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Mein Name ist Hintertupfer. Alois Hintertupfer. Troll und Kopfgeldjäger. Meine Welt ist geprägt von Gewalt und Umweltzerstörung. Ich muss mich mit kränklichen Elfen, aufdringlichen Orks und dreisten Menschen herumärgern. Große Teile meiner Welt sind verseucht und verwüstet. Menschen drängen aus den Sperrzonen zurück in die Großstädte und bringen mir noch mehr Probleme als ich sowieso schon habe. Mein täglich Brot sind Öko-Terrorismus, Ressourcenknappheit, übermächtige Großkonzerne und ohnmächtige Bürger. Unterstützung bekomme ich von einem Streifen-Cop, obwohl ich ihn nicht darum gebeten habe. Ganz schön lästig, der Kleine. Mensch. Was kann man da schon erwarten.
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Seitenzahl: 141
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Anja Kuemski
Troll und Kopfgeldjäger
Die Fälle des Alois Hintertupfer 1
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Impressum neobooks
Alois hatte es sich gerade erst auf seinem Synthetiksofa bequem gemacht, um seinen Lieblings-Stream zu genießen – Trollcops im Elfenwald – als es an der Tür klingelte. Er war überzeugt, wenn er es ignorierte, würde der Störenfried einfach wieder gehen. Überhaupt hatte sich bestimmt nur jemand an der Tür geirrt. Niemand wollte ihn je besuchen. Und das war gut so. Der Concierge des Appartementkomplexes hatte die strikte Anweisung, niemals irgendwelche Leute ohne Vorankündigung zu ihm zu lassen. Es klingelte erneut. Jemand hämmerte gegen die Tür. Wütend sprang Alois auf. Der Concierge würde sich wünschen, er hätte dereinst einen anderen Job gewählt.
Alois riss die Tür auf und starrte in das Gesicht einer Orkin, die bei seinem wutschnaubenden Anblick einen Schritt zurück machte. Noch viel schlimmer aber war, dass sie einen Säugling auf dem Arm hatte, der sofort anfing zu plärren. Mit einer schwungvollen Bewegung schlug er die Tür gleich wieder zu, aber sie war schon an ihm vorbei gehuscht. Krachend fiel die Tür ins Schloss und er drehte sich zu der unverschämten Orkin um. Sie kam ihm vage bekannt vor, eventuell bewohnte sie eines der Appartements auf dem selben Flur. Er vermied im Allgemeinen jeglichen Kontakt mit den Nachbarn, er wollte seine Ruhe haben.
„Was wollen Sie? Raus aus meiner Wohnung, aber zügig! Kapiert?“ Er machte die Tür wieder auf und schaute sie auffordernd an.
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Hören Sie mir zu, bitte!“
Er konnte erkennen, dass die schiere Verzweiflung sie zu ihm geführt hatte, aber solche emotionalen Ausbrüche berührten ihn wenig. Er nickte Richtung Tür. „Raus!“
„Bitte, es ist wichtig. Sonst wäre ich nicht hier.“
Das war nachvollziehbar, interessierte ihn aber immer noch nicht.
Sie ging mit dem schreienden Balg auf dem Arm einfach weiter in sein Wohnzimmer und setzte sich ungefragt auf das Sofa. Alois konnte kaum glauben, wie dreist diese Person war. Er schloss die Tür und ging ihr nach. Fehlte nur noch, dass das kleine sabbernde halslose Monster auf sein teures Sofa kackte. Er machte ein paar Schritte auf die dreiste Orkin zu, um sie am Kragen zu packen.
„Ich habe einen Job für Sie.“
Er hielt inne und schaute sie misstrauisch an.
„Ich habe schon einen Job.“
„Nein, haben Sie nicht. Ich weiß, dass man Sie vor kurzem entlassen hat. Und wenn Sie nicht bald wieder Arbeit finden, dann können Sie sich dieses Appartement nicht mehr lange leisten.“ Sie sagte es nicht einmal unfreundlich, sondern eher mitfühlend, etwas, das Alois vollkommen abging. Warum sollte sie Mitgefühl haben, wenn ein ihr völlig fremder Troll seine Wohnung verlor. Konnte ihr doch vollkommen egal sein. Sie schien sein Schweigen als Aufforderung oder vielleicht auch als Schwäche zu interpretieren und lächelte freundlich. Er war sich ziemlich sicher, dass es ein Lächeln war. Die Physiognomie der Orks war denen der Trolle nicht unähnlich, so dass er recht gut darin war, ihre Gesichtsausdrücke zu interpretieren, ganz im Gegensatz zu den Spitzohren oder all den anderen Rassen, die ihm gerade mal bis zur Hüfte reichten.
„Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen: mein Name ist Selma Mommsen, ich wohne am anderen Ende des Flurs. Dies ist meine Tochter Vicky.“ Sie hielt das Balg hoch, als ob er es bisher irgendwie hätte übersehen oder überhören können. Grimmig warf er einen schnellen Blick auf das Balg, erkannte sofort, dass es sich um einen Mischling handelte und verzog das Gesicht. Menschengene machten alle Rassen hässlicher. Aber er sagte noch immer nichts. Falls sie darauf wartete, dass er sich ebenfalls vorstellte, dann würde sie hier überwintern müssen. Andererseits wäre das eine grauenvolle Vorstellung.
„Alois Hintertupfer.“
Sie nickte. „Ich weiß.“
Er wartete geradezu darauf, dass sie einen Witz über seinen Nachnamen machte, aber sie lächelte einfach nur weiterhin freundlich. Er war es nicht gewohnt, angelächelt zu werden. Er hielt Leute für dumm, die grundlos lächelten, egal ob Menschen, Elfen, Orks oder sonst was.
„Also, ich weiß, dass Sie für diese Anwaltskanzlei gearbeitet haben, um Leute zu finden, die nicht gefunden werden wollen.“ Sie schaute ihn fragend an, ob er das kommentieren wollte. Er wollte nicht. Statt dessen bekam er noch schlechtere Laune. Diese Arschlöcher hatten ihn rausgeschmissen, weil er mit diesem Wichser von Gunther nicht hatte zusammenarbeiten können oder wollen. Der Schnösel war ihm als Partner zur Seite gestellt worden. Als Partner! Was sollte er denn bitte mit einem Partner? Nur weil Daddy ein bisschen Geld hatte, durfte Junior sich seinen Job in der Firma aussuchen, und wollte ausgerechnet mit Alois zusammenarbeiten. Was für ein Idiot. Nach den ersten vermasselten Aufträgen gab man ihm die Schuld. Natürlich konnte das Jüngelchen nicht Schuld sein, Daddys Geld sprach ja dagegen. Man warf ihm vor, er wäre unkooperativ, was stimmte, und unfähig, was ihn wütend machte. Er ging, bevor man ihn rausschmeißen konnte. Die blöde Orkin hatte verdammt noch mal Recht, er brauchte schnell einen Job. Sein Erspartes würde noch maximal für drei Monate reichen, danach saß er auf der Straße.
„Ich höre. Was für ein Job soll das sein?“
„Vickys Vater. Er ist untergetaucht. Finden Sie ihn, damit ich ihn verklagen kann. Er soll endlich Unterhalt zahlen.“
Alois schnaubte verächtlich. Wie er das hasste. Rammelten wie die Karnickel, diese Orks, aber vorher mal drüber nachdenken, dass das teuer werden könnte, das taten sie nicht. Er wollte gar nicht nachzählen, wie viele entsprungene Väter er schon aufgespürt hatte im Auftrag der Kanzlei Jammer & Co.
„Und wenn ich den gefunden habe, was zahlen Sie dann?“
„Eine Monatsmiete?“
Er war sehr geneigt zuzusagen, tat aber, als müsse er darüber erst mal nachdenken.
„Ich denke, ich könnte auch noch andere Aufträge vermitteln. In meinem Job treffe ich eine Menge Frauen, die mit ihren Kindern sitzengelassen wurden. Und auch sonst gäbe es sicher noch andere Dinge....“ Sie machte eine vage Geste, die alles offen ließ.
Er fragte nicht, welchen Job sie machte, es interessierte ihn nicht. Und Small Talk war nun wirklich nicht seine Stärke. Er ging ohnehin davon aus, dass sie es ihm trotzdem erzählen würde. Die meisten Leute brauchten keinerlei Aufforderung, um ihre halbe Lebensgeschichte zu erzählen. Als ob es irgendjemanden interessierte. Jeder hielt sich selbst für unglaublich interessant. Warum auch immer.
„Wissen Sie, ich arbeite als Society-Journalistin. Ich kenne alle VIPs der Stadt. Na ja, zumindest einige. Und da gibt es Aufträge für Sie, da bin ich sicher.“
„Also gut, ich mache das. Aber denken Sie bloß nicht, dass ich darauf angewiesen wäre.“
Sie lächelte. „Nein, natürlich nicht. Das ist Ihre orkfreundliche Ader.“
„Die Hälfte im Voraus.“
„Einverstanden. Ähm, ich habe das Geld dabei. Würden Sie kurz mal...?“
Sie reichte ihm das Baby, und er griff automatisch zu, bevor er sich darüber im Klaren wurde, dass er ein schreiendes Rotzbalg mit spitzen kleinen Hauern im Arm hielt. Angewidert streckte er es möglichst weit von sich weg. Es stank.
„Vollgeschissen ist der.“
„Sie. Ihr Name ist Vicky.“
„Mir egal. Nehmen Sie das zurück, sonst passiert ein Unglück.“
Nicht wirklich ernsthaft besorgt, legte sie ein Geldbündel auf den Tisch, nahm ihr Kind zurück und begann, sich sein Wohnzimmer anzuschauen. Interessiert blieb sie vor seiner Plasmawand stehen und las sich die Playlist seiner Streams durch. Wenn sie jetzt noch einen Kommentar über seine Sehgewohnheiten machte, dann würde er sie einfach rausschmeißen. Das Geschäftliche war doch erledigt, was lungerte sie hier noch herum?
„Die Tiefsee?“ Sie deutete auf die Playlist. „Das ist mal interessant. Ich war mal an der See mit meinem....“ Sie brach ab und zuckte mit den Schultern. „Na ja. Ist ja auch egal. Dann erzähle ich Ihnen besser mal so viel wie möglich über den Dreckskerl, der mich und Vicky hat sitzen lassen. Hätten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Nein.“
Irritiert über diese Unfreundlichkeit blinzelte sie einige Male, setzte sich wieder hin und begann dann zu berichten. Er seufzte und hockte sich ebenfalls hin. Die Trollcops konnte er inzwischen sowieso getrost vergessen.
„Ich glaube, er macht die Augen auf.“
„Ich persönlich denke nicht, dass es da noch viel aufzumachen gibt.“
„Auch wieder wahr.“
Alois hörte zwei Stimmen, schwer gestört von einer Vielzahl irritierender Geräusche. Pfeifen, Rauschen, Dröhnen. Das alles war lauter als die beiden Stimmen. Er versuchte, die Augen zu öffnen, stellte aber fest, dass das nicht ging. Dann setzte der Schmerz ein. Sein Schädel drohte zu platzen. Vorsichtig hob er eine Hand und betastete sein Gesicht. Jede noch so winzige Bewegung raubte ihm fast den Atem vor unerträglichem Schmerz. Seine Finger fuhren unsicher über sein Gesicht. Entsetzt hielt er die Luft an. Da, wo seine Augen hätten sein sollen, glitten seine Finger über blutverschmierten Brei. Er brüllte vor Wut und Schmerz.
„Oh oh, wir sollten besser Abstand halten.“
„Aber er braucht doch Hilfe. Hallo! Können Sie mich hören? Mein Name ist Kirgali Kusnetzov, ich bin Arzt. Wir werden Sie nun auf eine Trage legen.“
Alois spürte Hände, die ihn packten und anhoben. Er knurrte und fluchte, jede Bewegung tat ihm unglaublich weh.
„Gleich haben Sie es bequemer. Können Sie ein paar Fragen beantworten?“
Alois brüllte vor Wut und ging davon aus, dass man das als ein Nein verstehen würde.
„Lass mich mal, Doc, ich muss schließlich auch sehen, dass ich fertig werde. Hallo? Mein Name ist Linus Caesar Jagelowsky. Ich bin Polizist und muss Ihre Aussage aufnehmen.“
Für einen Moment glaubte Alois, seinen Ohren nicht zu trauen. Welcher Idiot konnte ihm jetzt Fragen stellen?
„Jetzt?“, brüllte er. „Ich glaube, es hackt. Verpiss dich, Alter, sonst mach ich dich fertig!“ Seine eigene Stimme klang unnatürlich und verzerrt. Die Erschütterung verursachte ihm Übelkeit. Er fürchtete, wenn er den Kopf zur Seite drehte, um sich zu übergeben, würden die Reste seiner Augen einfach davon kullern. Mühsam versuchte er sich daran zu erinnern, was überhaupt passiert war.
Der Mistkerl, den er für Selma Mommsen finden sollte, dieser Hiro Thrang war an allem Schuld. Alois hatte ein paar Verbindungen angezapft und den Menschen aufgespürt, war dann aber etwas unvorsichtig gewesen. Er hatte eben gedacht, es mit einem harmlosen Typen zu tun zu haben, der nur keine Alimente zahlen wollte. Er hätte es natürlich besser wissen müssen, Menschen waren niemals nur harmlose Typen. Dieses Arschloch hatte offenbar Dreck am Stecken und kungelte möglicherweise im großen Stil mit der Müll-Entsorgung. Dass der dann aber auch gleich mit Granaten schmeißen würde, damit war einfach nicht zu rechnen gewesen. Am meisten ärgerte es Alois, dass er den Job nicht hatte zu Ende bringen können. Wenn Selma Mommsen erfuhr, dass er es verbockt hatte, würde sie im Leben keine weiteren Aufträge in seine Richtung schieben. Mal ganz abgesehen davon, dass er die zweite Hälfte des Honorars auch nicht bekommen würde.
„Verfluchte Kacke!“, maulte er. „Mein Job!“ Der Ärger half ihm, den unerträglichen Schmerz irgendwie auszuhalten.
„Ich denke, im Augenblick haben Sie wirklich andere Sorgen, mein Freund.“
„Ich bin nicht dein Freund, du Arsch. Was ist mit meinen Augen und Ohren? Ich kann dich kaum verstehen und höre fast nur Rauschen.“
„Wir müssen Sie erst einmal gründlich untersuchen. Ich möchte keine voreilige Diagnose stellen. Schon gar nicht hier.“
Alois konnte vage eine Alkoholfahne riechen. Vielleicht war es klüger, von diesem Doc keine Diagnose zu bekommen.
„Ach, machen wir uns - und ihm - doch nichts vor“, hörte er den Bullen sagen. „Sie haben keine Augen mehr, und von Ihren Ohren ist nicht viel übrig. Aber hey, Ihre Nase ist einigermaßen intakt. Und Ihre Hörner haben auch nichts abbekommen.“ Wütend fuchtelte Alois mit den riesigen Händen, um diesen Idioten zu packen. Aber das verursachte einen bohrenden Schmerz, da wo bis eben noch seine Augen gewesen waren.
„Machen Sie sich keine Sorgen, das kann man alles ersetzen.“ Die Stimme des Cops verlor nichts von ihrer guten Laune.
„Das weiß ich auch, Idiot. Aber kannst du mir auch sagen, wer das bezahlen soll?“ Es gelang ihm nicht, die Verzweiflung aus seiner Stimme zu verbannen. Er war Kopfgeldjäger, verdammt. Wie sollte er jagen, wenn er die Beute weder sehen noch hören konnte? Natürlich gab es reichlich Ersatzmöglichkeiten, aber er hatte nicht das Geld dafür. Das hätte dieser erste Job nach seiner Kündigung ja gerade ändern sollen. Nicht, dass das Honorar für diesen Fall ausgereicht hätte, sich künstliche Ohren oder Augen anfertigen zu lassen. Dazu hätte es schon ein Dutzend solcher Aufträge gebraucht. Pro Sinnesorgan. Er war erledigt. „Ich bring dich um, du Arsch!“, schrie er in die ungefähre Richtung, wo der Drecksack Thrang gestanden hatte. „Ich bring ihn um. Eines Tages erwische ich ihn“, schwor er mit heiserer Stimme, und eine Hand drückte ihm beruhigend den Arm.
„Das wird schon. Ich hätte eine Idee, wie Sie das finanzieren können.“
„Ach?“ Er konnte kaum fassen, dass er in seinem derzeitigen Zustand in der Lage und gezwungen war, Konversation zu machen, mit irgendwelchen Pissern, die er nicht einmal sehen konnte und auf deren Hilfe er angewiesen war.
„Sie müssen wissen, ich bin nicht nur Streifenpolizist, sondern ich schreibe auch. Manche Leute nennen das Schundromane...“, begann er.
„Fast alle Leute außer dir nennen das Schundromane“, fiel ihm der Doc ins Wort. Der Cop schien es ihm nicht übel zu nehmen, sondern lachte kurz auf. Alois konnte nicht fassen, dass die beiden anfingen zu plaudern, während er hier gerade seine Sinnesorgane verlor.
„Stimmt eigentlich. Aber es verkauft sich ganz gut. Ich schreibe also Stories über einsame Polizisten, die für das Gute kämpfen, die geile Braut abschnappen und so weiter. Ziemlich Old School, aber lukrativ. Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns da einig werden.“
„Ich glaube, ich spinne! Erstens bin ich kein Cop, sondern Kopfgeldjäger und zweitens habe ich gerade meine Augen verloren, und damit auch meinen Job, und du laberst mich mit Geschreibsel voll?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf und merkte sofort, dass das eine blöde Idee gewesen war. Er schrie vor Schmerzen laut auf. Wieso gaben die ihm denn nicht einfach noch mehr Schmerzmittel? Er spürte, dass jemand an seinem Körper herumtastete und schließlich seine Brieftasche aus der Jacke zog.
„Das reicht jetzt wirklich, Linus. Ich habe seinen Medichip gefunden, er darf behandelt werden. Wir fahren jetzt zum Krankenhaus.“
„Da komme ich doch einfach mit, Kirgali. Ich muss schließlich noch seine Aussage aufnehmen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, wir sind bei Ihnen“, erklärte der Doc.
„Genau, das wird schon“, fügte der Cop hinzu.
„Ich bin erledigt“, seufzte Alois schicksalsergeben.
„Herr Hintertupfer?“
Alois schreckte aus dem Halbschlaf hoch, den ihm die starken Schmerzmittel bescherten, seit seine Gesichtsknochen vor ein paar Tagen in einer komplizierten OP wieder hergestellt worden waren. Er befand sich in einem Dauerzustand von Benommenheit, als ob sein Kopf mit Watte ausgestopft worden war. Die weibliche Stimme drang wie von sehr weit entfernt an sein Gehör, oder was davon noch übrig war.
„Wer will das wissen?“, fragte er unfreundlich.
„Mein Name ist Alina Ponti, ich komme von der Versicherung.“
Er spürte, wie jemand kurz seine rechte Hand berührte und schnaufte unzufrieden. Seine Augen, oder besser die Augenhöhlen, waren noch immer verbunden, die Ohren hatte man zunächst mit Hörgeräten ersetzt. Alois wusste, dass das alles kein Dauerzustand bleiben konnte. Er hatte keine zusätzliche Invaliditätsversicherung und er wollte auch nicht im Wohlfahrtsheim landen. Dann könnte er sich auch gleich vor den nächsten Zug werfen. Aber bei seinem Glück würde das Ding beim Aufprall gegen seinen massigen Körper entgleisen und er wäre gelähmt und wurde verklagt wegen Verkehrsbehinderung. Ob er wollte oder nicht, er musste mit der Versicherungstussi kooperieren.
„Was wollen Sie?“
„Es geht um Ihre fehlenden Sinnesorgane.“
„Kommen Sie zum Punkt.“
„Sie haben keine Transplant-Zusatzversicherung.“
„Ich weiß. Die sind so teuer, dass sich normale Leute das nicht leisten können, wie Ihnen ja wohl bestens bekannt sein dürfte.“
„Es gäbe eine Möglichkeit.“ Sie schien keinen Anstoß an seinem Ton zu nehmen. Sie war ein Versicherungs-Profi. Das nachfolgende Schweigen war sehr vielsagend. Alois wusste, dass Versicherungen niemals etwas zu verschenken hatten. Wenn sie ihm anboten, seine Augen und Ohren wieder herzustellen, dann kam das zu einem Preis. Und es gab keine Garantie, dass sie ihm alles so erklären würden, dass es verständlich war. Hatte er eine Wahl?
„Ich höre.“ Er lachte bitter auf.
„Die Firma Pharma-Tech entwickelt derzeit einen neuen Prototyp von Cyberware, der sich in der ersten Testphase befindet. Wie Sie wohl wissen, dürfen neue Technologien nur noch an Freiwilligen getestet werden. Da Sie ansonsten keinerlei Anspruch auf künstliche Sinnesorgane hätten, wäre dies eine Chance für Sie, die Sie ernsthaft in Erwägung ziehen sollten.“