Die Spurenfinder und das Drachenzepter - Marc-Uwe Kling - E-Book

Die Spurenfinder und das Drachenzepter E-Book

Marc-Uwe Kling

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Beschreibung

Hinreißend komisch: der neue Fantasy-Roman von Marc-Uwe Kling Nachdem der Spurenfinder Elos von Bergen zusammen mit seinen Kindern Ada und Naru den schrecklichen Mord am Dorfvorsteher aufgeklärt hat, ist Ruhe eingekehrt in Friedhofen. Die Zwillinge beginnen sich schon wieder zu zoffen, so langweilig ist ihnen, da klopft zum Glück ein Bote König Fredlaffs an die Tür. Das legendäre Zepter der Ahnen wurde unter unerklärlichen Umständen aus der königlichen Schatzkammer entwendet – und das keine drei Tage vor der Unabhängigkeitsfeier, bei der Fredlaff samt Zepter vor sein Volk treten muss. Ist es nur ein Diebstahl oder verbirgt sich mehr dahinter? Gar eine politische Intrige? Elos und die Zwillinge eilen in die Hauptstadt, um den mysteriösen Fall unters Glotzoskop zu nehmen ... »Magisch!« DIE ZEIT

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Spurenfinder und das Drachenzepter

Marc-Uwe Kling singt Lieder und erzählt Geschichten. Seine Känguru-Geschichten wurden 2010 mit dem Deutschen Radiopreis und 2013 mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Im Kino waren das Känguru und der Kleinkünstler bereits mit zwei Blockbustern vertreten ("Die Känguru-Chroniken", 2020 & "Die Känguru-Verschwörung" 2022). Die satirischen Dystopien QUALITYLAND (2017) und QUALITYLAND 2.0 (2020) eroberten die SPIEGEL-Bestsellerliste und werden derzeit verfilmt. Das Vorlesebuch DAS NEINHORN verkaufte sich fast eine Million mal.  

Nachdem Elos von Bergen mit seinen Kindern Ada und Naru den schrecklichen Mord von Friedhofen aufgeklärt hat, ist dort wieder Ruhe eingekehrt. Als sich die Zwillinge schon vor Langeweile zoffen, klopft ein Bote des Königs an die Tür. Das legendäre Drachenzepter wurde auf mysteriöse Weise aus der Schatzkammer entwendet – und das keine drei Tage vor der Unabhängigkeitsfeier. Dort muss König Fredlaff samt Zepter vor sein Volk treten. Ist es nur ein Diebstahl? Oder gar eine politische Intrige? Elos und die Zwillinge eilen in die Hauptstadt, um den rätselhaften Fall unters Glotzoskop zu nehmen ...

Luise Kling, Johanna Kling, Marc-Uwe Kling und Elisabeth Kling

Die Spurenfinder und das Drachenzepter

Roman

Ullstein

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© Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin 2025Umschlaggestaltung: zeromedia.net, München unter Verwendung einer Vorlage von Bernd Kissel Alle Rechte vorbehaltenWir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vorAutorenfoto Marc-Uwe Kling: © Sven Hagolani

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ISBN: 978-3-8437-3551-3

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Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

 

Prolog

Ein Jahr später

Die Spurenfinderin

Ein verkleideter Befehl

Iriandria

Das Verlies

Ein Tag für die Geschichtsbücher

Sieben mal sieben Sekunden

Lohenstiens Methoden

Der Steinflüsterer

Rosenwasser-Wackelpudding

Alte Freunde, neue Probleme

Aus heiterem Himmel

Ein Babydrache

Zwei, zehn, zwanzig, vier

Echte Geheimnisse

Der Albtraum

Der Traummörder von Altschwanenberg

Hoch oben

Nekrans Schatten

Ein wirklich hervorragendes Versteck

Dunkles Vermächtnis

Mehr Neugier als Schamgefühl

Mittelmäßige Pläne

Kein Oben, kein Unten

Die Nacht der Träume

Im Dunkeln

Eine wichtige Information

Improvisationen

Kein Entkommen

Ein Viertel Wahrheit

Keine gute Tat bleibt ungestraft

Epilog

Karten

Über die Autorinnen und Autoren

Anhang

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Motto

»Am Vorabend der Schlacht von Sonkurria war die Verzweiflung so dick, man hätte sie schneiden und sich aufs Brot legen können. Zwist herrschte im Lager der Aufständischen. Fliehen, verhandeln oder kämpfen bis zum Tod? Wer hatte das Recht, für die Unabhängigkeitsbewegung zu sprechen, wer, sie zu führen? Der Aufstand war nicht nur von der imperialen Übermacht bedroht, er war drauf und dran, an seinen inneren Widersprüchen zu zerbrechen. Doch in dieser dunklen Stunde trat Iria, Tapferste der Tapferen, in die nächtliche Ratsversammlung, und in ihrer Hand hielt sie das Drachenzepter.«

Chronik des Königreichs Dreibrückenvon Deidra Harfner

Prolog

Für einen kurzen Augenblick war es völlig still im Haus am Schönen See. Als hätte der Schock über das, was die Zwillinge gerade erfahren hatten, die Zeit genau zur Mittagsstunde eingefroren. Ada fürchtete, dass selbst ein Blinzeln ohrenbetäubenden Lärm machen würde.

Naru blickte wieder auf das Notizbuch, das auf dem Küchentisch lag. Er musste den letzten Absatz ein zweites Mal lesen. Was da in den Memoiren seines Vaters stand, war doch kaum zu fassen.

Die Zwillinge sind mein einziger ungelöster Fall – und mir dennoch der liebste. Ihre Anwesenheit in meinem Leben ist ein vollkommenes Rätsel, dem des Obelisken von Tarnok ebenbürtig. Ich beschloss, sie als meine eigenen Kinder auszugeben, denn zumindest eines war mir sonnenklar: Wenn jemand so verzweifelt war, seine Kinder nachts vor meiner Tür zurückzulassen, dann nur, weil sie in großer Gefahr schwebten.

Naru schlug das in Leder eingebundene Buch mit der großen Dreizehn darauf zu und starrte seinen Vater an. Oder vielmehr den Mann, den er zwölf Jahre lang für seinen Vater gehalten hatte: Elos von Bergen, den berühmtesten Spurenfinder der Verlorenen Provinzen. Dann blickte er zu seiner Zwillingsschwester. Adas Mund stand offen. Das sah ein bisschen dumm aus, fand Naru. Er schob seinen noch vollen Teller Kartoffelsuppe von sich. Der Hunger war ihm vergangen. Und das wollte was heißen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal freiwillig ein Mittagessen hatte sausen lassen. Auf einmal hatte Naru den dringenden Wunsch, aus der Küche zu rennen und im kalten Wasser des Schönen Sees unterzutauchen. Nur, um einen klaren Kopf zu bekommen. Und danach würde er sich für zwei, drei Wochen irgendwo in Friedhofen oder im Wilden Wald verstecken. Bis jetzt war der Herbst ja sehr sonnig gewesen. Er könnte sich bestimmt von dem ernähren, was ihm Büsche und Bäume anboten. Oder er zog einfach bei Ilda ein. Oh ja, das war ein deutlich besserer Plan.

Ada hatte zu viele Gefühle auf einmal. Ihr Verstand kam nicht hinterher. Sie war überrascht und irgendwie sauer, gleichzeitig fragte sie sich, ob sie immer noch in Gefahr waren, dann wieder konnte sie es gar nicht glauben. War das ein schlechter Scherz? Aber als sie Elos in die Augen sah, erkannte sie, dass es die reine Wahrheit war. Der Spurenfinder blickte die Zwillinge unsicher an. Was war das in seiner Miene, fragte sich Ada. Sorge? Angst? Fürchtete er sich davor, wie die Kinder reagieren würden? Hatte er ihnen deshalb ihre Herkunft so lange verschwiegen? Ada wollte etwas sagen, sie war ja tatsächlich wütend, aber gleichzeitig wollte sie ihren Vater trösten, denn das war er doch immer noch, oder nicht? Ihr Vater? Nur wusste sie nicht, was sie sagen sollte.

Auch Elos schien um Worte zu ringen. Nichts war zu hören als das Knistern des Feuers im Ofen. Es war Naru, der das Schweigen schließlich brach. »Hat einer von euch eigentlich schon den Esel gefüttert?«, fragte er.

Ada blickte ihren Bruder fassungslos an.

»Ich … ich geb ihm lieber mal was«, sagte Naru. »Ihr könnt mir ja dann … also … ähm …« Er stand auf und ging zur Tür.

»Spinnst du?«, fragte Ada. »Du bleibst schön hier, Junge!«

Ihr Bruder atmete tief ein und seufzte. »Ich möchte lieber nicht …«. Verdammte Neugier, dachte er. Es gibt eben doch Sachen, die man lieber nicht gewusst hätte. Trotzdem ging er zurück zu seinem Platz und setzte sich.

»Ich weiß, ich hätte euch das längst erzählen müssen«, begann Elos. »Doch es gab nie den richtigen Moment. Anfangs hatte ich Angst, dass ihr euch verplappert und dadurch selbst in Gefahr bringt. Später fürchtete ich, dass ihr es mir übel nehmen könntet, dass ich es euch nicht schon früher erzählt habe, und ich weiß nicht …«

Elos unterbrach sich, als Ada ihn umarmte. Tränen rannen ihre Wangen hinunter.

»Du bist immer noch unser Vater«, schluchzte sie.

»Das … das hoffe ich doch.«

»Wir haben ja auch keinen anderen«, sagte Naru. Er kratzte sich nachdenklich an der Nase. »Aber wenn ich ganz viel Glück habe, dann ist Ada gar nicht wirklich meine Schwester.«

»Du bist so doof!«, rief Ada und boxte ihren Bruder gegen den Oberarm. Doch sie verstand natürlich, dass er nur versuchte, die angespannte Situation durch seine schlechten Witze zu entschärfen.

»Fein«, sagte Naru zu Elos. »Du bist immer noch unser Vater. Aber Tatsache bleibt, dass du uns angelogen hast. Und lügen darf man nicht. Das hast du selbst uns beigebracht.«

»Bitte was?«, fragte Elos erstaunt. »Solch einen Unsinn habe ich gewiss nie verbreitet.«

»Das stimmt«, pflichtete Ada bei. »Du hast immer gesagt, dass wir nicht ohne guten Grund lügen sollen.«

»Das ist ein gewaltiger Unterschied!«, ergänzte Elos.

»Vater selbst lügt ja auch ständig«, sagte Ada.

»Also ständig würde ich nicht sagen.«

»Aber sehr häufig.«

»Manchmal.«

»Einigen wir uns auf oft.«

»Einigen wir uns auf, wenn ich einen guten Grund habe«, sagte Elos.

»Aber jedenfalls hat Vater noch nie behauptet, dass man gar nicht lügen soll«, bilanzierte Ada.

»Wieso fällst du mir eigentlich in den Rücken?«, meckerte Naru seine Schwester an. »Merkst du nicht, dass wir gerade in einer starken Position sind? Ich versuche hier, Zugeständnisse für uns auszuhandeln!«

»Was denn für Zugeständnisse?«, fragte Ada.

»Was weiß ich«, sagte Naru. »Zum Beispiel, dass wir nicht mehr in die Schule müssen.«

»Aber ich gehe gerne in die Schule!«

»Ich finde es anhand der neuesten Enthüllungen wirklich zweifelhaft, dass wir Geschwister sein sollen.«

Ada ignorierte ihren Bruder. »Was ist eigentlich mit unserer Mutter?«, fragte sie.

Elos lächelte schwermütig.

»Wenn du von ihr erzählt hast«, sagte Naru. »Das klang so echt. Hast du dir das alles nur ausgedacht?«

»Wenn man lügt …«, begann Elos.

»… aus gutem Grund …«, warf Ada ein.

Elos schüttelte den Kopf. »Egal wie gut der Grund ist … Eine Lüge funktioniert dann am besten, wenn sie von so viel Wahrheit wie möglich umschlossen ist.« Der Spurenfinder kratzte sich an seinem markanten Backenbart. »Die Lüge muss der Schnürsenkel sein, nicht der Schuh. Sonst merkt man gleich, dass es nicht passt.« An seltsamen Sprüchen wie diesem erkannte man noch heute, dass Elos’ Vater Schuster gewesen war.

»Was soll das denn heißen?«, fragte Naru. »Was für Schnürsenkel?«

»Kurz bevor ihr mir zugeflogen seid, war ich auf Tarnok«, erzählte der Spurenfinder. »Dort traf ich eine Frau. Sie hat mir geholfen, das Rätsel des Obelisken zu lösen.« Ein versonnenes Lächeln schlich sich auf Elos’ Gesicht. »Vivian war der schlaueste Mensch, den ich je getroffen habe. Und vorlaut war sie auch. Ihr hättet wirklich ihre Kinder sein können …«

»Also zumindest ich«, sagte Ada.

»Aber natürlich seid ihr nicht ihre Kinder.«

»Und du warst in sie verliebt?«, fragte Naru.

Elos seufzte nur, antwortete aber nicht. Stattdessen sagte er: »Als ich mir eure Mutter ausdenken musste, da nahm ich mir Vivian zum Vorbild.«

»Wenn du sie so toll fandest«, fragte Naru, »warum hast du sie dann nicht einfach geheiratet?«

»Ich war nur ein verwaister Schusterjunge und Vivian die Tochter des Fürsten von Tarnok. Sie war bereits einem anderen versprochen.«

»Vielleicht sind wir wirklich ihre Kinder«, überlegte Naru. »Vielleicht war sie es, die in Gefahr war? Und natürlich schickte sie ihre Kinder zu dir.«

Elos schüttelte den Kopf. »Es vergingen kaum zwei Wochen zwischen dem Moment, in dem ich Vivian zurücklassen musste, und dem Augenblick, als ich euch in dem Korb vor meiner Tür fand. Es wäre eine sehr kurze Schwangerschaft gewesen.«

»Warte mal!«, rief Naru plötzlich. Ihm war soeben etwas furchtbar Wichtiges eingefallen. »Jedes Jahr hast du mit uns Geburtstag gefeiert. Woher weißt du eigentlich, wann wir Geburtstag haben?«

»Hm«, machte sein Vater. »Also das weiß ich natürlich nicht wirklich.«

»Das heißt, du hast dir unseren Geburtstag nur ausgedacht?«, fragte Ada.

»Nun, möglicherweise …«, sagte Elos.

»Also ja?«

»Ich konnte schlecht zugeben, dass ich den Geburtstag meiner Kinder nicht kenne.«

»Und unsere Namen hast du dir auch einfach ausgedacht?«, fragte Naru.

»Ja«, antwortete Elos. »Allerdings sollte euch das nicht zu sehr schockieren, seid ihr doch bisher auch davon ausgegangen, dass ich mir eure Namen nur ausgedacht habe. Genau genommen machen das ja alle Eltern.«

Naru zuckte mit den Schultern. Das stimmte. Er nahm die Kartoffelsuppe wieder an sich und begann zu essen. Anscheinend hatte er seinen Schock bereits überwunden.

»Ich fasse es nicht«, sagte er. »Wir beide sind dein einziger ungelöster Fall …«

»Nun ja«, sagte Elos. »Wo wir schon dabei sind, reinen Tisch zu machen … Vielleicht seid ihr nicht der einzige ungelöste Fall …«

»Wie bitte?«, fragte Ada. »Du hast mehr als einen ungelösten Fall?«

»Ja, natürlich. Aber das ist nichts, womit man hausieren geht, wenn ihr versteht, was ich meine … Ich laufe ja nicht durchs ganze Königreich Dreibrücken und sage, ich habe übrigens siebenundzwanzig ungelöste Fälle.«

»Du hast siebenundzwanzig ungelöste Fälle?«, fragte Naru fassungslos.

»Nein. Selbstverständlich nicht.«

»Gut. Das hätte mich fast noch mehr geschockt als unsere unklare Herkunft.«

»Ich kenne die genaue Zahl nicht. Es sind auch nicht wirklich meine ungelösten Fälle, weil mich niemand beauftragt hat, Spuren zu finden.«

»Hä?«, fragte Naru.

»Seit einigen Jahren, schon vor unserer Flucht aus Iriandria, häufen sich scheinbar spurlose Verbrechen in der Hauptstadt. Diebstähle, Erpressungen, Brandanschläge. Die Stadtwache schreibt sie alle einem angeblich genialen Täter zu, den nie jemand gesehen hat und den keiner zu kennen scheint. Obwohl mich niemand bat, die Nachforschungen zu übernehmen, widmete ich diesen Untaten meine freien Stunden. So kam ich einem Feuerflüsterer auf die Spur, einem – wie ich vermute – ehemaligen Mitglied der Nachtmagier.«

»Du sprichst von dem Mistkerl, der damals unser Haus in Iriandria angezündet hat?«, fragte Naru.

Elos nickte.

»Wie konnte er dir entwischen?«

»Nun, ich habe seine feurige Botschaft verstanden und entschieden, dass mir eure Leben mehr wert sind als die Aufklärung seiner Verbrechen.«

»Aber jetzt hast du ja uns als Verstärkung«, sagte Naru.

»Genau«, bestätigte Ada. »Gleich morgen fahren wir nach Iriandria und schnappen uns diesen Schurken!«

»Oder«, sagte Elos, »ihr geht morgen wieder in die Schule.«

Naru öffnete erneut das Buch mit der Nummer Dreizehn.

»Und es waren wirklich nicht mal Spuren im Schnee?«, fragte er. »Der Korb, in dem wir lagen, stand einfach so vor deiner Tür?«

»Ja.«

»Und du hast all die Jahre nie Hinweise über unsere Herkunft gefunden?«, fragte Ada.

»Nur gesucht«, sagte Elos. »Nie gefunden. Wer auch immer euch gebracht hat, muss sich äußerst schlau angestellt haben. Und er oder sie hat sich nie wieder bei mir gemeldet.«

»Aber du bist doch der berühmteste Spurenfinder der Verlorenen Provinzen!«, wandte Naru ein. »Wie kann es sein, dass du keine Spuren gefunden hast?«

»Ich war bei meinen Nachforschungen sehr vorsichtig. Ich konnte ja kaum herumlaufen und fragen, ob jemand gesehen hat, wie die beiden Kinder, die ich als die meinen ausgebe, vor meiner Tür abgelegt worden sind. Ich wollte, kurz gesagt, keine schlafenden Höllenhunde wecken, um euch nicht in Gefahr zu bringen. Und irgendwann, das muss ich zugeben, mochte ein Teil von mir das Rätsel gar nicht mehr lösen. Denn das hätte vielleicht bedeutet, dass ihr mich verlassen müsst.«

»Aber warum haben sich unsere leiblichen Eltern nie bei dir gemeldet?«, fragte Ada. »Glaubst du, sie sind tot?«

»Hm. Entweder das«, antwortete Elos. »Oder ihr seid immer noch in Gefahr.«

Ein Jahr später

Die Spurenfinderin

Ada hatte ihr Ziel fest im Visier. Sie hoffte nur, dass der Schurke nicht mitbekam, dass sie ihn beschattete. Der leichte Nebel, der aufgrund der sehr frühen Stunde über Weg und Wiesen lag, erleichterte ihre Arbeit. Doch wenn der Übeltäter sie erwischte, würde er ihr nach dem Leben trachten. Das war klar. Wie würde ihr Vater vorgehen? Ada wusste es nicht. Sie wusste nur, was er tatsächlich aktuell tat: nicht viel. Er arbeitete wieder an seinen endlosen Memoiren. Vielleicht schrieb er sogar schon nieder, wie sie vor fast einem Jahr den Mord am Dorfvorsteher von Friedhofen aufgeklärt hatten. Aber nur weil Elos bereit war, dem Verbrechen seinen Lauf zu lassen, war Ada das noch lange nicht. Barfuß schlich sie dem Schurken hinterher. Ihre Stiefel und Strümpfe trug sie in der Hand. Sie hatte kalte Füße, doch sie wollte so leise wie möglich sein, und die ersten Blätter, die der Herbst von den Bäumen stahl, hätten unter ihren Stiefeln zu laut geraschelt. Natürlich blieb sie immer im Schutz der Brombeersträucher, die in der Nähe des Feldwegs wuchsen. Plötzlich bog eine zweite Person um die Kurve. War das womöglich die Komplizin? Ada machte sich ganz klein, wagte kaum zu atmen und spitzte die Ohren.

»In einer halben Stunde?«, fragte der Schurke.

Die Komplizin – und dass es sich um seine Komplizin handeln musste, dessen war sich Ada inzwischen sicher – nickte und sagte: »Am üblichen Ort.«

Macht es mir doch nicht so einfach, dachte Ada. Was der übliche Ort war, wusste sie schon längst. Wenn die beiden wenigstens eine Geheimsprache verwenden würden … Eine kleine Herausforderung wäre nett. Aber mit Ausnahme des letztjährigen Mordes waren die Verbrechen in Friedhofen enttäuschend provinziell. Natürlich hatten Ada und Naru lange darüber gesprochen, wie sie vielleicht selbst eine Spur zu ihren leiblichen Eltern finden könnten. Aber bald hatten sie einsehen müssen, dass ein Fall, der Elos von Bergen an seine Grenzen gebracht hatte, sich nicht einfach von zwei Jugendlichen aufklären ließ, völlig egal, wie motiviert sie waren.

Der Schurke schlenderte weiter. Ada zog sich leise ihre Stiefel an und ließ den Kerl laufen. Sie wusste ja, wo sie ihn finden würde … Dort musste sie ihn nur noch auf frischer Tat ertappen, dann konnte sie ihrem Auftraggeber Bericht erstatten und ihre Belohnung einfordern.

Naru kletterte in einem der toten Bäume herum und hielt Ausschau nach dem schönsten Mädchen von ganz Friedhofen. Ach was, dem schönsten Mädchen der ganzen Welt. Ein Maushörnchen kam aus seinem Kobel, den es in einem Loch des toten Baums erbaut hatte, und schimpfte Naru an. »Ist ja gut«, sagte Naru. »Ich tu dir nichts.« Das kleine Wesen sah niedlich aus, mit seiner spitzen Nase, den Mauseohren und dem buschigen Schwanz. Aber man musste vorsichtig sein. Wenn man ihnen zu nahe kam, wurden sie bissig. Ada war mal von einem artverwandten Tier, einem Eichhörnchen, gebissen worden und hatte heute noch Angst vor den kleinen Rackern. Dann sah Naru endlich Ilda Arden über die großen Steine im Flotbach springen. Er winkte ihr zu, und Ilda winkte zurück. Wenn sie das tat, machte sein Herz jedes Mal einen kleinen Hüpfer. Naru kletterte zur Zufriedenheit des Maushörnchens vom Baum, und zusammen mit Ilda spazierte er in Richtung des Wilden Walds.

»Ich habe Mutter zwei Stück Apfelkuchen von gestern abgeschwatzt«, berichtete Ilda.

»Ausgezeichnet!«, lobte Naru. Obwohl er den Apfelkuchen absolut zweitrangig fand, und das wollte echt was heißen, denn Naru liebte Apfelkuchen. Essen fand er generell prima. Solange es nicht die Kartoffelsuppe seines Vaters war. Narus Magen grummelte auch gleich, denn er hatte heute früh noch nichts bekommen. Ach! War Apfelkuchen von gestern nicht das bestmögliche Frühstück?

Sie setzten sich am Rand des Wilden Walds unter ihren Lieblingsbaum, eine große Rotbuche. Ilda packte den Kuchen aus. Dann mussten beide kichern und blickten sich grinsend an. Naru wusste nicht recht, was er sagen sollte.

»Erzähl mir von den Flüsterern«, bat Ilda schließlich.

Seit sie letztes Jahr das Spektakel auf dem Jahrmarkt in Rabenfurt gesehen hatten, war Naru wie besessen von den Flüsterern und ihrer Magie. Die Meister der Naturgewalten, Wandelwesen, Sensas. Alles Übernatürliche faszinierte ihn. Ada hatte ihn sogar dabei erwischt, wie er heimlich ein Buch darüber las. Ein Buch! Er!