Die Tote in den Dünen - Bodo Manstein - E-Book

Die Tote in den Dünen E-Book

Bodo Manstein

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Ein neuer Fall für Robert Benning  Robert Benning recherchiert für einen Bericht über das Sylter Rotlichtmilieu, als vor Kampen die Leiche einer Prostituierten angespült wird. Ein aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Bürgermeisters gerät in den Fokus der Ermittlungen von Kriminalhauptkommissar Hinrichs, der das LKA hinzuziehen muss. Ein weiterer Todesfall und erste Indizien deuten auf eine im großen Stil angelegte Erpressung, die den Kreis der Verdächtigen auf einmal vergrößert. Meinungen zum Buch:  "Die natürliche Schönheit Sylts, die langen Strände, die milden Sommer und die rauen Herbststürme, lässt der Autor auch ganz gut aufleben." (anyways auf Vorablesen.de)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Tote in den Dünen

Der Autor

Bodo Manstein ist ein Romanautor aus Schleswig-Holstein. 1962 geboren, wuchs er im Bergischen Land auf und verbrachte viel Zeit auf Baltrum. Dort fand er seine Liebe zur See, die auch maßgeblich seine Berufswahl beeinflusste. Nach seinem Abitur trat Bodo Manstein in die Marine ein. Seine Wege führten ihn von dort immer wieder nach Sylt, wo er zuletzt mit seiner Familie von 1994 bis 2002 lebte. Heute wohnt Bodo Manstein mit seiner Familie in der Nähe von Kiel. Mit dem Titel Juli.Mord. startete er eine Sylt-Krimireihe rund um den Journalisten Robert Benning und dessen Freund Hauptkommissar Hinrichs.

Das Buch

Ein neuer Fall für Robert Benning

Robert Benning recherchiert für einen Bericht über das Sylter Rotlichtmilieu, als vor Kampen die Leiche einer Prostituierten angespült wird. Ein aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Bürgermeisters gerät in den Fokus der Ermittlungen von Kriminalhauptkommissar Hinrichs, der das LKA hinzuziehen muss. Ein weiterer Todesfall und erste Indizien deuten auf eine im großen Stil angelegte Erpressung, die den Kreis der Verdächtigen auf einmal vergrößert.

Bodo Manstein

Die Tote in den Dünen

Ein Sylt-Krimi

Roman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Midnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinNovember 2018 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95819-234-8

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Widmung

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

Epilog

Leseprobe: Wer ohne Schuld ist

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Widmung

Widmung

Für Elise

Prolog

»Verfluchte Scheiße!«

Thies Kleinfeld war hingefallen. Er hob den Kopf. Sand knirschte zwischen seinen Zähnen. Er spuckte aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Schwerfällig rollte er auf die Seite und schaute an sich hinunter. Die Spitze seines Gummistiefels steckte in einer Schlinge, die an einem Ast hing, der aus dem Sandboden ragte.

»Warum habe ich mich auch nicht krankgemeldet?«, fragte er sich wütend, während er ungeduldig mit seinem Fuß an der Schlinge zerrte. Erst die Überfahrt, auf der er sich fast die Seele aus dem Leib gekotzt hatte, und dann, kaum wieder festen Boden unter den Füßen, fiel er auch noch auf die Fresse.

Unbeholfen setzte er sich auf und wischte sich mit dem fleckigen Ärmel seines ausgemusterten Bundeswehrparkas die letzten Reste von Sand und Spucke aus dem Mundwinkel. Dabei drehte er weiter seinen Fuß hin und her, um sich aus der Schlinge zu befreien.

»Dat kann ja wohl nich’ sein«, sagte er, doch sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm einfach nicht, seinen Fuß aus der algenbewachsenen Schlinge zu ziehen.

Kleinfeld fixierte sie für einen kurzen Moment mit einem prüfenden Blick, ehe er mit beiden Händen seinen Unterschenkel umfasste.

»Du blödes Mistding, dich kriege ich schon.« Entschlossen zerrte er unter Einsatz seines Körpergewichtes an seinem Bein. Diesmal mit Erfolg. Dabei gab der Widerstand so unerwartet nach, dass Kleinfeld wild mit den Armen rudernd unsanft auf dem Rücken landete. Sofort prasselte ein Schwall Sand auf ihn herab, den er mit seinem Fuß hochgeschleudert hatte. Schnaufend und spuckend setzte er sich wieder auf. Die Schlinge hing jetzt nur noch lose über der Stiefelspitze.

»Na warte«, presste er wütend hervor und wollte sie schon im weiten Bogen wegschleudern, als er den kleinen Anhänger bemerkte. Neugierig betrachtete er ihn aus der Nähe.

»Was haben wir denn da?« Er entfernte einige Algen und zum Vorschein kam ein Schlüssel, deutlich an dem Bart zu erkennen. Der Form nach ähnelte er denen, die er vom Bahnhof kannte. Und war da nicht sogar eine Gravur? Aufgeregt rieb er mit dem Daumen über das angerostete Metall.

»Was ist denn nun schon wieder?«, fragte Jan Rieken, der Vogelwart. Ihm und Okke Hansen, der sie mit seinem Boot nach Norderoogsand gebracht hatte, war Kleinfeld bis zu seinem Sturz gefolgt.

»Nichts, nichts«, rief Kleinfeld hastig. »Bin nur an so ’nem blöden Ast hängen geblieben.« Er warf einen verstohlenen Blick über die Schulter und ließ seinen Fund klammheimlich in der Seitentasche seines Parkas verschwinden.

»Eine große Hilfe sind Sie bisher nicht gerade«, sagte Rieken. Kopfschüttelnd und mit vorwurfsvollem Blick sah er auf Kleinfeld herunter. »Reißen Sie sich doch wenigstens an Land etwas zusammen.«

»Auf so ’ner Nussschale kann einem ja nur schlecht werden«, sagte Kleinfeld ärgerlich und stemmte sich mühsam hoch. »Ich hab mir den Job auch nicht ausgesucht.«

»Wir müssen uns wirklich etwas ranhalten«, sagte jetzt Okke Hansen, ihr Bootsführer. Er wies mit besorgter Miene zu dem kleinen Kajütkreuzer, der unten am Strand vor Anker lag. »Wenn wir in zwei Stunden nicht wieder an Bord sind, verpassen wir die Flut, und ich habe absolut keinen Bock, bei diesem Wetter die Nacht vor Norderoogsand zu verbringen.«

»Ist wohl meine Schuld, dass hier alles Mögliche rumliegt«, sagte Kleinfeld und klopfte sich den restlichen Sand von der Kleidung. »Da sollten Sie sich mal drum kümmern. Und glauben Sie nicht, dass ich hier auch nur ein Fitzelchen Müll aufsammele.« Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf die Stelle, an der er gestürzt war.

»Mein Gott«, sagte Rieken und starrte mit weit geöffneten Augen dorthin.

Kleinfeld sah erst ihn fragend an, dann Hansen, der ebenfalls wie vom Blitz getroffen vor ihm stand.

»Was zum Teufel is’ denn nu schon wieder?«

Er drehte sich langsam um und sah nun auch, was seinen Begleitern die Sprache verschlagen hatte. Entsetzt wich er zurück und stolperte erneut.

1.

Wer ist das denn jetzt noch?, dachte Elise Mannhof genervt. Schwerfällig drückte sie sich von dem Sofa hoch und schlurfte zur Wohnungstür. Wahrscheinlich wieder die neugierige Kuh von gegenüber. Elise war gespannt, was sie heute angeblich vergessen hatte einzukaufen.

»Na, was fehlt …«

Sie stockte und blickte erstaunt auf. Nicht ihre Nachbarin stand vor ihr, sondern jemand, dem sie am liebsten sofort wieder die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte. Der Isländer.

»Hallo, Elise«, sagte er und drängte sich mit seinem massigen Körper an ihr vorbei in die Wohnung.

»Ville, was machst du denn hier?«, fragte sie und schloss mit einem unguten Gefühl die Wohnungstür. »Du warst doch erst letzte Woche hier.«

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, wo er bereits auf sie wartete.

»Begrüßt man so einen guten Freund?« Er sah sie mit einem falschen Lächeln an.

Elise Mannhof verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte so, ein bisschen selbstsicherer zu wirken. Dass Ville Larsson heute bei ihr auf der Matte stand, außer der Reihe, ließ sie Schlimmes ahnen.

»Was willst du?«, fragte sie.

»Aber, Baby.« Er trat an sie heran, strich ihr sanft mit der Hand über die Wange. »Kannst du dir das wirklich nicht denken?«

Sie musterte sein grobschlächtiges Gesicht unter der ausgeblichenen Docker-Mütze, die auf seiner Glatze ruhte. Seine aufgesetzte Freundlichkeit beunruhigte sie und da war noch etwas: seine Ringe. Normalerweise trug er an jedem Finger welche, sogar an den Daumen. Doch heute fehlten sie. In ihren Kreisen bedeutete das nichts Gutes. Sie lehnte sich leicht zurück.

»Dein Geld hast du doch bekommen«, sagte sie vorsichtig und beobachtete genau seine Reaktion.

Ville Larsson richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schüttelte den Kopf.

»Tss, tss«, machte er. »Hast du etwa deine Kündigung vergessen? Oder dachtest du, es ist mit einem kurzen Anruf getan?« Er imitierte mit abgespreiztem Daumen und Kleinfinger einen Telefonhörer und hielt ihn sich ans Ohr.

»Hallo, Ville, ich habe keine Lust mehr«, äffte er sie nach. »Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und tschüss.«

Bei dem letzten Wort hatte er die Hand, die er sich eben noch ans Ohr gehalten hatte, in die Höhe gerissen und ließ sie nun langsam wieder sinken. Dabei bedachte er Elise Mannhof mit einem bittersüßen Lächeln.

Instinktiv war sie vor einem erwarteten Schlag zurückgeschreckt.

»So läuft das aber nicht«, sagte er leise und fügte fast schon belehrend hinzu: »Eigentlich müsstest du das aber wissen, ein paar Jährchen arbeiten wir ja nun doch schon zusammen.«

Langsam bewegte er sich auf sie zu. Dabei schob er die Ärmel seiner schwarzen Lederjacke hoch und entblößte zwei muskulöse Unterarme, die über und über tätowiert waren.

Sie hob mit einer beschwichtigenden Geste die Hände.

»Natürlich weiß ich das«, sagte sie. »So war das ja auch gar nicht gemeint.«

»War es nicht?«, fragte er und hielt in der Bewegung inne. »Doch keine Kündigung?«

»Nein … Ich meine, doch.« Sie sah ihn verzweifelt an, während sie nach den richtigen Worten suchte.

Wie aus dem Nichts schnellte Larssons rechte Hand vor und umfasste ihren Unterkiefer wie ein Schraubstock. Dabei gruben sich seine Finger schmerzhaft in ihre Haut und pressten ihre Wangen zusammen. Langsam zog er sie zu sich heran. Sie roch seinen Atem. Er stank nach einer Mischung aus Zwiebeln, Bier und Nikotin.

»Baby, was ist? Willst du mich jetzt auch noch verarschen?«

Sie schüttelte den Kopf, soweit das sein Griff zuließ, und starrte ihn angsterfüllt an.

»Bei allem, was du gleich sagst, solltest du nicht vergessen, was ich für dich getan habe«, zischte er und schob sie langsam vor sich her. »Einen Job auf Sylt. Den kriegt auch nicht jede. Wenn dir allerdings die Herbertstraße lieber ist, kann ich dich auch gleich wieder mit nach Hamburg nehmen. Dann können wir uns auch wieder jeden Tag sehen.«

Larsson verzog den Mund zu einem Grinsen und stieß sie unsanft so heftig von sich weg, dass sie rücklings auf dem Sofa landete.

»Aber, Ville«, sagte sie und rieb sich den schmerzenden Unterkiefer. »Darum geht es doch nicht. Ich kann den Job einfach nicht mehr machen. Außerdem werde ich auch nicht jünger. Du weißt doch auch, dass die Freier mehr auf junge Dinger stehen.«

Der Isländer, wie man ihn auf dem Kiez nannte, lachte.

»Mädchen, was meinst du, warum du hier bist? Auf Sylt ticken die Uhren anders. Hier zählen Reife und Erfahrung. Eine Frau muss Stil haben.« Er breitete die Arme aus. »Ich weiß auch gar nicht, was du hast, die Einnahmen stimmen doch. Oder habe ich mich jemals beschwert?«

Ville Larsson beugte sich zu ihr hinunter und streckte die Hand nach ihr aus. Instinktiv wich Elise ihr aus, bis er sie mit einem hämischen Grinsen zurückzog und sich wieder aufrichtete.

»Also, Baby«, sagte er. »Für mich gibt es absolut keinen Grund, unsere hervorragende Geschäftsbeziehung zu beenden. Damit dürfte nun wohl alles geklärt sein.« Er blickte mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zu ihr herab. »Mach’s gut«, sagte er. »Und nicht vergessen: Immer fein die Beine breit machen.«

Er tippte zum Abschied mit dem Finger an seine Stirn und verließ den Raum.

Für eine Sekunde sah sie ihm unschlüssig hinterher. Dann wurde ihr klar, dass sich nichts ändern würde, wenn sie ihn jetzt einfach gehen ließe. Wie sollte sie jemals den Absprung schaffen und sich das Leben aufbauen, nach dem sie sich so sehr sehnte, wenn sie immer wieder nachgab? Marlene hatte es auch geschafft und sich für dreißigtausend Euro von ihm freigekauft. Warum machte er bei ihr jetzt diesen Aufstand?

»Ville, warte«, rief sie ihm hinterher. »Es geht wirklich nicht mehr.« Mit beiden Armen stemmte sie sich vom Sofa hoch. »Wenn’s am Geld liegt … Ein bisschen kann ich noch drauflegen.«

Sie hastete in den Flur, wo sie fast mit Larsson zusammengestoßen wäre, der mitten im Raum abrupt stehen geblieben war. Sie trat einen Schritt zurück.

»Marlene hast du doch auch gehen lassen«, sagte sie schon fast bittend.

Larsson, der mit dem Rücken zu ihr stand, legte den Kopf in den Nacken.

»Ach ja, die gute Marlene«, sagte er. »Ich erinnere mich. Was aus der wohl geworden ist?« Kopfschüttelnd drehte er sich zu ihr um. »So allein und ohne meinen Schutz.«

Elise Mannhof zuckte unwillkürlich die Achseln, obwohl seine Frage unverkennbar rein rhetorisch gemeint war und schon fast zynisch geklungen hatte.

Larsson sah sie ernst an. »Und du willst wirklich, dass ich dich auch gehen lasse?«, fragte er mit gesenkter Stimme. »So wie Marlene?«

Sie nickte unsicher. Irgendwie klang seine Frage beunruhigend. Wie zur Bestätigung traf sie im gleichen Moment ein heftiger Schlag in den Bauch. So schnell und überraschend ausgeführt, dass er sie nach hinten gegen die Flurwand schleuderte, an der sie jetzt langsam zu Boden glitt.

Mühsam nach Atem ringend blickte sie auf.

Larsson stand breitbeinig vor ihr und sah auf sie herab. »Wie Marlene also? Hast du auch in die eigene Tasche gearbeitet? So wie sie? Oder wo hast du das ganze Geld her?«

»Gespart«, presste sie angestrengt hervor. Der stechende Schmerz in ihrem Bauch machte jede Bewegung und jeden Atemzug zur Qual. »Von meinem Anteil. Du hast immer dein Geld bekommen.«

»Ist das so?«, fragte er. »Wieso kann ich das nicht so richtig glauben?« Er blickte zur Decke, als ob er von dort oben eine Antwort erhalten könnte. Dann sah er wieder zu ihr und schüttelte den Kopf. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mein Vertrauen in dich gestört ist. Vielleicht sollten wir uns wirklich trennen.«

Elise Mannhof hob vorsichtig den Kopf. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er aus den Taschen seiner Jacke einen Ring nach dem anderen hervorholte und über seine Finger schob.

»Aber wie stehe ich denn dann da bei den Jungs? Von wegen, der Isländer lässt sich von seinen Pferdchen verarschen.« Er warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Du wirst sicher verstehen, wenn es mir lieber ist, dass du dein Gesicht verlierst und nicht ich.«

Larsson machte einen Schritt auf sie zu und ging langsam in die Hocke.

»Ville, bitte«, flehte sie und kauerte sich auf dem Boden zusammen. Seinen Schlag von eben hatte er gezielt und mit der flachen Hand gegen den Bauch gerichtet. Sie wusste, was das bedeutete. Züchtigung, ohne die Ware zu beschädigen. Bei seinen ringbewehrten Fingern sah das anders aus. Sie sollten zerstören. Sie hatte bei anderen ehemaligen Prostituierten die Narben gesehen, die solche steinbesetzten Ringe im Gesicht hinterließen.

»Baby.« Seine linke Hand glitt langsam durch ihr Haar. »Du wolltest doch aussteigen.«

Er presste die Lippen zusammen und riss im gleichen Moment ihren Kopf nach hinten. Seine rechte Hand, die er zur Faust geballt hatte, war jetzt bedrohlich nah vor ihrem Gesicht. Sie spürte, wie sich einer der Ringe in ihre Wange bohrte.

»Ville, bitte nicht.«

Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Ihr schien es, als ob der Druck des Rings ein wenig nachließ. Holte er jetzt aus, um ihr den nächsten Schlag zu versetzen? Sie schloss die Augen.

»Wenn ich es mir recht überlege, habe ich heute gar keine Lust auf so ’ne Sauerei«, sagte er.

Ungläubig öffnete sie die Augen und sah, wie er ihr Gesicht von allen Seiten taxierte.

»Bei einem ordentlichen Geschäftsabschluss könnten wir beide das Gesicht behalten.« Er grinste sie schief an und lockerte nun auch den Griff in ihren Haaren. »Wenigstens erst mal.«

Elise Mannhof nickte zaghaft, obwohl sie nicht so richtig verstand, was er damit meinte.

Larsson federte in der Hocke und stützte seine Ellbogen auf die Oberschenkel.

»Das läuft natürlich nur über eine angemessene Ablöse.«

»Wie viel?«, fragte sie mit belegter Stimme und spürte, wie ein Hoffnungsschimmer in ihr aufflammte.

»Hm«, sagte er und wiegte abschätzend den Kopf. »Fünfzigtausend? So als kleine Entschädigung.«

Für einen Moment sah sie ihn wortlos an. Sie hatte keine Ahnung, wo sie so viel Geld auftreiben sollte, aber welche Alternative hatte sie schon? Sie musste irgendeine Lösung finden.

»Einverstanden«, sagte sie leise.

»Na, das ist doch mal ein Wort«, sagte er und klopfte sich zufrieden auf die Oberschenkel. Larsson richtete sich wieder auf und sah zu ihr herab. Warnend hob er den Finger.

»Am nächsten Zahltag wird abgerechnet und dann bist du hier raus. Bis dahin habe ich sicher eine Nachfolgerin. Mit uns war es das aber dann noch nicht.«

»Moment«, sagte Robert Benning gedehnt und blockierte mit seinem Körper demonstrativ die Haustür. »So einfach lasse ich dich nicht gehen.«

Beate Folkerts lächelte ihn herausfordernd an, während sie in ihre orangefarbene Jacke schlüpfte, auf deren Rückseite Großbuchstaben sie als Notärztin auswiesen.

»Das werden wir mal sehen«, sagte sie mit einem vielsagenden Blick und zog ihn langsam zu sich herunter, bis sich ihre Lippen berührten.

Benning schloss die Augen und genoss den Duft und die Wärme ihrer Haut, bis er den sanften Druck spürte, mit dem sie offensichtlich versuchte, ihn, eng umschlungen wie sie waren, von der Haustür wegzubugsieren.

»Netter Versuch«, sagte er und stellte sich ihr grinsend wieder in den Weg.

»Robbie, ich muss jetzt wirklich los. Es reicht schon, wenn Zobel ständig verspätet zu den Übergaben erscheint.«

»Warum lässt du ihn dann nicht auch einfach mal zappeln?«, fragte Benning, trat einen Schritt zur Seite und öffnete ihr die Tür.

»Du weißt genau, dass das nicht meine Art ist. Aber lange mache ich das wirklich nicht mehr mit.«

Sie gab ihm noch rasch einen Kuss, dann verließ sie eilig das Haus.

»Bis morgen«, rief er ihr hinterher, doch da war sie schon nicht mehr zu sehen.

Er schloss die Haustür. Mit einem Schlag trat die Stille ein, die er so sehr hasste. Eine Stille, wie sie ein Mensch hinterließ, mit dem man eben noch beim Abendbrot geredet und gelacht hatte. Die Stille eines leeren Hauses. Benning schaltete das Radio ein. Er lehnte sich an das Sideboard und blickte frustriert aus dem Fenster in den Garten hinaus. Warum konnte sie nach der Dienstübernahme nicht zurückkehren und ihre Rufbereitschaft von hier aus wahrnehmen?

Ein Punkt, über den sie schon so oft diskutiert hatten. Und gestritten. Beates Standpunkt war klar: Sie mussten nicht beide die ganze Nacht kaum ein Auge zumachen. Und so verbrachte sie ihre Dienstzeiten grundsätzlich in ihrer eigenen Wohnung, in der sie keine längeren Besuche seinerseits duldete.

Er seufzte und wollte gerade damit beginnen, den Tisch abzuräumen, als das Telefon klingelte.

»Hallo, Michael. Na, endlich Feierabend?«

Gut gelaunt begrüßte er seinen Freund, den das Telefondisplay angekündigt hatte. Dass sich mit dem Anruf möglicherweise Gesellschaft ankündigte, hatte Bennings Laune gleich gehoben.

»Hör bloß auf«, sagte Michael Hinrichs am anderen Ende der Leitung. »Es war mal wieder so ’n typischer Mittwoch.«

»Das tut mir leid«, antwortete Benning mitfühlend. »Was hältst du denn dann von einem Feierabendbierchen?«

»Gute Idee. Geht’s bei dir? Da ist nämlich etwas, was ich unbedingt mit dir besprechen muss.«

Benning hob erstaunt die Augenbrauen. Was tat Michael so geheimnisvoll? Und was gab es persönlich zu bereden?

»Robbie? Bist du noch da?«

»Ja, natürlich. Ich habe nur gerade überlegt …«

»Du hast kein Bier mehr im Haus, stimmt’s?«, unterbrach Michael ihn.

»Eigentlich müsste ich …«, begann Benning, der sich nicht ganz sicher war, ob im Keller nicht noch ein paar volle Flaschen standen, wurde aber gleich wieder unterbrochen.

»Schon verstanden. Ich bring was mit. Bis gleich.«

Die ist zu, dachte Benning, als kurze Zeit später die Haustür unüberhörbar ins Schloss fiel und Michael durch den Flur stapfte.

»Du hast schon wieder nicht abgeschlossen.« Sein Freund stand in der Tür zum Esszimmer und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Du weißt doch, dass wieder eine Diebesbande auf der Insel unterwegs ist.«

Kopfschüttelnd stellte er einen Sechserträger Bier auf den Tisch.

»Dann müsst ihr die auch mal fangen«, antwortete Benning grinsend und stand auf. »Und den Weg hättest du dir auch sparen können, wenn du nicht gleich aufgelegt hättest. Ich hab nämlich doch noch Bier. Sogar gekühlt.«

Er verstaute das Sixpack in seinem Kühlschrank und kam mit einer von seinen Flaschen zurück, die er nach Michaels Anruf noch schnell kaltgestellt hatte. Er stellte sie vor Michael, der inzwischen Platz genommen hatte, auf den Tisch.

»Danke«, sagte sein Freund und prostete ihm zu.

Benning nahm sein Glas mit Apfelsaftschorle und stieß mit ihm an, ohne jedoch selbst etwas zu trinken.

»Nun erzähl aber, was du so dringend mit mir zu besprechen hast.« Benning setzte sich auf seinen Stuhl und sah seinen Freund erwartungsvoll an.

»Sofort«, sagte Michael und nahm ein paar kräftige Schlucke aus der Flasche. Dann sah er ihn ernst an. »Auf Norderoogsand wurde heute Nachmittag eine Leiche gefunden.«

»Eine Leiche?«, fragte Benning überrascht. »Auf Norderoogsand?«

Michael nickte.

»Und das musstest du mir unbedingt persönlich mitteilen?« Benning lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah seinen Freund verwirrt an. »Und was hat überhaupt die Sylter Kripo mit Norderoogsand am Hut? Einer unbewohnten Insel, die eigentlich nicht mehr als eine Sandbank ist? Liegt die nicht sogar noch hinter Hallig Hooge?«

»Viel weiß ich auch nicht«, sagte Michael. »Es ist ja auch erst ein paar Stunden her, seit wir die Meldung erhalten haben. Der Vogelwart ist dort bei einer Routinekontrolle auf ein Skelett gestoßen.«

»Ein Skelett?« Benning verstand überhaupt nichts mehr. Michaels Geschichte wurde immer abstruser. Jemand fand die skelettierten Überreste eines Menschen, und sein Freund fand das so bemerkenswert, dass er es ihm persönlich …

»Das Skelett hat keine Beine«, unterbrach Michael seine Gedanken. »Zumindest wurden bisher keine gefunden.«

»Und was soll das heißen: Das Skelett hat keine Beine?« Benning hob hilflos die Arme. »Würdest du mir bitte mal endlich erklären, was das alles zu bedeuten hat?«

»Mensch, Robbie, überleg doch mal. Es hat keine Beine. Rantum? Vor zwei Jahren?«

»Du meinst …?« Benning blickte seinen Freund bestürzt an. Jetzt wusste er, was Michael meinte.

2.

Thies Kleinfeld betrachtete den Schlüssel zwischen seinen Fingern zufrieden von allen Seiten. Eine knappe Stunde hatte er gebraucht, um ihn, so gut es ging, von Rost und anderen Ablagerungen zu befreien.

»Hundertzweiunddreißig«, sagte er und strich mit dem Finger über die eingravierte Zahl, die nun wieder einwandfrei zu lesen war.

Er überlegte. In der Regel trugen private Tresore keine Nummer. Demnach konnte der Schlüssel nur zu einer Schließfachanlage gehören. Vielleicht von einer der Bettenburgen, die in Westerland standen? Aber gab es dort tatsächlich so viele Zimmer? Und verfügte jedes über einen eigenen Tresor? Wahrscheinlich nicht. Mit Sicherheit ausschließen konnte er die Gepäckschließfächer am Bahnhof. Dort kannte er sich aus. Früher hatte er regelmäßig seine wenigen Habseligkeiten dort verstaut. Was gab es sonst noch? Die Banken. Und natürlich die Post.

Kleinfeld umfasste den Schlüssel, den er an ein altes Lederband geknotet hatte, ganz fest mit der Faust.

»Dann woll’n wir doch mal gucken«, sagte er und wälzte sich umständlich von seiner durchgelegenen Matratze, die in einer Ecke des Zimmers auf dem Boden lag und ihm als Schlafstatt diente.

Draußen wehte ihm ein kräftiger Nordwestwind entgegen, der die letzten Regenwolken in Richtung Festland trieb. Über den Dächern der Hochhäuser im Westen wurde es bereits wieder heller.

Fröstelnd zog er den Reißverschluss seines Parkas ein wenig höher und machte sich zielstrebig auf den Weg zur Westerländer Hauptpost, wo er den Schlüssel zuerst probieren wollte.

Nach wenigen Gehminuten hatte Kleinfeld das Gebäude in der Kjeirstraße erreicht, wo er sich schnell über das vom Wind zerzauste Haar strich, bevor er eintrat.

Im Inneren herrschte Hochbetrieb. Vor den Schaltern hatten sich lange Schlangen gebildet und so, wie es aussah, verhalf das anhaltend schlechte Wetter der Postkarte zu einer kleinen Renaissance. Im Gegensatz zu Selfies und Handyfotos zeigten sie Sylt nur von seiner sonnigen Seite.

Ein zufriedenes Lächeln umspielte Kleinfelds Mundwinkel. Ihm sollte es recht sein, ging er in dem Trubel doch weitgehend unter.

Er schlenderte zu einem Regal mit Werbeprospekten und Postformularen, das in unmittelbarer Nähe der Postfächer stand. Scheinbar an den neuesten Kontooptionen interessiert, nahm er einen Flyer der Postbank und blätterte ihn durch. Dabei warf er immer wieder einen verstohlenen Blick zu den Schließfächern hinüber. Und tatsächlich. Es gab dort ein Fach mit der Nummer 132.

Kleinfeld wurde warm. Seine Faust umschloss den Schlüssel in der Seitentasche des Parkas noch fester. Fast so, als müsste er sein Glück festhalten.

Er vergewisserte sich mit einem unauffälligen Blick erneut, dass ihn niemand beobachtete, dann legte er den Flyer zurück ins Regal. Gerade wollte er zu den Schließfächern gehen, als eine ältere Dame seinen Weg kreuzte.

Mist, dachte er, machte auf dem Absatz kehrt und beschäftigte sich diesmal mit einem Einzahlungsformular, das er wahllos aus dem Regal genommen hatte.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie die Dame eines der Fächer öffnete, einige Briefe herausnahm und sie nach kurzer Durchsicht in die Handtasche steckte. Dann verschloss sie das Postfach wieder und zog den Schlüssel ab. In diesem Moment ließ Kleinfeld enttäuscht die Schultern sinken. Auch aus der Ferne hatte er erkennen können, dass sich der Schlüssel in Größe und Form von dem unterschied, der in seiner Hand lag.

Niedergeschlagen legte er das Formular zurück und verließ die Post.

Jetzt brauchte er erst einmal einen Schnaps. Zum Glück war Pauls Kiosk ganz in der Nähe. Kleinfeld griff in die linke Brusttasche seines Parkas und förderte zwei Zwanzigeuroscheine hervor, die ihm die Fahrt nach Norderoogsand eingebracht hatte.

»Moin, Paul, ’nen Lütten, wie immer«, begrüßte er kurz darauf den Verkäufer, der ihn durch das geöffnete Ausgabefenster des kleinen Kiosks an der Ecke Bahnweg und Andreas-Nielsen-Straße ansah.

»Na, Gonzo, war wieder Zahltag?«, fragte Paul. Ohne den Blick abzuwenden, nahm er einen Flachmann aus dem Regal neben dem Ausgabefenster und stellte ihn vor sich auf einen Stapel Zeitungen.

Paul kannte ihn, wie fast alle seine Freunde, nur unter seinem Spitznamen, den ihm irgendjemand vor vielen Jahren mal verpasst hatte. Angeblich wegen der großen Nase. Trotzdem fand Kleinfeld nicht, dass er sonderlich viel Ähnlichkeit mit der gleichnamigen Figur aus der Muppet Show hatte.

»Den habe ich mir schwer verdient«, sagte er mit wichtiger Miene, öffnete die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. Mit der anderen Hand schob er Paul einen Zwanzigeuroschein hinüber. Der Schnaps tat gut. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Hab nämlich ’ne Leiche entdeckt. Auf ’ner einsamen Insel.«

»Natürlich«, sagte Paul und tippte sich mit dem Finger an die Stirn. »Und dafür gibt’s ’nen Zwanziger als Finderlohn?« Er schüttelte den Kopf und reichte ihm das Wechselgeld heraus. »Gonzo, Gonzo, du solltest wirklich weniger trinken.«

»Wirst du ja morgen in deinen Schmierblättern sehen.« Mit verstimmter Miene stopfte er das Geld und den Flachmann in die Taschen und ging davon.

Dass er unbewusst weiter in Richtung Innenstadt gegangen war, bemerkte er erst, als er plötzlich vor der Westerländer Spielbank stand. Er blickte zu dem mächtigen Gebäude, das 1897 als Kurhaus errichtet worden war und jetzt das Rathaus beherbergte. Und eben das Spielcasino. Drei Monatsgehälter hatte er einst dort verspielt. Knapp 5 000 DM. An einem Abend. Danach hatte er wie besessen versucht, seinen Verlust wieder zurückzugewinnen. Dabei war immer tiefer in den Strudel der Spielsucht geraten, der ihm unbarmherzig alles genommen hatte, was er besaß.

Kleinfeld spürte auch jetzt wieder das Kribbeln. Seine Finger spielten unternehmungslustig mit dem Wechselgeld in seiner Tasche. Für einen Moment stand er da, starrte auf die großen Lettern über dem Eingang. Spielbank. Wie harmlos sich das las.

Mit einem Ruck wandte er sich ab und verließ den Rathausvorplatz, froh, nichts mehr zu haben, was er dort hintragen konnte.

Kleinfeld überquerte die Norderstraße und lief jetzt genau auf die Sparkasse zu, in deren riesigen Glasflächen sich die vorbeiziehenden Wolken spiegelten. Erst vor Kurzem war das Gebäude von Grund auf erneuert worden.

Er tastete nach dem Schlüssel in seiner Tasche.

Sollte er es wagen? Kleinfeld musterte sich zweifelnd in einer der bodentiefen Fensterscheiben. In der Post fiel jemand wie er nicht so schnell auf. Aber in einer Bank?

Er nahm einen Schluck aus dem Flachmann. Das gab Sicherheit.

Im Innenraum der Sparkasse hatte sich alles komplett verändert seit seinem letzten Besuch, der allerdings auch schon viele Jahre zurücklag. Jetzt gab es kaum noch Geldschalter, dafür standen überall Schreibtische, hinter denen Bankkaufleute Kunden berieten. Geld und Kontoauszüge gab’s jetzt am Automaten. In der Mitte des Raumes befand sich eine großzügige, helle Freifläche. Dort stand eine junge Bankangestellte neben einem Stehtisch, der mit einer roten Husse verkleidet war, und hielt offensichtlich nach informationsbedürftigen Kunden Ausschau. Und in ihren Augen schien auch er so jemand zu sein.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie, während sie auf ihn zukam und ihn mit einem aufgesetzten Lächeln ansah.

Kleinfeld schluckte und hielt intuitiv den Schlüssel in die Höhe.

»Ich will eigentlich nur zu meinem Schließfach.«

»Ach, Sie haben sicher Ihr Sparbuch dort«, sagte sie und wies zu einem etwas abseits gelegenen Bereich der Halle. »Gleich dort hinten.«

»Danke«, sagte Kleinfeld verdutzt. Wie es aussah, hatte sie den Schlüssel offensichtlich als einen der Sparkasse erkannt. Sollte er tatsächlich …?

Eilig ging er zu den Schließfächern und fand nach kurzer Suche auch wirklich eins mit der Nummer 132.

Aufgeregt zog er den Schlüssel hervor und verglich noch einmal die Ziffern. Erst dann steckte er mit zitternden Fingern den Schlüssel in das Schloss. Er passte. Und ließ sich sogar drehen.

Kleinfeld spürte, wie sich erste Schweißtropfen zwischen seinen Schulterblättern bildeten und sogleich an der Wirbelsäule herunterrannen.

Er warf einen Blick zurück in die Halle. Die junge Bankangestellte begrüßte gerade einen weiteren Kunden, der die Sparkasse betreten hatte.

Er atmete tief durch und wischte sich die schweißnassen Hände an seinem Parka ab. Langsam drehte er den Schlüssel weiter bis zum Anschlag und öffnete die Tür.

Leiche auf Norderoogsand gefunden

Am späten Mittwochnachmittag fand der Vogelwart von Norderoogsand während einer Routinekontrolle die skelettierte Leiche einer bisher nicht identifizierten Person auf der unbewohnten Insel südwestlich von Sylt. Wie die Polizei mitteilte, führte eine Prüfung der aktuellen Vermisstenanzeigen bisher zu keinem Ergebnis. Sie erhofft sich nun Hinweise auf die Identität der toten Person und die mögliche Todesursache von der Kieler Rechtsmedizin. Dorthin wurden die sterblichen Überreste noch am gleichen Tag überführt.

Benning klickte auf das Speichersymbol des Schreibprogramms und blickte nachdenklich über den Monitor des Laptops aus dem Wohnzimmerfenster.

Eine Nachricht noch in der heutigen Ausgabe der Sylter Zeitung zu bringen, hatte seine Chefredakteurin abgelehnt.

»Zu wenig Material«, hatte Silke Ingwersen gestern Abend gesagt. »Dafür stelle ich doch jetzt nicht mehr den ganzen Lokalteil um.«

Die Leiche von Norderoogsand. Für Silke hatte sie noch keine Relevanz. Und dass es sich bei ihr um einen verschwunden Serienmörder handeln könnte, war bisher nur eine Vermutung. Eine, die ihn jedoch bis tief in die Nacht beschäftigt hatte. Danach war für ihn klar, dass es nur Andreas Keunemann sein konnte. Eine Leiche ohne Beine, möglicherweise angespült, und dann der Fundort: südwestlich von Sylt. Alles passte. Dorthin hätte Keunemann damals durchaus getrieben sein können.

Wie ein Film lief wieder alles vor Benning ab. Der Rantumer Hafen, Gunda, der Schuss und dann Keunemann, der langsam vom Deck der Söl’ring rutschte. Niemals würde er den letzten Blick dieses Schweins vergessen, bevor ihn das schäumende Heckwasser von Okkes Boot verschluckt hatte.

Seit zwei Jahren wartete er auf diesen Moment. Endlich zu wissen, dass Gundas Mörder tatsächlich tot war. Es keine Zweifel mehr gab, dass er ihnen erneut entwischt war.

Benning überflog ein letztes Mal die Zeilen, die er heute Morgen verfasst hatte, und heftete die Datei an eine E-Mail. Diese versah er noch mit einem Hinweis für seine Chefredakteurin, dass vor Montag mit keinen neuen Informationen zu rechnen sei, und schickte sie an die Redaktion der Sylter Zeitung. Jetzt musste Silke entscheiden, ob sie die spärliche Mitteilung trotzdem für eine kurze Nachricht in der Samstagsausgabe nutzte.

Benning nippte an seinem Kaffee, gleichzeitig wechselte er mit einem Mausklick zum Explorer und öffnete dort die Recherche-Datei zu einem anderen Projekt. Es ging um einen Streit in Westerlands Rotlichtmilieu, über den er berichten sollte. Für heute Nachmittag hatte er einen Interviewtermin mit der Betreiberin des Roxette vereinbart.

Bei dem Streit ging es um den geplanten Umzug ihres Vergnügungsbetriebes in die Innenstadt. Wie er bisher herausgefunden hatte, lief nicht nur die Konkurrenz im Norden Westerlands gegen diese Pläne Sturm, sondern auch die Eigentümer von Zweit- und Ferienwohnungen, die in unmittelbarer Nähe des neuen Standorts lagen. Sie wollten mit allen Mitteln verhindern, dass, wie sie sagten, ein Bordell in ihrer Nachbarschaft aufmachte.

Das Telefon klingelte. Beates Name erschien auf dem Display des Mobilteils, das neben dem Laptop lag. Da sie anrief und nicht persönlich erschien, ahnte er, was jetzt kam.

»Moin, Bea«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Lass mich raten: Du schaffst es nicht?«

»Tut mir wirklich leid«, sagte Beate. »Aber ich will nur noch ins Bett. Ich bin schon wieder seit vier Uhr auf den Beinen. Eine Reanimation. Und davor …«

»Schon gut«, unterbrach er sie und machte dabei aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Es war immer die gleiche Leier. Natürlich wusste er nur zu gut, dass die Arbeit im Rettungsdienst kein Zuckerschlecken war. Schon gar nicht in der Hochsaison. Was ihn jedoch maßlos nervte, war die Häufigkeit von Beates Diensten. Seit Monaten war nun schon eine der drei Notarztstellen nicht besetzt, ohne dass etwas passierte. Und ihr verbliebener Kollege verschärfte die Lage mit seiner Unzuverlässigkeit zusätzlich. Beate kam kaum noch zur Ruhe. Kein Wunder, dass sie schon jetzt aus dem letzten Loch pfiff. Dabei hatte die Saison gerade erst begonnen.

»Sehen wir uns denn später noch?«, fragte er leise. »Ich hab heute nur noch einen Termin. Um sechzehn Uhr. Dauert wahrscheinlich ’ne gute Stunde.«

»Das sollte klappen. So haben wir noch ein Stündchen für uns.«

Sie klang wirklich ziemlich geschafft.

»Ich hol uns was von Gosch. Was hältst du davon?«

»Du bist ein Schatz«, sagte sie. »Dann bis heute Abend.«

Benning legte auf und ließ, mit Blick auf den gedeckten Frühstückstisch, enttäuscht den Hörer sinken.

»Du weißt doch, mein Schatz: Wahlkampf kennt keine Freunde«, sagte Ralph Schöne. Er gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange und fügte augenzwinkernd hinzu: »Und Westerlands First Lady wird man auch nicht so einfach.«

Gesine Schöne nickte und folgte ihrem Mann mit einem gequälten Lächeln zur Haustür.

»Und warte bitte nicht auf mich«, sagte er. »Es könnte spät werden.«

Sie schloss die Tür hinter ihm und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sie strich mit der Hand über ihre Wange. Wieder einer dieser oberflächlichen Küsse. Sie versuchte sich zu erinnern, wann sie sich das letzte Mal richtig geküsst hatten. So wie früher.

»Es könnte spät werden«, äffte sie ihn nach. Sie konnte es nicht mehr hören.

Gesine Schöne stieß sich von der Tür ab und ging nach oben ins Dachgeschoss.

Seit seiner Bürgermeisterkandidatur war Ralph nicht nur wie ausgewechselt, sondern auch kaum noch zu Hause. Tagsüber ging er seiner Arbeit als Verwaltungsbeamter im Rathaus nach und nach Feierabend tingelte er von einer Wahlkampfveranstaltung zur nächsten. Sogar am Wochenende.

Sylts First Lady, dass sie nicht lachte. Nie hatte er sie gefragt, ob sie das überhaupt werden wollte.

Sie betrat das Gästezimmer, das als Bügelzimmer diente, wenn kein Besuch da war. Eigentlich sollten hier einmal ihre Kinder spielen, doch dieser Wunsch war ihnen bisher verwehrt geblieben – und würde es auch bleiben. Sie konnte keine Kinder bekommen. Nicht therapierbare Hormonstörung, hatte der Arzt gesagt.

Sie schaltete das Bügeleisen ein.

Reichte es nicht, dass diese Diagnose ihre Beziehung belastete? Musste es jetzt auch noch der ganze Stress mit dieser blöden Kandidatur sein?

Gesine Schöne beugte sich seufzend zu dem Wäschekorb hinunter, der neben dem Bügelbrett stand, nahm eins von Ralphs Oberhemden heraus und betrachtete es nachdenklich.

Oder tat er das vielleicht gerade deswegen? Weil er nicht hier sein mochte? Bei ihr? Ihn hatte die Nachricht genauso hart getroffen wie sie. Flüchtete er sich am Ende aus diesem Grund in die Politik?

Gesine Schöne hielt sich das Oberhemd an die Nase. Neuerdings hing immer der gleiche Parfumgeruch an seinen Sachen. Obwohl das Hemd frisch gewaschen war, meinte sie ihn auch jetzt noch riechen zu können.

Ein paarmal hatte sie schon daran gedacht, ihn einfach darauf anzusprechen. Doch dann hatte sie befürchtet, als hysterische, eifersüchtige Ehefrau dazustehen. Ralph würde es sicher sofort verharmlosen. Schließlich nahmen auch Frauen an den Wahlkampfterminen teil, gehörten sogar zu seinem Team. Aber hatten alle dasselbe süßlich-schwere Parfum?

Zweifelnd biss sie sich auf die Unterlippe und ließ das Hemd sinken. Ein merkwürdig flaues Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. Sie wurde den Gedanken nicht los, dass mehr hinter diesem Duft steckte als Wahlkampftermine mit Frauen.

Gesine Schöne betrachtete sich von allen Seiten in dem Ganzkörperspiegel, der neben der Tür hing.

Natürlich hatte sie nicht mehr die Figur einer Zwanzigjährigen. Dennoch achtete sie auf ihren Körper, trieb viel Sport und versuchte sich zumindest bewusst zu ernähren. Im Gegensatz zu Ralph, der mit seinen sechsunddreißig Jahren nicht viel älter war als sie, dafür aber bereits einen kleinen Spitzbauch vor sich hertrug.

Gesine Schöne legte die Hände auf ihren Bauch. Ein Bauch, der sich nie über einem neuen Leben gewölbt hatte.

Und wenn Ralph sich nun eine Neue gesucht hatte? Eine, die Kinder kriegen konnte?

Ihr wurde schlecht. Sie eilte ins Bad und trank einen Schluck Wasser aus ihrem Zahnputzglas.

Warte nicht auf mich. Es kann spät werden. Erneut klangen seine Worte in ihren Ohren. Im Spiegel des Badezimmerschranks blickte sie sich entschlossen in die Augen.

Doch, mein Lieber, dachte sie. Ich werde auf dich warten. Aber nicht dort, wo du denkst.

»Ich bin keine Puffmutter. Damit wir uns gleich richtig verstehen. Selbst wenn einige da anderer Meinung sind.«

Marianne Schwarzer präsentierte mit einer ausholenden Geste den Gastraum des Roxette. »Das ist ein ganz normaler Nachtklub.«

Robert Benning nickte. Dass die Betreiberin dieses Nachtklubs nicht gleich auf den Punkt kam, konnte man auch nicht gerade behaupten. Wenn das so weiterging, versprach es, ein aufschlussreiches Gespräch zu werden.

»Genau aus diesem Grund bin ich ja hier, Frau Schwarzer«, sagte er. »Um auch Ihre Seite zu hören und mir ein umfassendes Bild machen zu können.«

Sie bot ihm einen Platz an einem Tisch an, der direkt neben dem Eingang stand.

»Sie würden mir wirklich helfen, wenn Sie mit dem einen oder anderen Vorurteil im Hinblick auf meine Arbeit aufräumen würden«, sagte sie. »Und wie Sie sehen können, handelt es sich bei meinem Betrieb keinesfalls um ein Bordell, wie man mir immer wieder andichten möchte.«

Benning warf einen kurzen Blick durch den Raum und nickte.

»Mit dem Sie jetzt umziehen wollen«, entgegnete er und ließ sich langsam auf die gepolsterte Bank sinken.

»Richtig«, sagte Marianne Schwarzer, die keine Anstalten machte, ebenfalls Platz zu nehmen. »Hier liegen wir doch etwas sehr abseits. Ich möchte mit meiner Bargern direkt ins Herz des Westerländer Nachtlebens.«

Er blickte erstaunt zu ihr hinauf.

»Ist die Abgeschiedenheit nicht gerade von Vorteil? Ich meine, wegen der Diskretion. Ich könnte mir vorstellen, dass nicht jeder unbedingt beim Betreten eines derartigen Etablissements gesehen werden möchte.«

»Da mögen Sie recht haben, Herr Benning, aber die Zeiten ändern sich. Mittlerweile bringt nicht ein einzelner Gast das Geld herein, sondern die Masse derjenigen, die sich hier amüsieren wollen, wie in jeder anderen Bar auch. Aber ich bin unhöflich. Darf ich Ihnen erst einmal etwas zu trinken anbieten?«

»Ich weiß nicht, ob ich mir das überhaupt leisten kann«, sagte Benning, der bereits einen verstohlenen Blick auf die Getränkekarte geworfen hatte, die vor ihm auf dem Tisch stand. »Sie haben ja ganz schön gepfefferte Preise.«

»Keine Sorge«, sagte sie und beugte sich zu ihm herunter. Sie tippte auf die klein gedruckte Fußnote am Ende der Karte. »Wie Sie sehen, geht bei uns das erste Getränk immer aufs Haus.«

»Wenn das so ist, nehme ich ein Wasser.«

»Gerne«, sagte sie und durchquerte den Raum bis zum Ende des L-förmigen Tresens, der an der gegenüberliegenden Wand von Höhe der Eingangstür bis fast zur Tanzfläche reichte. Vor der Theke standen schwere, dick gepolsterte Barhocker.

Benning zog sein Notizbuch aus der Innentasche der Jacke hervor und sah sich weiter um. In der Mitte der Tanzfläche, die am anderen Ende des rechteckigen Raums lag und an zwei Seiten verspiegelt war, reichte eine Pole-Dance-Stange vom Boden bis zur Decke. An der unverspiegelten Fensterseite reihten sich fünf Sitzgruppen aneinander. In der letzten saß er. Sie waren jeweils durch Raumteiler voneinander getrennt, was ein gewisses Gefühl von Privatsphäre aufkommen ließ. Sämtliche Fenster des Raumes lagen zur Straße hin und waren mit einer halb durchsichtigen Folie beklebt, die nur den Blick hinaus ermöglichte, nicht aber von außen herein.

»Hatten Sie mehr Plüsch und Chichi erwartet?«, fragte Marianne Schwarzer, während sie die Getränke ausschenkte. Sie stand hinter dem Tresen vor einem großflächig verspiegelten Glasregal und strich sich eine Strähne ihres pechschwarzen, schulterlangen Haars hinter das Ohr.

»Vielleicht«, sagte er. »Wobei ich gestehen muss, dass ich nicht so oft ausgehe, und wenn, dann weniger in solche Etablissements.«

»Ach so?« Sie sah ihn überrascht an. »Sie machen gar nicht den Eindruck eines Stubenhockers.«

Sie nahm die Gläser und umrundete elegant das Ende des Tresens, gefolgt von seinem Blick.

Benning schätzte Schwarzer auf Anfang bis Mitte vierzig. Sie trug eine weiße Bluse, die sie fast zur Hälfte aufgeknöpft hatte und die mit ihrer sonnengebräunten Haut kontrastierte. Mit langen Schritten und einem anmutigen Lächeln kam sie auf ihn zu. Dabei hielt sie mit grazil abgespreizten Fingern zwei Gläser in den Händen.

»Sie trifft man vermutlich mehr auf Surf-Veranstaltungen.«

»Da fühle ich mich tatsächlich deutlich wohler.« Er legte den Kopf etwas schief und musterte sie jetzt unverhohlen von Kopf bis Fuß. »Aber sagen Sie, haben Sie mal als Model gearbeitet?«

»Sieht man das?« Marianne Schwarzer lächelte in einer unverwechselbaren Mischung aus Verlegenheit und Stolz zu ihm herab. »Ist allerdings schon Ewigkeiten her.«

Sie reichte ihm das Glas Wasser und setzte sich mit einem Glas Sekt ihm gegenüber an das andere Ende der halbrunden Polsterbank.

»Aber nun genug der Komplimente, Herr Benning«, sagte sie und prostete ihm zu. »Was wollen Sie wissen?«

Benning trank einen Schluck Wasser und schlug sein Notizbuch auf. »Frau Schwarzer, wie bereits am Telefon erwähnt, interessiere ich mich in erster Linie für den geplanten Umzug Ihres Nachtklubs in die Innenstadt, der ja schon hohe Wellen geschlagen hat. Wir hatten ja auch vorhin schon davon gesprochen. Es wird offenbar befürchtet, dass Sie dort ein Bordell betreiben wollen. Aber Sie sagten ja bereits, dass in diesem Punkt wohl ein Missverständnis vorliegt.«

»Ganz genau«, sagte sie. »Bei dem Roxette handelt es sich um einen Nachtklub. Im Grunde also um ein Lokal, das bis spät in die Nacht geöffnet hat. In unserem Fall bis fünf Uhr morgens. Und ich habe auch eine Konzession für einen Schankbetrieb. Den möchte ich jetzt eben gerne weiter in die Innenstadt verlegen. Mehr nicht.«

Benning nickte wissend und machte sich eifrig Notizen. »Soweit ich weiß, befinden sich hier im Haus aber auch noch weitere Räume. Was ist mit denen?« Er sah von seinen Notizen auf und blickte sie fragend an. Von seinen Recherchen wusste er, dass es auf der oberen Etage Zimmer gab, in denen angeblich Damen nachts zahlungswillige Herren empfingen. Genau dies war der Dreh- und Angelpunkt des Streits. Jetzt war er auf ihre Erklärung gespannt.

»Die vermiete ich«, sagte Marianne Schwarzer ohne jede Regung. »Laut Mietvertrag habe ich die Erlaubnis, die Zimmer unterzuvermieten.«

»Und an wen? Doch sicher nicht an Feriengäste.«

Sie lachte. »Da hätte ich ja nur Beschwerden am Hals, wenn hier unten die ganze Nacht Hochbetrieb herrscht.«

»Personalzimmer?«, fragte er weiter.

»Wie kommen Sie darauf?«

»Ich habe mich halt im Vorfeld unseres Gespräches schon etwas informiert.« Benning zog ein zusammengefaltetes Blatt aus der Jackentasche und breitete es vor ihr auf dem Tisch aus. »Auf Ihrer Website steht, dass Sie Personalunterkünfte bereitstellen. Ich habe mir das mal ausgedruckt. Sehen Sie hier.«

Er tippte mit dem Finger auf das Blatt.

»Hier steht wortwörtlich: ›Wir bieten neben einem guten Verdienst auch Wohnmöglichkeiten in gepflegten Zimmern. Arbeite dort, wo andere Urlaub machen.‹ Und da dachte ich, es handele sich eben um die Zimmer hier oben.« Er zeigte mit dem Kugelschreiber in Richtung Decke.

»Nein, nein«, winkte Marianne Schwarzer ab. »Mein Personal würde dort ja auch kein Auge zumachen, wenn es mal freihat. Die Personalwohnungen liegen ganz woanders.«

»Gut«, sagte er und kaute grübelnd auf seinem Stift. »Also auch keine Personalunterkünfte. Aber an wen vermieten Sie dann?«

Sie überlegte einen Moment, bevor sie mit einem süffisanten Lächeln antwortete: »Sagen wir, an Freischaffende.«

»Freischaffende?«, wiederholte er ratlos. »Und das soll ich so schreiben? Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Ihrem Ansinnen, für Aufklärung zu sorgen, entgegenkommt.«

»Da haben Sie natürlich recht«, sagte sie und nippte an ihrem Sekt. »War auch eher scherzhaft gemeint. Aber im Ernst. Die Zimmer werden von meinen Mieterinnen für ihre freiberufliche Tätigkeit genutzt, mit der ich allerdings nichts zu tun habe.«

»Und um welche Art von freiberuflicher Tätigkeit handelt es sich dabei?«

Marianne Schwarzer sah ihn herausfordernd über den Rand ihres Glases an. »Soweit ich weiß, haben die so eine Art Escortservice.«

»Ein Escortservice?«, fragte Benning ungläubig. »Und da wundert es Sie, wenn man Ihr Haus mit einem Bordellbetrieb in Verbindung bringt?«

»Deswegen sollen Sie das ja auch in Ihrem Artikel richtigstellen. Die Leute müssen offiziell erfahren, dass ich nur Zimmer vermiete. Was die Mieterinnen dort letztlich machen, ist ihre Sache. Ich glaube, dass Sie das sicher sehr verständlich formulieren können.«

Benning lehnte sich zurück. »Lassen Sie mich raten«, sagte er, ohne ihre Bauchpinselei zu beachten. »Ihre Mieterinnen halten sich auch hier unten auf?«

»Natürlich, was denken Sie denn? Dies ist ja ein öffentlicher Klub. Hier darf sich jeder vergnügen, solange er sich benimmt.«

»Dann leisten die Damen sicher auch gelegentlich einsamen Herren Gesellschaft …«

»Was nicht verboten ist«, warf sie ein. »Ein Lokal ist ja auch immer eine Begegnungsstätte.«

»Selbstverständlich«, sagte er. »Und wo man nach einer Begegnung hingeht, bleibt ja jedem selbst überlassen. An den Strand, in ein Hotel oder eben eine Etage höher.«

Sie schnippte mit den Fingern. »Sehen Sie, so einfach ist das. Ich verstehe nicht, wo manche da ein Problem sehen.«

Benning wiegte den Kopf. »Kommt drauf an. Sollen Ihre Untermieterinnen denn auch mit umziehen?«

»Natürlich nicht«, sagte sie und lehnte sich zu ihm herüber. »Das ist ja der Grund, warum ich die ganze Aufregung nicht verstehe. Zusammen mit meinem Mietvertrag musste ich natürlich auch ihnen kündigen.«

Benning sah sie skeptisch an. »Und was wird dann aus der freiberuflichen Tätigkeit?«

Marianne Schwarzer zuckte die Schultern. »Das müssen Sie sie schon selbst fragen. Wie gesagt, ich bin ja nur die Vermieterin.«

»Im Moment ist aber zufällig keine da, oder?«

»Das tut mir leid«, sagte Marianne Schwarzer mit bedauernder Miene. »Aber vor acht sind sie in der Regel nicht hier.«

Benning nickte und trank einen Schluck Wasser. »Dann muss ich später noch einmal wiederkommen. Ich würde gerne auch mit ihnen sprechen. Nur so kann ich allen Beteiligten gerecht werden und einen objektiven Bericht abliefern. Im Moment muss ich Ihnen allerdings recht geben. Wenn Ihre derzeitigen Untermieterinnen nicht mit umziehen, verstehe ich die Aufregung nicht. Immerhin soll ja sogar ein Ordnungsgeld in nicht unerheblicher Höhe im Raum stehen, falls doch ein bordellähnlicher Betrieb in den neuen Räumlichkeiten aufgenommen wird. Zweihunderttausend, ist das richtig?«

»Mag sein«, erwiderte sie mit gleichgültiger Miene. »Aber das interessiert mich genauso wenig wie die Sammelklage, von der Sie ja auch sicher bereits wissen.« Er nickte und Marianne Schwarzer fuhr fort: »Ich eröffne nur ein Lokal und sehe daher keinen Grund, mir die Betreibergenehmigung zu verwehren.«

»Sieht das Herr Andresen auch so gelassen?«

»Mein neuer Vermieter? Warum nicht?«

»Na ja«, sagte Benning. »Ihm wurde ja das Ordnungsgeld angedroht. Dann die Klage. Also, ich würde mir an seiner Stelle lieber einen Mieter suchen, der nicht so eine Aufregung erzeugt. Bei der Lage dürfte es ja mehr als genug Interessenten geben. Es sei denn, Sie zahlen eine überdurchschnittlich hohe Miete.«

»Herr Andresen und ich kommen schon klar«, sagte Marianne Schwarzer und wirkte das erste Mal etwas reserviert. »Ich sehe auch kein öffentliches Interesse an unseren Geschäftsbeziehungen. Das ist Privatsache. Und dabei würde ich es auch gerne belassen.«

»Selbstverständlich«, sagte Benning mit erhobenen Augenbrauen. Er blätterte in seinem Notizbuch zu den Fragen zurück, die er heute Morgen vorbereitet hatte. »Ich glaube, wir haben dann auch erst mal alles. Ich würde mich nur noch gerne mit Ihren Untermieterinnen unterhalten. Wann wäre das wohl am günstigsten?«

»Hauptsache, nicht zu den Geschäftszeiten«, sagte Marianne Schwarzer. »Vor dem Hintergrund der Diskretion, die ich meinen Kunden natürlich zusichere, wäre es denkbar ungünstig, wenn die Presse hier Fragen stellen würde. Das verstehen Sie doch sicher?«

»Haben Sie dann vielleicht eine Adresse für mich? Ich würde mich auch gerne mit Ihrem Personal unterhalten.«

»Tut mir leid. So einfach kann ich die nicht herausgeben. Aber ich kann gerne mal mit meinen Mitarbeiterinnen sprechen.«

»Und den Untermieterinnen«, sagte Benning mit wichtiger Miene.

»Natürlich, auch mit denen«, antwortete Marianne Schwarzer lächelnd.

»Gut, dann lasse ich Ihnen mal meine Karte da«, sagte er und legte seine Visitenkarte auf den Tisch. Er steckte sein Notizbuch ein und erhob sich. »Dann danke ich Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«

»Ich danke Ihnen. Hoffentlich können Sie nun endlich mit Ihrem Bericht die Missverständnisse ausräumen. Sie hatten ja versprochen, dass ich ihn vor der Veröffentlichung bekomme.«

»Selbstverständlich«, sagte Benning. »Sobald ich den Bericht fertig habe, erhalten Sie ihn zur Autorisierung. Aber bitte nicht mit Zensierung verwechseln.« Er hob mit einem Lächeln mahnend den Zeigefinger.

»Schon klar«, meinte sie und öffnete ihm die Eingangstür. »Also, Herr Benning, nochmals vielen Dank.«

»Auf Wiedersehen, Frau Schwarzer.« Er nickte ihr zum Abschied zu und verließ das Roxette. Dabei stieß er fast mit einer jungen Frau zusammen.

»Hoppla«, rief diese und stoppte abrupt.

»Oh, Verzeihung.« Benning machte hastig einen Schritt zur Seite, um ihr den Weg freizugeben.

»Danke«, antwortete sie mit einem freundlichen Lächeln, bevor sie im Roxette verschwand und Marianne Schwarzer die Tür hinter ihr schloss.

Sicher niemand vom Personal, dachte Benning. Sonst hätte die Schwarzer sie ja gleich bekannt machen können.

Er zog sein Smartphone aus der Hosentasche und blickte auf das Display. Schon Viertel nach fünf. Und er musste noch zu Gosch.

3.

»Entschuldige mich einen Moment«, sagte Elise Mannhof und rutschte von ihrem Barhocker. Mit einem gequälten Lächeln blickte sie zu ihrem Sitznachbarn zurück, der sich als Hans vorgestellt hatte. Sie presste die Hand auf die Stelle, wo der Schlag des Isländers sie getroffen hatte. Sie schmerzte immer noch höllisch. »Ich muss nur eben einen guten Bekannten begrüßen.«

»Etwa den?«, fragte Hans und musterte den Mann mit dem alten Bundeswehrparka, der an der Eingangstür des Roxette stand und sich unsicher umsah.

»Was dagegen?«

»Allerdings.« Hans verzog angewidert das Gesicht. »Du willst mich ja wohl nicht im Ernst wegen so einem verlausten Penner hier sitzen lassen.«

Mit einem abschätzigen Blick auf seinen Ehering sagte sie: »Der hat jedenfalls mehr Charakter als du. Schönen Gruß an deine Frau.«

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging zu Thies Kleinfeld. Der hatte sie auch in diesem Moment entdeckt und winkte sie mit einer zaghaften Geste zu sich.

»Bist du verrückt geworden?«, raunte sie ihm statt einer Begrüßung zu und hakte sich schnell bei ihm unter, um ihn unauffällig zur Tür hinaus zu bugsieren. Sie warf einen raschen Blick zurück. Erleichtert stellte sie fest, dass Marianne hinter dem Tresen genug mit den anderen Gästen zu tun und Gonzo nicht bemerkt hatte.

»Du weißt doch, dass du hier unten nicht auftauchen sollst«, sagte sie vorwurfsvoll. »Außerdem muss ich noch etwas Geld verdienen, wo der Laden so gut besucht ist.«

»Kein Problem«, entgegnete Gonzo und hielt ihr einen Zweihunderteuroschein vor das Gesicht, den er aus der Innentasche seines Parkas gezaubert hatte.

»Wo hast du den denn her?«, fragte sie erstaunt. Für gewöhnlich kam er nur alle vier Wochen zu ihr, wenn es mal wieder Geld vom Amt gegeben hatte. Das letzte Mal vor knapp zwei Wochen.

»Das habe ich mir ehrlich verdient«, sagte er mit ernster Miene. »Ein Gelegenheitsjob.«

Sie betrachtete den Schein und steckte ihn in ihren Ausschnitt. »Na, dann lass uns mal reingehen.«

Sie umrundeten die Stirnseite des Hauses. Auf der Rückseite befand sich eine Tür, durch die man zu den rückwärtigen Räumen und zur Treppe nach oben gelangte.

Sie hatten gerade den hinteren Flur betreten, als dort die Toilettentür aufflog und ein Mann heraustorkelte. Er stützte sich an die Flurwand und blickte sich suchend um.

»Hier entlang«, sagte Elise und wies zum anderen Ende des Korridors, wo es zurück in den Klubraum ging.

Der Mann nickte und hob zum Dank die Hand. Von einer Seite zur anderen schwankend, folgte er der angegebenen Richtung.

»Lass uns hochgehen«, meinte sie und schob Gonzo die Treppe hinauf. Jetzt war sie doch froh, dass er hergekommen war. So entkam sie wenigstens den besoffenen Kegelbrüdern aus Oer-Erkenschwick, zu denen auch dieser Hans gehörte. Gut-Holz-ohne-Damen, so nannte sich ihr Kegelklub, wie er ihr stolz erzählt hatte. Und so, wie es aussah, benahmen sie sich auch danach. Vermutlich hatten sie noch kurz vor Beginn der Hauptsaison die Kegelkasse geplündert und in eine günstige Pauschalreise nach Sylt investiert.

Inzwischen hatten sie ihr Zimmer erreicht. Elise Mannhof schloss die Tür hinter ihnen und dimmte die Deckenbeleuchtung.

»Willst du nicht deine Jacke ausziehen?«, fragte sie und lächelte, als sie sah, wie Gonzo sich umständlich aus seinem Parka schälte.

Sie mochte diesen kauzigen Kerl, der sie regelmäßig besuchte. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie Gonzo das erste Mal getroffen hatte. Damals hatte die Schwarzer ihn aus dem Roxette geworfen. Er hatte ihr leidgetan, als er vollkommen niedergeschlagen den Laden verließ, in seinem ausgebeulten schwarzen Anzug, den er sich extra für seinen Nachtklubbesuch angezogen hatte. Das hatte er ihr erzählt, als sie ihn mit in ihr Zimmer genommen hatte. Es war ihr schnell klar geworden, dass Gonzo nicht zu denjenigen gehörte, die nur auf eine schnelle Nummer aus waren. Oftmals war er auch nur hier gewesen, um zu reden. Auch dafür hatte er bezahlt. Hatte sogar regelrecht darauf bestanden. Zwar war es ihr unangenehm gewesen, sein Geld anzunehmen, aber der Isländer hatte absolut keinen Sinn für Sentimentalitäten. Wenn seine Kasse nicht klingelte, nahm er mal eben kurz die Ringe von den Fingern.

»Komm her«, sagte sie und ließ sich auf ihr Bett sinken. Sie zog den Zweihunderteuroschein aus dem BH und legte ihn in die Schublade des Nachttisches.

Gonzo warf den Parka über die Lehne des kleinen Sessels, der neben einer schmucklosen Frisierkommode stand, und setzte sich zu ihr.

»Du siehst wieder toll aus«, sagte er leise.

»Charmant wie immer.« Elise Mannhof strich sich über ihr rotes Kostüm und lugte unter ihrem Pony hervor, der ihr etwas in die Augen hing.

»Dass du dich überhaupt mit mir abgibst, verstehe ich immer noch nicht.« Gonzo blickte verschämt an sich herunter.

»Jetzt fang nicht schon wieder davon an«, sagte sie und legte sanft ihre Hand auf seinen Arm. »Du hast sicher mehr Anstand als die meisten Kerle, mit denen ich es sonst zu tun habe.«

Wie zur Bestätigung ertönten im gleichen Moment laute Stimmen auf der Straße. Wahrscheinlich waren gerade die ersten Kegelbrüder rausgeflogen.

»Also, was ist? Wollen wir es uns jetzt nicht mal gemütlich machen?«

Sie sah ihm tief in die Augen und streckte langsam die Arme aus. Sie griff den Bund seines labbrigen Sweatshirts, zog es ihm behutsam über den Kopf und legte es zur Seite. Seine Kleidung mochte zwar nicht den gepflegtesten Eindruck machen, jedoch war er immer frisch gewaschen, wenn er sie besuchte. Da hatte sie mit Kunden aus vermeintlich gutem Haus schon ganz andere Erfahrungen gemacht.

»Magst du mir bei meinem Reißverschluss helfen?«, fragte sie und drehte sich um. Gonzo nickte und beugte sich zu ihr herüber.

»Du riechst so gut«, flüsterte er leise, während er ihr Kostüm öffnete und die Träger sanft von ihren Schultern schob. Sein Blick wanderte zum Verschluss des schwarzen, mit Spitze besetzten BH.

Elise Mannhof warf ihm einen herausfordernden Schulterblick zu. »Mach schon weiter.«

Gonzo hob die Hände und wich im gleichen Moment unvermittelt zurück.

»Was hast du da schon wieder?«, fragte er und wies auf den blauen Fleck, der an ihrer linken Seite prangte. »War das etwa wieder einer dieser Kerle?«

»Nein. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur ganz blöd gefallen.« Sie lächelte ihn unsicher an. Sein misstrauischer Blick verriet, dass er sich mit ihrer Antwort nicht zufriedengeben würde. Zu oft hatte er schon irgendwelche Blessuren an ihr bemerkt, die der Isländer ihr zugefügt hatte.

»Etwa wieder beim Putzen?«, fragte er.

»Das ist lieb, dass du dir Sorgen machst«, sagte sie und legte sanft ihre Hand auf seinen Arm. »Aber diesmal bin ich wirklich nur über den Teppich in meinem Wohnzimmer gestolpert.«

»Man schlägt keine Frau«, sagte Gonzo mit bebender Stimme. »Nie. Nicht.«

»Nun komm, es ist wirklich nichts passiert.«

»Warum hörst du nicht einfach hier auf?«, fragte er und sah sie mit großen Augen an. »Du kannst doch auch was Ordentliches arbeiten.«

Wenn du wüsstest, dachte sie und beobachtete, wie er mit besorgter Miene aufstand und zum Fenster ging. Auf der Straße vor dem Haus war es wieder laut geworden.

»So einfach, wie du denkst, ist das auch wieder nicht«, sagte sie. »Ein bisschen muss ich schon noch sparen.«

Ein bisschen ist gut, dachte sie. Fünfzigtausend Euro wollte Ville haben. Und das bereits in zehn Tagen. Fünfzigtausend Euro, von denen sie momentan gerade einmal zwanzigtausend aufbringen konnte.

Gonzo schob die dünnen Gardinen vor dem Fenster ein wenig auseinander und blickte auf die Straße hinunter, wo das Stimmengewirr langsam abnahm.

»Irgendwann passiert noch mal was richtig Schlimmes«, sagte er leise und fuhr nach einer kurzen Pause nachdenklich fort: »Was wäre denn, wenn du genug Geld hättest? Würdest du dann hier Schluss machen?«

Sie lachte. »Du meinst einen Lottogewinn? Schön wär’s. Aber wenn das so einfach wäre, würdest du …«

Sie stockte, als er sich plötzlich vom Fenster abwandte und unvermittelt zu dem Sessel ging. Er nahm den Parka von der Sessellehne, griff in die Innentasche und warf zwei Bündel mit Geldscheinen neben sie auf das Bett.

»Reicht das?«

Elise starrte sprachlos auf die beiden Bündel, die eine orangefarbene Banderole mit der Aufschrift 5000 € trugen. Ungläubig sah sie zu ihm auf.

»Wo hast du so viel Geld her?«

Er zuckte wortlos die Achseln.

»Sagen wir einfach, ich hab ’nen Schatz gefunden.«

Robert Benning rutschte noch etwas tiefer in seinen Sitz und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Blick streifte die Uhr am Armaturenbrett des MX 5. Kurz vor elf. Seit über drei Stunden stand er nun schon hier auf dem Schützenplatz und beobachtete das Roxette, lediglich unterbrochen von einem kurzen Strandspaziergang.

Möchten Sie gerne weiterlesen? Dann laden Sie jetzt das E-Book.