Die Stadt und der Tod - Anja Kuemski - E-Book

Die Stadt und der Tod E-Book

Anja Kuemski

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Beschreibung

In seinem dritten Fall bekommt es Troll Alois Hintertupfer mit einer tödlichen Bedrohung zu tun, die der ganzen Stadt den Todestoß versetzen könnte. Gemeinsam mit den Agenten der STF und seinem menschlichen Polizistenfreund Linus muss der mürrische Kopfgeldjäger den Wahnsinnigen finden, der das Leben der Königin und die ganze Stadt bedroht.

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Anja Kuemski

Die Stadt und der Tod

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Impressum neobooks

Kapitel 1

Der Gestank nach Erbrochenem schlug Linus Jagelowsky schon am Eingang zu den Büroräumen entgegen. Dass ausgerechnet er immer dahin musste, wo seine empfindliche Nase so strapaziert wurde, betrachtete er als bösen Streich des Schicksals. Oder seines Vorgesetzten. Seit Linus einmal bei einer Ermittlung des Geheimdienstes STF hinzugezogen worden war, schien ihm sein Chef bevorzugt Dienste aufzubürden, die ihn auf den Boden des dreckigen Alltags eines Streifenpolizisten zurück holen sollten. Heute war dies ein Fall von Lebensmittelvergiftung. Zumindest behauptete das der Notarzt vor Ort, der die Polizei informiert hatte.

„Wo ist denn der Vergiftete?“, fragte er die erste Person, die ihm begegnete. Eine junge Orkin deutete mit einer rot lackierten Klaue auf eine der Bürotüren und eilte dann, mit der Hand vor den Mund gepresst, an ihm vorbei Richtung Toiletten.

Linus betrat das Büro und musste würgen. Der Gestank hier war noch viel ekelhafter. Zu seinen Füßen hockte eine Zwergin mit Notarztabzeichen auf der Armbinde und schaute nur kurz von der Leiche neben sich auf. „Ah, die Staatsgewalt. Wird auch Zeit.“

„Sie mich auch“, antwortete Linus. Er ging ohne anzuhalten durch bis zu den weit geöffneten Fenstern und atmete die frische Luft ein. Sofern man die Luft in der riesigen Stadt als frisch bezeichnen konnte. Die Abgase der Metropole erschienen Linus im Moment aber als Wohlgeruch im Vergleich zu dem erbärmlichen Gestank im Zimmer.

„Also?“, fragte der Polizist und drehte sich wieder zur Notärztin um. Er versuchte, jeglichen Blick auf den Mageninhalt zu vermeiden, der sich überall im Büro zu befinden schien.

„Auf den ersten Blick eine Lebensmittelvergiftung. Er ist nicht der einzige, den es erwischt hat, aber bisher der einzige, der es nicht überlebt hat“, erklärte sie ruhig. „Ich habe bereits die Gesundheitsbehörden informiert.“

„Warum bin ich dann hier?“, wollte Linus wissen.

„Weil ich mir nicht sicher bin, ob es sich um ein paar verdorbene Lebensmittel handelt oder um einen Anschlag.“

„Wie kommen Sie auf den Gedanken?“

Die Zwergin schaute ihn als habe sie es mit einem Vierjährigen zu tun. „Für eine Lebensmittelvergiftung muss man auch Lebensmittel zu sich nehmen. Echte Nahrung, die verderblich ist. Aber die Kollegen dieses beklagenswerten Menschen haben übereinstimmend behauptet, dass er niemals frisches Essen mitbrachte. Und in der Kantine wird aus Druckern serviert.“

„Lassen Sie mich raten: die anderen Fälle von Vergiftung waren auch in der Kantine?“ Linus hatte sein eKomm bereits gezückt. Er erwog kurz, den Dienstweg einzuhalten, beschloss dann aber, dass dies zu viel Zeit kosten würde. Er schickte eine Nachricht an Semuel Weston, den Chef der Special Task Forces.

Kapitel 2

„Das war sehr geistesgegenwärtig von Ihnen, Sergeant Jagelowsky“, lobte Weston, nachdem Linus dem betagten Elfen einen knappen Bericht der Sachlage gegeben hatte.

„Ich hoffe, mein Chef sieht das auch so“, sagte er ein wenig missmutig. Weston winkte ab.

„Ich werde es ihm schon passend erklären. Befragen Sie die Angestellten, ob ihnen etwas aufgefallen ist, vor allem das Kantinenpersonal. Briggs, Cooper, ihr beide geht mit. Ich schicke einen Chemiker vorbei, der ein paar Proben der Zutaten aus den Druckern entnimmt.“

Agent Briggs klopfte Linus grüßend auf die Schulter, während der schweigsame Cooper ihm nur knapp zunickte. „Wurdest du in einen anderen Distrikt versetzt?“, wunderte sich Briggs. „Du fährst doch sonst die Tour im Ersten, am Fluss, oder nicht?“

„Mein Chef ist der Ansicht, dass ich nicht genug Drecksarbeit mache. Er schickt mich neuerdings immer da hin, wo es besonders ekelig zu werden verspricht. Oder gefährlich. Oder mit unbezahlten Überstunden.“

„Das fing nicht zufällig an, als du mal bei uns ausgeholfen hast?“, fragte Briggs und verzog mitfühlend das Gesicht. Linus nickte.

„Er glaubt, mir würde das zu Kopf steigen, wenn Weston mich anfordert. Ich solle gefälligst nicht aus der Reihe tanzen.“

„Und du hast nichts Besseres zu tun, als Weston direkt zu informieren, sobald dir etwas merkwürdig vorkommt“, spottete Cooper, aber es war ihm anzusehen, dass er das eigentlich guthieß. „Wenn dein Chef dich rauswirft, nimmt die STF dich bestimmt gerne auf.“

Briggs wackelte mit dem Kopf hin und her. „Das mag schon sein, aber ich glaube, Weston ist es ganz recht, dass er einen zuverlässigen Cop in Uniform auf der Straße hat, auf den er im Einzelfall zurückgreifen kann. Also, wenn du es drauf anlegst, suspendiert zu werden, rechne nicht damit, dass Weston begeistert wäre. Er mag es nicht, wenn man seine Strategie durchkreuzt.“

Sie betraten die Kantine und wiesen das Personal an, sich zur Verfügung zu halten. An der Längsseite des mit schlichten Plastikmöbeln ausgestatteten Raums standen sieben große Drucker, die eine umfangreiche Palette von Angeboten produzieren konnten. Von Hühnchenpastete über Fischgratin bis hin zu Obsttorte wurde alles geboten, was die neueste Generation von Essensdruckern zu fabrizieren vermochte.

„Das ist ein besseres Angebot als in den meisten Foodfactories in der Shoppingmeile“, murmelte Cooper. Briggs zwinkerte Linus verschwörerisch zu. „Gutes Essen ist sein Schwachpunkt. Keine Ahnung, wo er das alles lässt.“ Er deutete auf die durchtrainierte Figur seines Kollegen und hob in gespielter Ratlosigkeit die Arme.

„Wie Alois. Der würde seine Großmutter für ein Stück echten frischen Fisch verscherbeln.“

Cooper trat neben sie und legte beiden schwer eine Hand auf die Schulter. „Erstens möchte ich nicht, dass ihr über mich redet, als wäre ich nicht anwesend. Zweitens möchte ich außerdem nicht, dass ich mit dem grobschlächtigen grantigen Troll verglichen werde. Klar soweit?“ Seine leise Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen, der Linus schwer schlucken ließ. Dem Gesicht des Agenten war nicht anzusehen, ob er das wirklich ernst meinte. Aber sein Kollege grinste breit und tätschelte ihm die Wange. Dann räusperte er sich einmal laut und nahm eine etwas professionellere Haltung an. „Gut, also, was haben wir?“

Kapitel 3

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mir das alles gar nicht erzählen darfst“, stellte Alois grummelig fest und trank sein Bier aus. Er hatte sich nicht gewundert, als Linus ihn auf ein Feierabendbier eingeladen hatte, denn der Mensch schien sich in seiner Gesellschaft erstaunlich wohl zu fühlen, trotz seiner grantigen Bemerkungen. Was Alois viel mehr verwunderte war, dass er selber es auch recht angenehm fand, mit dem jungen Cop hin und wieder in die Kneipe zu gehen und etwas zu plaudern. Small Talk war eines Trolles Sache eigentlich nicht. Zumindest nicht in Alois' Fall. Aber als Linus ihm eine Nachricht geschickt hatte, ihn heute Abend zu treffen, hatte er sich doch ein wenig gefreut. Das musste er dem Kleinen aber nicht unbedingt auf die Nase binden. Menschen kriegten so etwas immer schnell in den falschen Hals.

„Aber der Psycho hat mir mal gesagt, ich soll dafür sorgen, dass ich meine Arbeit nicht in mich hineinfresse. Das kann doch nur bedeuten, dass ich es jemandem erzählen muss, oder nicht?“

„Welcher Psycho?“, wollte Alois wissen. Er war nicht ganz bei der Sache, denn verfolgte nebenbei auf dem Bildschirm über der Theke ein Raufball-Spiel. Er würde einen ordentlichen Batzen Geld bekommen, wenn die Werksmannschaft von Pan-Solar heute endlich mal den verdammten Cup gewinnen würde. Jedes Jahr kamen die bis ins Finale und dann verloren sie jedes mal kläglich. Langsam bekam Alois seine Zweifel, ob es im Konzern-Cup noch mit rechten Dingen zuging. Es war zum Hörner raufen.

„Bei der Einstellung in den Polizeidienst muss man sich mehreren psychologischen Tests unterziehen und es gibt jede Menge Gespräche.“

„Klar, damit man nicht zu viele neurotische Killer in den eigenen Reihen hat. Jedenfalls nicht von vornherein“, spottete Alois. „Was der Dienst dann aus euch macht, ist noch mal was ganz anderes, was?“

„Was?“ Linus sah aus, als habe er nicht wirklich zugehört.

Alois winkte ab. „War nicht so wichtig. Also, was ist dabei rausgekommen? Wer hat das Essen vergiftet und warum?“

„Keine Ahnung. Ich musste dann zurück zum Dienst. Glaube nicht, dass Weston sich die Mühe machen wird, mich über den Stand der Ermittlungen aufzuklären.“

Alois brummte zustimmend und winkte dem Wirt mit dem leeren Bierglas.

„Was hat dein Chef dazu gesagt, dass du mal wieder auf Abwegen warst?“

„Eintrag in die Akte“, sagte Linus leise und seufzte schwer. „Dabei hat er mich doch da hin geschickt. Und dass ich nicht sofort auf dem Absatz kehrt mache, sobald die STF eintrifft, ist doch auch klar, oder nicht?“ Der Kleine redete sich aus seiner Niedergeschlagenheit schnell in einen gerechten Zorn. Das kam Alois sehr entgegen, denn er wusste nicht, was er mit einem bedrückten Linus anfangen sollte. Wütend war auf jeden Fall besser.

„Die Welt ist schlecht und ungerecht“, reimte Alois und klopfte dem zart gebauten Menschen schwer mit der riesigen Pranke auf die Schulter.

„Ja, vielen Dank auch“, schimpfte Linus und rieb sich übertrieben die schmerzende Stelle.

„Was war denn das für eine Firma, wo das passiert ist?“, fragte Alois und überging den Vorwurf. Er wusste, dass Linus diese kameradschaftlichen Gesten eigentlich mochte.

„HomeCare, eine Versicherungsgesellschaft.“

„Ha!“, machte Alois. „Ich wette, da hält sich das Mitgefühl in Grenzen, was?“

Linus zuckte mit den Schultern. „Könnte immerhin sein, dass es sich um einen Racheakt handelt.“

„Mit jedem einzelnen Versicherten als Verdächtigen? Na, dann viel Spaß bei den Ermittlungen.“ Auf dem Bildschirm sah er den Kapitän seiner Mannschaft unter einem Berg gegnerischer Trolle verschwinden und seufzte.

Linus schien das auf sich zu beziehen und nickte. „Ja, ich fahre dann doch auch lieber Streife“, stimmte er ihm zu, blickte dann aber an Alois vorbei und strahlte. Irritiert drehte der Troll sich um und sah Raglan auf sie zukommen. Er hatte mit dem Zwerg früher bei Jammer & Co. zusammen gearbeitet und kam ganz gut mit ihm aus, wenn der Sekretär nicht gerade hemmungslos mit ihm flirtete. Alois warf Linus sofort einen warnenden Blick zu, den der aber absichtlich zu übersehen schien. Der Cop hatte bereits mehrfach versucht, Alois und Raglan zu verkuppeln, ungeachtet derjenigen Tatsache, dass Alois weder auf Kerle noch auf Zwerge stand.

„Raglan“, flötete der Mensch und winkte dem Zwerg grüßend zu. „Das ist ja eine nette Überraschung.“ Er bot dem Zwerg einen Stuhl an und orderte mit einer Geste beim Wirt noch ein Bier.

„Woher weißt du, dass ich hier bin?“, knurrte Alois. Er sah, wie das Lächeln auf dem Gesicht des Zwerges kurz in sich zusammenfiel, während er den Sitz höher fuhr, und bekam tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Das war alles Linus' Schuld. Früher hatte Alois nie ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn er unfreundlich und grantig war. Er warf dem Cop einen wütenden Blick zu, aber wieder wurde er einfach ignoriert.

„Ich wusste es nicht“, erklärte Raglan und hatte seine gute Laune wiedergefunden. „Ich konnte es mir aber gut vorstellen, da ich dich zu Hause nicht angetroffen habe und Linus sein eKomm abgestellt hat.“

„Ich bin außer Dienst, und ich möchte, dass das für den Rest des Abends auch so bleibt“, erklärte der Cop und grinste breit über den Rand seines Bierglases hinweg.

Raglan nahm einen großen Schluck des Bieres, das der Wirt vor ihm abgestellt hatte und schloss genüsslich die Augen. „Echtes Zwergenbräu. Dafür verkaufe ich mein Seelenheil.“

„Raglan, du hast dein Seelenheil in dem Moment verscherbelt als du bei Renatus Jammer den Arbeitsvertrag unterschrieben hast“, erinnerte ihn Alois und klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter. Der Zwerg verstand die Geste offenbar als Entschuldigung und prostete ihm mit einem strahlenden Lächeln zu. Dann stellte er sein Glas ab und atmete tief durch. „Tja, kommen wir zum dienstlichen Teil. Ich bin leider beruflich hier.“

„Für mich oder für ihn?“, fragte Linus und deutete erst auf sich und dann auf Alois.

„Herr Grantig hier ist gefragt. Renatus will dich für einen Job anheuern.“

Alois schnaubte verächtlich. „Erst schmeißt er mich raus, weil ich nicht mit Junior kooperieren kann und jetzt will er mich anheuern? Vergiss es.“

„Alois, sei nicht blöde“, mahnte Linus. „Da ist ne Menge Geld drin, meinst du nicht?“ Er blickte fragend zum Zwerg, der bestätigend nickte. „Und es sollte dir doch einige Genugtuung bereiten, dass er sich ausgerechnet an dich wendet. Muss ihm schwerfallen.“

„Ein komplizierter Fall, den er sonst niemandem zutraut“, fügte Raglan nickend hinzu.

„Oder er braucht einen Deppen, der entbehrlich ist, wenn was schiefgeht“, murrte Alois. Aber das war auch nicht neu und störte ihn im Allgemeinen nicht. Wenn man ihn für entbehrlich hielt, spornte ihn das erst recht an, sich nicht einfach aus dem Weg räumen zu lassen. Seine Neugier war geweckt. Er forderte den elegant gekleideten Zwerg mit einer Geste auf, fortzufahren. Das Raufball-Spiel verdiente seine Aufmerksamkeit ohnehin schon nicht mehr.

„Es ist in der Tat ein wenig kompliziert. Es hat einen Todesfall gegeben und die Firma ist beauftragt worden, das Ganze unabhängig von den Behörden zu untersuchen.“

„Misstraut man der Polizei oder ermittelt die gar nicht erst?“, hakte Alois nach.

Raglan wackelte mit dem Kopf hin und her. „Wie man es nimmt. Die Polizei ermittelt in der Tat nicht, aber dafür die STF.“

Linus stöhnt auf. „Lass mich raten: der Auftraggeber ist die Versicherungsgesellschaft HomeCare?“

Der Zwerg blickte ihn erstaunt an. „Woher weißt du das?“

„Weil ich als erster Cop am Tatort war. Und ich habe die STF eingeschaltet.“

Alois grinste sie beide zufrieden an. „Gruß an Jammer. Ich nehme den Fall. Doppelter Preis.“

„Äh, davon war nicht die Rede.“

„Dann muss er jemand anderen finden. Wird er aber nicht, sobald die Kollegen erfahren, dass sie es mit der STF zu tun bekommen.“

Raglan nickte missmutig. „Ja, das hat Renatus auch schon vermutet. Also schön, ich denke, ich kann ihm deinen Preis irgendwie schmackhaft machen. Wann fängst du an?“

„Habe ich schon. Informationen aus erster Hand, sozusagen“, sagte Alois und wedelte mit seinem Glas Richtung Linus. „Also, die Uhr läuft. Sag Renatus, wenn er versucht, mich über den Tisch zu ziehen, wird er es bitter bereuen.“

„Genau so sage ich es ihm“, versprach Raglan und hüpfte schwungvoll vom Stuhl.

„Wie, du gehst schon wieder?“, fragte Linus betrübt.

„War ja ein dienstlicher Besuch. Ich muss ihm ja wohl die frohe Kunde überbringen.“

„Das kannst du aber auch online machen, oder nicht?“, stimmte Alois mit ein. „Setz dich, schick ihm ne Videobotschaft und trink noch ein Bier. Ich wette, du hast noch ein paar Infos in der Hinterhand, die du gern mit uns teilen möchtest.“

Raglan ließ sich nicht zweimal bitten und machte Anstalten, den Stuhl wieder runter zu fahren. Alois stand auf, packte ihn unter den Armen und hob ihn auf den Sitz, was den Zwerg heftig erröten ließ. Linus prostete ihnen beiden vielsagend zu. Alois winkte gelassen ab. Zwar kam ihm kurz der Gedanke, dass der Zwerg die Aufforderung vielleicht als eine Art Date verstehen könnte, aber es wäre auch nicht das erste Mal gewesen. Sie waren früher immerhin öfter zum Tanzen ausgegangen. Etwas zweideutige Signale, zugegeben, aber Alois ging davon aus, dass Raglan kein Elfenmädchen war, das gleich in Tränen ausbrach, wenn die Gefühle übersprudelten. Wobei er keine Ahnung hatte, ob das Klischee den Tatsachen entsprach. Das einzige Elfenmädchen, das er etwas näher kannte, war Siranna, eine Nutte, und bei der musste er mit sentimentalem Gesülze nun wirklich nicht rechnen.

„Alois? Zentrale an Alois? Bist du noch bei uns?“ Linus wedelte mit der Hand vor seinen Augen herum.

„Lass das“, grunzte der Troll. Er schaute hinauf zum Bildschirm, wo das Ergebnis des Finalspiels von den Kommentatoren analysiert wurde, und stöhnte auf. Pan-Solar hatte natürlich verloren. „Es gibt so Tage...“, murrte er und bestellte noch ein Bier.

Kapitel 4

„Ich schwöre dir, wenn ich auch nur noch eine einzige Personalakte durchlesen muss, dann gehe ich sofort runter zur Promenade, kaufe mir eine Ladung Sprengstoff und lege hier alles in Schutt und Asche“, murmelte Cooper und schaltete demonstrativ den Bildschirm aus. Briggs seufzte und nickte zustimmend. Er hatte schon vor Stunden bemerkt, dass das Bild seines Cyberauges flimmerte, ein Zeichen von Materialermüdung. Aber Weston hatte sehr deutlich gemacht, dass die Überprüfung des Personals so schnell wie möglich abgeschlossen werden musste. Bisher war nichts dabei herausgekommen. HomeCare beschäftigte in erster Linie Freelancer, unabhängige Makler, die auf Provisionsbasis Kunden generierten. Es gab keine Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung, zumindest nichts, was für jemanden ohne Buchhalter-Kenntnisse ersichtlich gewesen wäre. Bis auf ein paar harmlose Verkehrsdelikte gab es außerdem keine Verbindungen zur Datenbank der Polizei. HomeCare war ein sehr großes, multi-nationales Versicherungsunternehmen, das bisher von größeren Skandalen verschont geblieben war. Aber das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass es da nichts gab.

„Wir sollten uns vielleicht mal mit denjenigen auseinandersetzen, die eine Versicherung abgeschlossen haben und dann derbe verarscht wurden, sobald eine Zahlungsforderung anstand.“