Die Tutanchamun Falle - Nicole Gabrys - E-Book

Die Tutanchamun Falle E-Book

Nicole Gabrys

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Beschreibung

In der Nähe von Memphis 1323 v. Chr. liefert sich Tutanchamun mit seinen Freund Chaths ein Streitwagenrennen und hat einen tödlichen Unfall. In Kairo erscheint der Geister-Hohepriester Runihura Doktor Naser und macht dem Ägyptologen ein unwiderstehliches Angebot: Der Goldene Pharao kann erweckt werden. Doktor Naser besucht das Mumienteam in Deutschland und bittet Larissa nach Ägypten zukommen, um Tutanchamun zurück ins Leben zu holen. Als Okpara die Beschädigungen der Mumie sieht, möchte er die Erweckung verhindern, doch Doktor Nasers Assistent drängt Larissa schon in den Saal in dem der Goldene Pharao liegt. Die leeren Augenhöhlen von Tutanchamun leuchten hellblau auf und Larissa wird bewusstlos. In der Duat ist Larissa mit dem jungen Pharao nicht allein und weiß zu erst nicht in welcher Gefahr sie schwebt.

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Inhaltsverzeichnis

Ein Unfall?

Eine Falle stellen

Überraschungen am runden Tisch

Tutanchamun erwacht

Die Götter erscheinen

Wieder in der Duat

Herz und Lunge

Moderne Denkweisen?

Tutanchamuns Traum

Der Schatten der letzten Nacht

Ein Plan für Tutanchamuns Befreiung

Gaffarels Befreiung

Gefangen

Im Gedränge

Arztbesuch hinter Glas

Okpara ist besessen

Tuts Enthüllung

Gewonnen?

Sagiras magische Stunde

Auf dem Basar

Der Weg zur Opferung

Ein mutiges Opfer?

Der Geister-Pharao träumt

Die Befreiung

Schwindelig

Das erste Weihnachtsfest der Altägypter

Das Who is Who der ägyptischen Götter

Charaktere

Eine Ägyptologin meinte die Namen, die die Autorin ausgesucht hatte, sind nicht ägyptisch. Leider sind altägyptische Namen schwierig zu merken oder auszusprechen. Die Autorin fand die Namen auf der Online-Seite namen-namensbedeutung.de zwischen den Namen von Pharaonen und ägyptische Götter. Sie hofft, dass sie dem Leser trotzdem gefallen.

Ein Unfall?

In der Nähe von Memphis; Ägypten 1323 vor unserer Zeitrechnung

Am Morgen herrschten noch angenehme Temperaturen in der kleinen Oase, die sich Tutanchamun ausgesucht hatte, um dort zu übernachten. Ein warmer Wind drang durch den Spalt des hellen Zeltes und ließ den Vorhang seicht hin und her flattern, als Tutanchamun erwachte. Er strich sich über die braune Brust und lauschte. Im Zeltlager seiner Jagdgesellschaft war noch alles ruhig, nur unterbrochen von dem Wiehern der Pferde und einem leisen Klappern in seiner Nähe.

Meine Diener bereiten schon das Frühstück vor, dachte er lächelnd.

Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

Neben seiner Liege stand ein kleiner Tisch, auf dem der schwere mit Edelsteinen besetzte Kragen lag. Der junge Pharao streckte sich vorsichtig, um sich gegen die starken Schmerzen zu wappnen, die er jeden Morgen im Rücken verspürte. Absichtlich gähnte er lauter, als er es eigentlich tun würde. Sogleich wurde der Vorhang am Eingang des Zeltes zur Seite geschoben.

„Mein Pharao, habt ihr gut geruht?“ Eine Dienerin in einem beigefarbenen Kleid kam herein und verbeugte sich. „Wollt Ihr schon aufstehen?"

Sie stellte eine Schüssel und einen Krug ab. Vorsichtig goss sie Wasser in die Schale.

„Ja“, sagte Tutanchamun und reichte ihr beide Hände, um sich aufhelfen zu lassen. „Ist Chaths schon wach?“

Wenn er morgens aufstand, fühlte sich sein Körper verspannt an und quittierte jede Bewegung mit Schmerzen.

„Ich glaube, ich habe ihn vorhin aus seinem Zelt gehen gesehen“, antwortete die Dienerin und begann ihn, mit einem weichen Tuch, zu waschen. „Er wird wohl zu den Pferden gegangen sein, wie jeden Morgen.“

Tutanchamun genoss seine Morgentoilette mit den sanften Berührungen der jungen Frau. Sie rasierte ihn vorsichtig. Niemand durfte nun stören, bis sie fertig war.

Die Dienerin ordnete seinen Rock und band ihm einen schweren Gürtel, mit prächtigen Edelsteinen verziert, um die Hüften. Die vielen, kleine Steine klirrten leise gegeneinander. Sie trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.

„Habt Ihr noch Schmerzen?“, fragte sie pflichtbewusst und legte ihm einen Kragen mit Halbedelsteinen um den Hals und auf die Schultern.

Dieser Schmuck lastete schwer auf dem schmalen Körper des Pharaos.

„Nicht mehr als sonst auch“, antwortete Tutanchamun und nahm seinen Gehstock entgegen, den ihm die junge Frau reichte.

Zum Schluss wurde ihm noch die Kopfbedeckung aufgesetzt.

„Fertig“, sagte sie zufrieden. „Jetzt könnte Ihr Euch Eurem Volk zeigen.“

Vorsichtig belastete Tutanchamun das linke Bein. Trotzdem hatte er höllische Schmerzen im Mittelfuß.

Warum können meine Heiler nichts tun?, fragte er sich traurig. Die Schmerzen behindern mich doch sehr. Ich kann gar nicht richtig auftreten. Ich will und muss ein guter Kämpfer sein. Mein Volk wird andauernd von Feinden bedroht.

Vor der Dienerin humpelte er auf dem Stock gestützt aus dem Zelt. Er wusste, sie würde ihm in gebührendem Abstand folgen.

Eine weitere Bedienstete wartete vor dem Eingang und verbeugte sich, als Tutanchamun nach draußen trat.

„Euer Frühstück ist schon vorbereitet“, sagte sie mit gesenktem Kopf. „Bitte, hier entlang.“

Er folgte ihr und sah lächelnd auf ihren Hintern.

Wenn das Kleid nicht wäre, könnte ich ihre Rundungen viel besser betrachten, dachte Tutanchamun verschmitzt. Ob sie das Nachtlager mit mir teilen würde? Was für ein absurder Gedanke! Natürlich! Ich bin der Pharao. Keine Frau sagt nein zu mir.

Gern hätte er ihr an den Hintern gefasst, doch beherrschte er sich für den Moment. Er setzte sich an den reich gedeckten Tisch. Auf einem Teller lag geschmorter Fisch, dazu Brot und viel Obst. Er atmete den Geruch tief ein.

Die erste Dienerin brachte ihm eine Schüssel, damit er sich vor dem Essen nochmals die Hände und das Gesicht waschen konnte, wie es bei seinem Volk Brauch war.

Danach nahm er sich einen Apfel und biss hinein. Die Frucht war süß und schmeckte ihm vorzüglich.

Leichte Schritte näherten sich ihm.

„Sei gegrüßt, mein Pharao Tut.“ Chaths verbeugte sich grinsend. „Was hältst du von einem Wagenrennen vor dem Frühstück?“

„Mein Chaths.“ Tutanchamun stand unbeholfen auf und lachte. „Eine gute Idee! Wann sind die Streitwagen bereit?“

„Du kennst mich, deinen Chaths, doch.“ Der junge Mann erwiderte das Lachen. „Wie immer habe ich mich schon um alles gekümmert. Wir können also sofort losfahren, wenn es dein Wille ist.“

„Gut, welchen Wagen hast du für mich ausgewählt?“, wollte Tutanchamun wissen.

„Na, den schnelleren ohne Stuhl“, sagte Chaths. „Oder willst du sitzen?“

„Nein! Das ist wunderbar!“ Tutanchamun freute sich. Er biss noch einmal in den Apfel und legte ihn weg.

„Das Essen wird auf mich warten müssen.“ Er grinste und ging auf Chaths zu.

Er ist mein bester Freund, dachte er und klopfte ihm auf die Schulter.

„Du wirst meinen Staub schlucken, mein Chaths.“ Er lachte.

Humpelnd bewegte Tutanchamun sich zu seinem Streitwagen und streichelte seine Pferde.

„Hallo, meine Schönen“, flüsterte er und drückte seinen Kopf an den großen Schädel, des rechten Tieres. „Mit euch kann ich für kurze Zeit vergessen, dass ich nicht richtig laufen kann.“

Er küsste beide auf die Nüstern und streichelte sie ausgiebig.

Chaths stieg bereits auf den anderen Streitwagen. „Komm schon, Tut! Lass uns keine Zeit verlieren. Das Leben ist zu kurz, um es zu vertrödeln.“

Er lachte wieder und wickelte sich die Zügel um die Hüften.

Tutanchamun strich über den Rücken des linken Pferdes, als er zum Streitwagen ging. Er übergab einem Diener seinen Gehstock. Sorgfältig band er sich die Zügel, wie es auch Chaths getan hatte, um seine Taille.

Der Diener überprüfte gewissenhaft den Halt.

„Manchmal wünschte ich mir, du wärst nicht der Pharao“, rief Chaths genervt. „Immer muss noch jemand sichergehen, ob auch alles richtig sitzt. Das dauert jedes Mal ewig! Dabei hatte ich deinen Wagen schon überprüft und auch die Zügel. Das müsste doch reichen oder vertraut man mir nicht?“

„Doch, das reicht!“ Tutanchamun winkte den Diener zur Seite. „Ich vertraue dir vollkommen, mein Chaths.“

Er hat ja so recht, dachte er. Die ganzen Vorsichtsmaßnahmen sind furchtbar lästig.

„Chaths, bis später! Ich werde wie immer siegen!“, rief er übermütig.

„Sei dir da mal nicht so sicher, mein lieber Tut!“ Chaths gab seinen Pferden ein Signal. „Ich fühle mich heute Morgen ausgezeichnet.“

Auch Tutanchamun befahl: „Lauft los, meine Lieben!“

Er ließ die Zügel knallen.

Die Streitwagen fuhren rumpelnd los. Mit lauten Rufen trieben die beiden jungen Ägypter ihre Pferde an.

Ich habe die besseren Pferde, dachte Tutanchamun mit Stolz und beobachtete das Muskelspiel unter dem schimmernden Fell der Tiere.

„Lauft, zeigt Chaths lahmen Gäulen, dass wir schneller sind!“ Er genoss den Fahrtwind auf der Haut und jubelte. „Schnell wie der Wind!“

Die Streitwagen holperten durch das unebene Gelände. Die Räder wirbelten Staub und feinen Sand auf. Das Knacken im linken Rad ignorierend, ließ Tutanchamun seine Peitsche schnalzen.

Chaths hatte einen kleinen Vorsprung, doch Tutanchamun holte auf. Seine Pferde hatte sich endlich warmgelaufen und überholten Chaths' Streitwagen.

„Mein Chaths, wir sehen uns später beim Frühstück.“ Tutanchamun winkte und lachte.

Mit der anderen Hand hielt er sich an den Zügeln fest.

„Warte nur. Ich werde doch noch gewinnen“, rief Chaths hinter ihm her.

„Lauft schneller, meine Lieben!“ Tutanchamun ließ erneut die Peitsche knallen.

Manchmal tat es ihm leid, seine Pferde zu schlagen, doch nur so liefen sie noch schneller. Er blickte über seine Schulter und jubelte. Chaths1 Streitwagen blieb hinter ihm zurück.

Ist er langsamer geworden?, fragte er sich. Das kann eigentlich nicht sein. Er legt doch sonst immer so viel Ehrgeiz an den Tag und ist stets knapp hinter mir.

Tutanchamun genoss die Geschwindigkeit. Er liebe es, wenn seine starken Pferde den Streitwagen schnell über das Gelände zogen.

Das ist meine Freiheit, dachte er glücklich und atmete tief ein.

Das Knacken wurde lauter.

Das ist jetzt aber seltsam, erkannte er beunruhigt.

Als er über einen flachen Stein fuhr, knackte es wieder. Dieses Mal war es auf der linken Seite überlaut. Einer der Zügel riss und der Streitwagen machte einen unkontrollierbaren Schlenker.

„Nein! Bei Amun!“, schrie Tutanchamun erschrocken auf.

Das Rad splitterte und Teile flogen nach allen Seiten weg.

Der junge Pharao wollte sich noch festhalten und umfasste mit beiden Händen die Zügel, doch da rissen weitere Riemen. Die Pferde schrien angstvoll auf. Der Streitwagen schleuderte heftig zur Seite. Tutanchamun flog durch die Luft und landete unglücklich mit dem rechten Knie auf einem großen Felsen. Die Achse des Gefährts brach. Die Pferde schrien panisch.

Nein, euch darf nichts passieren!, dachte Tutanchamun erschrocken, bevor er das Bewusstsein wegen der Schmerzen verlor.

Er stöhnte, als er wieder zu sich kam.

Wo bleibt nur Chaths?, fragte er sich. Wie lange war ich bewusstlos?

Seine Beine schmerzten höllisch. Das rechte Knie war in die falsche Richtung gedreht.

Meine Beine sind gebrochen, stellte er entsetzt fest und starrte auf den Knochen, der aus seinem Bein ragte. Ich werde nie wieder laufen können. Ich werde hilflos sein. Eje wird mich vertreten, wie er es so oft tut, obwohl ich ihn nicht mehr regieren lassen möchte.

Vorsichtig berührte er die Wunde. Sein Blut sickerte in den Sand.

Ich sollte mich so wenig wie möglich bewegen, dachte er. Chaths wird bald hier sein. Er wird mir helfen.

„Chaths!“, rief er heiser und hustete.

Er sah sich die Zügel an, die noch um seine Hüften geschlungen waren.

Das kann doch nicht wahr sein, hoffte er verzweifelt.

Mit seinen Fingerspitzen tastete er über die glatte Stelle im Leder. Jemand hatte die Zügel eingeschnitten.

Wer ist das gewesen?, fragte er sich. Ich sollte einen tödlichen Unfall haben, aber ich lebe noch. Ich werde den Täter finden und hinrichten lassen.

Wegen des umgekippten Streitwagens konnte er nur teilweise eines seiner Pferde sehen. Eines lag auf dem Boden und rührte sich nicht mehr.

Er wollte auf das große Tier zu kriechen, doch seine Schmerzen waren zu stark.

„Chaths“, hauchte er kraftlos. „Hilf mir! Chaths, wo bist du?“

Endlich hörte er Chaths' Streitwagen näher kommen.

„Mein Chaths, hilf mir!“, rief er seinem besten Freund zu. „Ich bin verletzt. Meine Beine sind gebrochen.“

„Tut, bist du in Ordnung?“ Chaths sprang von seinem Gefährt und holte ein Rad von seinem Wagen. „Es wäre besser für dich gewesen, wenn du bei diesem Unfall gestorben wärst. Jetzt wirst du einige Stunden leiden müssen, mein Freund.“

Mit einem tiefen Bedauern kam er auf den jungen Pharao zu.

„Was soll das heißen?“, fragte Tutanchamun.

Ihm wurde vor Angst heiß und kalt zur gleichen Zeit.

„Ich werde jetzt meine Spuren am Streitwagen beseitigen“, sagte Chaths traurig und entfernte die Reste des zerbrochenen Rades. „Es tut mir leid.“

„Du hast meine Zügel durchgeschnitten“, warf Tutanchamun seinem Freund vor.

„Nein, nur eingeschnitten und mit ein bisschen Leim zusammengeklebt, damit es nicht sofort auffällt“, korrigierte Chaths ihn mit einem bedauernden Lächeln. „Du hättest dich nicht gegen meinem Onkel Eje stellen dürfen. Das war ein Fehler! Ein großer Fehler!“

„Eje? Was hat dein Onkel damit zu tun? Ich bin der Pharao von Ober und Unter-Ägypten“, erwiderte Tutanchamun, „und ich sollte die Macht haben, nicht ein Wesir oder Hohepriester wie Eje oder sonst wer.“

„Warum nicht? Er ist doch ein guter Ratgeber“, entgegnete Chaths und löste die Zügel von den Tieren. „Eines deiner Pferde ist tot.“

„Was?“ Tutanchamun unterdrückte seine Tränen, die ihm in den Augen brannten. „Nein!“

Tiefe Trauer um das herrliche Tier griff nach seiner Seele – zerriss ihm fast das Herz.

„Vielleicht bist du der erste, der mit seinem geliebten Pferd durch die Duat reist", meinte Chaths und lachte.

Vor Chaths werde ich niemals weinen, sagte sich Tutanchamun und wollte in Chaths Richtung kriechen, aber bereute die Bewegung seiner Beine sofort.

Die Schmerzen waren furchtbar. Er stöhnte und musste gegen eine neue Ohnmacht ankämpfen, dann betastete er vorsichtig seinen linken Oberschenkel, in dem es wütend pochte. In seinem rechten Knie tobte eine kleine Hölle.

Chaths ist immer so stark, dachte er. Vor ihm werde ich keine Schwäche zeigen.

Als Pharao weint man niemals, hörte er die strenge Stimme seines Wesirs und Hohepriesters Eje.

Chaths kniete sich neben Tutanchamun hin. „Ich werde dich jetzt von den Zügeln befreien.“

„Die schnüren mich doch sehr ein“, sagte Tutanchamun und griff nach dem Arm seines Freundes, als er merkte, dass es nicht aus Freundlichkeit geschah.

„Tut, wir brauchen einen gesunden Pharao. Beide Ägypten brauchen einen gesunden Pharao“, stieß Chaths hart hervor und wehrte Tutanchamuns Hand ab. „Seit Tagen muss ich darüber lachen, dass du mich immer mein Chaths nennst. Du hast Onkel Eje, doch erst auf diese Idee gebracht, die ich leider ausführen musste.“

„Was?“, entfuhr es Tutanchamun.

„Ich bin dein Chaths. Dein Endel“ Chaths lachte freudlos und wickelte die Zügel auf.

„Chaths, du bist ein elender Verräter!“, stieß Tutanchamun hervor.

„Nein, ich rette Ober und Unter-Ägypten“, widersprach Chaths. „Ich gebe unseren Ländern einen guten Pharao. Dein Vater hat zu viel zerstört.“

„Ich habe aber keinen Thronfolger!“, rief Tutanchamun, „und ich habe doch alles wieder in Ordnung gebracht.“

„Ist das wirklich so?“ Chaths grinste. „Onkel Eje wird dein Nachfolger werden. Er heiratet eine deiner Schwestern und kann den Thron besteigen.“

„Man wird mich vermissen“, rief Tutanchamun. „Sie werden mich suchen und finden. Ich werde dafür sorgen, dass du und dein Onkel hingerichtet werdet.“

„Du erlaubst dir etwas zu oft, dich einfach so mit den Streitwagen zu entfernen“, erklärte Chaths und warf die Zügel auf seinen Wagen. „Ich habe genug Zeit die Beweise verschwinden zu lassen, dann werde ich verwundert in unser Lager zurückkehren und ganz unschuldig fragen, wo du denn abgeblieben bist.“

Tutanchamun lehnte sich zurück.

„Erst dann wird man nach mir suchen“, entfuhr es ihm stöhnend.

„So ist es“, bestätigte Chaths und legten den Pferden die Zügel an. Er befestigte das neue Rad am kaputten Streitwagen und drehte es zufrieden. „Ich hoffe, du bist bis dahin schon tot“, meinte Chaths. „Ich wünsche dir keine Qualen.“

„Du Verräter“, stieß Tutanchamun hervor.

Ich will nicht sterben, dachte er. Ich will leben!

Er hörte, wie sein angeblicher Freund auf dessen Streitwagen stieg und davonfuhr.

„Chaths, ich verfluchte dich!“, schrie er, so laut er konnte, hinter ihm her. „Ammit wird deine Seele fressen. Niemals wirst du das Binsengefilde betreten können! Niemals, hörst du!“

„Ich werde noch viele großartige Dinge vollbringen, Tut“, rief Chaths, „die du leider nicht mehr miterleben kannst. Ich werde ein Hauptmann sein und eine Armee anführen.“

Er trieb seine Pferde an.

Tutanchamun war schon im Delirium und am Rande einer weiteren Ohnmacht, als die Diener ihn endlich fanden. Ihm war heiß. Er hatte furchtbaren Dunst und Hunger. Tastende Finger untersuchten ihn. Er zuckte unter diesen Berührungen zusammen.

„Hier, mein Pharao, trinkt.“ Eine Dienerin hob leicht seinen Kopf an, um ihm beim Trinken zu helfen. Wasser lief an seinem Mund vorbei, trotzdem schluckte er gierig.

„Er darf nicht zu hastig und zu viel auf einmal trinken“, warnte ein Mann. „Das wäre im Moment nicht gut für ihn.“

Tutanchamun erkannte verschwommen ein Gesicht.

Einer meiner unfähigen Heiler, dachte er und schloss die brennenden Augen. Nur warum will er nicht, dass ich genug trinken? Ich habe doch so einen furchtbaren Durst.

Tutanchamun schluckte das erfrischende Wasser und öffnete seine Augen wieder. Er sah alles wie durch einen Schleier, den er erfolglos versuchte wegzuwischen.

„Chaths ist schuld“, murmelte er mit rauer Stimme. „Er hat die Zügel durchgeschnitten.“

„Er fantasiert“, meinte der Heiler besorgt. „Aber ich sehe nach ... nein, ich kann nichts entdecken. Eure Zügel sind alle unbeschädigt, mein Pharao.“

„Vorsichtig! Seine Beine sind gebrochen. Ich sehe seinen Knochen", warnte ein anderer Heiler. „Das gefällt mir überhaupt nicht.“

„Bedeckt sein Gesicht, um ihn vor der Hitze zu schützen“, verkündete ein weiterer.

Eine Dienerin legte ein feuchtes Tuch über Tutanchamuns Gesicht. Es kühlte seine heißen Wangen.

Heiser schrie er auf, als er von mehreren Händen bewegt und hochgehoben wurde. Er hatte das Gefühl zu schweben. Die Ohnmacht griff wieder nach ihm und riss ihn in die Schwärze der Bewusstlosigkeit.

Er wurde von mehreren Männern langsam und vorsichtig vom Unfallort fortgetragen.

Zurück im Lager bettete sie Tutanchamun auf seiner Liege im Zelt. Der schwere Kragen und der Gürtel wurden ihm abgenommen.

Langsam kam er wieder zu sich.

„Wir hätten unseren Pharao eher finden sollen“, sagte ein Heiler leise. „Er wird sterben. Sein Fieber ist zu hoch. Er glüht förmlich.“

„Nein, du musst ihn retten“, rief eine bekannte Stimme.

Das musste Chaths sein, dachte Tutanchamun. Verlogener Mistkerl! Ich werde dich hinrichten lassen, wenn es mir besser geht.

„Was denkst du über das, was der Pharao gesagt hat, als wir ihn gefunden haben?“, fragte Chaths beunruhigt.

„Er war nicht bei klarem Verstand. Die Sonne und die Schmerzen haben ihm sehr zu gesetzt“, erwiderte der Heiler beruhigend. „Da sagen die Leute oft Dinge, die nicht stimmen. Ich habe die Zügel doch untersucht. Sie waren alle in bester Ordnung. Du bist sein bester Freund, Chaths. Warum solltest du ihm so etwas antun?“

„Ja, da hast du recht. Ich bin sehr erleichtert, dass du das so siehst.“ Chaths atmete auf. „Ich bleibe gern bei ihm.“

„Es ist gut, wenn ein Freund bei ihm ist“, sagte der Heiler, der das Zelt verließ. „Ich sorge dafür, dass das Lager abgebrochen wird. Wir sollten uns schnell auf den Weg nach Hause machen.“

„Gute Idee!“, stimmte Chaths ihm zu. „Vielleicht schafft er den Weg.“

„Mach dir nicht zu große Hoffnungen“, meinte der Heiler draußen. „Unser junger Pharao stirbt. Der offene Bruch ist schwer zu heilen.“

„Verstehe!“ Chaths Stimme klang traurig.

Was für ein falscher Freund bist du?, dachte Tutanchamun. Er ist mein Mörder!

Er wollte es dem Heiler entgegen schreien, doch er konnte es nicht. Ihm fehlte die Kraft. Nur ein leises Krächzen drang über seine rissigen Lippen.

Chaths setzte sich mit einem Seufzer neben die Liege auf einen Stuhl. Er streckte die Beine aus.

„Ich bin wohl der Letzte, den du hier jetzt sehen willst, mein lieber Tut“, begann Chaths leise, „aber ich muss meine Pflicht, als treuer Freund erfüllen. Das verstehst du doch sicher! Alles andere wäre verdächtig.“

Jetzt muss ich ihm auch noch beim Sterben zu sehen, dachte er besorgt. Kann er denn nicht schneller in die Duat gehen?

Das schlechte Gewissen lastete schwer auf ihm.

„Onkel Eje hatte mich bedroht“, erklärte Chaths leise sein Verhalten. „Er wollte dir sagen, dass ich dich hintergangen habe, wenn ich deinen Streitwagen nicht manipuliere. Du hättest mich unschuldig zum Tode verurteilen können.“

Wovon spricht er denn überhaupt?, fragte sich Tutanchamun. Hätte Eje irgendeine glaubhafte Lüge erfinden können? Er manipuliert jeden.

Sein Körper zitterte vor Schmerzen. Vor Fieber.

Jetzt bist du schuldig!, dachte er und sehnte sich nach einem Schluck Wasser.

Er stöhnte nur und wünschte sich, Chaths würde ihn allein lassen.

Schlaf ein, Pharao Tutanchamun!, flüsterte eine weibliche Stimme in seinem Kopf.

Wer bist du?, fragte Tutanchamun in Gedanken.

Ich bin Isis, die Göttin der Geburt und Wiedergeburt, erklärte die Stimme. Schlaf ein! Du wirst wieder erwachen in einer fernen Zukunft.

Herrin Isis werde Ihr mich retten?, bat Tutanchamun.

Nein, eine andere wird dir helfen, versprach Isis. Du wirst Wunder sehen, die sich heute noch niemand vorstellen kann.

Was wird mit Chaths geschehen?

Er wird seine gerechte Strafe erhalten, fuhr Isis fort. Ich werde dafür sorgen.

Das wäre schön! Tutanchamun lächelte.

Der Tod kam und erlöste ihn von den furchtbaren Schmerzen und dem Fieber der letzten Stunden.

„Mein Pharao!“ Anubis reichte ihm die Hand, um ihn in die Duat zu führen. Der Schakalgott stützte ihn. Der graue Sand unter seinen Füßen war kalt.

Hoffentlich sieht es im laru besser aus als hier, dachte Tutanchamun besorgt.

Anubis grinste ihn an. „Es ist dort wunderschön. Du wirst es lieben.“

Er führte ihn zu Osiris' Thron.

„Herzlich Willkommen Pharao Tutanchamun“, rief die Göttin Isis.

Sie stand mit Nephthys hinter dem Thron. „Anubis, du brauchst sein Herz nicht zu wiegen, er bekommt einen besonderen Platz im laru.“

„Bitte?“, rief Anubis. „Auch ein Pharao muss sein Herz gegen die Feder der Wahrheit Ma’at wiegen lassen.“

Osiris nickte und stand auf. „Komm, ich führe dich hin.“

In seiner Hand erschien ein glänzender Gehstock. „Hier, damit du besser laufen kannst.“

„Vielen Dank, Osiris.“ Tutanchamun umfasste das glatte Holz. „Ich werde ihn in Ehren halten.“

Osiris lachte und machte eine einladende Geste.

Das goldene Tor öffnete sich und Tutanchamun betrat das helle Paradies der alten Ägypter. Er sah den Nil, der sich durch ein Tal mit fruchtbaren Feldern schlängelte. Viele Menschen begrüßten ihn.

„Ich begleite dich und zeige dir den Ort, wo du bis zu dem Tag bleiben wirst, an dem du wieder erwachen sollst“, sagte Osiris. „Denn hier darfst du nicht verweilen.“

„Ist es dort noch schöner?“, wollte Tutanchamun wissen.

„Dort ist es genauso wie hier“, erklärte Osiris lächelnd. „Du wirst sehen, die Zeit wird für dich wie im Flug vergehen.“

Drei Tage später betrat Chaths den Tempel in Memphis. Langsam ging er auf die hagere Gestalt zu, die dort vor einer Amun-Statue kniete und betete.

„Onkel Eje.“ Er verbeugte sich und flüsterte: „Ich habe alle Spuren beseitigt.“

„Das ist gut, Chaths.“ Eje lachte leise und drehte sich zu seinem Neffen um. „Bald werde ich mich mit einer von Tutanchamuns Schwestern vermählen, um dann den Thron von Ober und Unter-Ägypten besteigen zu können.“

Er seufzte. „Leider sind diese dummen Weiber so tief in ihrer Trauer versunken, dass keine von ihnen mir jetzt schon das Ja-Wort geben will.“

„Ja, diese Weiber.“ Chaths gluckste gezwungen. „Sie sind halt sehr feinfühlig.“

„Wir müssen Tutanchamun, so schnell wie möglich, bestatten“, sagte Eje eindringlich. „Aus den Augen, aus dem Sinn.“

„Ich hoffe, Ihr, Onkel, werdet mich nicht vergessen.“ Chaths lächelte und flüsterte: „Ich habe schließlich einiges riskiert, um Euch auf den Thron zu setzen. Tut war noch bei Sinnen und sagte ich sei sein Mörder.“

„Ja, davon habe ich auch schon gehört.“ Eje schmunzelte geheimnisvoll. „Hat man ihm geglaubt?“

„Nein, den Göttern sei Dank“, stieß Chaths hervor. „Das hat keiner getan.“

Eje legte einen Finger an die Lippen.

„Ja, die Götter waren auf deiner Seite. Komm Chaths ..." Er zeigte auf eine Tür. „... gehen wir in den Garten. Dort gibt es weniger Ohren, die lauschen können.“

Sein Lächeln hielt an.

„Wie Ihr wünscht, Onkel“, sagte Chaths unterwürfig.

Ein süßer Geruch begrüßte die beiden Männer. Sie wanderten zwischen den Bäumen dahin.

„Und was für Pläne hast du für mich?“, wollte Chaths nach langem Schweigen endlich wissen. „Du sagtest, dass ich dein Hauptmann werde.“

Seine Augen leuchteten.

„Wie viele Leute wissen von dem Unfall?“, fragte Eje. Eindringlich sah er seinen Neffen an.

„Wie meint Ihr das?“ Chaths blieb verwirrt stehen. „Das ganze Volk weiß es, natürlich.“

„Nun, lass mich anders fragen.“ Eje drehte sich Chaths zu. „Wer weiß, dass du für den Unfall verantwortlich bist?“

„Nur du und ich“, antwortete Chaths leise. „So, wie du es gewollt hast.“

Eje legte seine Hand auf die Schulter des Jüngeren.

„Das macht mich sehr glücklich. Ich bin zufrieden mit dir, Neffe.“ Er zeigte weiterhin dieses geheimnisvolle Lächeln. „Es ist sehr traurig, wenn junge Menschen sterben müssen, nicht wahr, Chaths.“

Etwas blitzte in seiner Hand auf.

„Ja ... Ah.“ Chaths stöhnte und blickte auf seinem Bauch, in dem die Klinge eines Dolches steckte.

Wo hat er die Waffe so plötzlich her?, fragte sich Chaths und griff nach seinem Onkel. Jetzt weiß ich, wie sich Tut gefühlt hat. Verraten! Er hat mir vertraut. Ich habe Onkel Eje vertraut.

„Warum?“, fragte er und wollte den Dolch aus der Wunde ziehen.

Eje wehrte die Hände ab. „Nein, mein Neffe, nicht doch!“

Chaths' Beine gaben nach. Eje ließ ihn zu Boden gleiten und hielt ihm den Mund zu. Er stach noch einmal zu.

„Nun, ich möchte nicht von dir erpresst werden, Neffe“, erklärte Eje eindringlich und drehte die Waffe in Chaths' Eingeweiden.

Chaths konnte wegen Ejes Hand nicht schreien. Die jugendliche Kraft verließ ihn.

„Du warst doch sein bester Freund“, sagte Eje. „Ich will ihn nicht allein in die Duat gehen lassen. Du sollst ihn begleiten.“

Chaths wurde immer schwächer. Eje nahm die Hand von seinem Mund.

„Er weiß, dass ich für seinen Tod verantwortlich bin“, stieß Chaths leise unter Schmerzen hervor, „und wird mich nicht sehen wollen.“

„Beeil dich, mein Neffe!“, sagte Eje, als hätte er Chaths1 Worte nicht gehört. „Lauf zu ihm! Unser Geheimnis ist bei mir allein viel sicherer.“

„Onkel ...“, hauchte Chaths.

Sein Griff löste sich von Ejes Arm. Das Ka, die Lebenskraft, verließ seinen Körper.

Bevor Anubis sich Chaths annehmen konnte, war Isis da. Sie fing seine Ba, seine Charakterseele, die aussah wie ein Vogel mit menschlichem Kopf. Erschrocken flatterte sie mit den Flügeln.

„Du hast schwere Schuld auf dich geladen, Chaths“, sagte sie anklagend. „Doch Ammit soll dich nicht bekommen.“

„Dafür bin ich Euch sehr dankbar, Herrin Isis“, beteuerte Chaths.

„Ob du mir dankbar sein wirst, mag ich zu bezweifeln“, meinte Isis.

Er blickte auf seinen toten Körper und auf seinen Onkel. „Er hat mich ermordet!“

„Ich weiß“, tröstete Isis ihn sanft. „War dir das nicht klar, als du seinen Plan in die Tat umsetzen solltest?“

Chaths schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, er hatte von einer glänzenden Zukunft gesprochen. Für uns alle.“

„Ja, ein schmackhafter Köder für einen jungen Fisch.“ Isis seufzte. „Ich werde in der Duat dein Ka und Ba zusammenfügen und dich in eine Flasche sperren.“

„Bitte, Herrin Isis habt Gnade“, flehte Chaths.

„Dein Pharao wird in ferner Zukunft über dein Schicksal entscheiden“, erklärte Isis.

„Oh, jetzt habe ich nicht nur unseren jungen Pharao verloren“, sagte Eje und versuchte, tiefe Trauer in seine Stimme zu legen. „Sondern auch noch meinen geliebten Neffen. Ach, ich armer Mann. Ach, wie furchtbar.“

Innerlich freute er sich und wusch sich die blutverschmierten Hände an einem Brunnen, der in der Nähe stand.

Bald werde ich den Thron von Ober- und Unter-Ägypten besteigen, dachte er zufrieden. Ich werde die Reste von Echnatons Glauben an Aton vernichten. Tutanchamun hat nur den Anfang gemacht. Man wird Loblieder auf mich singen. Ich bin Eje, der Retter unseres Glaubens, der Retter von beider Ägypten. Ich, der Pharao und Hohepriester von Amun.

Eine Felle stallen

Vor fünf Wochen in Kairo

Ein Tag später, nachdem Okpara Gaffarel in die Duat verbannt hatte, war sich der junge Amun-Priester nicht sicher, ob er einen Schatten aus dem Dimensionsriss hatte fliegen sehen. Leider hatte er sich nicht geirrt!

Doktor Mustafa Naser, der Leiter des Ägyptischen Museum in Kairo, hatte denselben dunklen, menschlichen Schemen bemerkt, als er am Vormittag seinen Rundgang durch die zahlreichen Gänge des Gebäudes gemacht hatte.

Am Abend nach der Schließung des Museums wanderte er noch einmal durch die Ausstellungsräume, in denen die Objekte untergebracht waren, die aus Tutanchamuns Grab stammten. Der dunkle Marmorboden war frisch geputzt. Der Duft von Zitrone hing noch in der Luft.

Seine Schritte hallten von den hellen Wänden wieder. Er hoffte, den Geist oder was es auch war, schnell zu finden.

Was will er nur hier?, fragte er sich und hatte eine Vermutung.

„Pharao Echnaton“, rief er auf Altägyptisch. „Wo seid Ihr? Kommt heraus! Ich weiß, dass Ihr hier seid.“

Das Lachen eines Mannes hallte durch den menschenleeren Saal. Der Schatten huschte an den Vitrinen vorbei.

Was soll das nur?, fragte Naser und versuchte, die Angst zu unterdrücken. Eilig folgte er dem Schemen.

Echnaton ist mir doch schon mal begegnet, dachte er verwirrt. Also, gibt es für ihn keinen Grund, sich vor mir zu verstecken.

„Hoheit, zeigt Euch!“, forderte er den Geist auf. „Ich kenne Euch doch.“

Wieder hörte er das Lachen. Der Schatten verschwand aus der Tür.

Jetzt wird das hier zu einer Verfolgungsjagd, dachte Naser seufzend.

Langsam schritt er in den Raum, in dem seit Kurzem die Mumie des Goldenen Pharaos Tutanchamun ausgestellt wurde. In den Vitrinen lag viel Schmuck aus der Grabkammer, die Howard Carter 1922 entdeckt hatte.

Wegen dieses ganzen Reichtums war Tutanchamun berühmt geworden. Nur weil er in einer unberührten Grabkammer gelegen hatte, dachte Naser lächelnd. Vergessen! Jetzt bringt er uns Touristen.

„Pharao Echnaton?“, versuchte er es noch einmal. „Bitte zeigt Euch!“

Wieder hallte das Lachen von den Wänden.

Naser war unbehaglich zu Mute. Eine unheimliche Stille lag in der Luft, die nur ab und zu von dem Lachen unterbrochen wurde.

Hat Echnaton seine Sandsoldaten mitgebracht?, fragte sich Naser besorgt. Will er mich angreifen? Will er mich töten lassen, weil sein Sohn im Moment hier ist?

„Ich bin nicht dieser Trottel, von einem Ketzer-Pharao“, rief jemand auf Ägyptisch-Arabisch. „Wir können uns in deiner Sprache unterhalten. Ich bin sie gewohnt. Meine Diener sprechen sie schließlich auch.“

Gern hätte Naser aufgeatmet, doch er wurde das Gefühl, belauert zu werden, nicht los.

Wer ist dieser Geist, wenn es nicht Echnaton ist?, fragte er sich.

„Wer seid Ihr, Herr, wenn ich Euch das fragen darf?“

„Du darfst!“, verkündete die körperlose Stimme.

Die Worte hallten schaurig von den Wänden wieder und schienen von überall herzukommen. Naser drehte sich um die eigene Achse.

„Ich bin jemand, der dir ein unglaubliches Angebot unterbreiten möchte“, erklärte die Stimme. „Ich habe es direkt von den Göttern aus der Duat erfahren.“

„Aus der Duat?“, hakte Naser schockiert nach. „Allah, steh mir bei! Was planen die alten Götter?“

Der Schatten huschte über die Wände. Wieder lachte er. „Nichts, sie reden nur sehr viel.“

„Was wollt Ihr mir anbieten, Herr? Kennt Ihr eine Grabkammer, die noch nicht entdeckt wurde?“

„Was wollt Ihr mit einer Grabkammer?“

Wieder sah Naser nicht mehr als einen menschlichen Schemen, der seinen Standort wechselte.

„Ich würde zu ihrem Entdecker und berühmt, wie einst Howard Carter“, erklärte er. „Viele Ägyptologen würden vor Neid erblassen.“

Sein Blick wanderte durch den Raum, um dem Schatten zu folgen, der viel zu schnell für seine Augen war.

„Eine Grabkammer kenne ich nicht, aber einen guten, vielleicht sogar besseren Ersatz für Okpara, diese lebenden Mumie“, erklärte die Stimme verächtlich. „Seid Ihr an so etwas interessiert?“

Der Schatten wuchs an einer Wand in die Höhe.

„Oh ja, sehr sogar“, rief Naser aufgeregt und beobachtete die zuckenden Umrisse. „Wer soll dieser Ersatz sein? Wo kann ich ihn finden?“

„Kannst du es dir nicht denken?“, wollte die Stimme wissen.

Wieder ertönte das Lachen. Es war überall um Naser herum und jagte ihm einen Schauer, nach dem anderen, über den Rücken.

„Er ist doch hier!“ Der Schatten erschien neben der Vitrine, in der Tutanchamun ruhte. „Euer Goldener Pharao.“

„Er le-lebt a-a-aber nicht“, stotterte Naser.

„Noch nicht, mein Freund“, erwiderte der Schatten amüsiert, „aber du weiß ganz genau, wie du ihn erwecken könntest.“

„Ja!“, hauchte Naser und faltete seine Hände. „Durch dieses Weib, diese Deutsche, Larissa Engelhardt, oder so.“

Der Schatten schien zu nicken.

„Wie soll das gehen?“, wollte Naser wissen. „Nachdem ich versucht habe Okpara hier im Museum einzusperren, wird sie nicht nach Ägypten kommen.“

Der Schatten nahm mehr Konturen an und schritt langsam auf den Direktor des Ägyptischen Museums zu, der mit klopfendem Herz dastand und nur nervös schlucken konnte. Gern wäre der Ägyptologe geflohen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Er blickte in die dunklen Augen des Schattens.

Er hat mich gebannt, dachte Naser panisch. Allah, stehe mir bei.

„Weißt du, wer ich bin?“, fragte der Geist.

„Ja, Ihr seid Runihura!“, hauchte er, als er ihn endlich erkannte. „Ihr hattet meinen Vortrag über Okpara und die Sphinx unterbrochen.“

Hektisch blickte er sich um, weil er mit einigen dunklen Mumien rechnete.

„So ist es!“, gab der Geister-Hohepriester lächelnd zu.

„Aber ... aber Okpara hatte Euch doch in die Duat verbannt“, stotterte Naser.

„Ja, das hat er“, bestätigte Runihura, „aber ich konnte fliehen, als er einen anderen dorthin schickte.“ Triumphierend lächelte er.

„Wieso seid Ihr wieder hier?“ Naser schluckte nervös.

„Ich liebe dieses Land“, antwortete Runihura und näherte sich dem Ägyptologen. „Es ist meine Heimat.“

„Verstehe“, sagte Naser leise.

Er wagte nicht, sich zu bewegen.

„Du wirst einfach eine nette Einladung aussprechen", erklärte Runihura, „und dich für die schlechte Behandlung, die du Okpara angedacht hast, entschuldigen.“

„Ihr glaubt, dass das so einfach ist“, bezweifelte Naser.

„Ja, mein Diener wird alles Weitere erledigen“, versicherte Runihura. „Am Ende hast du zwei Pharaonen und ich die Frau.“

„Zwei?“, fragte Doktor Naser verwirrt. „Wen denn noch?“

„Echnaton natürlich.“ Runihura lachte laut. „Ich habe mich erkundigt. Ich werde diesem dummen Geister-Pharao eine Falle stellen. Er wird, wie Tutanchamun, dein Gefangener sein.“

„Was ist mit der Frau?“, wollte Naser wissen.

„Sie gehört mir!“ Runihura sagte dies so hart, dass Naser erschrocken zusammenzuckte und ängstlich zurückwich.

Was will ein Geist mit einer Frau?, fragte er sich besorgt. Moment, er wollte sie vor ein paar Monaten opfern. Will er das immer noch? Allah, steh uns bei!

„Vielleicht bekommst du auch noch diese widerliche Sphinx“, sagte Runihura milder. „Na, wie gefällt dir das?“

Zwei Pharaonen und eine lebendige Sphinx! Naser dachte über das Angebot nach und rieb sich erfreut die Hände. Was wäre das für eine Sensation! Die anderen Museen könnten einpacken. Hier würde die Kasse klingeln. Er würde reich und berühmt.

„Was ist mit Okpara?“, wollte er wissen und wünschte sich, seine Stimme wäre fester.

„Nicht so gierig, mein lieber Mustafa“, tadelte Runihura ihn. „Auch Okpara ist mein. Ich brauche ihn. Echnaton, dieser elende Hund, hat schließlich meinen Körper zerstören lassen. Okparas Körper eignet sich hervorragend als Ersatz. Er war jung, als er starb und hatte eine Menge Magie in seinen Adern. Ich wäre noch mächtiger.“

„Ich verstehe! Wie wollt Ihr einen Geist wie Echnaton gefangenhalten?“, hakte Doktor Naser nach. „Er kann schließlich durch Wände gehen!“

„Durch eine Geistersperre, natürlich. Hinter Glas, an den Wänden und an der Tür“, erklärte Runihura. „Auch Tutanchamun werde ich eine magische Fessel anlegen. Der Goldene Pharao wird niemals in der Lage sein, dieses Gebäude zu verlassen.“

„Das so etwas möglich ist“, wunderte sich Naser.

„Was lernt Ihr heutzutage?“, fragte Runihura verärgert. „Ihr wisst ja gar nichts mehr über unsere Magie!“

In seiner durchsichtigen Hand erschien eine schäbige Visitenkarte. Die Ecken waren zerknickt. „Hier, da steht drauf, wo du meinen ergebenen Diener Ali finden kannst. Stell ihn vorübergehend, als deinen ... wie würdest du ihn bezeichnen?“

„Assistenten?“, half Naser leise aus.

Runihura nickte. „Assistenten. Ja, ja, das ist gut. Wie schnell kannst du einen Raum oder Bereich, für den Goldenen Pharao herrichten?“

„So in zwei, drei vielleicht vier Wochen“, überlegte Naser. „Da wir diesbezüglich, ja schon Pläne für Okpara vorbereitet hatten, müssen wir sie nur für einen Pharao, wie Tutanchamun, etwas verändern. Königlicher machen.“

„Wunderbar.“ Runihura freute sich. „Flieg persönlich nach ... ähm, wie heißt das Land, in dem sich Okpara jetzt befindet?“

„Deutschland“, half Naser wieder aus.

„Ja, fliege nach Deutschland und lade dieses lächerliche Mumienteam ein“, wies Runihura ihn an. „Du willst dir auch gern die neuen Mumien ansehen und erklärst ihnen, dass du eine weitere Mumie zum Erwecken zur Verfügung stellen kannst.“

„Wie viele Mumien haben sie bis jetzt geweckt?“

„Zwei sehr wundersame Männer“, antwortete Runihura. „Sie sind wie zwei lebende Schätze. Kristallmumien!“

„Ach ja, das kam in den News aus aller Welt“, sagte Naser. „Ich wusste nur nicht, dass diese Deutsche etwas damit zu tun hatte.“

Überrasehnngen am rundan Tisch

Auf dem Anwesen von Ritterhain

Okpara betrat die Eingangshalle, der großen Villa, durch die Terrassentür. Er fror nicht nur, weil der Winter vor der Tür stand. Die kühlen Oktobertage war er nicht gewohnt. Langsam spürte er seine zu niedrige Körpertemperatur und das setzte ihm zusätzlich zu.

Die Baustelle, die man auf dem Anwesen abgesteckt hatte, interessierte ihn. Ein Tempel sollte dort gebaut werden. Nach dem Vorbild des Alten Ägypten, aber auch moderne Elemente würden in das Gebäude einfließen.

Okpara freute sich, dass es für ihn bald einen Ort geben würde, wo er zu seinen Göttern beten konnte.

Alexander hatte etwas von Führungen gesagt, die der junge Amun-Priester machen sollte.

Es wird auch ein kleines Museum geben, dachte Okpara und lächelte. In Zukunft werden wir viele Artefakte haben. Ob ich sie benutzen darf?

Die anderen aus dem Mumienteam warteten schon in der Halle. Alexander hatte vor Freude strahlende Augen.

„Wo ist Larissa?“, fragte er ungeduldig. Er konnte kaum ruhig stehen. „Ich habe eine supertolle Überraschung für euch. Für uns! Okpara, geh und hol sie doch bitte hierher!“

„Ich denken ... ich denke, sie sein Zuhause und arbeiten an Geschichte für Schreibung aus“, erklärte Okpara. „Sie vergessen Zeit, Essen und Trinken. Ich dauern in Sorge um sie.“

Manchmal erlebte er Larissas Geschichten gedanklich mit. Nur im Moment nicht.

„Du erinnerst sie doch immer daran, oder?“, wollte Jochen wissen und runzelte die Stirn.

„Ja, immer, ich fühle, wenn sie vergessen“, bestätigte Okpara. „Ich gehen ... ich gehe sie holen.“

Er zog sich zurück, doch vorher strich er Sagira, die Schlangensphinx, durch das hellbraune Fell.

Sagira schnurrte wohlig. Die blauen Schnuppen an ihrem Kopf glänzten im Licht der vielen Strahler.

„Beeil dich!“, rief sie ihm hinterher. „Ich bin zu neugierig, um dich jetzt zu begleiten.“

Okpara schloss die Tür zum Gästehaus hinter sich und lauschte. Er hörte das Tippen.

„Larissa!“, rief er laut. „Larissa? Wo du sein?“

Als er die Bibliothek betrat, bemerkteer gedämpfte Musik. Larissa saß auf dem Boden und wippte leicht mit dem Fuß. Ihr Notebook lag auf ihren Oberschenkeln. Sie schrieb an ihrer Geschichte und starrte konzentriert auf den Bildschirm. Sie runzelte die Stirn.

Sie hat mal wieder einen Fehler gemacht oder entdeckt, dachte Okpara.

Behutsam legte er ihr eine Hand auf die Schulter, damit sie zu ihm aufsah. Trotzdem zuckte sie erschrocken zusammen.

„Larissa“, sprach Okpara sie mit einem leisen Vorwurf in der Stimme an. „Du sollen lange bei Meeting sein!“

„Was?“ Larissa nahm die Kopfhörer ab. „Tut mir leid, ich habe laut Musik gehört. Oh Mann, ich habe mich schon wieder verschrieben!“

Verärgert korrigierte sie ihren Text.

Okpara sah sie verwirrt an. „Ich hören ... höre nur leise Musik. Wie du meinen das?“

Larissa stellte amüsiert das Notebook zur Seite und stand auf. Sie stülpte ihm die Kopfhörer über die Ohren.

Okpara erschrak im ersten Moment, weil es so laut war, doch die Musik gefiel ihm und er sah, wie sich Larissas Lippen bewegten.

Ich höre sie tatsächlich nicht besonders gut, erkannte er und nahm die Kopfhörer ab.

„Du haben Meeting vergessen!“, fuhr er unbeirrt fort. „Nicht gut! Ich hier um dir zu holen!“

„Oh ja.“ Larissa schaltete die Musik ab und speicherte ihr Dokument ab. „Komm, wir gehen!“

Sie nahm seine Hand, nachdem sie ihr Notebook auf den Schreibtisch abgestellt hatte.

Gemeinsam verließen sie ihr neues Zuhause und schlenderten über den kurzen gepflasterten Weg zur großen Villa. Links und rechts des Wegs wuchs Gras. Auf der Wiese blühten noch vereinzelt Gänseblümchen.

Okpara öffnete Larissa galant mit einer leichten Verbeugung die Tür. Er hatte es vor einigen Tagen von Thomas gelernt.

„Lady frest“, sagte er.

Larissa kicherte und knickste. „Vielen Dank, der Herr! Aber es heißt: Ladys frist.“

Ich habe es wieder falsch ausgesprochen, stöhnte er innerlich.

„Na, endlich!“, rief Alexander. „Was hast du solange getrieben?“

„Sorry, ich war in meiner Geschichte vertieft“, entschuldigte Larissa sich, „und habe total die Zeit vergessen.“

„Wie immer!“, kommentierte Sagira und schüttelte den Kopf.

„Hoffentlich wird sie gut“, meinte Alexander und wandte sich an alle. „Nun endlich, zu meiner supertollen Überraschung.“

Feierlich ging er auf eine Tür zu und öffnete sie. „Tada, ... was sagt ihr dazu?“

Er schritt in den dahinterliegenden Raum, der für die Meetings des Mumienteams eingerichtet worden war.

„Ein runder Tisch?“, wunderte sich Daniel, der Alexander auf dem Fuß gefolgt war.

Echnaton staunte über die Größe und lief geradewegs durch die Tischplatte, dabei strich er mit den Fingern über das glänzende Holz.

„Gut, der Tisch hat den Geistertest nun also auch bestanden“, meinte Alexander grinsend. „Nichts für ungut, Echnaton.“

Der Geister-Pharao lächelte zurück. „Es macht mir nichts aus. Ich bin, wie würdest du es sagen Larissa ... ähm ah ja feinstofflich.“

Larissa nickte amüsiert.

„Eine Tafelrunde, wie bei König Artus“, erklärte Alexander stolz. „Der gepolsterte Schemel dort ... ist für dich, Sagira, und der Holzstuhl ist für, entschuldige Tom, aber alles andere würdest du im Moment noch zerstören.“

„Ist schon gut“, erwiderte Thomas mit seiner Jenseitsstimme. „Ich hoffe, dass ich irgendwann eine normale Haut haben werde.“

Er war eine Kristallmumie aus dem 18. Jahrhundert. Sein Körper war bis auf seine linke Wange und seine Handknöchel mit einer dicken Kristallschicht überzogen. Die freie Gesichtspartie schimmerte, als hätte ein kleines Mädchen ihm Glitzerpulver auf seine Haut gestreut. Verlegen rieb er über jene Stelle.

„Ich finde die Idee mit der Tafelrunde super.“ Larissa zog Okpara zu den beiden Stühlen, die zwischen dem großen Schemel und dem Holzstuhl standen. „Es sind aber mehr Stühle vorhanden als unser Team groß ist, warum?“

Daniel setzte sich neben Thomas, da ihn die Kristallstruktur auch weiterhin faszinierte. Er legte sein Notebook vor sich ab, klappte den Monitor auf und schaltete es ein. Jochen setzt sich zu Daniel, damit die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter zusammensaßen.

„Ich möchte unser Team mit der Zeit noch vergrößern“, kündigte Alexander an, nachdem er sich gesetzt hatte. „Ich habe darüber auch schon mit Jochen gesprochen. Da er, wie Larissa, der Meinung ist, dass wir auch eine psychologische Betreuung für unsere speziellen Freunde brauchen könnten.“

„Männlich oder weiblich?“, wollte Larissa wissen.

„Nun, wir denken eine Frau wäre besser, da wir schon genug Männer in unserem Team haben“, fand Alexander und lachte. „Auch haben Frauen meistens ein besseres Einfühlungsvermögen, als wie Kerle.“

„Finde ich nicht“, warf Thomas gekränkt ein.

„Wer weiß, was für Mumien du noch wecken wirst, Larissa“, konterte Jochen. „Tom braucht jemanden, der ihm bei der Trauerbewältigung hilft.“

„Ja, das wäre gut, danke.“ Versöhnlich blickte Thomas in die Runde. „Larissa hat es mir schon erklärt.“

Wie immer empfand Larissa Thomas' Traurigkeit sehr deutlich und konnte sich kaum dagegen wappnen. Manchmal wollte sie ihn einfach nur umarmen, doch wegen der Kristallschicht ging es nicht. Sie würde sich nur verletzen.

„Dann kann ich jetzt wohl loslegen!“, rief Daniel aufgeregt. „Ich habe einige interessante Neuigkeiten.“

„Ja, ja nur zu. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, was du herausgefunden hast“, meinte Alexander und beugte sich vor. „Du sagtest, es sei sensationell.“

„Und wie! Wie ihr alle wisst, habe ich Okpara und auch Sagira DNA entnommen“, begann Daniel mit leuchteten Augen.

Er machte eine Kunstpause. „Sagira hat die DNA von drei verschiedenen Spezies.“

„Was sein DNA?“, fragte Okpara verwirrt.

„Das sind erbliche Informationen, die zum Bespiel für die Augen-, Haut- und auch Haarfarbe verantwortlich sind“, erklärte Daniel. „Auch die Körpergröße und andere körperliche Merkmale sind in der DNA gespeichert.“

Okpara machte große Augen.

Okpara legte eine Hand auf Sagiras Schultern und streichelte sie.

„Sphinxen, oder besser, unsere liebe Schlangensphinx, ist eine Chimäre“, warf Larissa ein.

Sie war blass geworden.

Nun war es Daniel, der sie verwirrt anblickte. „Das musst du jetzt aber genauer erklären.“

„Chimären sind Kreaturen, die aus mehreren Wesen bestehen und durch Magie geboren worden“, erklärte Larissa. „Der Mantikor, zum Beispiel, hat den Körper eines Löwen, den Schwanz eines Skorpions und das Gesicht eines Menschen. Manchmal auch noch die Flügel einer Fledermaus oder eines Flughundes.“

„Es tun mir sehr leid“, flüsterte Okpara Sagira zu und streichelte sie weiter. „Du nicht ein Wesen, allein.“

„Schon gut“, meinte Sagira lächelnd. „Ich kenne doch gar nichts anderes. Ich habe hier Freunde und dich, großer Bruder. Was brauche ich schon mehr?“

„Larissa, wir sollten uns mal über die verschiedenen Chimären unterhalten“, sagte Daniel. „Ich wette, du kennst noch mehr.“

„Du willst doch hoffentlich keine erschaffen“, argwöhnte Larissa schmunzelnd. „Diese Wesen verfallen meistens dem Wahnsinn und sind blutrünstige Ungeheuer, weil sie wieder der Natur sind.“

Alle blickten Sagira an.