Die unbekannten Magier der Märkte - Jack D. Schwager - E-Book

Die unbekannten Magier der Märkte E-Book

Jack D. Schwager

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Beschreibung

Die Magier der Märkte – eines der meist verkauften Finanzbücher aller Zeiten – sind zurück! Auch diesmal hat Jack Schwager außergewöhnlich erfolgreiche Trader befragt, um zu erfahren, wie sie so erfolgreich wurden. Das Besondere: Die interviewten Spitzen-Trader sind Privatpersonen, die mit ihrem eigenen Geld traden und jeweils ihre ganz eigene Strategie entwickelt haben um sensationelle Börsenerfolge zu erzielen. Das Ergebnis ist eine einmalige Sammlung von Tradingstrategien und einzigartigen Erfolgstipps, die allen Tradern helfen können, ihre persönliche Strategie zu entwickeln und bessere Ergebnisse zu erzielen.

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Seitenzahl: 602

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JACK D. SCHWAGER

DIE UNBEKANNTEN MAGIER DER MÄRKTE

Interviews mit den besten Tradern der Welt

(von denen Sie noch nie gehört haben)

Vom Autor des Millionen-Bestsellers »Magier der Märkte«

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de/ abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Deutsche Originalausgabe

2. Auflage 2023

© 2021 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Originally published in the UK by Harriman House Ltd in 2020, www.harriman-house.com.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Übersetzung: Petra Pyka

Redaktion: Rainer Weber

Korrektorat: Silvia Kinkel

Umschlaggestaltung: Sonja Vallant auf Grundlage des Originaldesigns (© Harriman House Ltd.)

Umschlagabbildung: © Harriman House Ltd.

Satz: Carsten Klein, Torgau

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-435-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-817-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-818-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Für Aspen

… die nächste Generation

Auf dass du den Charme, das gute Aussehenund den Humor beider Elternteile weiterträgst,aber nicht deren Freude am Geldausgeben.

Es geht nicht darum, recht zu haben oder den Markt zu schlagen. Wer Gewinne macht, weiß dasselbe wie der Markt. Wer Geld verliert, hat es schlicht falsch verstanden. Anders kann man es nicht sehen.

Musawer Mansoor Ijaz

Jede Dekade hat ihre eigene Torheit, doch der Grund dafür ist immer derselbe: Die Leute glauben stur, dass alles so bleibt, wie es war – selbst dann noch, wenn schon der Boden unter ihren Füßen wankt.

George J. Church

Es gibt zwei Arten von Prognostikern: Solche, die nichts wissen, und solche, die nicht wissen, dass sie nichts wissen.

John Kenneth Galbraith

INHALT

Vorwort

Dank

Teil I: Futures-Trader

Peter Brandt: Überzeugt, aber nicht stur

Jason Shapiro: Der Nonkonformist

Richard Bargh: Auf die richtige Einstellung kommt es an

Amrit Sall: Der Einhorn-Sniper

Daljit Dhaliwal: Die eigene Stärke kennen

John Netto: Montag ist mein Lieblingstag

Teil II: Aktien-Trader

Jeffrey Neumann: Jeder Cent zählt

Chris Camillo: Weder … noch

Marsten Parker: Geben Sie Ihren regulären Job nicht auf

Michael Kean: Komplementärstrategien

Pavel Krejčí: Der Page, der die Profis schlug

Fazit: 46 Lektionen von den Magiern der Märkte

Epilog

Anhang 1: Was Sie über die Futures-Märkte wissen müssen

Anhang 2: Kennzahlen zur Wertentwicklung

VORWORT

Mit der Arbeit an Die unbekannten Magier der Märkte begann ich, weil ich vermutete, dass es vereinzelt Trader geben könnte, die im Stillen weit bessere Anlageergebnisse erzielen als die große Mehrheit der professionellen Vermögensverwalter. Solche Trader wollte ich aufspüren, um meine Theorie zu beweisen. Was ich dabei herausfand, verblüffte mich.

Ich hätte nie gedacht, dass ich auf Trader stoßen würde, deren Bilanzen mit denen der Börsenstars aus meinem ersten Magier der Märkte-Buch mithalten könnten. Ich war davon ausgegangen, die außergewöhnliche Performance, die manche dieser Leute verbuchten, zeuge zwar von ihrer herausragenden Trading-Kompetenz, sei aber ein Stück weit auch auf die einzigartige Marktsituation der inflationären 1970er-Jahre zurückzuführen. Außerdem war in den nachfolgenden Jahrzehnten eine gewaltige Zunahme des Einsatzes quantitativer Werkzeuge im Börsen- und Investmentgeschäft zu beobachten, und ein immer größerer Prozentsatz aller Transaktionen entfiel auf professionelle Manager. Diese Trends deuteten darauf hin, dass es für Einzelne weit schwieriger war, in den heutigen Märkten deutlich besser abzuschneiden.

Zu meiner großen Überraschung warten manche der Trader, die ich im Zuge der Arbeit an Die unbekannten Magier der Märkte ausfindig gemacht habe, womöglich mit den besten Performances auf, die ich je gesehen habe.

Den einleitenden Satz zum Vorwort des ersten Magier der Märkte-Buches, das ich vor über 30 Jahren geschrieben habe – »Dieses Buch dreht sich um ein paar höchst erstaunliche Geschichten« – könnte ich für das vorliegende Buch eins zu eins übernehmen. Hier die bemerkenswerten Trader, die Sie in Die unbekannten Magier der Märkte kennenlernen werden:

Ein Collegeabsolvent, der mit 2500 Dollar auf dem Konto anfing und in den folgenden 17 Jahren an der Börse 50 Millionen US-Dollar verdiente.

Ein Ex-Werbemanager, der in seiner 27-jährigen Karriere als Futures-Händler eine durchschnittliche Jahresrendite von 58 Prozent erzielte.

Ein Aktienspekulant, der einen einzigartigen Handelsansatz entwickelte, für den er weder fundamentale noch technische Analyse heranzieht, und mit dem er aus ursprünglich 83 000 US-Dollar 21 Millionen machte.

Ein Futures-Trader, der in 13 Jahren im Schnitt 337 Prozent pro Jahr erwirtschaftete und seit seinem ersten Börsenjahr nie mehr als 10 Prozent verloren hat.

Ein Hotelpage aus Tschechien, dessen Day-Trading-Strategie für Aktien eine Risiko-Rendite-Performance brachte, die über 99 Prozent der Long-only-Fonds und Hedgefonds weit in den Schatten stellt.

Ein Futures-Trader, der gleich zweimal über eine halbe Million Dollar gewonnen und verloren hat, bevor er eine Contrarian-Trading-Methode entwickelte, die ihm über 20 Jahre lang beständigen Börsenerfolg bescherte.

Ein ehemaliger US-Marine, der selbst eine Software entwickelte, um damit automatisch auf Marktereignisse zu setzen, und der seit zehn Jahren eine herausragende Risiko-Rendite-Performance erzielt.

Ein Futures-Trader, der durchschnittlich 280 Prozent Rendite im Jahr verbuchte und dabei in keinem Monat mehr als maximal 11 Prozent Wertverlust erlitt.

Ein Musikstudent, der sich selbst das Programmieren beibrachte, um Aktienhandelssysteme zu entwickeln, die in den vergangenen 20 Jahren im Durchschnitt 20 Prozent Rendite abwarfen – deutlich mehr als das Dreifache dessen, was der S&P 500 im selben Zeitraum auswies.

Ein früherer angehender Tennisprofi, der über knapp zehn Jahre als Futures-Trader eine beeindruckende durchschnittliche Jahresrendite von 298 Prozent einfuhr.

Ein Aktienspekulant, der durch eine Kombination aus Long-Investment-Positionen und auf kurzfristigen Ereignissen beruhenden Transaktionen die Performance des S&P 500 unter Rendite- und Rendite-Risiko-Aspekten verdreifachen konnte.

Falls Sie jetzt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung erwarten, wie Sie mit nur zwei Stunden Arbeit pro Woche an der Börse 100 Prozent Gewinn im Jahr erzielen, sollten Sie das Buch am besten schnell aus der Hand legen – dann ist es nämlich definitiv nicht das richtige für Sie!

Wenn Sie aber gern von manchen der erfolgreichsten Trader der Welt lernen möchten, wie sie die Märkte sehen, was sie über Börsengeschäfte wissen, wie sie sich verbessert haben, welche Fehler sie inzwischen tunlichst vermeiden und welchen Rat sie anderen Börsianern mit auf den Weg geben möchten – dann können Sie aus diesem Buch sicherlich viel mitnehmen.

DANK

Der erste Schritt für den Autor eines Magier der Märkte-Buchs besteht darin, herausragende Trader ausfindig zu machen. Dabei waren mir zwei Personen eine große Hilfe: Steve Goldstein, Geschäftsführer des Londoner Coaching-Unternehmens Alpha R Cubed, wies mich auf zwei der in diesem Buch interviewten Trader hin und noch auf mehrere weitere, die womöglich in einem Folgeband zu Wort kommen werden (falls es einen solchen geben sollte). Zwei andere empfahl mir Mark Ritchie, seines Zeichens ein Ausnahme-Trader. Kleine Ironie am Rande: Eigentlich hatte ich Mark Ritchie selbst für dieses Buch interviewen wollen, doch der Text hatte vor meiner geplanten Anreise bereits Buchlänge erreicht. Vielleicht kommt er daher ebenfalls in einem künftigen Band vor. Posthum geht mein Dank an Bill Dodge, der mich auf Jason Shapiro aufmerksam machte.

Die Namen dreier weiterer Trader, über die ich in diesem Buch schreibe, verdanke ich FundSeeder.com (einer Website, die von FundSeeder Technologies erstellt wurde – einem Unternehmen, an dem ich beteiligt bin). Ich verwendete auch Analyseinstrumente von FundSeeder.com, um die Wertentwicklungsstatistiken zu berechnen, auf die ich in diesem Buch Bezug nehme.

Sehr dankbar bin ich meiner Frau Jo Ann, die mir, wie bei allen früheren Magier der Märkte-Büchern auch, als unschätzbarer Resonanzboden zur Seite stand und konstruktive Kritik äußerte, wo dies geboten war. Ich richte mich grundsätzlich nach ihren Ratschlägen.

Natürlich gäbe es dieses Buch nicht, wenn die interviewten Trader nicht bereit gewesen wären, mitzumachen und offen über ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Einblicke zu sprechen. Sie lieferten mir großartiges Ausgangsmaterial.

Herzlichen Dank auch an Marc Niaufre, der sämtliche Kapitel Korrektur las und noch Tippfehler entdeckte, die mir auch nach mehrmaligem Lesen entgangen waren.

Abschließend möchte ich mich bei meinem Redakteur von Harriman House, Craig Pearce, bedanken, der den letzten Schritt – den Feinschliff meines Manuskripts – zum Vergnügen werden ließ statt zur Tortur. Er fand genau das richtige Maß zwischen Alternativvorschlägen, die eine echte Verbesserung darstellten, und der Vermeidung überflüssiger Änderungen.

TEIL I

FUTURES-TRADER

Hinweis: Wer sich mit dem Futures-Markt nicht auskennt, wird es möglicherweise hilfreich finden, zunächst die kurze Einführung in Anhang I durchzulesen.

PETER BRANDT

Überzeugt, aber nicht stur

Es ist erstaunlich, wie viele der Magier der Märkte, mit denen ich gesprochen habe, mit ihren ersten Trading-Versuchen Schiffbruch erlitten haben – manche gleich mehrfach. Das gilt auch für Peter Brandt. Er unterscheidet sich aber insofern von den meisten anderen, als er – nach ersten gescheiterten Anläufen – im Anschluss an über zehn spektakulär erfolgreiche Jahre seinen Biss verlor, der Börse von heute auf morgen elf Jahre lang den Rücken zukehrte und dann doch noch eine zweite lange Phase mit herausragender Performance nachlegte. Brandt gehört definitiv zur alten Schule. Er stützt sich beim Trading auf klassische Chartanalyse, die auf Richard Schabackers Buch Technical Analysis and Stock Market Profits zurückgeht, das 1932 veröffentlicht wurde, und später durch Edwards and Magee in Technical Analysis of Stock Trends [dt.: Technische Analyse von Aktientrends] populär gemacht wurde, das 1948 erschien.

Seine Finanzkarriere begann er als Rohstoffmakler Anfang der 1970er-Jahre, als gerade die Inflation anzog und explodierende Rohstoffpreise diesen Markt von der vernachlässigten Nische zum Hotspot machten. Damals wurden die Futures-Märkte pauschal als Rohstoffmärkte bezeichnet, weil dort tatsächlich nur Rohstoffe gehandelt wurden. Das war noch kurz vor der Einführung von Finanz-Futures auf Währungen, Zinsen und Aktienindizes, die später die Futures-Märkte so dominierten, dass das Rohstoffetikett auf dieses Marksegment nicht mehr passte. Brandt begann seine Karriere als Trader im Präsenzhandel mit Rohstoffen – in der wunderlichen alten Zeit, als Futures-Geschäfte noch im Tollhaus durcheinander schreiender Makler ausgeführt wurden, in krassem Kontrast zur lautlosen Effizienz des modernen elektronischen Handels.

Brandts Trading-Karriere erstreckt sich über 27 Jahre – eine erste 14-jährige Zeitspanne und die laufende 13-jährige Phase, unterbrochen von 11 Jahren Pause. Wie es zu dieser langen Unterbrechung kam, erfahren Sie aus dem Interview. Brandt kann für die Zeit vor Ende 1981 keine Performance-Aufzeichnungen vorlegen. Über die gesamten 27 Jahre, die er seither an der Börse aktiv ist, erzielte er eine eindrucksvolle jährliche Durchschnittsrendite von 58 Prozent. Brandt beeilt sich jedoch zu versichern, dass diese Rendite zu hoch angesetzt sei, weil er äußerst aggressiv handeln würde – was seine ausgesprochen hohe Volatilität von aufs Jahr gerechnet 53 Prozent bestätigt.

Brandt ist das perfekte Beispiel für einen Trader, bei dem die gängige Sharpe Ratio die Qualität der Performance viel zu niedrig ansetzt. Eine maßgebliche, typische Schwachstelle der Sharpe Ratio ist, dass die Risikokomponente der Kennzahl (die Volatilität) nicht zwischen Aufwärts- und Abwärtsvolatilität unterscheidet. Für dieses Risikomaß sind hohe Gewinne ebenso schlecht wie hohe Verluste – ein Aspekt, der dem intuitiven Risikobegriff der meisten Menschen diametral entgegengesetzt ist. Ein Trader wie Brandt, der sporadisch hohe Gewinne einfährt, wird von der Sharpe Ratio abgestraft, wenngleich sich seine Verluste in engen Grenzen halten.

Die entsprechend angepasste Sortino Ratio ist eine alternative Risiko-Rendite-Kennzahl, die anstelle der Volatilität die Verluste als Risikomaß heranzieht und so verhindert, dass hohe Gewinne schädlich wirken. Die angepasste Sortino Ratio ist direkt mit der Sharpe Ratio vergleichbar (was für die konventionell berechnete Sortino Ratio nicht gilt).1 Eine höhere angepasste Sortino Ratio impliziert (im Vergleich zur Sharpe Ratio), dass die Verteilung der Erträge positiv verzerrt ist (also eine größere Tendenz zu hohen Gewinnen statt zu hohen Verlusten besteht). Desgleichen bedeutet eine niedrigere angepasste Sortino Ratio, dass die Renditen negativ verzerrt sind (und demnach eine größere Neigung zu hohen Verlusten vorliegt statt zu hohen Gewinnen). Bei den meisten Tradern liegen die Sharpe Ratio und die angepasste Sortino Ratio nahe beieinander. Für Brandt gilt jedoch: Weil seine größten Gewinne deutlich höher sind als seine größten Verluste, beträgt seine angepasste Sortino Ratio (3,00) fast das Dreifache seiner Sharpe Ratio (1,11)! Wie stark Brandts Rendite-Risiko-Performance ist, geht auch aus seiner monatlichen Gain to Pain Ratio2 hervor, die mit 2,81 sehr hoch ist – vor allem angesichts der Länge seiner Erfolgsbilanz ein ausgesprochen eindrucksvoller Wert.

Brandt ist der einzige in diesem Buch behandelte Trader, auf den das im Titel genannte Attribut »unbekannt« nicht so richtig passt. Er war zwar über die längste Zeit seiner Karriere tatsächlich unbekannt und ist in der breiteren Finanzwelt nach wie vor kein Begriff, fand jedoch in den letzten Jahren durch seinen Börsenbrief Factor und seine rasch wachsende Followergemeinde auf Twitter zunehmend Anerkennung und Beachtung bei einem bestimmten Teil der Trader-Community. So verwiesen mehrere der Trader, die ich für dieses Buch interviewte, auf Brandt als wichtigen Einflussfaktor. Doch meine Gründe für die Aufnahme Brandts in dieses Buch wogen für mich schwerer als das Anliegen, dem Titel hundertprozentig gerecht zu werden.

In gewisser Hinsicht war es Brandt, der mich veranlasste, dieses Projekt vom vagen Vorhaben zu konkreten ersten Schritten zu befördern. Ich wusste: Wenn ich noch ein Magier der Märkte-Buch schreiben würde, musste Brandt darin vorkommen. Brandt und ich sind befreundet. Seine Ansichten über Trading waren mir bekannt, und ich fand sie so treffend, dass ich es mein Leben lang bedauert hätte, wenn ich seine Sicht der Dinge nicht in einem Buch präsentiert hätte. Damals lebte Brandt in Colorado Springs und erwähnte, dass er in ein paar Monaten nach Arizona ziehen würde. Da ich nur 160 Kilometer von ihm entfernt in Boulder, Colorado, wohnte, wollte ich ihn sicherheitshalber noch vor seinem Umzug interviewen. Nebenbei hatte das den Vorteil, dass ich das Buch endlich konkret in Angriff nahm. Die Ironie dabei: Als ich endlich dazu kam, einen Interviewtermin zu vereinbaren, war Brandt bereits nach Tucson gezogen.

Als ich am Flughafen ankam, wartete Brandt an der Rolltreppe zum Ausgang auf mich. Ich freute mich, ihn wiederzusehen. Es war zwar erst etwas mehr als ein Jahr vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen hatten, doch sein Gang hatte sich sichtlich verändert. Er lief leicht vornübergebeugt. Brandt hatte vor 35 Jahren einen schlimmen Unfall. Er war mitten in der Nacht aufgestanden, um zur Toilette zu gehen. Er weiß noch, wie er verärgert dachte: »Wer hat denn da mitten im Flur den Stuhl stehen lassen?« Brandt war Schlafwandler. Der »Stuhl« war in Wirklichkeit das Geländer des Obergeschosses. Er kletterte darüber. Das Nächste, woran er sich erinnert: Er lag flach auf dem Rücken und konnte sich nicht bewegen. Brandt war fast 6 Meter in die Tiefe gestürzt. Da erst merkte er, was passiert war – ebenso wie seine Frau Mona, die den Sturz gehört und gleich den Notruf gewählt hatte.

Brandt verbrachte über 40 Tage im Krankenhaus, eingegipst und zwischen zwei Matratzen platziert, die regelmäßig gedreht werden konnten, um ihn umzulagern. Seit dem Unfall ist Brandt ein halbes Dutzend Mal am Rücken operiert worden. Mit fortschreitendem Alter scheint ihm dieser offenbar mehr Probleme zu bereiten. Er hat ständig Schmerzen – was ich nur weiß, weil ich ihn danach gefragt habe. Er selbst ist eher stoisch und klagt nie. Er nimmt auch keine Schmerzmittel, weil ihm das nicht gut tut, wie er sagt.

Brandt fuhr mich zu seinem Haus in einer geschlossenen Wohnanlage am Rand von Tucson. Wir führten unser Gespräch in Brandts Garten auf der Terrasse mit Blick über die Sonora-Wüste, die überraschend grün ist und in der es mehr Pflanzenarten gibt als in jeder anderen Wüste der Erde. Manche davon, wie der kultige Saguaro-Kaktus, gedeihen nur dort. In der Ferne zeichnete sich ein Berg mit zwei Gipfeln am Horizont ab. Es war ein herrlicher Frühlingstag. Die stete Brise ließ ständig Windspiele erklingen. »Ist das ein Problem für dein Aufnahmegerät?«, fragte Brandt. »Nein, nein, das geht schon«, versicherte ich ihm – ohne zu bedenken, wie viele Stunden ich damit zubringen würde, die Aufnahmen immer wieder abzuspielen und jedes Mal diese verdammten Windspiele im Ohr zu haben.

Wusstest du schon als Junge, was du werden wolltest?

Ich wuchs in bitterer Armut auf. Meine Mutter war alleinerziehend. Ich musste mein Geld selbst verdienen. Und ich war schon damals sehr unternehmerisch. Als Zeitungsjunge übernahm ich zwei lange Touren. Ich stand sonntags um 5 Uhr auf, um mit meinem Wägelchen – oder meinem Schlitten, wenn es geschneit hatte – 150 Zeitungen auszufahren. Ich sammelte Flaschen. Ich stellte für den örtlichen Lebensmittelladen Rechnungen zu.

Wie alt warst du da?

Oh, ich war zehn, als ich anfing zu arbeiten.

Was war dein Hauptfach am College?

Werbung – und es hat mir wirklich Spaß gemacht.

Wie bist von der Werbung zum Trading gekommen?

Zwei Dinge brachten mich auf die Idee, an der Börse zu spekulieren. Ich hatte einen Bruder, der säckeweise Silbermünzen kaufte. Damals, Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre, durften US-Bürger kein Gold besitzen, wohl aber Silbermünzen. Mein Bruder kaufte damals Säcke mit Silbermünzen mit 20 Prozent Aufschlag auf ihren Nennwert. Das war das Paradebeispiel für ein asymmetrisches Risikogeschäft: Er konnte maximal 20 Prozent verlieren, doch wenn die Metallpreise stiegen, war das Gewinnpotenzial nach oben offen.

Hast du auch Silbermünzen gekauft?

Nein, konnte ich nicht. Ich hatte ja kein Geld. Aber ich fand es faszinierend. Ich kaufte mir das Wall Street Journal, um den Silberpreis zu verfolgen. Mein Bruder hatte die ersten Silbermünzen erworben, als der Silberpreis bei 1 Dollar 50 pro Unze lag. 1974 hatte sich der Silberpreis mehr als verdreifacht und war auf 4 Dollar 50 in die Höhe geschossen. Mein Bruder fuhr einen Mercedes.

Du sagtest, zwei Dinge hätten dich dazu bewogen, Börsengeschäfte zu machen. Was war das zweite?

Damals lebte ich in Chicago und lernte einen Typen kennen, der im Parketthandel mit Sojabohnen spekulierte. Unsere Söhne spielten zusammen Hockey, und bald kannte ich ihn ganz gut. Er sagte: »Peter, komm doch mal mit und schau dir an, wie ich arbeite. Ich lade dich auch zum Mittagessen ein.« Also traf ich meinen Freund an der Terminbörse in Chicago – dem Board of Trade – zum Mittagessen. Aus den Panoramafenstern des Restaurants konnte man in den Handelssaal schauen. Ich fand es absolut faszinierend, die Parketthändler zu beobachten. Der Funke war übergesprungen und entzündete in mir den Wunsch: »Das will ich machen.« Ich löcherte meinen Freund mit Fragen nach seiner Tätigkeit als Trader. Und ich nahm mir sämtliche Broschüren mit, die in der Börse auslagen.

Du hast damals in der Werbebranche gearbeitet?

Genau.

Warst du zufrieden mit deinem Job?

Ich war bei der fünftgrößten Werbeagentur der Welt auf der Überholspur unterwegs. Ich trug ziemlich viel Verantwortung, und zu meinen Kunden zählten Campbell und McDonald’s.

Warst du persönlich an Werbespots beteiligt?

Ja, an dem Grab-a-Bucket-and-Mop-Spot. Der ist auf Youtube zu sehen. Und ich war auch dabei, als Ronald McDonald erfunden wurde.

Also hat dir deine Tätigkeit Spaß gemacht?

Ja, durchaus. Nur die politischen Spielchen in so einem Unternehmen, die mochte ich nicht. Außerdem faszinierte mich der Präsenzhandel an der Börse. Mir gefiel der Gedanke, dass man jeden Abend genau wusste, wo man stand. Und man musste nur von 9 Uhr 30 bis 13 Uhr 15 arbeiten! Als ich erfuhr, was diese Leute verdienten, war das natürlich auch ein Anreiz.

Sicher, weil dir nicht klar war, dass mehr als 95 Prozent all jener, die an der Börse ihr Glück versuchen, dabei pleitegehen. Dir lagen verzerrte Stichproben vor, wie das die Statistiker nennen.

Oh, das sollte ich bald genug herausfinden. Doch damals fiel mir nur auf, dass auf dem Parkplatz an der Börse lauter Mercedes und Porsches standen.

Übte die Möglichkeit, reich zu werden, auf dich einen besonderen Reiz aus, weil du in Armut aufgewachsen bist?

Ja. Das war für mich schon ein großes Thema.

Wie hast du es geschafft, deinen Wunschtraum vom Traden zu verwirklichen?

Ich entschloss mich, in dieses Geschäft einzusteigen. Schon damals kostete eine Zulassung zum Handel eine ganze Stange Geld. Das hätte ich mir nie leisten können. Da stellte mich mein Bruder dem Makler vor, den er mit dem Aufkauf von Silbermünzen betraute. Der war in Minneapolis ansässig und arbeitete für Continental Grain – neben Cargill damals der zweitprominenteste Name an der Chicagoer Terminbörse. Der Makler meines Bruders erzählte mir, dass Continental Grain Leute suchte.

Vor 1972 gab es wenig Publikumsspekulation an den Getreidemärkten. Das änderte sich mit dem kräftigen Bullenmarkt für Rohstoffe Anfang der 1970er-Jahre. Continental war das erste Kernunternehmen an der Terminbörse, das sich ernsthaft um Kunden bemühte, die spekulativ und mit Hedgegeschäften agieren wollten. Für das Maklergeschäft gründete es die Tochtergesellschaft Conti Commodities.

Hattest du keine Bedenken, einen Job als Börsenmakler anzunehmen – im weiteren Sinne also eine Vertriebstätigkeit?

Nein, denn das öffnete mir die Tür in diese Branche. Ich nahm am ersten Schulungsprogramm von Conti für Rohstoffmakler teil. In das Programm wurden acht Personen aufgenommen, und es dauerte drei Monate.

Bekamst du ein Gehalt oder hast du ausschließlich auf Provisionsbasis gearbeitet?

Wir bekamen sechs Monate lang Bezüge. Ich weiß nicht mehr genau, wie viel, aber es waren wohl so 1300 Dollar im Monat. Ich weiß noch, dass ich bei der Werbeagentur vor meinem Ausstieg 28 000 Dollar im Jahr verdiente. Ich hatte mich also eindeutig verschlechtert.

Nachdem du die Schulung absolviert hattest und als Makler anfingst – woher kamen deine Kunden?

Als Erstes fuhr ich nach New Jersey zurück, wo ich Campbell einen Besuch abstattete, und dann nach Oat Brook zu McDonald’s.

Oh, weil du aus deiner Zeit in der Werbebranche Kontakte dorthin hattest?

Ja, die hatte ich – und zwar auf hoher Ebene. Diese Leute kannten mich gut, und zufällig hatten die großen Nahrungsmittelproduzenten während der kräftigen Hausse auf dem Rohstoffmarkt, die wir gerade erlebt hatten, keine Hedgegeschäfte getätigt.

Sie wurden kalt erwischt. Als sich all ihre Zutaten – Fleisch, Sojaöl, Zucker, Kakao et cetera – drastisch verteuerten und sie ohne Absicherung dastanden, war das für sie ein harter Schlag. Der IRS, also die Steuerbehörden, die wussten damals noch gar nicht, wie sie Gewinne und Verluste aus Hedgegeschäften behandeln sollten.

Das war Ende 1974, kurz nach den Bullenmärkten von 1973 und 1974. Ich stieg ein bis zwei Jahre nach dem Startschuss für die moderne Futures-Branche, wie wir sie heute kennen, in das Geschäft ein. Ich bot Campbell einen Deal an: Wenn sie einen ihrer Einkäufer für zwei Monate nach Chicago schickten, würde ich ihn mit dem Futures-Geschäft vertraut machen. Geschickt wurde jemand, der später zum Chefeinkäufer von Campbell avancierte. Damit hatte ich diesen Kunden im Sack. Ich konnte auch McDonald’s gewinnen und noch ein paar andere Kunden, die Hedgegeschäfte vornehmen wollten. Für einen Nachwuchsmakler stellte ich mich gar nicht so schlecht an.

Durftest du auch für eigene Rechnung handeln?

Aber ja.

Wann hast du damit angefangen?

Ich begann etwa 1976, als ich ein bisschen Geld zusammengespart hatte. Ich wusste ja, in Wirklichkeit wollte ich handeln.

Erinnerst du dich noch an dein allererstes Geschäft?

[Er muss eine Weile nachdenken, doch dann fällt es ihm wieder ein.] Das war sogar noch ein bisschen früher – Ende 1975. Mein Maklergeschäft war inzwischen so gediehen, dass mir Conti einen Ausweis für den Handelssaal ausstellen ließ. Mein Freund John, der mein Interesse an Termingeschäften geweckt hatte, handelte mit Sojabohnen. Eines Tages traf ich ihn, und er sagte: »Peter, ich bin für den Sojabohnenmarkt total auf bullish eingestellt.« Also kaufte ich einen Kontrakt. Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich tat. Der Markt legte 5 oder 6 Cent zu und rutschte dann wieder ab. Ich stand am Ende mit rund 12 Cent Verlust da [für eine Position über einen Kontrakt waren das 600 Dollar]. Ich weiß noch, dass mir John kurz darauf über den Weg lief und mich mit den Worten begrüßte: »Mann, war das ein fantastischer Lauf, was?« Erst später erfuhr ich, dass für John, der gegen den Orderfluss auf dem Parkett handelte, ein Gewinn von 1 oder 2 Cent schon ein gutes Geschäft war – und ein Plus von 6 Cent ein »fantastisches«. Ich lernte daraus vor allem, dass die Begriffe »bullish« und »bearish« nichts zu sagen hatten. Vielmehr kam es darauf an, wie der Zeithorizont eines Traders aussah, auf welche Kursbewegungen er setzte und bei welchem Kursniveau oder Ereignis er wusste, dass er falsch lag.

Wie hat sich deine Börsenkarriere dann weiterentwickelt?

In den nächsten drei Jahren setzte ich drei oder vier Depots in den Sand. Einem alten Witz zufolge ist es ein Hinweis auf Probleme, wenn man Hafer handelte. [Der Hafermarkt ist in aller Regel schwankungsarm, und die Kontraktgröße (nach Dollarwert) gering, sodass die Margen niedriger sind als auf den Märkten für andere Getreidesorten.]

Wie hast du deine Handelsentscheidungen getroffen?

Erst hörte ich auf die fundamentalen Analysten von Conti, die allmorgendlich über das Lautsprechersystem des Unternehmens ihre Ansage machten, bevor die Märkte öffneten. Sie sprachen über Dinge wie Getreidelieferungen, Fortschritte bei Pflanzungen und dergleichen. Sie gaben auch Handelsempfehlungen ab. Meinen ersten großen Fehlschlag verdankte ich ihren Tipps. Außerdem wurde auch jeden Morgen der Bericht eines technischen Analysten aus dem Conti-Büro in Memphis übertragen. Er setzte Point-and-Figure-Charts ein [Charts, die Kursbewegungen ohne Zeitachse abbilden]. Ihm gelang 1976 ein großer Coup auf dem Sojabohnenmarkt. Also kaufte ich mir ein Buch über Point-and-Figure-Charts und spielte mit diesem Ansatz herum. Das kostete mich das zweite Depot. Dann interessierte ich mich eine Zeit lang für saisonale Formationen. Danach versuchte ich mein Glück mit Spread-Trading [bei dem man auf den Preisunterschied zwischen zwei Futures-Kontrakten auf demselben Markt setzt, indem man einen Kontrakt kauft, der nach einem Monat verfällt, und einen Kontrakt verkauft, der nach einem weiteren Monat verfällt.]

Du hast also nach einer Methode gesucht, die für dich funktionierte.

Ich war auf der Suche, und allmählich packte mich der Frust. Gleichzeitig hatte ich großes Glück, wie ich finde, wenn ich mir anschaue, wie die Leute heute versuchen, mit Dingen wie Kryptowährungen zu handeln, ihre Studienkredite ausreizen und am Ende bei Mama in der Einliegerwohnung leben. Ich hatte immerhin ein Einkommen, das mich absicherte. Meine Verluste brachten mich nicht um. Ich wollte das Börsengeschäft erlernen und ein erfolgreicher Trader werden.

Dieser Zyklus – ein Depot eröffnen, eine neue Methode ausprobieren, mit der Zeit Geld verlieren, den Handel einstellen und dann wieder von vorn anfangen – wodurch wurde er schließlich unterbrochen?

Es waren wohl zwei Faktoren, die die Wende brachten. Erstens lernte ich, dass man Stops einsetzen muss, denn größere Verluste kann sich kein Mensch leisten. Zweitens kam eines Tages ein Kollege zu mir an den Schreibtisch, der Charttechniker war. Er sagte: »Komm mal mit.« Wir gingen die Treppe hinunter über die Straße in einen Buchladen. Dort kaufte er mir das Buch von Edwards und Magee [Technical Analysis of Stock Trends, dt.: Technische Analyse von Aktientrends]. Ich verschlang es förmlich. Ein anderer liest Edwards und Magee und nimmt daraus vielleicht nichts mit. Doch für mich war es die Quadratur des Kreises – und mehr. Es lieferte mir den Rahmen, um die Kurse zu verstehen. Ich bekam dadurch eine Vorstellung vom richtigen Einstiegszeitpunkt. Bevor ich Edwards und Magee las, hatte ich von Tuten und Blasen keine Ahnung. Wie steigt man ein? Ich wusste es nicht. Außerdem las ich heraus, wie ich mich bei einem Geschäft schützen und die künftige Marktentwicklung besser einschätzen konnte. Dieses Buch hat mich zur Charttechnik gebracht. Ich sah Licht am Ende des Tunnels. Ich sah eine Chance, mich zu einem Trader zu entwickeln, und das Depot, das ich eröffnete, um mich in der Charttechnik zu versuchen, verbuchte Gewinne.

Das war also der Demarkationspunkt zwischen Handelsverlusten und Börsenerfolg?

Genau. 1979 hatte ich ein Depot, das ziemlich gut lief. Im Rückblick hätte es längst nicht so viel Volatilität aufweisen sollen. Bei der richtigen Dimensionierung meiner Positionen hatte ich den Bogen noch nicht raus, doch zum ersten Mal, seit ich Börsengeschäfte machte, ging mein Kontostand kontinuierlich nach oben.

War der Makler, der dir das Buch gekauft hat, selbst ein erfolgreicher Trader?

Nein, das hat er nie geschafft. Er ist ein guter Freund, doch als Trader brachte er es nicht weit.

Ironie des Schicksals: Da hatte er entscheidenden Anteil an deinem Börsenerfolg, doch selbst brachte ihn das nicht weiter. Ich nehme mal an, das Buch von ihm war für dich das schönste Geschenk, das du je bekommen hast.

Auf jeden Fall! Ich will dir mal was zeigen. [Er geht und kommt kurz darauf mit einem Buch in der Hand zurück.] Ich habe jahrelang nach einer Erstausgabe von Edwards und Magee gesucht und hatte Anfragen bei mehreren Antiquariaten laufen. Schließlich trieb ich ein Exemplar auf, das Magee persönlich signiert und in Boston einem Freund geschenkt hatte.

Ich nehme an, du hast damals zur Absicherung weiterhin deine geschäftlichen Depots verwaltet. Wann bist du denn vom Makler zum Vollzeit-Trader geworden?

Etwa ein Jahr später.

Hättest du nicht weiter als Makler für deine Kunden tätig sein und dein eigenes Depot nebenher führen können?

Sicher, aber das wollte ich nicht.

Warum nicht?

Ich wollte nur traden.

Aber hast du mit diesem Schritt nicht auf ein ordentliches Einkommen als Makler verzichtet?

So hätte es kommen können, doch ich habe die Konten verkauft.

Ich wusste gar nicht, dass das möglich war.

Das ging. Ich erhielt weiterhin einen Anteil der Provisionen für die Konten, die ich aus der Hand gab.

Dabei handelte es sich immerhin um hochkarätige Gewerbekunden. Wie hast du denn den Makler ausgesucht, dem du diese Kunden anvertrauen konntest?

Ich übertrug sie an meinen größten Mentor. Sein Name war Dan Markey, und er war wohl einer der besten Trader, die ich kenne.

Wie ging er vor?

Er sagte gern: »Ich betrachte die Märkte durch eine Linse aus dem historischen, dem wirtschaftlichen und dem psychologischen Einmaleins.« Bei Conti war er ein Wunderknabe. Er war ein echter Positionshändler, der große Getreidepositionen monatelang hielt. Er hatte ein großartiges Gespür dafür, wann ein maßgeblicher Marktumschwung bevorstand. Dann sagte er: »Mais bildet gerade einen Boden. Das ist der Tiefpunkt für die Saison.« Und er hatte recht.

War das reine Intuition?

Absolut. Er konnte das nicht begründen.

Demnach ging er in Stärke hinein short und in Schwäche hinein long.

Genau.

Also ging er ironischerweise genau anders vor als du.

Richtig, er tat genau das Gegenteil.

Aber du hast doch gesagt, er war dein Mentor. Was hast du denn von ihm gelernt?

Risikomanagement. Er kaufte zwar in Schwäche hinein, eröffnete und hielt aber nicht gleich die komplette Position. Er sondierte zunächst, ob wirklich ein Markttief vorlag. Stand eine Position am Ende der Woche im Minus, stieß er sie ab und versuchte es noch einmal – so lange, bis er seiner Ansicht nach den richtigen Zeitpunkt erwischt hatte. Er testete den Markt wieder und wieder an.

Das finde ich interessant, denn du hast einmal zu mir gesagt, dass du aussteigst, wenn eine Position am Ende der Woche Verluste verzeichnet. Ich nehme, das hast du dir vor 40 Jahren von Dan abgeschaut. Also hast du dich praktisch deine gesamte Traderlaufbahn hindurch an dieses Konzept gehalten.

So ist es. Dan pflegte zu sagen: »Jedes Geschäft hat zwei Faktoren: Richtung und Zeitpunkt. Liegst du bei einem falsch, taugt es nicht.«

Was hast du noch von Dan gelernt?

Zum Beispiel, dass er immer deutlich kleinere Positionen eröffnete, als es ihm eigentlich möglich gewesen wäre. Von Dan lernte ich: Wer sein Kapital zusammenhielt, hatte immer noch eine zweite Chance. Man musste dafür sorgen, dass man stets einen Stapel Chips in der Hinterhand hatte.

Aber du hast deinen Stapel Chips doch gleich mehrmals verspielt.

Stimmt genau.

Interessant, dass sich Dans Rat nur auf das Risikomanagement bezog, nicht auf den richtigen Einstieg, worauf sich die meisten Leute fokussieren möchten. Hattest du sonst noch einflussreiche Mentoren?

Dan war mit Abstand der wichtigste. Einen weiteren entscheidenden Rat erteilte mir ein Trader, der Charttechniker war. Er sagte: »Peter, wenn du Geld verdienen willst, musst du anderen eine Nasenlänge voraus sein. Und eine Chartformation liefert dir keinen Vorsprung.« Damals fand ich diese Äußerung frustrierend und begriff sie noch nicht richtig. Das kam erst fünf Jahre später.

Vermutlich wollte er damit sagen, dass jeder dieselben Chartformationen erkennen kann.

Ja – und dass auch Chartmuster keine Erfolgsgarantie sind. Soweit ich weiß, sind wir beide in dem Punkt einer Meinung, dass eine Chartformation, die versagt, ein zuverlässigeres Signal ist als die Chartformation als solche. [Dem pflichte ich nicht nur bei, ich habe sogar ein Kapitel in meinem Buch über die Analyse des Futures-Marktes genau diesem Konzept gewidmet: »Die wichtigste Regel in der Chartanalyse«.3] Außerdem verändern sich Chartformationen. Man glaubt, ein Chartmuster zu erkennen, und plötzlich verwandelt es sich in ein anderes. Ein solcher Chart ist nichts anderes als eine Reihe von Mustern, die versagen und sich nicht erwartungsgemäß verhalten.

Was ist passiert, nachdem du deine Kunden an Dan übergeben hast, um dich ganz dem Trading zu widmen?

1980 gründete ich Factor Research and Trading und mietete Büroräume an.

Warum hast du dich für den Namen Factor entschieden?

Das war mein persönlicher Insiderwitz. Von 1975 bis 1978 gelang es mir recht gut, Campbell mit fundamentalen Informationen zu versorgen und das Unternehmen bei seinen Hedging-Entscheidungen zu unterstützen. 1979 hatte ich aber bereits die Chartanalyse für mich entdeckt und erkannte erste aussagekräftige potenzielle Preisbewegungen auf den Getreidemärkten. Nun konnte ich schlecht zu Campbell gehen und sagen, sie sollten sich absichern, weil ich ein Kopf-Schulter-Tief kommen sah. Wenn Sojabohnen bei 6 Dollar standen, ging ich folglich zu Dan Markey oder einem anderen fundamentalen Analysten und sagte: »Ich glaube, Sojabohnen steigen auf 9 Dollar. Wie beurteilst du den Markt?« Dann erhielt ich eine fundamentale Begründung dafür, wie es zu einer solchen Bewegung kommen könnte.

Die Typen beim CBOT hörten, wie ich zu Campbell sagte: »Möglicherweise drohen vor der Küste Anchovisprobleme.« [Anchovis wurden zur Erzeugung von Fischmehl verwendet, das Sojamehl ersetzen kann.] Ich berief mich im Grunde auf meine Charts, formulierte meine Ansichten aber wie ein fundamentaler Analyst. Sie bezeichneten das bald als den »Brandt’schen Bullshit-Faktor«.

Was hattest du mit dem Unternehmen vor? Wolltest du Vermögensverwalter werden?

Nein, ich wollte nur für eigene Rechnung handeln.

Dazu hättest du doch kein Unternehmen gebraucht.

Ich weiß, aber ich fand es toll, meine eigene Trading-Firma zu haben.

Hat sich deine Methode verändert, seitdem du hauptberuflich Börsengeschäfte machst?

Ein paar wesentliche Unterschiede gibt es schon.

Welche denn?

Damals machte ich Popcorn-Geschäfte.

Popcorn-Geschäfte?

Du weißt schon: Ein Maiskorn poppt, springt oben gegen den Behälter und fällt dann zu Boden? Als Popcorn-Geschäft bezeichnete ich einen Trade, bei dem du Gewinn machst und dann zurückfällst bis auf dein Einstiegsniveau. Heute versuche ich, Popcorn-Geschäfte zu vermeiden.

Was hat sich sonst noch verändert?

Die Charts sind nicht mehr so verlässlich. In den 1970er- und 1980er-Jahren war es viel einfacher, auf Charts zu setzen. Die Formationen waren sauber und klar. Es gab weniger Schaukelmärkte. [Ein Schaukelmarkt liegt vor, wenn die Kurse immer auf und ab schwanken, sodass Trendfolger prompt falsch positioniert sind, wenn der Markt abrupt die Richtung ändert.] Erkannte man damals eine Chartformation, war das eine sichere Bank. Die Muster waren zuverlässiger.

Dazu habe ich meine eigene Theorie. Wie erklärst du dir das?

Ich glaube, durch den Hochfrequenzhandel entsteht Volatilität am Ausbruchspunkt. [Ein Ausbruch ist eine Kursbewegung über oder unter eine vorausgegangene Handelsspanne (eine Seitwärtsbewegung der Preise) oder eine Konsolidierungsformation (zum Beispiel ein Dreieck, eine Flagge et cetera). Dem liegt das Konzept zugrunde, dass es auf einen potenziellen Trend in Ausbruchsrichtung hinweist, wenn sich die Kurse aus einer bisherigen Handelsspanne oder Konsolidierungsformation herauslösen können.]

Aber das sind ja ganz kurzfristige Geschäfte. Wie sollten sich diese auf die Volatilität auswirken?

Weil sie am Ausbruchspunkt Volatilität auslösen. Diese ist zwar sehr kurzfristig, kann aber einen Trader wie mich aus einer Position herauskatapultieren. Außerdem glaube ich, dass die Märkte angesichts größerer Akteure inzwischen reifer geworden sind. Welche Gründe siehst du denn für die Veränderungen der Märkte?

Mein Eindruck ist: Sobald zu viele Leute dasselbe versuchen, kann diese Methode per definitionem nicht mehr so funktionieren wie zuvor.

Da hast du vermutlich recht. Damals haben noch nicht so viele Leute auf Charts geachtet.

Inwiefern hat sich dein Ansatz seit den Anfangstagen sonst noch verändert?

Früher habe ich auf 1- bis 4-wöchige Formationen gesetzt, heute arbeite ich mit 8- bis 26-wöchigen Mustern.

Weil sie zuverlässiger sind?

Genau.

Gibt es noch andere Veränderungen bei den Arten von Signalen, nach denen du dich richtest?

Früher habe ich jede Formation genutzt, die ich erkannte. Das waren 30 bis 35 im Monat. Heute bin ich deutlich wählerischer. Anders als früher setze ich inzwischen nicht mehr auf symmetrische Dreiecke und Trendlinien, sondern nur noch auf Formationen, bei denen ein Ausbruch eine horizontale Grenze durchbricht.

Aus welchem Grund?

Bei horizontalen Grenzen merkt man viel schneller, ob man richtig liegt oder nicht.

Gab es einen konkreten Auslöser für diese Umstellung?

Nein. Ich habe nur nach und nach gemerkt, dass ich meine besten Ergebnisse mit Rechtecken sowie auf- und absteigenden Dreiecken erzielte. Zeig mir ein 10-wöchiges Rechteck mit klar definierter Grenze, das mit einem ordentlichen Ausbruch aus diesem Muster im Tageschart endet, und wir sind im Geschäft.

Dann hast du aber immer noch das Problem, dass der Markt auch nach einem echten Ausbruch einen Rücksetzer hinlegen kann. Was machst du, wenn du auf einen Ausbruch gesetzt hast und der Markt stark genug reagiert, um deinen Stop auszulösen, dann aber hält – und das längerfristige Muster nach wie vor vielversprechend wirkt?

Dann gebe ich der Sache eine zweite Chance – aber nur eine. Und nie am selben Tag. Ich kenne Leute am Board of Trade, die sich beschwert haben, weil sie in einer 10-Cent-Spanne 30 Cent verloren haben. Das will ich nicht – und ich weiß, dass das passieren kann.

Heißt das, wenn du ein zweites Mal ausgebremst wirst, die Formation sich aber am Ende als Ausgangsbasis für einen langfristigen Trend erweist, dann verpasst du diesen komplett?

Nicht unbedingt. Zeigt der Markt eine trendbestätigende Formation [eine Konsolidierung im Trend], steige ich manchmal wieder ein. Das wäre für mich dann aber ein ganz neues Geschäft.

Wenn du zweimal bei 1,20 US-Dollar ausgebremst wirst, würde dich das also nicht davon abhalten, bei 1,50 US-Dollar long zu gehen?

Nein, das hat mich noch nie gestört. Ich glaube, wer so denkt, tappt in eine Falle. Ich setze auf Preisbewegungen – nicht auf Preisniveaus.

Hast du im Laufe der Jahre noch andere Änderungen vorgenommen?

Ja. Ich gehe heute mit einzelnen Trades viel geringere Risiken ein. Eröffne ich eine Position, begrenze ich mein Risiko auf etwa 1 oder 2 Prozent meines Kapitals ab dem Einstiegszeitpunkt. Meine Stops setze ich gern beim Breakeven oder besser, zwei oder drei Tage vom Einstieg entfernt. Mein Durchschnittsverlust lag im letzten Jahr bei 23 Basispunkten.

Ein fester Bestandteil deiner Handelsmethode ist der Schutz durch Stops. Ich bin neugierig: Lässt du Stops über Nacht stehen? [Durch den elektronischen Handel wird auf den Futures-Märkten über Nacht gehandelt. Das bringt folgendes Dilemma mit sich: Setzt man eine zum Schutz gedachte Stop Order über Nacht aus, so könnte eine heftige nächtliche Preisbewegung einen deutlich höheren Verlust mit sich bringen als den begrenzten Verlust durch einen ausgelösten Stop. Belässt man den Stop dagegen für die Nachtsitzung, besteht die Gefahr, dass er durch eine von niedrigen Umsätzen ausgelöste bedeutungslose Preisänderung ausgelöst wird.]

Das hängt ganz vom Markt ab. Für den mexikanischen Peso würde ich einen Stop nicht über Nacht stehen lassen, für den Euro aber schon, denn der ist sehr liquide. Ebenso würde ich bei Kupfer über Nacht keinen Stop einsetzen, bei Gold jedoch sehr wohl.

Was war dein erstes schlechtes Jahr als hauptberuflicher Trader?

1988.

Also hattest du neun gute Jahre und dann ein Verlustjahr. Was ist 1988 schiefgelaufen?

Ich wurde unvorsichtig. Ich stieg zu früh ein, wenn ich eine Formation erkannt hatte. Ich lief den Märkten hinterher. Ich hatte zum richtigen Zeitpunkt keine Orders platziert.

Warum bist du, um deine Worte zu benutzen, 1988 »unvorsichtig« geworden?

Ich glaube, weil 1987 so gut lief. 1987 hatte ich einen Gewinn von 600 Prozent. Das war mein bestes Jahr überhaupt. Da komme ich nie mehr ran. Ich glaube, das hat mich ein bisschen überheblich werden lassen.

Wie viel hast du 1988 verloren?

Oh, etwa 5 Prozent.

Wann warst du wieder in der Spur?

1989. Das eine Verlustjahr hat mir klargemacht, dass ich mich auf meine Grundlagen zurückbesinnen musste.

Was von dem, was du heute weißt, hättest du gern schon am Anfang deiner Karriere als Trader gewusst?

Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis ist: Man muss sich Fehler verzeihen können. Das kann jedem passieren.

Und sonst?

Ich habe gelernt, dass man zwar manchmal glaubt, zu wissen, wohin sich der Markt bewegt, aber in Wirklichkeit keine Ahnung hat. Ich weiß inzwischen, dass ich selbst mein größter Feind bin und dass mich meine angeborenen Instinkte oft in die Irre führen. Ich bin ein impulsiver Mensch. Würde ich ohne bestimmten Prozess einfach auf meinen Bildschirm schauen und nach Gutdünken Orders platzieren, wäre das selbstzerstörerisch. Nur wenn ich meine Instinkte durch einen disziplinierten Orderprozess ausschalte, versetzt mich das in die Lage, an meiner Arbeit mit Charts zu verdienen. Ich muss ganz bewusst handeln. Meine Stärke liegt in meinem Prozess. Im Grunde bin ich ein guter Orders-Platzierer, kein Trader. Manche meiner Orders widersprechen meinem Bauchgefühl. Solche fallen mir am schwersten.

Warum?

Kupfer bewegt sich jetzt seit fast einem Jahr in einer 40-Cent-Spanne, und gerade heute habe ich Kupfer bei einem neuen letzten Hoch gekauft. Das fällt schwer. [Wie sich herausstellen sollte, war Brandt am höchsten Tag der Aufwärtsbewegung eingestiegen und wurde am nächsten Tag ausgebremst. Diese Transaktion war tatsächlich sehr typisch für Brandt. Die meisten seiner Trades bringen schnelle Verluste. Er hat trotzdem Erfolg, weil seine Gewinne im Durchschnitt deutlich größer ausfallen als seine Einbußen.]

Ich glaube, große Gewinne habe ich meistens mit Positionen gemacht, die meiner Intuition zuwiderliefen. Mein Bauchgefühl bei einem Trade ist kein guter Anhaltspunkt dafür, was am Ende dabei herauskommt. Hätte ich meine höchsten Einsätze bei den Transaktionen gebracht, die mir am meisten zusagten, hätte das meine Performance erheblich zurückgeworfen, wie ich meine. Ein aktuelles Beispiel ist, dass ich jetzt schon seit einem Jahr bei Getreide gern Bulle wäre.

Wieso?

Weil die Getreidepreise ausgesprochen niedrig sind. Sie kratzen am Boden. Ich glaube, Mais habe ich das erste Mal vor über 40 Jahren gehandelt, und zwar zu höheren Preisen als heute.

Berücksichtigt man also die Inflationsentwicklung, sind die Preise ungewöhnlich niedrig.

Genau. Ich habe dieses Jahr schon mehrfach versucht, Getreide zu kaufen, und damit per saldo Verluste gemacht. Mein bestes Getreidegeschäft in diesem Jahr war tatsächlich eine Short-Position in Kansas-City-Weizen. Das war sogar mein drittbestes Geschäft im ganzen Jahr. Und darauf habe ich mich nur eingelassen, weil ich dem Chart einfach nicht widerstehen konnte. Ich dachte, wenn ich bei dieser Formation Kansas-City-Weizen nicht leerverkaufen würde, bräuchte ich niemals wieder einen Blick auf einen Chart zu werfen. Ich musste gegen meinen Instinkt agieren, der mir sagte, dass Getreide einen maßgeblichen Boden bildete.

Welche Ironie – dein bestes Geschäft in diesem Sektor entsprach also gar nicht deinen Erwartungen. Das ist ja, als würde man gegen die eigene Mannschaft wetten.

Ganz genau.

Hat sich das denn im Laufe der Jahre mehrfach bewahrheitet – dass die besten Trades in der Regel die waren, von denen du dir am wenigsten versprochen hattest?

Ich glaube schon. Wenn überhaupt, dann besteht bei mir womöglich eine umgekehrte Wechselbeziehung zwischen meinem Bauchgefühl bei einem Geschäft und dessen Ergebnis.

Woher kommt das deiner Ansicht nach?

Weil es leichter ist, an einen Trade zu glauben, der der gängigen Meinung entspricht. Früher habe ich mich geärgert, wenn ich bei einem Geschäft falsch lag. Ich nahm das persönlich. Inzwischen bin ich stolz darauf, dass ich zehnmal hintereinander daneben liegen kann. Ich habe begriffen, dass meine besondere Stärke auf dem Umstand beruht, dass ich Verluste so gut verkraften kann.

Statt dich über einen Verlust aufzuregen, freust du dich also, dass du diese kleinen Verluste mitnehmen kannst, die verhindern, dass sich ein großer Verlust anhäuft. So betrachtet, ist es ja gar kein Zeichen für einen Fehler im System, wenn man eine Position mit Verlust glattstellt, sondern spricht eher für eine persönliche Stärke, die erklärt, warum du langfristig erfolgreich bist.

Ein Trader muss Verluste wegstecken können. Schließt eine Position mit Verlust, heißt das nicht, dass man etwas falsch gemacht hat. Das Schwierige am Trading ist, dass man manchmal alles richtig macht und trotzdem Geld verliert. Es gibt keine direkte Feedbackschleife, die dir sagt: »Gut gemacht.« Ich kann lediglich die Order kontrollieren, die ich platziere. Auf das Ergebnis der Transaktionen habe ich keinen Einfluss. Wenn ich eine Position eröffne, denke ich mir: »Wenn ich in einem Jahr auf den Chart schaue, werde ich daran dann den Tag und den Preis ersehen können, an und zu dem ich mich engagiert habe?« Kann ich das bejahen, ist es ein gutes Geschäft – ganz gleich, ob ich dabei gewinne oder verliere.

Was hättest du als Trader sonst noch gern von Anfang an gewusst?

Wäre ich in meinen Anfangsjahren schon so risikoscheu gewesen wie heute, hätte ich in den 1980er-Jahren wohl kaum eine so gewaltige Gewinnsträhne gehabt.

Wie hoch waren denn die Risiken, die du damals eingegangen bist?

Oh, bei manchen Transaktionen bis zu 10 Prozent. Nicht bei allen, natürlich, aber manchmal durchaus.

Also bis zum 20-Fachen dessen, was du heute pro Trade riskierst?

Richtig.

Das hört sich ironischerweise so an, als wäre es für dich ein Vorteil gewesen, dass du in jenen frühen Jahren ein falsches Bild von angemessenen Risiken hattest. Ich dachte immer, erfolgreiche Menschen können Erfolg haben, weil sie gewisse angeborene Fähigkeiten, Begabungen oder Motivationen mitbringen, dass aber gewöhnlich auch ein maßgebliches Quäntchen Glück beteiligt ist. Manche Menschen haben alles Potenzial der Welt, und trotzdem klappt es nicht. Deine Geschichte ist ein Beleg dafür. Du hast am Anfang viel falsch gemacht, weil du auf Risiko gefahren bist, doch es ist ausnehmend gut gelaufen für dich. Es hätte ja genauso gut sein können, dass du dein Kapital erneut in den Sand setzt.

Auf jeden Fall, Jack. Mir ist erst in den letzten zehn Jahren zu Bewusstsein gekommen, dass mein Erfolg als Trader in erster Linie dem zuzuschreiben ist, was ich »kosmische Souveränität« nenne. Dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt in das Geschäft eingestiegen bin. Dass ich zu bestimmten Zeiten bestimmte Mentoren hatte. Dass ich beim richtigen Unternehmen anfing. Dass ich aufgrund meiner vorausgegangenen Tätigkeit in der Werbebranche die richtigen Kunden hatte. Dass ich zu einem Zeitpunkt zu traden begann, als die Märkte genau auf meine Art der Charttechnik eingestimmt waren. Ich setzte 10 bis 15 Prozent meines Kapitals auf Long-Positionen im Schweizer Franken und in der D-Mark und ging damit nicht komplett unter, sondern fuhr gigantische Gewinne ein. Das alles kann ich mir nicht selbst auf die Fahne heften. Nichts davon verdanke ich meiner persönlichen Intelligenz oder meinen Fähigkeiten. Nichts davon beruht darauf, wer ich bin. Das ist kosmische Souveränität.

Wie bist du Kapitalverwalter für die Commodities Corporation geworden? [Die Commodities Corporation war ein Eigenhandelsunternehmen aus Princeton, New Jersey. Das Unternehmen wurde zur Legende, weil manche der Trader, denen es Kapital zur Verfügung stellte, später zu den besten der Welt zählten – allen voran wohl Michael Marcus und Bruce Kovner, die im ersten Magier der Märkte-Buch vorkamen.4]

Ich weiß gar nicht mehr, wie das angefangen hat, aber sie kamen auf mich zu. Ich glaube, vielleicht hat mich jemand vom Board of Trade empfohlen. Jedenfalls flog ich zum Vorstellungsgespräch nach Newark und wurde von einer Limousine abgeholt, die mich zum Schloss brachte. [Die Commodities Corporation war nicht wirklich in einem Schloss untergebracht, doch Brandt verwendet diese Bezeichnung, weil er betonen will, wie aufwendig die Büroräume des Unternehmens ausgestattet waren.]

Allerdings, die Büros waren wirklich ansprechend gestaltet – wie eine Galerie. [Ich habe als Research-Analyst für die Commodities Corporation gearbeitet.]

O ja, das war fantastisch!

Weißt du noch, wie das Bewerbungsverfahren genau ablief?

Die Trader waren allesamt ein bisschen verschroben. Typische Akademiker – ganz anders als die Händler, die ich vom Board of Trade kannte.

Welche Summen solltest du für sie verwalten?

Für den Anfang bekam ich 100 000 US-Dollar. Später hoben sie das auf 1 Million US-Dollar an und schließlich auf über 5 Millionen US-Dollar.

Wie war das so als Trader für die Commodities Corporation?

Mein größtes Problem war, dass ich noch nie besonders gut mit größeren Positionen umgehen konnte. Ich wurde nervös, wenn ich mehr als 100 Anleihen auf einmal handeln sollte. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal eine Order über 100 Kontrakte platzierte. Ich zitterte am ganzen Leib. Das machte mich fertig. Ich glaube, so ganz bin ich darüber nie hinweggekommen.

Wie viele Jahre hat es gedauert, bis du für die Commodities Corporation mit größeren Positionen gehandelt hast, die auch mal 100 Anleihen umfassen konnten?

Etwa drei Jahre.

Wirkte sich das gestiegene Volumen auf deine Performance aus?

Allerdings.

Wie?

Ich wurde vorsichtiger. Hält man eine Position über 100 Kontrakte und der Markt zieht einen um einen ganzen Punkt nach unten, dann sind das 100 000 US-Dollar. Ich begann, in Dollar zu denken. Ich handelte nicht mehr mit Blick auf den Markt, sondern mit Blick auf mein Kapital. Das wirkte sich eindeutig auf mein Ergebnis aus. Meine Performance verschlechterte sich ab ungefähr 1991 sichtlich. Heute sehe ich das ganz klar. Damals war mir das, glaube ich, nicht bewusst, doch wenn ich heute zurückschaue, verstehe ich, wie das gelaufen ist.

Wie endete deine Beziehung zur Commodities Corporation?

1992 lief es nicht mehr, und ich verfehlte ihre Benchmarks.

Aber insgesamt hast du der Commodities Corporation doch gute Dienste geleistet?

Sicher. Und es war auch nicht so, als hätte ich größere Verluste verursacht. Das Problem war meine Leistung, die so stark abfiel, dass sie um ein paar Prozent hin oder her auf den Schwellenwert zusteuerte. Außerdem hatte ich mein Handelsvolumen zurückgefahren und setzte einen Großteil des mir zugewiesenen Kapitals gar nicht ein. Also hieß es: »Wieso haben Sie 10 Millionen Dollar auf dem Konto und handeln nur 20-Lot-Positionen?«

Hat dir die Commodities Corporation gekündigt oder bis du aus freien Stücken gegangen?

Es war eine einvernehmliche Entscheidung. Ich hatte einfach nicht mehr denselben Biss wie in den Jahren zuvor.

Hast du für deine eigene Rechnung weitergemacht?

Ja, noch zwei Jahre lang.

Ging es dir besser, als du die Last losgeworden warst, das Depot der Commodities Corporation zu verwalten?

Nein, ich habe mich als Trader einfach nicht mehr wohl gefühlt. Ich hatte damals den Spaß an der Sache verloren. Trading war für mich zur Last geworden. Ich spürte die Diskrepanz zwischen meiner tatsächlichen Leistung und dem, was ich leisten könnte, wie ich wusste. Mit dieser Diskrepanz konnte ich emotional nur schwer umgehen.

Woher kam diese Diskrepanz?

Oh, ich glaube, ich hatte Angst vor der eigenen Courage. Ich war einfach nicht mehr in Form, und ich wusste nicht, wie ich das ändern sollte.

Aber war es nicht doch eine gewisse Erleichterung, dass du das Depot der Commodities Corporation abgegeben hattest?

Eine noch größere Erleichterung empfand ich, als ich auch nicht mehr für eigene Rechnung handeln musste.

Was hast du an dem Tag empfunden, als du dein eigenes Depot geschlossen hast – nur Erleichterung?

Ich hatte gemischte Gefühle. Ein Teil von mir sagte: »Gott sei Dank habe ich das hinter mir.« Ein anderer Teil sagte: »Das ist eine Bankrotterklärung.« Schließlich hatte ich aufgegeben. Was also unterschied mich von jedem anderen, der am Board of Trade die Segel strich?

Wann hast du wieder mit dem Trading angefangen?

Elf Jahre später, 2006. Ich weiß noch genau, wann und wo. Ich saß an meinem Schreibtisch, meine Frau Mona stand links neben mir, und plötzlich schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich es noch einmal versuchen könnte. Ich sagte zu Mona: »Was hältst du davon, wenn ich wieder Rohstoffgeschäfte mache?« Sie war nicht begeistert.

Ich nehme an, weil die letzten paar Jahre als Trader für dich so deprimierend waren.

Sie erinnerte sich natürlich an diese Zeit. Sie sagte: »Willst du das wirklich wieder tun?« Ich erwiderte: »Ich muss.« Und kurz darauf eröffnete ich ein neues Konto.

Du bist 1995 ausgestiegen und hast 2006 wieder angefangen. Hast du in all den Jahren dazwischen denn überhaupt verfolgt, was an der Börse los war?

Keine konkreten Positionen jedenfalls.

Und du hast auch keinen Blick auf Charts geworfen?

Ich hatte nicht einmal eine Charting-Software.

Du hast also elf Jahre lang keinen Chart angeschaut. Und dann plötzlich beschlossen, wieder anzutreten. Gab es einen Auslöser dafür?

Ich glaube, es hat mir einfach gefehlt. Und es lag wohl auch daran, dass meine Börsenkarriere so schlecht geendet hatte. Das wurmte mich. Ich dachte: »Peter, so kannst du das nicht stehen lassen.«

Was geschah nach deiner Rückkehr an die Börse?

Ich war so lange draußen gewesen – ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die Welt auf elektronischen Handel umgestiegen war. Ich weiß noch, wie ich meinen Zeitstempel ausgemottet und einen Stapel Ordertickets gedruckt habe. [Er lacht über seine vorsintflutliche Technik.] Ich wusste nicht einmal, ob meine frühere Methode – die Chartanalyse – überhaupt noch funktionierte. Ein paar meiner ersten Trades liefen recht gut. Es schien, dass die Charts immer noch verlässlich waren. Das kam mir entgegen. Ich hatte zwei richtig gute Jahre.

Warst du denn psychisch wieder voll auf der Höhe?

Ja. Ich hatte richtig Spaß.

Deine zweite Karriere als Trader verlief ausgesprochen erfolgreich. Du hattest aber ein Verlustjahr, das in krassem Kontrast zu allen anderen Jahren steht, seit du wieder Börsengeschäfte machst. [2013 verbuchte Brandt 13 Prozent Verlust, während er in den übrigen Jahren von 2007 bis 2019 im Durchschnitt jedes Jahr 49 Prozent Rendite erzielte. In seinem zweitschwächsten Jahr in diesem Zeitraum machte er 16 Prozent Gewinn.] War 2013 irgendetwas anders?

Ja. Es waren zwei Faktoren, die einander verstärkten. Erstens ist es vermutlich kein Zufall, dass ich mich ausgerechnet 2013 entschied, wieder für Rechnung anderer zu handeln.

Nachdem du so viele Jahre lang nur für eigene Rechnung gehandelt hattest, was veranlasste dich dazu, auch wieder fremdes Kapital zu investieren?

Ich wurde immer wieder von Bekannten gebeten, mich doch um ihr Geld zu kümmern. Erst wollte ich nicht, doch nach einer Weile ließ ich mich durch die vielen Anfragen erweichen und dachte: »Also gut, dann versuche ich es eben.« Im Rückblick frage ich mich heute: »Warum in aller Welt habe ich das getan?« Es gab gar keinen Grund dafür.

Warum bescherte es dir dein einziges Verlustjahr und deine größte Verlustphase nach deinem Wiedereinstieg ins Börsengeschäft 2007, dass du fremdes Kapital verwaltet hast?

Die Verlustphase wäre so oder so eingetreten, aber ich glaube, sie wäre nicht so dramatisch ausgefallen und hätte nicht so lange angehalten. Heute sehe ich das so: Wenn ich für eigene Rechnung Geschäfte machte, war das, als würde ich mit Monopolygeld spekulieren. Mein Trading-Kapital war für mich etwas Abstraktes. Emotional war ich vollkommen distanziert.

Für die meisten Menschen ist das Geld auf ihrem Konto sehr real – alles andere als Monopolygeld. Wie lange konntest du das Geld auf deinem Konto so distanziert betrachten?

Oh, ich glaube, das habe ich mir in meinen ersten paar Börsenjahren angewöhnt – irgendwann in den 1980er-Jahren.

Und ich gehe davon aus, dass sich deine Einstellung zum Tradingkapital änderte, als es um das Geld anderer ging?

Absolut. Sobald ich für meine Freunde Geschäfte machte, ging es für mich plötzlich um echtes Geld. Das brachte mich aus dem Tritt.

Wie lange hast du denn fremdes Kapital verwaltet?

Die ersten Geschäfte mit einem Kundenkonto machte ich im Januar 2013, und im Juni 2014 hatte ich allen Investoren ihr Geld zurückgegeben.

Wie nahe lag der Juni 2014 am Tiefpunkt deiner Verlustphase?

Er war der absolute Tiefpunkt. Und das war sicher kein Zufall. Meiner Ansicht nach war das der Tiefpunkt, weil ich damals allen Anlegern ihr Geld zurückgegeben habe.

Willst du damit sagen, dass sich dein Konto im Anschluss nicht so stark erholt hätte, wenn du das Kapital nicht zurückgezahlt hättest?

Genau das will ich sagen, denn so war es meines Erachtens. Ich glaube, wenn ich den anderen Anlegern ihr Geld damals nicht zurückgegeben hätte, hätte ich mir ein noch tieferes Loch gegraben.

Was war für dich der Auslöser, den anderen ihr Geld zurückzugeben?

Ich habe das Glück, dass ich Trader-Kollegen habe, die ehrlich zu mir sind. Sie wussten, was ich durchmachte, und erkannten, dass es mich als Trader aus der Bahn warf, das Geld anderer Leute zu investieren. Sie rieten mir, damit aufzuhören und wie früher nur für eigene Rechnung Geschäfte zu machen.

Hast du denn damals nicht schon selbst gemerkt, dass es deine geistige Verfassung als Trader beeinträchtigt, wenn du das Kapital anderer verwaltest?

In gewisser Hinsicht wusste ich, was das Problem war, wollte es mir aber nicht eingestehen. Ich scheute mich davor, zu den Anlegern zu gehen, wenn ihre Portfolios am Boden waren, und ihnen zu sagen, dass ich ihnen ihr Kapital zurückgeben will, weil ich es nicht für sie mehren kann.

Wie hoch war der prozentuale Verlust, die die Depots deiner Anleger bei ihrer Auflösung verbuchten?

Ich glaube, im schlimmsten Fall waren es rund 10 Prozent.

Du selbst hast in diesem Zeitraum aber prozentual noch mehr verloren.

Das kam, weil ich mein Portfolio aggressiver gemanagt habe als die Portfolios anderer Anleger.

Du hast vorhin gesagt, dass 2013 zwei Faktoren anders waren. Der eine war, dass du das Geld anderer Anleger verwaltet hast. Und der andere?

Sobald ich eine Position eingegangen bin, halte ich mich gewöhnlich an Regeln. Die Entscheidung für den Einstieg treffe ich aber nach freiem Ermessen. Es gibt Phasen mit vielen falschen Ausbrüchen und Schaukelbewegungen, in denen sich die Märkte nicht nach den Charts richten. Das war ein Beispiel dafür, dass sich mein Ansatz von den Märkten losgelöst hatte. Es kann aber auch vorkommen, dass ich mich von meinem Ansatz löse. Ich bin nicht diszipliniert. Ich bin nicht geduldig. Ich treffe an der Börse manchmal vorschnell Entscheidungen. Ich eröffne Positionen, bevor sie vom Markt bestätigt werden. Ich setze auf wenig aussagekräftige Formationen. Und dann kommt es natürlich auch vor, dass beides zusammentrifft: In solchen Fällen koppelt sich meine Methode von den Märkten ab und ich mich von meiner Methode. So war es 2013 bis Mitte 2014.

Damals stürzten alle CTAs ab. [Ein CTA ist ein Commodity Trading Advisor, die amtliche Bezeichnung für registrierte Manager an den Terminbörsen.5]

Damals hieß es, das Marktverhalten habe sich verändert, und wer als Trader überleben wollte, müsste sich ebenfalls verändern. Ich nahm das für bare Münze und bastelte an meiner Strategie herum.

Inwiefern?

Ich nahm Indikatoren hinzu. Ich setzte auf die Rückkehr zum Mittelwert. [Bei solchen Geschäften verkauft man in Stärke und kauft in Schwäche hinein.]

Aber das entspricht doch ganz und gar nicht deiner Vorgehensweise?

Eben. [Er zieht das Wort vielsagend in die Länge.] Aus lauter Verzweiflung, weil nichts klappen wollte, probierte ich Verschiedenes aus. Es war ein Teufelskreis. Aus der üblichen, drei oder vier Monate andauernden Verlustphase, in der ich 5 Prozent eingebüßt hätte, wurde so ein 18-monatiger Einbruch um 17 Prozent. Ich machte viel länger Verluste als nötig, weil ich dem Herdentrieb erlag.

Hättest du deine Methode auch verändert, wenn du während dieser Phase nicht fremdes Geld verwaltet hättest?

Bestimmt nicht.

Wir haben schon darüber gesprochen, dass es mit deinem Portfolio wieder bergauf ging, nachdem du deinen Anlegern ihr Kapital zurückgegeben hattest. War noch etwas anderes für diese Trendwende bei der Performance verantwortlich?

Ich war dem Irrtum erlegen, dass ich mich verändern müsste, weil die alten Methoden nicht mehr griffen. Doch dann merkte ich, dass ich mich wieder auf meine Grundlagen besinnen musste. Mein Gedankengang war ungefähr: »Ich springe von einem Ansatz zum nächsten. Ich greife nach jedem Strohhalm. Ich weiß ja gar nicht mehr, wo ich stehe. Wenn ich schon untergehe, dann mit der Methode, die ich gut beherrsche.«

Was passierte, nachdem du dich wieder auf deine Standardmethode umgestellt hattest?

Ich verbuchte ein großartiges Jahr, in dem aber auch die Märkte gut mitspielten.

Haben dir die Verlusterfahrungen aus den Jahren 2013/2014 noch etwas anderes gebracht außer der Erkenntnis, dass du grundsätzlich kein fremdes Kapital verwalten willst und der Überzeugung, dass du dich an deine Methode halten solltest?

Nach der Verluststrähne von 2013/2014 sah ich mein Kapital mit anderen Augen. Zuvor hatte ich das Gesamtkapital auf meinem Konto im Blick, offene Transaktionen eingeschlossen. Das ist die konventionelle Betrachtungsweise – und natürlich auch die des IRS. Heute interessieren mich meine offenen Transaktionen nicht mehr. Ich stelle mein Kapital ausschließlich auf der Grundlage geschlossener Positionen dar.

Welchen psychologischen Unterschied macht das für dich?

Die Gewinne aus offenen Trades gehören mir im Grunde nicht. Es ist nicht mein Geld. Deshalb kann es mir gleich sein, ob ich es verliere. Das macht es mir leichter, dem Markt zu ermöglichen, mir wieder etwas entgegenzukommen.

Auch wenn du deine Stops also zunächst sehr eng setzt, gibst du den Märkten mehr Spielraum, sobald du einen Vorsprung hast.