Die Todesarie - Günter Dönges - E-Book

Die Todesarie E-Book

Günter Dönges

0,0

Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Lady Agatha Simpson befand sich in blendender Laune, als sie sich über das Sterben verbreitete. Sie saß zusammen mit Butler Parker im eleganten Speisesaal eines feudalen Hotels und ließ sich mit einer Fülle von Köstlichkeiten der italienischen Küche verwöhnen. An diesem Abend verzichtete die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, auf ihre Diät. Sie hatte ohnehin das Gefühl, ein wenig vom Fleisch gefallen zu sein, was man ihrer majestätischen Erscheinung allerdings nicht ansah. Wie eine regierende Herrscherin saß sie an dem kostbar gedeckten Tisch. Im Kristall der Gläser spiegelte sich das Licht der Lüster. Lady Agatha trug an diesem Abend erstaunlicherweise ein Gebilde, das entfernt an ein Abendkleid erinnerte. Auf einen Hut hatte sie allerdings auch jetzt nicht verzichtet. Auf ihrem Kopf saß ein neckisches Gebilde, das mit Sicherheit aus der Zeit der Jahrhundertwende stammte. Zwei lange Hutnadeln, die an Bratspieße erinnerten, hielten diese Schöpfung auf dem grauweißen Haar fest. Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der, was seine Haltung anging, einen Ladestock verschluckt zu haben schien, hatte nur äußerst widerstrebend am Tisch seiner Herrin Platz genommen. Als Butler hochherrschaftlicher Schule lehnte er es normalerweise ab, sich mit seinen Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen. In Anbetracht der Ausnahmesituation aber hatte er dem Wunsch der Lady nachgegeben. Josuah Parker war der Prototyp des englischen Butlers, wie man ihn nur noch in älteren Filmen zu sehen bekommt. Er trug einen schwarzen Zweireiher, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Auf einem Nebenstuhl lagen seine schwarze Melone und der altväterlich gebundene Regenschirm. »Ich hasse dieses endlose Sterben, Mr. Parker«, dozierte Agatha Simpson, »es geht mir einfach gegen den Strich, daß man nach einem Messerstich in den Rücken noch minutenlang in den schönsten Tönen singt.« »Sachlich gesehen, Mylady, widerspricht dies allerdings den physischen Möglichkeiten«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 144

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Butler Parker – 151 –

Die Todesarie

Günter Dönges

Lady Agatha Simpson befand sich in blendender Laune, als sie sich über das Sterben verbreitete. Sie saß zusammen mit Butler Parker im eleganten Speisesaal eines feudalen Hotels und ließ sich mit einer Fülle von Köstlichkeiten der italienischen Küche verwöhnen. An diesem Abend verzichtete die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, auf ihre Diät. Sie hatte ohnehin das Gefühl, ein wenig vom Fleisch gefallen zu sein, was man ihrer majestätischen Erscheinung allerdings nicht ansah. Wie eine regierende Herrscherin saß sie an dem kostbar gedeckten Tisch. Im Kristall der Gläser spiegelte sich das Licht der Lüster. Lady Agatha trug an diesem Abend erstaunlicherweise ein Gebilde, das entfernt an ein Abendkleid erinnerte. Auf einen Hut hatte sie allerdings auch jetzt nicht verzichtet. Auf ihrem Kopf saß ein neckisches Gebilde, das mit Sicherheit aus der Zeit der Jahrhundertwende stammte. Zwei lange Hutnadeln, die an Bratspieße erinnerten, hielten diese Schöpfung auf dem grauweißen Haar fest.

Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der, was seine Haltung anging, einen Ladestock verschluckt zu haben schien, hatte nur äußerst widerstrebend am Tisch seiner Herrin Platz genommen.

Als Butler hochherrschaftlicher Schule lehnte er es normalerweise ab, sich mit seinen Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen. In Anbetracht der Ausnahmesituation aber hatte er dem Wunsch der Lady nachgegeben.

Josuah Parker war der Prototyp des englischen Butlers, wie man ihn nur noch in älteren Filmen zu sehen bekommt. Er trug einen schwarzen Zweireiher, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Auf einem Nebenstuhl lagen seine schwarze Melone und der altväterlich gebundene Regenschirm.

»Ich hasse dieses endlose Sterben, Mr. Parker«, dozierte Agatha Simpson, »es geht mir einfach gegen den Strich, daß man nach einem Messerstich in den Rücken noch minutenlang in den schönsten Tönen singt.«

»Sachlich gesehen, Mylady, widerspricht dies allerdings den physischen Möglichkeiten«, antwortete Parker in seiner so überaus höflichen Art.

»Nach einem Messerstich fällt man um und stöhnt«, meinte die Lady, »falls man überhaupt noch einen Laut von sich geben kann. Aber sie sehen und hören genau das Gegenteil.«

»Es dürfte sich, mit Verlaub gesagt, um einen Akt künstlerischer Freiheit handeln, Mylady«, stellte der Butler dagegen. Während er antwortete, registrierte er eine seltsame Bewegung in dem großen Speisesaal. Die Bedienung machte plötzlich einen nervös-aufgeregten Eindruck. Diese Reaktion wurde durch das Erscheinen von vier Männern ausgelöst, die mit der Selbstsicherheit von Potentaten den Saal betreten hatten. Im Mittelpunkt dieser Vierergruppe stand ein kurzbeiniger, dicker Mann mit blassem Gesicht, der eine Sonnenbrille trug. Die drei anderen Männer waren groß, schlank und machten einen sehr wachsamen, dennoch servilen Eindruck, was den Dicken betraf. Dieser Mann suchte nach einem passenden Tisch und steuerte dann wie selbstverständlich auf eine Nische zu, die nur wenige Meter von der entfernt lag, in der die Lady Platz genommen hatte.

»Eben erst habe ich gesehen, wie man zwei Menschen einmauerte«, fuhr Agatha Simpson inzwischen in ihrer Rede fort, »und was tun die beiden Leute, Mr. Parker? Sie singen! Das ist doch albern. Würden Sie in solch einer Situation singen, falls wir zusammen eingemauert würden?«

»Nicht unbedingt, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »falls Mylady allerdings darauf bestünden, würde meine Wenigkeit sich bemühen, Wohllaute zu produzieren.«

»Was haben Sie eigentlich? Hören Sie mir auch zu?« Der passionierten Detektivin war nicht entgangen, daß Parker die Viererrunde diskret beobachtete. Die Männer hatten in der benachbarten Nische Platz genommen und benahmen sich ungeniert und recht laut. »Was sind das für Flegel?«

»Es scheint sich um Herrschaften zu handeln, Mylady, die man hier nicht nur respektiert, sondern offensichtlich fürchtet.«

»Aha.« Lady Agatha langte nach ihrer Stielbrille und faltete sie auseinander. Dann musterte sie völlig ungeniert die Runde. Der Rundliche bekam das mit, prostete der feinen Dame zu und erntete einen verächtlichen Gesichtsausdruck.

»Vulgäres Volk«, sagte sie. Ihre Stimme war dunkel und trug weit. »Wie kann man so etwas hier in diesem Haus nur dulden!«

Der Rundliche schien mehr als nur andeutungsweise mitbekommen zu haben, in welcher Form die Dame von nebenan sich geäußert hatte. Er prostete ihr erneut zu, stand auf und kam mit schnellen Schritten an den Tisch der Lady Agatha. Einer der drei anderen Männer erhob sich geschmeidig und folgte dem Kurzbeinigen.

»Paßt Ihnen mein Gesicht nicht?« fragte der Rundliche, als er am Tisch stand. Sein Englisch war stark eingefärbt und ließ deutlich erkennen, daß er gebürtiger Italiener war.

Lady Agatha übersah den Mann. Er war Luft für sie. Sie schaue förmlich durch ihn hindurch.

»Er hat Sie was gefragt«, schaltete der junge Begleiter sich aggressiv ein. Lady Agatha übersah auch ihn und griff nach ihrem langstieligen Weinglas. Genau in diesem Moment beging der junge Mann einen Kardinalfehler. Er fühlte sich veranlaßt, Mylady daran zu hindern, das Glas zum Mund zu führen und streckte schnell seine Hand aus.

»Er hat sie was gefragt«, wiederholte er, während der Kurzbeinige sich vorbeugte. Man konnte nun deutlich erkennen, daß er angetrunken war.

Lady Agatha fühlte sich belästigt und... goß mit Schwung den Inhalt ihres Glases in das Gesicht des jungen Mannes, der von dieser Reaktion total überrascht wurde. Bevor er sich sammeln konnte, schob der Kurzbeinige ihn zur Seite und wollte mit dem Inhalt seines Glases antworten. Agatha Simpson nahm ihren Oberkörper zur Seite und entging dem Naß. Dann drückte sie ihre Fülle hoch und verabreichte dem Kurzbeinigen eine schallende Ohrfeige.

Josuah Parker sorgte dafür, daß der junge Begleiter sich nicht einschalten konnte. Der Butler hatte längst nach seinem Universal-Regenschirm gegriffen und setzte die Spitze des Regenschutzes auf den Solarplexus des Mannes, der daraufhin sichtlich unter Luftknappheit litt und erst mal auf dem Parkett Platz nahm.

Danach wurde es turbulent im Speisesaal.

*

»Allmächtiger«, sagte Anwalt Mike Rander und warf Parker einen Blick zu, »ich fürchte, Mylady hat sich einen Mann ausgesucht, der nicht ohne Einfluß ist, wie?«

Der vierzigjährige, schlanke und große Anwalt erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, gab sich aber noch lässiger und phlegmatischer als dieser Filmschauspieler. Rander war zu Parker ins Hotelzimmer gekommen und hatte gerade erfahren, was sich im Speisesaal zugetragen hatte.

»Mylady ohrfeigte einen gewissen Luciano Parcutti, Sir«, gab Josuah Parker höflich Auskunft.

»Parcutti, Parcutti... Ich weiß, daß ich diesen Namen schon mal gehört habe, Parker.«

»Luciano Parcutti, Sir, ist ein ehemaliger Pate der Cosa nostra, der hier in seinem Heimatland die Früchte seiner kriminellen Aktivitäten genießt.«

»Richtig, Luciano Parcutti«, meinte der Anwalt, der seit seiner Rückkehr aus den Staaten Vermögens Verwalter der immens reichen Agatha Simpson war, »ich muß schon sagen, unsere Lady hat Stil. Sie sucht sich keinen gewöhnlich Sterblichen aus. Wie sind Mylady und Sie entkommen, Parker? Es muß heiß hergegangen sein.«

»Dies, Sir, sollte und muß man verneinen«, antwortete der Butler, »Mylady setzte auch die beiden anderen Begleiter des Mafia-Gangsters mit geradezu spielerischer Leichtigkeit außer Gefecht.«

»Was mir da wieder mal entgangen ist«, seufzte Mike Rander. »Sie hat ihren Glücksbringer eingesetzt?«

»Mylady langte in der Tat einige Male mit ihrem Pompadour zu«, bestätigte der Butler, »danach konnten die Angestellten des Hauses die vier Männer nur noch abräumen, um es mal volkstümlich auszudrücken.«

»Sie, Parker, brauchten nicht einzugreifen?«

»Nur am Rand, Sir, als es galt, einige unbotmäßige Angriffe auf Mylady abzuwehren«, räumte der Butler ein, »meine Wenigkeit sah sich gezwungen, die heißspornigen Männer in die Schranken zu weisen.«

»Und was ist jetzt mit Lady Simpson?«

»Mylady befindet sich in ihrer Suite und pflegt der Meditation, Sir. Mylady bereitet sich innerlich auf die Festvorstellung vor.«

»Sie will tatsächlich die Freilichtoper besuchen?« Mike Randers Gesicht drückte Verwirrung aus.

»Mylady möchte zur Kenntnis nehmen, daß das eingemauerte Liebespaar singt«, erklärte Josuah Parker, »Mylady ließ sich bereits zu einigen Bemerkungen herab, als am Vormittag die Generalprobe der ›Aida‹ in ihrem Beisein stattfand.«

»Sie will ins Amphitheater«, meinte der Anwalt und schüttelte den Kopf, »selbst nach diesem Auftritt mit Parcutti?«

»Auf gewisse Gefahrenmomente erlaubte ich mir Mylady bereits hinzuweisen«, erwiderte der Butler, »Mylady sollte davon ausgehen, daß Mr. Parcutti nachtragend ist.«

»Was ihr natürlich nichts ausmacht, wie?« Mike Rander seufzte.

»Mylady besteht darauf, die Eingemauerten singen zu hören, Sir.»

»Das kann aber verdammt ins Auge gehen«, sorgte sich der Anwalt, »Miß Porter und ich verzichten gern auf den Opernbesuch. Sicher ist sicher.«

»Auch dies erlaubte ich mir bereits anzudeuten, Sir, doch Mylady wies darauf hin, daß der Grund dieser Reise gerade der erwähnte Opernbesuch ist. Mylady verlangt, daß diesem Kunstgenuß gefrönt wird.«

»Treiben Sie schuß- und stoßsichere Westen auf, Parker«, meinte der Anwalt, »ein Luciano Parcutti wird eine Ohrfeige nicht vergessen.«

»Der Wahrheit die Ehre, Sir, genaugenommen handelte es sich um drei Ohrfeigen. Mr. Parcutti befand sich danach unter den Trümmern eines gedeckten Tisches und war garniert mit einigen Scampi und reichlich Salat. Es steht kaum zu hoffen, daß er dieses kleine Intermezzo verdrängen wird.«

»Für eine überstürzte Flucht dürfte es längst zu spät sein«, meinte der Anwalt, »ich denke, dieses Hotel ist inzwischen total abgeriegelt worden.«

»Mylady würde einer Flucht auch niemals zustimmen, Sir.«

»Eben. Wird die gesamte Polizei von Verona ausreichen, Mylady zu schützen, Parker?«

»Kaum, Sir, auch die Polizei von ganz Oberitalien könnte den Schutz Myladys nicht garantieren, falls Mr. Parcutti etwas plant, das gegen Mylady gerichtet ist.

»Tja, dann kann man nur sagen: Schicksal, nimm deinen Lauf! Oder sehen Sie es anders, Parker?«

»Man könnte das Schicksal möglicherweise ein wenig beeinflussen und korrigieren, Sir«, schickte Josuah Parker voraus, »ich war so frei, mich nach der hiesigen Adresse des Mr. Parcutti zu erkundigen.«

»Sie haben seine Adresse bekommen?« Mike Rander hatte sofort verstanden.

»Einer der Bediensteten des Hauses war so entgegenkommend, einen entsprechenden Hinweis zu liefern, Sir.«

»Wie teuer war denn dieser Hinweis, Parker?«

»Die Adresse wurde völlig kostenfrei genannt, Sir. Der Betreffende gehört zum Kreis jener Personen, die durch Mr. Parcutti nachhaltig geschädigt wurden.«

»Ich warte auf Ihre Vorschläge, Parker.« Rander lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Er wußte bereits im vorhinein, daß Josuah Parker mit einem fertigen Plan dienen konnte.

*

Kathy Porter befand sich in der Suite der älteren Dame und sah zum Fenster hinaus auf den freien Platz. Kathy Porter, achtundzwanzig, groß, schlank und sportlich durchtrainiert, war eine attraktive Frau, die freundlich-zurückhaltend wirkte und es normalerweise auch war. Schon seit Jahren war sie die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, gleichzeitig auch so etwas wie eine Tochter.

Kathy Porter liebte Parkers Herrin und schätzte deren unkonventionelle Art. Sie konnte sich in eine Pantherkatze verwandeln, wenn man auch nur den Versuch wagte, Lady Simpson Schaden zuzufügen. Die junge Frau war in so gut wie allen Künsten der fernöstlichen Selbstverteidigung erfahren und darüber hinaus zu einer gelehrigen Schülerin des Butlers geworden, was gewisse Kriegslisten betraf. Sie amüsierte sich insgeheim über die hartnäckigen Versuche der Lady, sie mit Mike Rander ehelich zu verbinden. Solch ein Versuch war es auch, der zur Reise nach Verona geführt hatte. Lady Agatha hoffte, die »jungen Leute« würden der Romantik und dem Charme Italiens verfallen und sich endlich erklären.

»Wieviel Zeit habe ich noch, Kindchen?« erkundigte sich Agatha Simpson. Sie lag auf einer Couch und blätterte in einem Katalog. Sie interessierte sich für Sportbogen, einem Sportzweig, dem sie huldigte.

»Bis zum Einlaß in die Arena, Mylady, sind es noch knapp anderthalb Stunden«, antwortete Kathy Porter, »und draußen auf dem Platz stehen wenigstens vier Männer, die den Hoteleingang überwachen.«

»Sie glauben, daß es sich um Gangster handelt, Kindchen?« hoffte die ältere Dame. Sie hatte ihrer Gesellschafterin von ihrem Auftritt im Speisesaal des Hotels ausgiebig erzählt.

»Es sind Gangster, Mylady«, sagte Kathy Porter, »der Mafiaboß wird sich an Ihnen rächen wollen.«

»Wie schön«, erwiderte Agatha Simpson, »endlich eine Abwechslung. Aber selbstverständlich werden wir in dieses Freilufttheater gehen und uns die Opfer ansehen. Daran ändert sich überhaupt nichts.«

»Bitte, Mylady, wir sollten diesen Besuch aufschieben«, antwortete Kathy eindringlich, »für die Gangster wird es eine Kleinigkeit sein, sich an Mylady heranzumachen.«

»Eine Lady Simpson weicht niemals der Gewalt«, gab die Detektivin streng zurück, »gerade Sie, Kindchen, sollten das längst wissen. Die Mafia lebt von der Angst der Menschen. Ich werde dieses Prinzip durchbrechen und ein Beispiel geben.«

Als Kathy Porter antworten wollte, klingelte das Telefon. Kathy hob den Hörer ab, hörte kurz zu und bedeckte die Sprechmuschel dann mit der Hand.

»Luciano Parcutti«, sagte sie danach schnell und leise, »er will Sie sofort sprechen.«

»Man bittet mich, etwas zu dürfen.« Sie räusperte sich dröhnend und nahm den Hörer entgegen. »Lady Simpson. Sie möchten mich sprechen?«

»Parcutti«, kam vom anderen Ende eine erstaunlich hohe Stimme, »Sie haben mich geohrfeigt, Sie haben es gewagt ...«

»Halten Sie gefälligst Ihren Mund, Parcutti«, fiel Lady Simpson dem Mafiaboß in die Rede, »Sie haben Glück gehabt, daß ich gut gelaunt war, Sie Lümmel! Was wollen Sie?«

»Sie sind wahnsinnig, nicht wahr?« erkundigte sich Parcutti.

»Durchaus denkbar, ich hätte Ihnen nämlich noch einen Tritt gegen das Schienbein verabreichen sollen, Sie Flegel!«

»Sie können nicht alle Tassen im Schrank haben«, entgegnete Parcutti mit schriller Stimme, »Sie ahnen wahrscheinlich noch nicht mal, mit wem Sie sich eingelassen haben, wie?«

»Mit einem dummen und eingebildeten Subjekt habe ich mich eingelassen«, erklärte die ältere Dame, »kein Wunder, daß man Sie als untragbar nach Italien zurückgeschickt hat.«

Auf der Gegenseite wurde es daraufhin sehr still, dann aber folgte ein erregtes Schnaufen.

»Ich werde Sie stückweise umbringen, Sie altes Miststück«, geiferte der Gangsterboß. Er vergaß sein Englisch und verfluchte die ältere Dame in der Sprache seiner Heimat. Er tat es ausgiebig und pointiert.

Lady Agatha hatte aber bereits den Hörer auf den kleinen Tisch gelegt und widmete sich wieder dem Katalog. Sie war an einem weiteren Dialog nicht interessiert. Kathy Porter schaute wieder nach unten auf den Vorplatz. Die vier jungen, verdächtigen Männer waren nicht mehr zu sehen.

*

Sie verließen den Fahrstuhl, orientierten sich kurz an der Beschriftung, suchten offensichtlich nach bestimmten Zimmernummern und fanden das, was sie brauchten, setzten sich auch sofort in Bewegung. Sie trugen dunkle, gut geschnittene Anzüge und hatten gebräunte, harte Gesichter. In einem Kriminalfilm hätten die vier jungen Männer mit Sicherheit Killer und Gangster verkörpert.

Sie bogen in einen Seitentrakt und stießen hier auf einen schnauzbärtigen Zimmerkellner, der eine weiße Stewardjacke trug und damit beschäftigt war, Silbergeschirr auf einem fahrbaren Tisch zu ordnen.

»Wo ist die Suite von Lady Simpson?« fragte einer der vier jungen Männer barsch, während die drei anderen bereits vorausgingen.

»Die übernächste Haupttür«, erwiderte der bejahrt aussehende Kellner respektvoll, »soll ich die Herren anmelden?«

Sein Italienisch klang ein wenig lispelnd, was dem jungen Mann allerdings nicht auffiel.

»Den Hauptschlüssel für die Suite«, verlangte der junge Mann ungeduldig. »Wir sind von der Mafia.«

Der Etagenkellner knickte förmlich ein und schien weiche Knie bekommen zu haben. Er nickte mehrfach und ausgesprochen hastig, griff dann in seine rechte Außentasche und holte einen Gegenstand hervor, der allerdings nicht gerade einem Schlüssel glich. In der weiß behandschuhten Hand des Kellners befand sich ein Sprühfläschchen, wie es zur Bekämpfung des Schnupfens verschrieben und verkauft wird. Nur ein feines Zischen war zu vernehmen, als der Kellner die unter Druck stehende Flüssigkeit in die Augen des Mannes spritzte.

Der Getroffene rang umgehend nach Luft und fühlte eine nachhaltige Schwäche. Tränen füllten seine Augen. Er bekam überhaupt nicht mit, wie blitzschnell er seine schallgedämpfte Automatik aus der Schulterhalfter verlor.

Die drei anderen jungen Männer hatten hinter sich ein Geräusch gehört, fuhren herum und ... sahen sich einer Waffe gegenüber, deren Lauf auf sie gerichtet war. Diese Waffe wurde vom Etagenkellner gehalten, der nicht die Spur von Unsicherheit zeigte.

»Darf man anregen und empfehlen, sich mit ausgebreiteten Armen auf den Teppichboden zu legen?« forderte der Etagenkellner in passablem Italienisch. »Falls sie diesem Wunsch nicht nachkommen sollten, müssen Sie mit Schüssen rechnen, die Sie als äußerst peinlich bezeichnen würden.«

Die Männer kamen dem Wunsch des Etagenkellners unverzüglich nach, knieten zuerst vorsichtig nieder und breiteten sich anschließend auf dem Boden aus. Sie hatten herausgehört, daß sie es mit einem Mann zu tun hatten, der sich auf der Höhe der Situation befand und sicher kein Amateur war.

Eine Zimmertür öffnete sich. Mike Rander trat auf den Korridor und winkte dem Etagenkellner, der höflich und korrekt zurücknickte.

»Erfreuliche Arbeit, Parker«, rief Mike Rander dann, »die einfachen Tricks sind doch immer wieder überzeugend.«

»Sie beschämen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann, Sir«, bedankte sich der Etagenkellner und entfernte seinen Schnauzbart. Er warf einen Blick auf den ersten Mann, der noch immer Tränen vergoß und nach Luft schnappte. Mike Rander machte sich daran, die drei Gangster zu entwaffnen. Jetzt zeigte sich, daß er keineswegs phlegmatisch war. Geschickt und schnell barg er drei weitere Waffen und forderte die Männer danach auf, langsam hochzukommen. Obwohl Rander Englisch sprach, wurde er gut verstanden. Die immer noch entgeisterten Männer erhoben sich und verstanden die Welt nicht mehr. Sie waren als Sieger gekommen und standen nun als Verlierer da.

»Ihr Einverständnis voraussetzend, Sir, könnte man die vier Besucher im Bad meines Zimmers abstellen«, schlug Parker vor.

»Setzen Sie mein Einverständnis voraus«, erwiderte der Anwalt lächelnd, »besser hätte es übrigens gar nicht kommen können, finden Sie nicht auch?«

»Die Herren kamen gewissen Absichten freundlichst entgegen«, faßte der Butler zusammen. Dann nahm Parker eine Wärme-Abdeckhaube und setzte sie nachdrücklich auf den Kopf des Mannes, der immer noch Tränen vergoß, dennoch aber angreifen wollte. Parker erledigte dies fast beiläufig und sorgte dafür, daß der weinende Mann unverzüglich in die Knie ging.

»Sie sollten sich mit den Tatsachen abfinden«, schlug Josuah Parker dann vor, »ich werde Ihnen meine hilfreiche Hand leihen, damit Sie nicht vom Weg abirren.«