, wieder zurück in ihrer Mitte, trank mit den Schauspielern, applaudierte im Parkett, bemühte sich, seine eigenen Schreibversuche Kit oder Thomas Watson oder Tom Kyd zu präsentieren. Und wenn er nicht unter den Schauspielern und Stückeschreibern war, wäre er bei Hofe, spielte Laute, rezitierte seine Verse und sang seine Liebeslieder. Will war ein Höfling, der wusste, dass er sich gegenüber den Einflussreichen von seiner liebenswürdigsten Seite zeigen musste. Diese Fähigkeit hatte er perfektioniert. Er hatte Ältere und Erfahrenere beobachtet und sich die Kunst der Einflussnahme angeeignet, die so wichtig war, um an Elizabeths Hof zu überleben. Und dennoch würde Rosamund niemals das verschmitzte Funkeln in seinen Augen vergessen, die verführerischen, impulsiven Andeutungen, die sie beide auf Pfade geführt hatten, die sie nie hätten betreten dürfen.
Diese Nacht in der Vorratskammer in Chartley schienen zwei andere Menschen in einem anderen Leben erlebt zu haben. Sogar ihre Ankunft in Fotheringay schien schon lange her zu sein. Und nur wenige Monate später hatte diese Nacht sie zu dem Todestag von Maria geführt.
Der kleine Terrier wand sich in ihren Armen und leckte ihr das Kinn. Sie trug ihn zu den Gemächern, in denen Maria und ihre Hofdamen untergebracht waren. Die Tür des Schlafzimmers der schottischen Königin stand offen, und Bedienstete entfernten die Bettvorhänge. Schon jetzt lagen Tod und Endgültigkeit schwer über dem Raum, und der kleine Hund winselte.
Vor zwölf Monaten hatte Rosamund Walsingham kaum an die Königin von Schottland gedacht, und jetzt weinte sie um sie, drückte den Terrier an ihre Brust, benetzte sein Fell mit ihren Tränen.
Aber ihre Knechtschaft hier würde bald ein Ende haben, dachte Rosamund. Die Königin vergab Personen, denen sie ihre Gunst geschenkt hatte, Vergehen nicht leicht, aber vielleicht würde ihr Cousin für sie sprechen. Sie hatte ihm gut gedient. Sie hatte ihre Pflicht getan, ihre Verpflichtungen gegenüber Sir Francis erfüllt, sicher hatte sie Vergebung verdient.
Und nicht nur Vergebung. Sie hatte noch etwas zu erledigen, hatte noch ein Hühnchen zu rupfen mit jemandem, und darauf freute sie sich schon sehr.
Scadbury Park, Chislehurst, Kent, Mai 1586
Das helle Licht der ersten Frühlingssonne betonte das zarte frische Grün der Apfelbäume und das Blassrosa der samtweichen Blüten. Die Blüte war so zart, so zerbrechlich, so unmöglich befriedigend einzufangen, dass Rosamund Walsingham auf ihrem Hochsitz leise fluchte, die Kreide von der Schiefertafel wischte und von Neuem begann. Kreide eignete sich nicht gut für eine derartig feine Arbeit, aber Papier war, wie Thomas ihr unentwegt vorhielt, Luxus. Seine ständige Wiederholung, dass er schließlich nicht aus Geld gemacht war, war inzwischen ein vertrauter Ausspruch. Nicht, dass ihn das davon abhielt, sich nach Belieben kostspielig zu kleiden oder einen wunderschönen Wallach mit dem feinsten Ledersattel und silbernem Zaumzeug zu reiten, überlegte sie und rümpfte die Nase, als sie die Blüte erneut studierte.
Aber um fair zu bleiben, es war ja nichts Wichtiges, bei dem ihr Bruder sie kurz hielt. Es war nur Papier, das sie in begrenztem Umfang bekam. Und das hieß nichts weiter, als dass sie sich keine Fehler leisten durfte. Sobald sie etwas zu ihrer Zufriedenheit mit Kreide auf ihrer Schiefertafel eingefangen hatte, konnte sie es mit dem spitzesten, feinsten Federkiel auf Papier übertragen. Das war zwar nicht perfekt, aber zu meistern.
Abwesend strich sie sich eine verirrte kastanienbraune Locke, die sie an der Nase kitzelte, hinters Ohr, lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und betrachtete kritisch die Tafel. Annähernd gelungen, und sie würde den Eindruck der leicht zittrigen Blüte mit Federkiel und Papier noch besser hinbekommen.
Zu ihrem versteckten Hochsitz im Obstgarten drangen Stimmen. Rosamund lauschte mit schief gelegtem Kopf. Anscheinend war ihr Bruder Thomas zurück von seinen Reisen. Er kündigte die Rückkehr seiner häufigen Abwesenheiten nie an, sodass sein plötzliches Auftauchen nichts Ungewöhnliches war. Genauso wie es nicht ungewöhnlich war, dass er einen Besucher mitbrachte. Die Stimme war keine, die sie kannte. Thomas hatte viele Besucher, wenn er sich in Scadbury aufhielt, einige von ihnen Freunde, andere schwieriger einzuschätzen. Letztere hielten sich eher bedeckt, wie es Rosamund vorkam. Sie nahmen kaum Notiz von ihr, schenkten ihr selten mehr als ein knappes Nicken und redeten überhaupt nicht mit ihr. Sie kamen und gingen zu den absonderlichsten Tageszeiten und verbrachten ihre Zeit eingeschlossen mit Thomas in dessen Arbeitszimmer. Rosamund hatte gelernt, sie nicht zu beachten, und war damit zufrieden, für sich zu bleiben.
Sie spähte durch das blasse Grün, als die Stimmen sich näherten. Hier oben versteckt zu sein und auf die beiden Männer hinunterzublicken, die Arm in Arm über die von Obstbäumen gesäumte Allee näher kamen, hatte etwas Erregendes. Sie wollte sich schon bemerkbar machen, als sie stehen blieben, sich einander zuwandten und aufhörten zu reden.
Rosamund beobachtete fasziniert, wie sie sich küssten, sich leise Worte zumurmelten, sich streichelten und ihre Hände mit zunehmender Leidenschaft bewegten. Und sie wünschte sich, überall, bloß nicht hier versteckt im Apfelbaum zu sein. Sie hatte den richtigen Moment verpasst. Jetzt konnte sie nur beten, dass Thomas nie herausfinden würde, dass sie das, was immer es war, mitbekommen hatte. Wenn er in der Nähe weilte, war ihr Bruder meistens verträglich und auf sorglose Weise liebevoll zu seiner Schwester. Aber gewöhnlich beachtete er sie wenig, was beiden recht war. Wenn er sich aufregte, war er allerdings beängstigend, und Rosamund hegte nicht den Wunsch, seinem Zorn ausgesetzt zu sein, der beträchtlich sein würde, sollte sie entdeckt werden.
So saß sie in der Falle und beobachtete. Die beiden verließen den Pfad, umarmten sich aber weiterhin, und der Fremde lehnte sich gegen einen Baum, während Thomas sich an ihn presste. Und dann glitten sie langsam am Baumstamm hinab in das üppige Gras des Obstgartens. Rosamund konnte sie nicht mehr sehen, aber hören, und sie hatte genug raubeiniges Stallgeschwätz mitbekommen, um eine Ahnung zu haben, was da vor sich ging, obgleich ihr die Abläufe des Aktes an sich unklar waren. Als ihr Bruder aufschrie, so als ob er Schmerzen hätte, presste sie die Hand auf den Mund. Sie hörte Stöhnen vermischt mit kleinen Schreien, dann herrschte Stille.
Nach einer Minute, die eine Ewigkeit zu dauern schien, hörte sie Gewisper, leises Lachen und Gras rascheln. Dann hörte sie Stimmen, allerdings kaum lauter als ein Flüstern, sodass sie nur wenige Worte mitbekam. Aber sie klangen glücklich, in Einklang miteinander. Und dann hörte sie Thomas in normalem Tonfall sagen: »Ah, Kit, wenn du Geld brauchst während der langen Ferien, dann musst du mit meinem Cousin reden. Er ist immer auf der Suche nach Männern wie dir.«
Rosamund konnte Thomas jetzt wieder sehen, als er aufstand und sich lachend bückte, um dem braunhaarigen Fremden, den er Kit genannt hatte, die Hand hinzustrecken. Der Fremde kam hoch und schnürte sich die Kniehosen, dann klopfte er den Staub von ihnen ab. Er war ärmlich gekleidet, sein Hemd gestopft, seine schwarzen Hosen fettglänzend, sein dunkler Umhang schäbig. Er schien ein seltsamer Begleiter für ihren immer eleganten Bruder. Aber schließlich hielt ihr Bruder sich häufig in seltsamer Gesellschaft auf.
Rosamund fühlte sich entsetzlich unwohl auf ihrem Apfelbaum. Ihre Blase drückte, ihr Rücken juckte, als ob ihr Ameisen ins Kleid gekrochen wären, und sie sehnte sich danach, die verkrampften Beine zu strecken. Aber sie verhielt sich still, wagte kaum zu atmen, damit die beiden Männer bloß nicht hoch blickten durch das zarte Blätter- und Blütennetz. Aber sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf ihre Umgebung zu achten, und schließlich schlenderten sie wieder durch die Allee auf den Rasen zu, der zu dem schiefergedeckten Fachwerkhaus führte.
Sie ließ ihre Tafel und die Kreide zu Boden fallen und schwang sich dann von ihrem Ast hinunter. Sie verschwand hinter den Bäumen und erleichterte sich in dem dichten Gras, das den Obstgarten säumte. Danach glättete sie ihren Rock und Unterrock, hob Kreide und Schiefertafel auf und machte sich ebenfalls auf den Weg zum Haus.
Sie betrat es durch einen Seiteneingang und ging den engen, steingefliesten Korridor entlang, der vom Dienstbotenquartier im hinteren Teil des Hauses zur Eingangshalle führte. Als sie in die sonnendurchflutete Halle trat, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Eine schattenhafte, schwarzgekleidete Gestalt schlich durch das Dunkel der Haupttreppe am anderen Ende der Halle. Das war bestimmt Frizer. Ingram Frizer, ihres Bruders ..., ihres Bruders was? Es fiel ihr schwer zu sagen, welche Rolle Ingram Frizer in Thomas’ Leben spielte, aber es war ganz gewiss eine ständige. Thomas kam selten nach Scadbury, ohne dass Frizer an seinen Rockschößen hing und sich in düsterem Schweigen in den Schatten herumdrückte. Er schien mehr ein Diener als ein Freund zu sein, aber auch mehr ein Vertrauter als ein Diener. So wie sie sich verhielten, schienen sie Geheimnisse zu teilen. Irgendwie konnte Rosamund sich allerdings nicht vorstellen, dass Thomas und Frizer die Art Zusammenkünfte hatten wie ihr Bruder und der Fremde im Obstgarten.
Wo war der Fremde? Wer war der Fremde? Wenn Thomas nicht wollte, dass seine kleine Schwester dem Besucher begegnete, würde er dafür sorgen, dass sie es nicht tat, aber diesen speziellen Besucher wollte Rosamund unbedingt kennenlernen. Sie eilte die geschwungene Eichentreppe hinauf in ihr eigenes Schlafzimmer und überlegte sich verschiedene Möglichkeiten für eine zufällige Begegnung.
Wie das Glück es wollte, war sie auf halbem Weg über den Korridor zu ihrem Zimmer, als Thomas in Begleitung des Fremden aus seinem Schlafzimmer auftauchte. Er blieb stehen, als er seine Schwester auf sich zukommen sah.
»Rosamund, wo hast du dich versteckt?« Seine Stimme klang heiter, kein Anzeichen irgendeiner unterschwelligen Andeutung in dieser merkwürdigen Frage.
»Ich war draußen und habe einige Skizzen gemacht«, erklärte sie und machte einen Knicks. »Ich bin froh, dich gesund und zu Hause zu sehen, Bruder.« Ihre Augen huschten während des Sprechens zu der Gestalt, die neben ihm stand. Es war der Fremde aus dem Obstgarten, aber er hatte sich verändert. Die schäbige, schmutzige Kleidung war durch ein geschlitztes Wams aus smaragdgrünem Samt, gefüttert mit cremefarbener Seide ersetzt, die Hosen waren aus dem gleichen Samt, und das Hemd war mit einem Kragen aus Thomas’ Lieblingsspitze geschmückt. Thomas’ Großzügigkeit erstreckte sich anscheinend sogar auf seine Garderobe. Die beiden Männer hatten beinahe die gleiche Größe, und ihr Haar war von ähnlicher Farbe.
Thomas sah sie fragend an, und ihr wurde bewusst, dass sie den Fremden anstarrte. »Kit, darf ich dir meine kleine Schwester Rosamund vorstellen«, sagte Thomas. »Ich fürchte, dass sie deinesgleichen noch nie gesehen hat, nach ihrem ungehörigen Starren zu urteilen.«
»Vergebt mir, Sir«, sagte Rosamund und knickste schnell, stotterte etwas bei dem Versuch, sich aus dieser heiklen Lage zu befreien. »Ich wollte nicht unhöflich sein.«
»Ich habe nichts dergleichen bemerkt«, erwiderte der Mann. »Tatsächlich könnte man eine derartig sorgfältige Überprüfung auch als Kompliment betrachten.« Er lächelte. »Christopher Marlowe zu Euren Diensten, Mistress Walsingham.«
Das Lächeln veränderte ihn genauso sehr wie die Kleidung. Der eher arrogant anmutende Eindruck seiner knochigen Gesichtszüge und ein gewisses Misstrauen in seinen braunen Augen verschwanden. »Ich bin sicher, dass es ein Kompliment war.«
»In der Tat war es das, Master Marlowe.« Rosamund hatte sich wieder gefangen und antwortete gleichfalls mit einem Lächeln und einem weiteren Knicks.
»Verflucht, Rosamund, du wächst dich zu einem koketten kleinen Luder aus«, meinte Thomas. »Es wird höchste Zeit, dass wir einen Ehemann für dich finden, sonst läufst du mit einem geschwollenen Bauch herum, wenn ich das nächste Mal heimkomme.«
»Nicht bei der Kost, die Chislehurst anzubieten hat, Bruder.«
Thomas sah sie finster an. »Du musst lernen, deine Zunge zu hüten, junge Dame. Nicht jeder weiß grobe Scherze bei einer Frau zu schätzen.«
Rosamund blinzelte verwirrt. Thomas selber hatte sich ihr gegenüber nie zurückgehalten mit seinem eigenen derben Humor. Genau genommen hatte er sie immer ermuntert, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Und da er von frühester Kindheit an das einzige Mitglied ihrer Familie war, das ihr überhaupt so etwas wie gleichbleibende Aufmerksamkeit schenkte, hatte sie nie etwas gegen seine Art, mit ihr zu reden, einzuwenden gehabt, oder es für möglich gehalten, dass ihre Antworten als ungehörig betrachtet werden könnten.
Master Marlowe kam ihr zu Hilfe. Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und sagte: »Ich persönlich weiß Ehrlichkeit bei einer Frau zu schätzen, Thomas. Die Welt ist kein schöner Ort. Warum sollte irgendjemand, Mann oder Frau, so tun, als wäre es anders?«
»Weil sie einen Ehepartner finden wollen, Kit.« Thomas ging weiter zur Treppe. Am Ende des Geländers drehte er sich zu ihnen um. »Wir essen um vier, Rosamund. Leiste uns Gesellschaft, ich habe etwas mit dir zu besprechen. Kommst du jetzt, Kit?«
»Jawohl.« Er folgte seinem Gastgeber mit langen Schritten.
Rosamund ging auf ihr Zimmer und fühlte sich verletzt. Es war ungewöhnlich für Thomas, sie grundlos zurechtzuweisen. Das war eher die Art ihrer Mutter gewesen, wann immer ihre jüngste überlebende Tochter sie gestört hatte. Sie hatte mit Rosamund nichts anzufangen gewusst, die so unerklärlicherweise die Geburt und frühe Kindheit überlebt hatte, während die meisten anderen ihrer Babys entweder Totgeburten oder innerhalb von Monaten schlicht verkümmert waren. Die kleinen Grabsteine auf dem Dorffriedhof bildeten eine jammervolle Reihe entlang eines Weges.
Aber Dorothy Walsingham war schon einige Jahre tot, und ihre letzten Jahre waren so von Krankheit gezeichnet gewesen, dass sie, soweit es Rosamund betraf, ebenso gut schon hätte im Grab liegen können. Sie hatte gelernt, sich auf Thomas zu verlassen, wenn es darum ging, etwas im Leben zu lernen. Und auf mehr oder weniger zufällige Weise hatte er manchmal ihre Fragen beantwortet, manchmal die Antworten verweigert und gesagt, dass sie nichts für die Ohren eines Mädchens waren. Ihr älterer Bruder Edmund hielt sich nie in Scadbury auf, auch nicht, nachdem er es geerbt hatte. Er zog London vor, und seine stetig wechselnden Geliebten – Thomas nannte sie Huren – hatten ihn mit Syphilis angesteckt, sodass er die meiste Zeit nicht richtig bei sich war.
In Wahrheit war es so lange her, dass sie Edmund gesehen hatte, dass Rosamund sich kein klares Bild mehr von dem gegenwärtigen Familienvorstand machen konnte. Sie schloss die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich und legte ihre Schiefertafel auf den verkratzten Kartentisch unter dem Fenster. Hier bewahrte sie ihren kostbaren Vorrat an Papier, Federn und Tinte auf. Sie betrachtete kritisch ihre Kreideskizze im Licht des Sprossenfensters. Sie schien ihr immer noch recht gelungen zu sein, und sie sah bereits vor sich, wie sie den richtigen Eindruck von Zartheit, das leichte Zittern der Blüten in den blassgrünen Blättern einfangen konnte.
Aufgeregt vergaß sie die rätselhafte und schmerzhafte Kritik ihres Bruders, vergaß die Szene im Obstgarten, vergaß Christopher Marlowe, als sie sich auf den Stuhl setzte und ein Blatt Papier glatt strich. Sie prüfte eine Feder und spitzte sie schnell an, konnte es kaum erwarten, mit ihrer Zeichnung zu beginnen. Dann tunkte sie die Feder ins Tintenfass und fing an.
Sie brauchte zwei Stunden, bis sie fertig war, dann lehnte sie sich zurück und betrachtete ihre Zeichnung. So einen kleinen, zarten Gegenstand exakt wiederzugeben, war schwierig, viel schwieriger als eine Person oder eine Szene, aber sie fand, dass es ihr gelungen war. Das Geräusch von Stimmen unter ihrem offenen Fenster riss sie aus ihrer Tagträumerei, und sie beugte sich über den Tisch, um unten auf die Terrasse zu spähen.
Thomas saß auf der unteren Brüstung der Terrasse, und Ingram Frizer stand neben ihm und hielt ein Blatt Papier in Händen. Frizer erinnerte Rosamund immer an ein heimtückisches Wesen aus dem Dickicht. Seine Haut hatte eine ungesunde grünliche Färbung und glänzte ständig leicht fettig, sein strähniges, schmutziges Haar hing ihm in Rattenschwänzen bis auf die Schultern, seine Kleidung sah schimmelig aus und roch, als ob er sie gerade aus einer Gruft geholt hätte. Wenn er redete, klang es immer wie ein Quietschen, was sie erneut an nächtliche Räuber erinnerte, aber es waren seine Augen, die sie wirklich erschaudern ließen. Trübe, harte, winzige Nadelstiche von undefinierbarer Farbe aber ungeheurer Bösartigkeit.
Er legte Thomas irgendwelche Papiere vor, der in lässiger Haltung vor ihm saß und beim Lesen mit dem übergeschlagenen Bein wippte. »Ihr versteht es, Geschäfte zu machen, Frizer«, sagte er lachend. »Ihr habt mir ein Vermögen verschafft, mein Freund.«
»Solange es Dummköpfe gibt auf der Welt«, antwortete der andere mit einem mürrischen Nicken. »Es ist kein Verbrechen, sich das zunutze zu machen.«
»Nun, das sehen einige womöglich anders.« Thomas reichte ihm das Papier wieder zurück. »Aber ich habe selber zu viele Schulden, um mir über solche Feinheiten den Kopf zu zerbrechen. Seht zu, dass es ausgeführt wird. Ihr könnt in einer halben Stunde nach London aufbrechen.«
Frizer sah ihn schief an. »Ihr wollt mich also loswerden.«
»Jawohl ... wegen Eurer Geschäfte.« Thomas erhob sich. »Was ist los, Mann?«
»Was macht der Fremde hier?« Frizer machte eine ruckartige Kopfbewegung zum Haus hinter ihm.
»Das geht Euch nichts an, mein Freund. Er ist ein Mann der Worte, ein Stückeschreiber, ein Dichter ... und bald wird er sich unserer kleinen Gesellschaft anschließen. Kümmert Euch nicht um ihn.« Rosamund vernahm die Andeutung einer Drohung in der Stimme ihres Bruders. Anscheinend verspürte Thomas das Bedürfnis, Frizer unter Kontrolle zu halten.
Sie trat vom Fenster zurück. Was bedeutete das? Was war das für eine Gesellschaft? Die kleine Uhr auf ihrem Kaminsims schlug drei, und sie schob die Frage für den Moment beiseite, wandte ihre Aufmerksamkeit ihrem Kleiderschrank zu. Dinner um vier in Gesellschaft ihres Bruders und seines Freundes verdiente eine gewisse Anstrengung. Meistens aß sie in der Küche mit den Bediensteten. Das war fröhlicher als die einsamen Mahlzeiten, die sonst ihr Schicksal wären, und dafür musste sie ihr übliches schlichtes, ländliches Kleid nicht wechseln.
Sie überprüfte den bescheidenen Inhalt des Kleiderschranks mit einem ziemlich unglücklichen Stirnrunzeln. Sie würde wohl ihr Sonntagskleid tragen müssen.
»Dem Typ würde ich nicht gern nachts in einer dunklen Gasse begegnen«, meinte Kit Marlowe und leerte seinen Weinpokal, als sich die Arbeitszimmertür hinter Ingram Frizer schloss. »Was ist er für dich, Thomas? Kein gewöhnlicher Schlingel, schätze ich.«
»Master Ingram, wie einige ihn nennen, ist ein vielseitig begabter Mann«, antwortete Thomas, ergriff die Glaskaraffe neben seinem Ellbogen und beugte sich vor, um Kits Pokal neu zu füllen, bevor er sich selbst nachschenkte. »Aber ich gebe dir recht, nicht gerade ein Mann von vornehmer Erscheinung. Jedoch sehr gut geeignet für gewisse Geschäfte, die für einen Mann wie mich notwendig sind, wenn er sich anständig kleiden und ein gutes Pferd reiten will. Und nicht zu vergessen, wenn er guten Wein in seinem Pokal haben möchte.« Er hielt seinen mit anerkennendem Lächeln hoch. »Aus Frankreich kommt mehr als Verrat, mein Freund.«
»Oh, das gebe ich gern zu«, sagte Kit, leerte seinen Pokal erneut und hielt ihn Thomas zum Nachfüllen hin. »Haben diese Geschäfte etwas mit dem Staatssekretär zu tun?«
Thomas lächelte. »Frizer erledigt von Zeit zu Zeit Botengänge für Sir Francis, aber ich beschäftige ihn wegen anderer Dinge, die meine persönlichen Finanzen betreffen. Er ist sehr umtriebig und sorgt dafür, dass wir beide zahlungsfähig bleiben.«
Kit bekam schmale Augen, aber er ließ das Thema fallen.
Thomas drehte sich um, als ein leises Klopfen an der Tür zu hören war. »Herein.«
Rosamund betrat den Raum. Ihr Blick huschte kurz hinüber zum Gast ihres Bruders, der es sich in der Ecke der tiefen Fensterbank bequem gemacht hatte. Ein Sonnenstrahl ließ sein braunes Haar, das er sich aus der hohen Stirn gebürstet hatte, rötlich aufleuchten. Er hatte einen gepflegten Schnurrbart, aber nur die schwache Andeutung eines Kinnbartes, anders als ihr Bruder mit seinem gestutzten, aber üppigen Bartwuchs.
Während sie knickste und dabei den Kopf senkte, war sie sich bewusst, dass derselbe Sonnenstrahl die tiefen rostbraunen Farbtöne in ihrer eigenen Haarflut hervorheben würde. »Bin ich zu früh? Soll ich wieder gehen?«
»Nein, nein. Nimm einen Wein.« Thomas winkte ihr lässig, am Tisch Platz zu nehmen. »Ich habe Neuigkeiten für dich.«
Rosamund nahm den Pokal, der ihr gereicht wurde, und setzte sich. Sie arrangierte die Röcke ihres grünen Seidenkleides so, dass der Saum die feinen Satinpantoffeln und ihre schlanken Fesseln enthüllte. Sie war stolz auf ihre Fesseln und Füße, obwohl sie selten jemanden hatte, der sie bewunderte. Nicht dass sie annahm, hier das geeignete Publikum zu haben. Thomas stand der Erscheinung seiner Schwester gewöhnlich gleichgültig gegenüber, und nach dem, was sie im Obstgarten gesehen und gehört hatte, brachte Master Marlowe wahrscheinlich auch kein Interesse für solche femininen Details auf. Sei’s drum, sie würde sich die seltene Gelegenheit, sie vorzuzeigen, nicht entgehen lassen.
»Kommt Ihr aus London, Master Marlowe?«, fragte sie höflich.
»Nein, aus Cambridge. Ich bin Eurem Bruder dort vor einigen Wochen begegnet, und er war so freundlich, mich nach Scadbury einzuladen.«
»Seid Ihr an der Universität, Sir?«
»Am Corpus Christi College. Ich habe meinen Abschluss als Bakkalaureus gemacht und hoffe, dass ich bald als Magister zugelassen werde.«
»Master Marlowe ist Dichter und Stückeschreiber, wenn er nicht studiert«, sagte Thomas und nahm die jetzt leere Weinkaraffe auf. »Er ist mehr interessiert am Theater als an der Kirche, für die er leider vorgesehen ist.« Sein Ton war ironisch, und er warf einen kurzen verschwörerischen Blick auf seinen Gast, der den Kopf mit dem Ausdruck des Abscheus schüttelte.
Marlowe sagte nur: »Ist noch Wein in der Karaffe, Thomas? Ich habe mächtigen Durst.«
»Wann hast du den nicht?« Thomas hielt seiner Schwester die Karaffe hin. »Nimm sie mit in die Vorratskammer und fülle sie aus dem Weinfass, auf dem Aquitaine steht, Rosamund. Und sag Mistress Riley, dass wir es eilig haben und für immer in ihrer Schuld stehen, wenn sie uns noch irgendwann vor Sonnenuntergang etwas zu essen bringt.«
Rosamund nahm die Karaffe und verließ das Arbeitszimmer. Sie hatte nicht die Absicht, der Köchin den ätzenden Kommentar ihres Bruders zu übermitteln. Mistress Riley würde ihr wahrscheinlich einen Topf an den Kopf werfen, aus der Küche stürmen und es Rosamund überlassen, sich um das halb fertige Essen zu kümmern, und sie war wahrhaftig keine gute Köchin.
Die Küche war heiß und voller Dampf, von dem Schwein, das an einem Spieß über dem Feuer briet, spritzte Fett in alle Richtungen, Kessel siedeten und blubberten, als ob sie auf einem Backofen der Hölle stünden. Der Küchenjunge drehte den Spieß, seine Augen glänzten, als wären sie fasziniert von den zischenden Flammen. Der Steinfußboden fühlte sich klebrig an unter ihren Füßen, und Rosamund bewegte sich so vorsichtig sie konnte, gab acht auf ihre feinen Schuhe und den Saum ihres grünen Seidenkleids. Sie ging in die Vorratskammer, um die Karaffe zu füllen. Mistress Riley warf Teig auf einen Arbeitstisch und bearbeitete ihn energisch mit ihren Fäusten, bevor sie ihn umdrehte und von der anderen Seite bearbeitete. Sie sah Rosamund von der Seite an, als diese aus der Vorratskammer kam. »Ihr könnt Master Walsingham sagen, dass das Essen in zehn Minuten auf dem Tisch steht.«
Rosamund begnügte sich mit einem Nicken und eilte aus der Küche, wobei sie in ihrer Hast aus Versehen einer Katze auf den Schwanz trat. Die Katze kreischte wütend, was sofort die Hunde im Küchenhof zum Bellen animierte, und Rosamund floh mit schweißbedeckter Stirn.
Sie blieb einen Moment vor der Tür des Arbeitszimmers stehen, um sich die Stirn mit ihrem Ärmel abzuwischen und ihre erhitzten Wangen abzukühlen, bevor sie hineinging. Hastig nahm sie einen Schluck Wein aus der Karaffe, dann öffnete sie die Tür. Ihr Bruder und Marlowe standen zusammen am Fenster und blickten hinaus in den Park. Ihr Bruder hatte dem Freund lässig den Arm um die Schulter gelegt, und sie schienen Rosamunds Eintreten nicht bemerkt zu haben.
»Das Essen steht in zehn Minuten auf dem Tisch«, verkündete sie etwas lauter als nötig. Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren seltsam, und sie spürte, wie sie errötete. Aber wenn die Männer das bemerkten, sagten sie nichts, wendeten sich nur vom Fenster ab und kehrten zurück zu ihren Plätzen.
Sie schenkte Wein ein und reichte ihnen die Pokale, dann nahm sie selbst einen tiefen Schluck aus ihrem eigenen. Es lag eine Spannung im Raum, die sie nicht identifizieren konnte. Aber es fühlte sich mehr nach Erregung als nach Drohung an. »Du wolltest etwas mit mir besprechen, Thomas?«
»Ja.« Er räusperte sich. »Du wirst in London erwartet.«
»In London?« Sie traute ihren Ohren kaum. »Warum? Von wem? Weswegen?«
»Es scheint, dass deine Existenz unserem erhabenen Cousin, Sir Francis Walsingham, aufgefallen ist«, teilte Thomas ihr in demselben ironischen Tonfall wie zuvor mit. »Er wünscht, dich zu sehen.«
Rosamund runzelte die Stirn. »Aber er ist der Staatssekretär der Königin. Was kann er von mir wollen?«
»Meine süße Schwester, es hat uns nicht zu interessieren, was seine Exzellenz der Staatssekretär von irgendeinem von uns will, es sei denn, es gefällt ihm, uns darüber in Kenntnis zu setzen«, versetzte Thomas und trank einen Schluck Wein. »Ich wage zu behaupten, dass er dich in Augenschein nehmen und feststellen möchte, ob für dich möglicherweise eine vorteilhafte Verbindung infrage kommt.«
»Aber die Entscheidung darüber obliegt doch Edmund.« Rosamund warf ihm einen Seitenblick zu. Sie hatte bisher nicht viel von ihrem ältesten Bruder zu sehen bekommen, aber er war der Familienvorstand, und wenn sie eine Ehe zum Vorteil der Familie eingehen sollte, dann war es an ihm, die Entscheidung und die Auswahl zu treffen.
»Edmund hat kein Interesse an dir, Mädchen. Er hat nur Augen für seine neueste Hure.« Thomas lachte und erhob sich mit einem derben Fluch. »Essen wir etwas. Mein Magen ist ein einziges großes Loch.«
Das Esszimmer war so schlicht eingerichtet wie der Rest des Hauses. Es war möbliert mit einem einfachen Kieferntisch, Stühlen und einer großen Anrichte aus Eiche. Es wurde so selten benutzt, dass es für Rosamunds Geschmack zu muffig roch, darum stieß sie das Fenster in der Nische auf und ließ den Duft der ersten Rosen aus dem Beet darunter herein.
Ein Diener betrat das Esszimmer mit dem Schweinebraten, den er auf die Mitte der Anrichte stellte, zusammen mit einem Krug Soße, Weizenbrot und einer Schüssel Butterbohnen. Marlowe hob die leere Glaskaraffe hoch und sah seinen Gastgeber auffordernd an. »Wir brauchen Nachschub, mein Freund.«
Thomas nickte. »Füll sie auf, Jethro.«
Der Diener nahm die Karaffe und verschwand. Rosamund setzte sich und nahm sich ein Stück Brot. Thomas schnitt bereits den Braten mit seinem Dolch an, ein Gerät, das seiner Schwester nicht zur Verfügung stand. Neben ihrem Zinnteller lag nur ein kleines Messer. Marlowe hatte sein eigenes Messer dabei, aber er schnitt sich lediglich eine hauchdünne Scheibe Fleisch ab und nahm nur einen Löffel vom Gemüse. Seine Augen waren auf die Tür gerichtet, in der Hand den leeren Weinpokal, und er wandte seine Aufmerksamkeit dem Zimmer erst wieder zu, als Jethro mit der vollen Karaffe zurückkam. Marlowe füllte seinen Pokal bis zum Rand und trank gierig.
Rosamund zwang sich, einen Bissen Fleisch in den Mund zu stecken, und kaute nachdenklich, im Geist mit den Neuigkeiten ihres Bruders beschäftigt. Ihr Cousin Francis war ein wichtiger Mann, der getreue Ratgeber der Königin, ein Mann von beträchtlichem Einfluss. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass er Interesse haben könnte an einer so unwichtigen Verwandten wie ihr. Sie wusste, dass Thomas geschäftlich mit ihm zu tun hatte, aber Thomas war ein Mann, das machte den ganzen Unterschied aus.
Sie wusste, wie ihre Zukunft aussah. Sie hatte keine übermäßig romantischen Vorstellungen über das eheliche Los einer Frau. Wenn sie Glück hatte, fände sie vielleicht einen rücksichtsvollen Ehemann. Vielleicht sogar einen Mann, dem sie Gefühle und Kameradschaft entgegenbringen konnte und umgekehrt, aber den musste man schon wie die Nadel im Heuhaufen suchen. Irgendjemand, wahrscheinlich Edmund, würde einen Ehemann für sie auswählen, eine Verbindung, von der die Familie in irgendeiner Weise profitierte, und sie würde tun, was man ihr sagte. Das war es, was Frauen taten. Wenn Edmund nicht so ausschließlich mit seinen eigenen Interessen beschäftigt wäre, hätte er sie schon lange untergebracht. Siebzehn war beinahe zu alt, um noch unverheiratet zu sein. Thomas hatte sicher nie weiter darüber nachgedacht, sodass sie in der ungestörten Eintönigkeit des Landlebens von Kent verblieben war.
Wenn sie wollte, könnte sie sich ihrem Cousin wahrscheinlich in einem Licht präsentieren, dass er lieber nichts mit ihr zu tun haben wollte. Er wollte sie schließlich nur in Augenschein nehmen. Aber sie war noch nie in London gewesen, und die Vorstellung hatte etwas Erregendes. Wenn sie Sir Francis gefiel, dann erlaubte er ihr möglicherweise zu bleiben, zumindest für eine Weile. Sie würde vielleicht sogar den Hof besuchen. Wenn er sie allerdings mit irgendeinem langweiligen Gutsherrn verheiraten wollte, wäre sie nicht besser dran als jetzt, sogar noch schlimmer mit einem dicken Bauch Jahr für Jahr. Und wann würde sie Zeit zum Zeichnen haben? Sie hatte gesehen, wie ihre Mutter nach und nach verkümmerte, jegliches Interesse an allem außerhalb ihrer Familie und des Haushalts verlor, bis sie in ihren letzten Lebensjahren nicht einmal mehr dafür Interesse aufbringen konnte. Aber bevor das geschah, könnte Rosamund die Aufregungen von London genießen, man konnte nie wissen, wem sie dort vielleicht begegnen würde oder welche Gelegenheiten sich ihr eröffnen mochten.
Sie war sich nicht bewusst, dass sie das Brot zwischen ihren Fingern zerkrümelte, während sie abwesend ihr Fleisch mit der Gabel bearbeitete, bis Marlowe sagte: »Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass das Schwein bereits tot war, Mistress Rosamund.«
Sie fuhr zusammen und blickte auf. »Oh, verzeiht mir. Ich habe an etwas anderes gedacht.«
»Das scheint mir nur zu offensichtlich.« Er füllte seinen Pokal erneut.
Sie lächelte ihn zurückhaltend an und bemerkte, dass er zwar viel trank, aber so gut wie nichts aß. Seine Augen hatten einen Schimmer, ein Strahlen, das beinahe fiebrig war, und seine Wangen waren gerötet. Er würde einen harten Morgen haben, dachte sie und wandte sich an ihren Bruder.
»Wann reisen wir nach London, Thomas?«
»In einer Woche, denke ich.« Er nahm sich mehr Fleisch. »Wie lange brauchst du für deine Vorbereitungen?«
»Weniger als eine halbe Stunde«, sagte sie bissig. »Meine Garderobe ist klein.«
»Und aus der Mode, wenn ich mir dieses Kleid betrachte.« Er sah sie über den Tisch hinweg stirnrunzelnd an. »Ist es das Beste, was du zu bieten hast?«
Rosamund schluckte ihren aufkommenden Ärger hinunter und sagte nur sachlich: »Ja.«
»Du liebe Güte, dann unternimm am besten etwas dagegen. Du solltest dich nicht wie eine Bettlerin sehen lassen.«
»Dafür benötige ich Geld«, informierte Rosamund ihn und legte ihre Gabel zur Seite.
Thomas stöhnte und griff nach dem Wein. »In Ordnung. Aber ich kann nicht viel entbehren. Was kostet ein Kleid heutzutage?«
»Das weiß ich nicht, Bruder. Wahrscheinlich so viel wie dein Wams.«
»Dieses?« Er strich mit der Hand über sein purpurrotes Samtwams mit den feinen goldenen Knöpfen. »Sei nicht albern, Rosamund. Es hat mich zwanzig Crowns gekostet. So viel kann ich nicht ausgeben.«
»Und wie soll ich es dann bewerkstelligen?«
Er funkelte sie an. »Ich werde sehen, was ich habe, und wir reden morgen darüber. In der Zwischenzeit sieh nach, ob Mistress Riley einen Syllabub für uns zubereitet hat.«
Zufrieden mit ihrem halben Sieg, ging Rosamund in die Küche. Als sie zurückkam und die Schüssel mit Weincreme auf den Tisch stellte, nickte Thomas ihr dankend zu. Sofort steckte er seinen Löffel in die schaumige Creme und bedeutete seinem Gast, das Gleiche zu tun. Marlowe schüttelte den Kopf und füllte stattdessen seinen Weinpokal.
Thomas sah ihn finster an. »Wenn du beim Minister Eindruck machen willst, brauchst du einen klaren Kopf, Kit. Dieses maßlose Trinken bekommt deinem Magen nicht, färbt deine Augen gelb und sorgt für hämmernde Kopfschmerzen. Ich warne dich, mein Cousin ist ein Mann der Mäßigung und hat gern Leute um sich, die es genauso halten.«
Marlowe lachte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streichelte liebevoll seinen Pokal. »Dann bin ich möglicherweise nicht der Richtige für seinen Dienst.« Sein Tonfall war gleichmütig, und Rosamund, die ihren eigenen Löffel in die Nachspeise steckte, konnte sehen, wie sich der Blick ihres Bruders verdüsterte.
»Du tätest gut daran, dir deine Worte zu überlegen«, meinte Thomas. »Es sei denn, dass du das Leben eines verarmten Hilfsgeistlichen in irgendeiner abgelegenen Pfarrei führen willst.«
»Oh, Tom, Tom, du Ungläubiger.« Marlowe lachte wieder, dann stürzte er den Inhalt seines Pokals hinunter. »Ich hüte meine Zunge und weiß mich zu benehmen, wenn es sein muss. Hier ...« Er schob seinen Pokal über den Tisch. »Fülle ihn bis zum Rand, Freund. Dein hoheitsvoller Verwandter ist nicht hier, außer er versteckt sich hinter der Wandtäfelung.«
Thomas nahm die leere Karaffe und stellte sie umgedreht auf den Tisch. »Der Wein ist alle.« Sein Tonfall war mürrisch, aber endgültig. Marlowes Blick verengte sich, und die Röte auf seinen Wangen wurde tiefer. Er stand auf und stieß seinen Stuhl zurück. »Dann finde ich ihn eben selbst.« Er packte die Karaffe und verneigte sich schwungvoll vor Rosamund. »Mistress Rosamund, würdet Ihr mich bitte zur Vorratskammer führen.«
Rosamund blickte ihren Bruder an. Er selbst war auch nicht gerade enthaltsam gewesen, und seine hellen Augen waren so blutunterlaufen wie die seines Freundes. Ein verräterischer Muskel zuckte in seiner Wange, und sie wusste, dass er kurz vor einem seiner gefürchteten Wutausbrüche stand, die immer deutlich schlimmer waren, wenn er getrunken hatte. Er starrte Marlowe an, der mit einem spöttischen Lachen zurückstarrte.
»Willst du eine Schlägerei, Tom?« Marlowe warf den Zinnkrug in den leeren Kamin, wo er laut krachend landete und geräuschvoll hin und her rollte. »Nur zu, komm, ich besiege dich immer noch allemal.« Er hob die Fäuste, und Thomas sprang vor. Rosamund floh.
Sicher hinter der verschlossenen Tür hielt sie inne, um zu lauschen. Es gab einen dumpfen Schlag, noch einen, einen Aufschrei, von dem sie glaubte, dass er von Thomas kam, dann plötzlich Gelächter, übermütiges, stürmisches Gelächter. Leise hob sie den Riegel und öffnete die Tür einen Spalt. Sie spähte in das Zimmer. Die beiden Männer hielten einander fest, schwankten gemeinsam hin und her. Es war unmöglich zu sagen, ob sie im Kampf oder in einer liebevollen Umarmung vereint waren. Sie lachten, aber das Lachen trug eine Spur von Bedrohlichkeit in sich, von zurückgehaltener Spannung und Leidenschaft.
Was auch immer es war, für sie war kein Platz darin. Rosamund schloss die Tür leise und ging auf ihr Zimmer. Sie fühlte sich unsicher, unruhig, irgendwie verloren, als ob ihr Verständnis von der Welt falsch war.
Aber welches Verständnis von der Welt konnte sie schließlich schon haben, ein zurückgezogen und beschützt lebendes Mädchen von siebzehn Jahren?
Am nächsten Morgen war Rosamund wie üblich optimistisch. Als Erstes dachte sie daran, dass sie nach London reisen würden und dass die Reise neue Kleider bedeutete, oder zumindest eins. Erst als sie sich über diese Aussichten gefreut hatte, erinnerte sie sich wieder an die Unannehmlichkeiten des Vorabends. Hatten Thomas und Kit Marlowe ihre Freundschaft wieder geflickt? Trotz des Lachens und der seltsam kämpferischen Umarmung, die sie mitbekommen hatte, waren sie definitiv zornig aufeinander gewesen. Natürlich hatten sie beide zu viel getrunken, sonst hätte eine so unwichtige Sache nicht eine derartige Szene provoziert. Aber betrunkene Streitereien waren ihrer Erfahrung nach die am meisten zu fürchtenden.
Sie kleidete sich an, stieg barfuß in ein Paar geflochtene Sandalen und ging nach unten auf die Suche nach Frühstück. Die Tür zum Esszimmer stand einen Spalt offen, und sie roch verschütteten Wein, als sie vorbeiging. Sie hielt inne und blickte hinein. Niemand war seit dem gestrigen Abend im Zimmer gewesen, nach dem Geschirr zu urteilen, das immer noch auf dem Tisch stand, und den umgekippten Weinpokalen. Eine Flasche Brandy, nur noch zu einem Viertel gefüllt, stand auf der Anrichte. Sie war nicht da gewesen, als sie gegangen war, also hatten Thomas und Master Marlowe ihren Streit wahrscheinlich über der Brandyflasche beigelegt.
Wie waren die beiden sich wohl begegnet, überlegte sie, als sie in die Küche ging. Oberflächlich betrachtet schienen sie völlig verschieden. Thomas war ein eleganter Höfling, Kit Marlowe ein verarmter Gelehrter mit dem Ziel, Dramatiker zu werden.
In der Küche ging sie Katzen und zwei Hunden aus dem Weg, die eigentlich im Hof sein sollten, sich aber in einer Ecke um einen Knochen balgten. Sie schnitt sich eine Scheibe Weizenbrot ab, butterte sie großzügig und ging hinaus in den Küchengarten.
Mistress Rileys Sohn, Jem, lief durch den Garten und verfolgte zwei hysterisch gackernde Hühner, die anscheinend ihr kommendes Schicksal erahnten und es schafften, auf das Dach des Hühnerhauses zu flattern, wo sie wild gackernd saßen und sich aufplusterten.
»Immer fliegen sie da rauf«, jammerte Jem und zog an seinem Wams. »Wie soll ich sie von da oben runterkriegen, Mistress?«
»Offensichtlich mit Schwierigkeiten«, meldete sich eine Stimme hinter Rosamund. Sie drehte sich um. Master Marlowe, mit geöffnetem Wams über dem weinfleckigen Hemd, stand verschlafen neben der Sonnenuhr. »Hol eine Leiter, Junge.« Er rollte die Ärmel seines feinen Batisthemdes hoch, das ziemlich mitgenommen aussah.
Jem brachte eine Leiter, lehnte sie gegen das Hühnerhaus, und Marlowe erklomm sie. Er fluchte kräftig, als die Hühner sich vor seinen zupackenden Händen in Sicherheit brachten. Er kroch weiter hinauf, warf sich nach vorn und fing einen der Vögel mit beiden Händen. Immer noch auf der Leiter, drehte er ihm brutal den Hals um und warf ihn zu Boden, bevor er sich seine gackernde Schwester schnappte, die das gleiche Schicksal ereilte.
Er kletterte hinunter, wischte sich die Hände an den Hosen ab, während Jem die Vögel aufsammelte und mit ihnen in die Küche flitzte.
»Ich habe den Eindruck, dass Ihr das schon einmal gemacht habt«, sagte Rosamund ehrfürchtig.
»Viele Male«, gab er ihr kurz auflachend recht. »Eine Familie mit neun Kindern vertilgt jede Menge Hühner, und der Lohn eines Schusters lässt wenig anderes zu für den Kochtopf.«
»Woher kommt Ihr?«
»Canterbury.« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, als müsste er seine Sicht klären. »Ich habe das dringende Bedürfnis nach Bier, Mistress Rosamund.«
»Ich hole Euch eins.« Sie ging zurück zum Haus. Er folgte ihr in die Spülküche, wo sie einen schäumenden Humpen Bier vom Fass zapfte. Er leerte ihn, ohne abzusetzen, und bat um ein weiteres Bier. Sie zapfte ihm noch eins. »Einen Kater kuriert man am besten, wenn man mit dem anfängt, womit man aufgehört hat, glaube ich.«
»Jawohl«, stimmte er zu. »Und wenn man je von einem Kater sprechen konnte, dann heute.«
»Ihr habt gestern Nacht lange mit meinem Bruder getrunken.«
»Jawohl. Ein Gewohnheitslaster, aber wenn ich Wein auf der Zunge spüre, bin ich im Paradies und fürchte keine zukünftigen Höllenqualen.«
»Möchtet Ihr frühstücken?« Sie bewegte sich auf die Küche zu.
»Ich habe keinen Appetit.« Er folgte ihr durch die Küche ins Haus. »Gibt es hier ein ruhiges Zimmer, wo ich ungestört arbeiten kann?«
»Im Arbeitszimmer.« Sie führte ihn zu dem Raum, in dem er mit Thomas gesessen hatte. »Hier wird Euch niemand stören.«
»Und da ist mein Ranzen.« Er stellte seinen Bierhumpen ab, hob den Lederranzen hoch, den er am Vortag mitgebracht hatte, und ging zur Fensternische. Er schnallte ihn auf und entnahm ihm ein Stück Pergament. »Gibt es hier einen Federkiel und Tinte?«
Rosamund wies auf den Eichenschreibtisch an der Wand. »Ich habe das Tintenfass erst gestern nachgefüllt.« Sie hockte sich auf die Fensterbank und beobachtete neugierig, wie er das Pergament auslegte und sich mit dem Fuß einen Stuhl heranzog.
»Ist es ein Stück?«, erkundigte sie sich. »Darf ich es sehen?«
Statt einer Antwort hielt er ihr ein Blatt Papier hin. Sie beeilte sich, es ihm abzunehmen, und las dann schweigend.
Vergiss den König – verbünde dich mit mir:
Und wir wolln triumphieren über alle Welt.
Nach einer Minute blickte sie verwirrt hoch. »Aber es reimt sich ja gar nicht. Wie könnt Ihr ein Stück schreiben, das sich nicht reimt? Das ist doch keine Poesie.«
Marlowe betrachtete sie einen Moment. »Das wird man behaupten, da bin ich mir sicher. Aber so höre ich die Zeilen. Sie haben ihren eigenen Rhythmus, und ob sie sich reimen, ist nicht von Bedeutung. In meinen Ohren klingen sie wie ein Vers.«
Rosamund nahm die Blätter und ging zurück zum Fenstersitz. Beim Lesen murmelte sie die Worte leise vor sich hin, damit sie den Rhythmus hören konnte, und nach einigen Zeilen wurde ihr bewusst, dass es sich tatsächlich wie Poesie las. »Es stimmt.« Sie saß da mit dem Pergament auf dem Schoß. »Nach einer Weile nimmt man das Fehlen eines Reimes gar nicht mehr wahr. Hat Thomas dies gelesen?«
»Thomas, mein lieber Thomas, hat es erfreut gebilligt«, sagte Marlowe und verzog spöttisch die Lippen. »Und wo ist er an diesem wunderschönen Morgen?«
»Noch im Bett, denke ich. Wenn Ihr lange zusammen getrunken habt.«
»Ich entdecke da eine Andeutung von Missbilligung, Mistress Rosamund.« Er tauchte seine Feder in die Tinte und schrieb einige Worte. »Ihr haltet nichts von Bacchus’ Gabe?«
»Es ist nicht an mir, etwas gutzuheißen oder zu missbilligen.«
»Nein, das stimmt wohl.« Er fuhr fort mit Schreiben.
»Worum geht es in diesem Stück?«
»Um das Einzige, was Menschen sich wünschen, was alle anstreben, wofür alle sterben werden.« Er sah sie an, lächelte leicht. »Könnt Ihr mir sagen, was das ist?«
Rosamund konnte nur an eins denken, an das Offensichtliche, das jedermann als einziges Ziel auf Erden gelehrt wurde. »Die Liebe Gottes.« Aber schon als sie es sagte, wusste sie, dass es falsch war, und es überraschte sie nicht, als er ungeduldig den Kopf schüttelte.
»Alles schön und gut, und im Namen dieser Liebe werden Menschen weiterhin Gräueltaten begehen, sodass Ihr entschuldigt seid. Aber, nein, Mistress Rosamund, darum geht es nicht in meinem Stück. Es geht um Macht. Die Liebe zur Macht. Den Kampf um Macht. Um Menschen, die ihre Macht im Namen Gottes steigern und Ketzer im Namen Gottes foltern. Und all diese Dinge, die sie in seinem Namen tun, machen sie entsetzlich und schrecklich in ihrer Macht. Und das ist es, was sie lieben.«
Rosamund nickte, obgleich sie unsicher war, dass sie es völlig verstanden hatte. Sie gab ihm die Papiere zurück. »Ich werde Euch nicht weiter stören.«
»Also hier bist du, Kit.« Thomas kam herein, als sie gerade gehen wollte. Er trug einen nur locker gebundenen Morgenmantel, sodass sie das weiße Fleisch seines Bauches sehen konnte, wenn er sich bewegte. Sie wandte instinktiv ihren Blick ab und verließ das Zimmer. Thomas schien sie nicht bemerkt zu haben, er hatte nur Augen für Kit. Er ging zu ihm und beugte sich vor, um ihm einen Kuss zu geben. Das war das Letzte, was Rosamund sah, bevor sie davoneilte.
Eine Woche später reisten sie alle drei nach London. Rosamund war inzwischen so an Kit Marlowe gewöhnt, dass sie das gelegentlich ausgetauschte verschwörerische Lächeln, die gemurmelten Worte, die gegenseitigen Berührungen zwischen ihm und ihrem Bruder kaum noch wahrnahm. Sie dachte lieber an ihre beiden neuen Kleider und die eher alarmierende Aussicht, Sir Francis Walsingham vorgestellt zu werden.
Obgleich es nur ein dreistündiger Ritt nach London war, brachen sie gleich nach Sonnenaufgang auf. Rosamund war überrascht, dass sie einen Kloß in der Kehle hatte, als sie die Auffahrt hinunterritten. Sie hatte noch nie zuvor ihr Heim verlassen, und sogar Mistress Riley hatte auf ihre schroffe Art und Weise so etwas wie Gefühle gezeigt, als sie Rosamund ein Päckchen ihrer Lieblingskekse aufgedrängt hatte. Rosamund knabberte einen der Kekse und genoss den Geschmack ihrer Kindheit, die sie jetzt hinter sich ließ.
Jethro bildete den Schluss ihrer kleinen Gesellschaft und ritt das Packmaultier, dessen Ledersatteltaschen sowohl Rosamunds persönliche Dinge wie auch die neuen Kleider und zwei Paar neue Schuhe enthielten. Thomas hatte sie gebeten, für vierzehn Tage zu packen für den Fall, dass der Staatssekretär sie nicht gleich empfangen konnte, und die Aussicht auf zwei ganze Wochen in London erfüllten sie mit Vorfreude.
Trotz der frühen Stunde waren die Straßen schon voller Pferdewagen auf dem Weg zum Markt. Hin und wieder wälzte sich eine Kuhherde über die enge Straße, die von der Weide zum Melkstall getrieben wurde, und für nahezu eine Meile verlangsamte eine Schafherde den Verkehr zu Schritttempo. Thomas und Kit schien die Verzögerung nichts auszumachen. Beide waren in Theatergespräche vertieft, denen Rosamund begierig lauschte. Sie bekam die Namen Burbage und Ned Alleyn und Watson mit, noch ein Thomas offenbar. Sie alle waren Theaterleute – Schauspieler, Geschäftsführer und Stückeschreiber –, die ihr Bruder anscheinend gut kannte.
»Wir sollten uns das Stück ansehen, vielleicht heute Nachmittag, wenn diese gottverdammten Schafe jemals den Weg freigeben«, verkündete Thomas. »Du solltest Watson kennenlernen und auch Tom Kyd, wenn er da ist. Seine Stücke haben ihre Anhänger, aber ohne einen Mäzen muss er von der Mildtätigkeit und Freundschaft anderer leben.«
»Ein Schicksal, das auch anderen als Kyd widerfährt«, sagte Marlowe und beugte sich hinüber, um eine Weißdornblüte von der dicht neben der Straße wachsenden Hecke zu pflücken, deren Zweige die Flanken seines Pferdes streiften.
»Der Dienst zahlt, wenn du Talent dafür zeigst und der Staatssekretär dich einstellt«, sagte Thomas.
»Ich bezweifle, dass ich eine Ader für Spionage habe.« Kit inhalierte den Duft der Blüte, bevor er sie zu Boden fallen ließ.
»Oh, die Fähigkeiten sind nicht schwer zu erwerben, mein Freund, besonders nicht, wenn die Notwendigkeit besteht.«
»Wir werden sehen.«
Rosamund war ganz Ohr, während sie hinter den Männern ritt. Was war das für ein Dienst, von dem Thomas redete? Und was hatte er mit Spionage zu tun? Sie nahm an, dass es alles mit dem Staatssekretär der Königin und wahrscheinlich mit Thomas’ Arbeit für seinen Cousin zusammenhing. Sie hätte gern Fragen gestellt, aber die Art und Weise, wie die Männer Seite an Seite ritten und die Köpfe zusammensteckten, hatte etwas Ausschließendes, sodass es ihr unangenehm gewesen wäre, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Stattdessen beschäftigte sie sich gedanklich mit der Möglichkeit eines gemeinsamen Theaterbesuchs. Sie beschloss, das Thema nicht anzuschneiden, bevor sie in London waren. Thomas wäre ansprechbarer mit einem Krug Bier in der Hand und einer guten Pastete im Magen.
In der Zwischenzeit genoss sie den Ritt an einem so schönen Morgen. Sie passte sich dem gemächlichen Rhythmus ihres Zelters an, eine gepflegte rotbraune Stute, die ihr ganzer Stolz und ihre Freude war. Jenny war in den Ställen von Scadbury geboren und aufgezogen worden, die im Umkreis vieler Meilen für die Qualität ihrer Pferdezucht bekannt waren. Rosamund hatte sie sich als Fohlen angeeignet und ihr selbst beigebracht, sich aufzäumen zu lassen. Geschickt hatte sie dafür gesorgt, dass die rotbraune Stute nie in den Ställen war, wenn ein Käufer nach Scadbury kam. Keiner ihrer Brüder schien Rosamunds stufenweise Aneignung des Tiers bemerkt zu haben, und mittlerweile war Jenny als Rosamunds Sattelpferd allgemein akzeptiert, ohne dass sich noch irgendjemand fragte, wie das gekommen war.
Es war ein warmer Maimorgen, die Luft mild, die Sonne warm aber nicht zu warm. Der Duft des Weißdorns lag in der Luft, und die Hecken waren voller Schlüsselblumen, Glockenblumen, Kuckuckslichtnelken und den zarten, filigranen Blüten des Bärenklaus. Ein Messerschleifer hatte sein Werkzeug auf der Dorfwiese eines Weilers aufgebaut, den sie durchquerten. Er rief seine Dienste aus, und die Frauen strömten aus den Häusern mit Töpfen, die geflickt, und Messern, die geschliffen werden mussten. Ein Mann am Pranger wurde von einem Haufen Kinder umtanzt, die johlten, während sie ihn mit fauligen Eiern und madigem Fallobst bewarfen. Er verfluchte sie lauthals, aber sie lachten nur noch mehr und bewarfen ihn noch heftiger.
»Zumindest sehen wir nicht in jeder Stadt Scheiterhaufen«, meinte Thomas ernst und beobachtete das Elend des Mannes mit einem gewissen Mitgefühl. »Wie ich hörte, stand zu Zeiten, als Bloody Mary Königin war, in jedem Weiler ein Scheiterhaufen. Es muss Ketzer in Hülle und Fülle gegeben haben«, fügte er mit einem gewissen Zynismus hinzu.
»Auch so gibt es immer noch genug Verbrennungen«, antwortete Kit.
»Sie haben in Chislehurst vor einigen Wochen eine Frau als Hexe verbrannt«, fiel Rosamund ein. »Sie hatte behauptet, heilige Wundmale an sich zu haben. Es hieß, sie wäre eine ketzerische Hexe, und sie wurde auf dem Marktplatz verbrannt.«
Kit warf ihr einen Blick zu. »Wisst Ihr noch, was ich Euch über Macht erzählt habe, Mistress Rosamund? Menschen verbrennen das Fleisch anderer im Namen Gottes, und indem sie das tun, verstärken sie ihre eigene irdische Macht.«
»Sei vorsichtig mit dem, was du sagst, Kit«, warnte Thomas und sah ihn wütend an. »Und bring meiner Schwester nicht deine atheistischen Irrlehren bei. Das lasse ich nicht zu.«
Kit Marlowe zuckte die Achseln und trieb sein Pferd voran, sang leise aber deutlich hörbar ein unanständiges Lied. Thomas runzelte die Stirn, ließ es ihm aber durchgehen. Rosamund schwieg vorsichtshalber.
Sie ritten durch Greenwich, vorbei am Palast, an dem das königliche Banner flatterte und anzeigte, dass die Königin anwesend war. Rosamund blieb etwas zurück, um das funkelnde Gebäude in der üppigen grünen Parklandschaft und den Fluss, auf dem viele Lastkähne und Boote verkehrten, genauer betrachten zu können. Das königliche Prunkschiff war am Pier vertäut, und Musikklänge erschallten von einigen Musikanten am Bug.
»Ihre Majestät kommt anscheinend zum Fluss«, meinte Thomas. »Sonst würden sie nicht spielen.«
»Können wir eine Weile bleiben, um sie zu sehen?«, bat Rosamund.
»Nein, wir haben keine Zeit. Zweifellos wirst du sie in London sehen. Dort ist sie häufig«, antwortete er gedankenlos.
Rosamund schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Eine Meile weiter hielten sie an einem Fährübergang. »Wir überqueren hier den Fluss«, sagte Thomas. »An dieser Stelle ist es weniger überfüllt als näher an der Stadt. Dann sind die Pferde weniger unruhig.« Er stieg ab und führte sein Pferd ans Ufer. Rosamund und Marlowe folgten ihm und sahen zu, wie die Fähre vom anderen Flussufer herübergeseilt wurde.
Bauersfrauen, zerlumpte Kinder und Hausierer mit ihren Körben strömten auf die Fähre, als sie am Ufer festmachte. Thomas benutzte seine Peitsche ausgiebig, um sich und seinen Begleitern mit ihrem Gepäck Platz zu schaffen. Größtenteils wichen die Menschen gutmütig beiseite, nur hin und wieder war ein Fluch zu hören oder wurde zu Thomas’ Füßen ausgespuckt.