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Trixie, Kevin & Gordon teilen sich eine Wohnung in München. Trixie ist eine Hobby-Hure, Kevin ein junger Stricher. Gordon ist ein gealterter Lebenskünstler, der zwar alles auf der Welt gesehen hatte, doch erfolglos geblieben ist. Trixie hat eine Idee. Sie lässt sich von einem Arzt ihr Hymen wiederherstellen, um ihre Jungfräulichkeit für viel Geld an einen reichen Araber zu verkaufen. Doch dafür braucht sie die Hilfe ihrer beiden Mitbewohner. Erwartungsgemäß läuft nicht alles nach Plan. Diese Geschichte handelt von Sex. Sie handelt von Freundschaft. Und sie handelt von München.
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Seitenzahl: 161
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DIE UNFERTIGEN
Tonbandtranskripte herausgegeben von Aleš Pickar
IMPRESSUM
© Ales Pickar 2015
Lektorat: Dr. Thomas Pohl
Layout & Umschlaggestaltung: Anna macht Urlaub
Titelbild: »kheira« by Photocomptoir (@ fotolia)
http://www.pickar.de
Es war Trixie, die als Erste den Satz »Wir könnten ja ein Buch schreiben« ausgesprochen hatte. Ich erwarte von ihr schließlich auch die – Achtung Ironie – besten Ideen, da sie unentwegt so stoned wie die Cheops–Pyramide ist.
Trixie hat kürzlich ein Buch gelesen, das da draußen total gehypt wurde. Oft sah man stundenlang ihr Gesicht nicht, da es hinter dem zerknickten Buchrücken steckte, während ihre nackten Füße auf dem Glastisch im Wohnzimmer lagen und unbewusst wackelten. Es war eines dieser Bücher, die ich nur anfassen würde, um an die Fernbedienung ranzukommen. Oder, wenn mir somalische Piraten eine Kalaschnikow an die Schläfe drücken würden.
Aber Trixie liest so was. Wenn es alle lesen, liest sie es auch. Insgeheim finde ich es löblich. Sie macht die Drecksarbeit. Ich – arrogantes Arschloch, wie es im Buche steht – lese nur Sachen, die kein anderer lesen will, und bin dadurch von all der angesagten Porno–Pop–Literatur immer etwas isoliert. All die feuchten Literatur–Muschis, die mit irgendwelchen alten Knackern in Anzügen in TV–Talkshows sitzen und sich mit der Rhetorik einer Bravo–Leserin zu erklären versuchen.
Kevin, der liest gar nichts. Seine Bildung scheint komplett von der Playstation zu stammen.
Das könnte man nun als Kritik deuten. Doch mal ehrlich, wann hat zuletzt ein Gamer ein Land zerstört oder einen Krieg angezettelt? Ist es denn zu abwegig, sich vorzustellen, dass Idi Amin oder Lawrenti Beria etwas relaxter gewesen wären, wenn sie eine kleine aber feine Ego–Shooter–Sucht gepflegt hätten? Wenn sie täglich eine oder zwei Stunden gequaked oder gedoomt hätten, um anschließend ihrem blutrünstigen Tagwerk nachzugehen, wären vermutlich eine Menge Hinrichtungen und Foltersitzungen ausgefallen. »Ich kann jetzt nicht, ich muss noch das nächste Level erreichen«, kann von den richtigen Lippen zu einer Formulierung des Lebens werden.
Ich werde diese Quatschtheorie morgen Kevin erzählen. Das wird ihn sicher amüsieren.
Doch zurück zu Trixie ... Nun Trixie, die liest halt alles. Die macht einfach, was man ihr sagt. Sie liest die Werbeslogans, sie liest die Produktbeschreibungen in den Katalogen der »Modernen Hausfrau«, die übrigens gehobene Literatur sind. Geradezu diabolisch. Du musst da mal einen Blick reinwerfen.
Durch Trixie erfahre ich doch noch, was sich so tut, ohne dass ich selbst ins Klo fassen muss. Auf jeden Fall hat sie eines Tages getönt: »Ich sollte ein Buch schreiben! Allein, was ich alles mit irgendwelchen Typen erlebt habe. Und ihr solltet auch ein Buch schreiben!«
Sie hatte gerade die Bong abgesetzt und so erwartete ich keine Offenbarung.
»Wir sollten zusammentragen, was uns alles so passiert ist und was wir alles angestellt haben«, meinte sie weiter. »Es gibt sicher jemanden, den das interessiert.«
Kevin kam gerade herein, wieder mal in seinem orangefarbenen Jogging–Anzug. Er ließ sich aufs Sofa fallen, schob mit seinen Klettverschluss–Turnschuhen einige der leeren Dosen beiseite und legte ebenfalls die Füße auf den Tisch.
»Klingt nach Arbeit«, äußerte er sich. Außerdem sei er sich nicht so sicher, ob er seine Erfahrungen jemanden erzählen möchte. Und schon gar nicht aufschreiben.
Trixie, die ewige Optimistin, zuckte nur mit den Achseln.
»Ach was. Du machst das wie diese Perle aus Berlin.« Vermutlich sprach sie von der öden Helene. »Du erinnerst dich an paar Sachen, zeichnest alles auf, klaust paar Ideen von irgendwelchen fertigen Leuten, die Blogs haben. Den Rest schreibt dann so ein Lektor.«
»Zu was macht uns das, wenn wir von ›fertigen Leuten‹ klauen?«, fragte ich so ganz unverblümt, mehr um sie aufzuziehen.
»Zu den Unfertigen«, meinte Kevin lakonisch, während er sich einen Dübel drehte.
»Ich bin Germanist«, stellte ich schnippisch in den Raum. »Ich schreibe erst ein Buch, wenn ich etwas zu sagen habe.«
»Also nie«, denke ich mir meine Pointe, gewahr dessen, dass meine beiden Freunde (und die Menschen auf diesem Planeten) wenig Sinn für Germanistenwitze haben.
»Du musst mal mit der Zeit gehen, Gordie«, meinte Trixie. Sie saß im Schneidersitz auf dem Sofa. Ihre Zehennägel waren mit irgendeiner grässlichen Kobaltfarbe lackiert und die langen Haare hingen ihr ungewaschen ins Gesicht. »Heute geht’s nicht darum, ein großes Meisterwerk abzuliefern. Ich bin doch nicht so bescheuert, fünf Jahre an irgendeinem Schinken zu arbeiten.«
Ein leichtes Räuspern verließ meine Kehle, vermutlich in Erinnerung an meine unvollendete Dissertation.
»Man muss jetzt auch nicht so lange Texte schreiben, ne. Du tippst paar Seiten zusammen, machst ein Titelbild und lädst es ins Internet hoch. Für fünf Euro oder so.«
»E–Books«, sagte ich verächtlich. »Ich masturbiere analog und altmodisch. Gleiches gilt für Bücher.«
»Du machst es dir über Büchern?«, fragte Kevin und suchte etwas abwesend nach dem Feuerzeug.
»Nein«, wandte ich ein. »Es war eine Metapher. Schaut, ich finde schon, dass das eine edle Idee ist, sich mal etwas belletristisch zu betätigen. Aber ein Buch zu schreiben, ist kein Spaß. Das dauert Monate, manchmal Jahre. Die Überarbeitungen kosten Nerven und Energie und auch dann gibt es nicht den Hauch einer Garantie, dass sich ein Verlag für das Geschriebene interessieren wird.«
»Ich rede nicht von solchen Büchern«, protestierte Trixie. »Ich meine all die anderen Bücher, die schlecht geschrieben sind und die trotzdem jeder kauft.«
»Wer kauft denn schlecht geschriebene Bücher?«, fragte Kevin ganz naiv.
Trixie brach in Gelächter aus.
Obwohl ich nicht unbedingt der Meinung war, sie sei dazu geeignet, die Qualität eines Romans zu bewerten, verstand ich ihren Standpunkt.
»Du musst doch beschissen schreiben, sonst kannst damit nicht fett Cash machen!«, rief sie aus.
»Wisst ihr was?«, ging ich dazwischen, »das könnte eine gute Erfahrung für uns sein. An den eigenen Gedanken zu feilen. Klarheit über sich selbst zu erlangen.«
»Na, ich weiß nicht«, winkte Kevin ab. »Ist mir irgendwie zu schräg.«
»Ja«, dachte ich, »Kevin wird ein Problem bei diesem Projekt sein.«
Er hat diese Angewohnheit, sich immer etwas zurückzunehmen. Doch manchmal muss man einfach die Gelegenheit beim Schopf packen. Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört.
Versteht mich nicht falsch. Ich mag Kev. Aber ich finde, er muss mal anfangen, etwas authentischer zu werden. Was soll zum Beispiel der ganze Kiez–Scheiß? Kevin ist in Straßlach–Dingharting aufgewachsen. Der war mal mit sechzehn für drei Monate in Hamburg und seitdem tut er so, als wäre er Dieter Bockhorn. Also nicht, dass er wüsste, wer das ist. Aber diese ganze Art zu sprechen. Dieses Hamburg–Harburg–Ding, das er in den Süden eingeschleppt hat, ist schon ziemlich seltsam.
[Imitiert Kevin.]
»Hey, Aldder. Was ist Phase?«
Wo sind wir stehengeblieben? Ach ja. Kevin war halt nicht gleich an Bord mit unserer Idee. Typischerweise.
»Sorry, Digger«, sperrte er sich. »Aber das checke ich nicht ganz. Wenn sich ein beschissen geschriebenes Buch gut verkaufen würde, müsste sich das doch sofort rumsprechen. Das würden doch gleich alle nachmachen und jeder hätte sein eigenes mieses Buch auf dem Markt.«
»Willkommen in der deutschen Literaturlandschaft!«, rief ich ihm heiter zu.
»Wenn‘s abgefuckt genug ist«, meinte Trixie, »wird da auch ein Verlag was für zahlen.«
Das war natürlich ein recht alberner Optimismus. Ich weiß nicht genau warum, aber immer wenn Trixie irgendwas erzählt, muss ich an diesen Witz denken: Ein achtjähriger Junge sagt auf dem Weg zur Schule zu seinem besten Freund: »In der Kommode meiner Mutter liegt ein ganz riesiger Dildo.« Sagt der Freund: »Was ist eine Kommode?«
Aber an diesem Punkt der Geschichte sah ich mich nicht dazu berufen, Trixies Illusionen zu zerschlagen. Ist doch gut, wenn die Kids sich mit was Kreativem beschäftigen. Warum soll ich immer derjenige sein, der bei einer Hobbyraum–Party als Erster den Satz ausspricht: »Sind denn keine Frauen gekommen?«
»Mann, Mann, Mann«, brummte damals Kevin. »Wenn meine Alten aus‘m Buch rauskriegen würden, was ich so mache, würden die mich inne Klapse stecken. Ich will kein Kopfpillen–Junkie in Gabersee sein.«
»Man schickt niemanden nach Gabersee, nur weil er seinen Arsch verkauft«, argumentierte ich gelassen. »So viel Platz haben die da nicht.«
»Das sagst du so, weil du meine Alten nicht kennst.«
»Denk an die Kohle, die du da machen kannst ...«, wandte Trixie ein.
„In Gabersee?“
„Nein, mit dem Buuuuuuch!“, schrie Trixie.
»Ist doch schon alles gesagt und geschrieben«, mäkelte Kevin, der Spaßverderber, herum.
»Rauch noch was«, sagte ich nur. »Dann siehst du das etwas positiver. Außerdem können wir unsere Namen ändern. Hm–hm–hm nennen wir ohnehin schon seit Jahren Trixie. Hm–hm–hm–hm wird zu ... sagen wir mal ... Kevin. Und ich werde Gordon heißen. Und schon ist das Problem aus der Welt geschafft, dass eure Psycho–Eltern irgendwann vor der Tür stehen und einen Sektenexperten dabei haben, der euch aus meiner Macht deprogrammieren soll.«
Sie starrten mich schweigend an, als hätten sie eine Erleuchtung erfahren.
Trixie pustete den Rauch aus. Für paar Sekunden sah das aus, als ob mitten im Zimmer der Kondensationsstreifen eines Kampfjets hinge.
»Du willst echt Gordon heißen?«, gluckste sie.
»Es ist nur für das Buch«, verteidigte ich. »So wie Gordon Gekko. Soll ich mich etwa Guntram nennen?«
»Ich will nicht Kevin heißen«, meinte Kevin verkniffen.
»Wie willst du dann heißen?«
»Ähm ... Ich will Rocco heißen. Oder Hector.«
»Du Schwuchtel, du!«, rufe ich ihm zu, während Trixie wieder in Gelächter ausbricht.
Ist das Ding an? Läuft das schon? Das rote Licht hat vorhin ... [Unverständliches Gemurmel im Hintergrund.] Na es hat geblinkt, aber jetzt leuchtet es ständig. Okay.
[Knistern von Zigarettenpapier und Drehtabak.]
Also Trixie, aber das weißt du ja ... Du, ich sag einfach Sachen, als ob du gar nichts weißt, oder? Ich mein, das ist ja dann später der Leser, oder? Ist nicht so, als ob ich jetzt mit dir rede, also dir als Gordon, sondern ...
[Unverständliches Gemurmel im Hintergrund.]
Also Trixie, die schafft ja an. Macht sie schon, seit sie siebzehn ist und heut ist sie ... Wie alt is‘n unsre Trixie? Dreiundzwanzig, oder? Fünfundzwanzig? Kommt auf jeden Fall immer mit irgendeiner verrückten Idee an, dass man sich vor Lachen den Bauch festhalten muss. So wie einmal, als sie diese Idee hatte, irgendwelche Energiesteine zu verkaufen. Sie hat einfach an der Isar Steine gesammelt, sie mit Filzstift bemalt, sie dann Karma–Steine oder irgendwie so genannt und sie dann in eBay angeboten. Da ham echt paar bestellt. Finde ich geil so was. Aber so‘n Hunni wollte dafür keiner zahlen. Wir haben dann mit Taschenrechner kalkuliert und auf dem Zeitungspapier Zahlen gekritzelt und rausgefunden, dass die Gewinnspanne total mies war. Wenn jeder da einen Hunni gezahlt hätte, aber so ...
Rechne mal die Zeit zusammen! Unter der Wittelsbacherbrücke rumlaufen, Rucksack voller Steine wird immer schwerer, dann daheim alle Steine waschen, mit irgendwelchen Linien bekritzeln, Foto mit Handy machen, alles bei eBay hochladen. Am Ende reicht das Geld grad mal, um sich die Kondome für den anderen Job zu finanzieren.
[Geräusch von Feuerzeug.]
Aber ich will ja nicht von den Isar–Steinen reden. Ich will ja von Trixies Jungfernhäutchen reden.
[Kevin kichert vor sich hin.]
Also die Trixie kommt da eines Tages rein mit einem Artikel in der Zeitschrift. Dass im Islam angeblich jede zehnte Frau zum Arzt geht, wo sie sich die Jungfräulichkeit herstellen lässt, weil sie bei der Hochzeit Jungfrau sein muss. Muss ja stimmen, wenn‘s in der Zeitung steht.
»Ich werde das machen!«, erklärt sie uns. Mein Gesicht ist da gleich in einem doofen Lächeln erstarrt. Ich schau zu Gordon, der genauso blöd guckt.
Der sagt natürlich ...
[Kevin kichert wieder.]
»Schatz, kannste gerne machen, aber du weißt schon, dass das bei dir grad mal zwei Tage hält?«
Darauf Trixie: »Ihr seids doch einfach nur blöde Affen! Ich aber, ich habe Sinn fürs Business.«
»Willst du dich jetzt auf Araber spezialisieren?«, fragt gleich der Gordon.
»Meinen Araber kannste nicht haben«, rutscht mir so aus. »Der ist vollständig vom andern Ufer. Außerdem war der erst in München und kommt in vier Monaten wieder.«
Also der Rashid, der ist mein Lieblingskunde. Ein schwuler Saudi, der wirklich viel zahlt. Niemand fasst meinen Rashid an! Die bloße Vorstellung, dass Trix ihn mit ihrem Hymen verhexen würde, so dass er plötzlich eine Hete ist ... Nix da!
Die Trixie hat gleich alles vorgerechnet: »Die OP kostet dreihundert oder vierhundert Teuronen und ich kann mindestens fünfzehnhundert abkassieren. Wenn ich das so alle zwei Monate mache ...«
»Kraaaaass ... Wo findest du denn einen Arzt, der das mitmacht?«, wundere ich mich gleich. »Das muss irgendeine abgestürzte Type sein. So einer wie Gordon ...«
»Sachte, sachte!«, meint darauf Gordon. »Kann man das eigentlich irgendwo lernen? Wenn ich es draufhabe, kann ich dir deinen Pfirsich jede Woche zunähen, wenn du magst ...«
»Idioten!«, faucht uns die Trixie an, während Gordon und ich in totales Gekicher ausbrechen und uns gegenseitig High five geben.
Mann, Mann, Mann, die Trixie, du ... Ich sag’s dir.
Also drei Wochen später kommt sie mal rein. Gordon und ich sitzen gerade da und schauen Futurama.
»Ich war in Linz«, meldet sie stolz.
»Cool«, sagt Gordon, ohne hochzublicken. »Ist Österreich, oder?«
»Ich hatte die OP«, darauf Trixie.
»Was für OP?«, brumme ich, ohne sie anzuschauen.
»Ich brauche einen Araber!«, ruft sie mir zu. »Ich verschenk das jetzt nicht an irgendeinen Deppen aus Giesing, der dann auch noch über den Preis verhandelt!«
Ich wundere mich, was Trixie da eigentlich redet und blicke kurz hoch. Sie trägt ein langes Laken am Körper, so einen schwarzen Burnus und ihr Kopf ist voll verhüllt.
Ich erschrecke mich ziemlich. Als würde da eine riesige Krähe im Zimmer stehen.
»Fuck, Trixie!!! Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?!«
Auch Gordon steht überrascht auf. Er stellt die Bong hin und geht um den Tisch herum.
»In deinem Alter unwahrscheinlich, Kevin«, erklärt er mir im Vorbeigehen und schaut wieder Trix an. »Mädchen, vertraue einem alten Mann. Das ist nicht die passende Religion für dich.«
»Blödmann«, faucht Trixie unter der schwarzen Haube.
»Wieso läufste in so einem Kaftan rum?«, möchte ich langsam mal wissen.
»Das ist ’ne Burka«, sie darauf.
»Eine Softskill–Frage für den Anfang«, sagt Gordon. »Woher hast du eine Burka?«
Trixie darauf: »E–Bay.«
Sie lässt sich auf ihren Sessel fallen.
»Und du bist so in der Stadt herumgelaufen?«
»Das ist ziemlich geil«, meint sie. »Jeder lässt dich in Ruhe. Niemand macht dich an. Ich war einen ganzen Tag unterwegs und kein blöder Spruch ... Ich glaube, die Luschen glauben alle, dass ich eine rachsüchtige Familie habe oder einen Bruder bei al–Qaida und da traut sich keiner, mich blöd anzumachen.«
»Bis du dann irgendwelchen Neonazis begegnest«, brummt Gordon.
Er setzt sich auch wieder hin und reibt sich die Schläfen und die Augenbrauen.
»Was ist mit der Frauenunterdrückung? Du willst doch nicht wirklich in so einem Sack herumlaufen, oder?«
[Kevin kichert.]
Trixie – voll den Knall. Gordon hat da echt etwas blass gewirkt.
»Mir ging es nur darum, Doktor Prochazka zu überzeugen, dass ich eine Muslima auf dem Weg nach Katar bin.«
»Katar«, wiederholen wir beide und blicken dumm aus der Wäsche.
»Wegen dem Jungfernhäutchen!«, stößt sie aus.
»Ahhhhh«, sagen wir beide fast gleichzeitig und schlagen uns mit der Hand gegen die Stirn. »Ach, daaaaaaas ...«
Gordon natürlich gleich: »Es müsste eigentlich heißen ›wegen des Jungfernhäutchens‹, aber das tut im Augenblick sehr wenig zur Sache.«
»Bah, ihr seid so dummgekifft!«, schreit uns die Trixie an. »Ich rede mir den Mund fusselig, dass ich das durchziehen will und dass ich einen Termin bei einem Ösiarzt habe. Ich hab doch letzte Woche, als der Paketfahrer wieder weg war, gesagt: Das muss meine neue Burka sein.«
»Ich dachte, das wäre ein Witz gewesen«, erkläre ich. »Mensch, Trixie, wer kommt’n auf die Idee, außerhalb von Fasching ’ne Burka zu bestellen?«
»Wer trägt denn am Fasching eine Burka?«, fragt mich Gordon, der ewige Besserwisser, mit gerunzelter Stirn.
Dann dreht er sich wieder zu Trixie und seine Augenbrauen gehen nach oben. Ungefähr so ... Ach so, das kann dann keiner sehen, weil das geschrieben wird.
Also er schaut sie an und meint ganz ungläubig: »Okay, dann eine Frage, weil sonst mein Kopf explodiert. Du bist in einer Burka zum Arzt rein. Wie in aller Welt hat ein gebildeter Mann geglaubt, dass du – mit deinem Münchner Dialekt – eine Araaaa–berin bist? Und bitte erzähl mir nicht, dass du die ganze Zeit versucht hattest, mit einem arabischen Akzent zu sprechen.«
»Ihr Honks!«, mault Trixie.
»Was habe ich denn gesagt?«, meine ich überrascht und zeige auf Gordon.
»Ich habe natürlich nicht so getan, als wäre ich aus Araaaabien«, erzählt sie geduldig. »Ich war ein normales Mädel aus München, das nun mit einem reichen Geschäftsmann aus den Emiraten verlobt ist. Der Herr Doktor hatte das Problem gleich verstanden ...«
»Wow«, rutscht mir aus. »Und du bist jetzt Jungfrau?«
»Hymenalrekonstruktion«, sagt sie.
Klingt voll gebildet.
»Revirgination«, darauf Gordon, der immer seinen Senf dazugeben muss, wenn jemand was Gebildetes sagt.
Sie beginnt diesen endlosen schwarzen Vorhang hochzurollen, bis wir beide in ihren Schritt blicken können. Sie trägt einen einfachen weißen Slip, in dem sich eine kleine Kompresse befindet. Trixie entfernt sie und wirft sie auf den Tisch. Da ist ein kleiner Blutfleck zu sehen, kaum größer als bei einer Blutabnahme. Dann schiebt sie das Höschen etwas beiseite, um uns sehen zu lassen. Eigentlich war das mehr Information, als ich gebraucht habe.
»Na hier!«, ruft sie und zieht ihre Schamlippen weiter auseinander.
»Hundert Lire pro Person«, flüstert Gordon. Ich kapiere nicht, was er meint. Aber er sagt immer so schrullige Sachen.
Er setzt sich nachdenklich hin, während Trixie so lieb ist und ihre Muschi wieder verdeckt. Gordon erzählt dann von einem Typ, der Malaparte heißt und dieses Buch über den Zweiten Weltkrieg geschrieben hat. Und davon, wie er in Italien eine Jungfrau gesehen hatte, die von ihren Eltern ausgestellt wurde. Die amerikanischen Soldaten mussten jeweils hundert Lire zahlen. Dann dürften sie einzeln hinter den Vorhang treten, wo sie auf dem Bett saß und sie durften sich einige Augenblicke das Wunder von Rom ansehen.
Das ist irgendwie so eine seltsame Sache mit Gordon. Ich meine, ich weiß genau, dass er Trixie noch nie gevögelt hat. Hab das nie kapiert. Sogar ich habe ihm mal den Schwanz geblasen und das war nur eine Wette, weil wir besoffen waren und er meinte, ich würde ihm nie einen Steifen verpassen. Nach einer halben Minute hatte er mir fast das Auge ausgestochen ... Ich weiß aber genau, dass Gordon nicht schwul ist. Trotzdem ... Welcher alte Sack über vierzig schafft es, die Finger von einer durchgeknallten Schnalle zu lassen, die in seiner Wohnung lebt und bei Bedarf die Beine breitmacht? Es gibt Dinge auf dieser Welt, die kapier ich einfach nicht.
»Was jetzt?«, fragte er Trixie. »Ich habe das Gefühl, du hast das nicht gerade durchdacht.«
»Kevins Araber ist schwul. Also brauche ich einen von deinen Arabern«, meint sie.
»Meinen Arabern?«, wundert sich Gordon. „Ich kenne keine Araber.“
»Du hast doch jahrelang Arabern Pornos verkauft, oder?«