Die unheimliche Yacht - Günter Dönges - E-Book

Die unheimliche Yacht E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Butler Josuah Parker hatte sich ausgerüstet, als müsse er an einem kriegerischen Landeunternehmen teilnehmen. Selbstverständlich war er wie üblich gekleidet: Er trug auf dem Kopf die unvermeidliche Melone in schwarzer Farbe, den schwarzen Covercoat, schwarze Schuhe und natürlich auch die schwarzen Zwirnhandschuhe. Er trug allerdings noch viel mehr. Er hatte eine Schwimmweste angelegt, die sich malerisch um seinen Hals schlang. Da sie leider eine graue Farbe aufwies, störte das den Gesamteindruck erheblich. In der linken Hand schleppte der Butler einen riesigen Koffer mit, der, wie konnte es anders sein, natürlich ebenfalls diskret schwarz abgepinselt war. In der rechten Hand hielt er ein zusammengerolltes Schlauchboot, das beim Gehen recht hinderlich war. Unter dem Arm hatte Josuah Parker sich das »Handbuch zur Rettung Schiffbrüchiger« geklemmt, einen beachtlich dicken Band, der sein Gewicht haben mußte. Unter dem linken Arm befand sich, in einer etwas dünneren Ausgabe, eine »Anleitung zur behelfsmäßigen Navigation« sowie ein ausführlicher Leitfaden über das »Erlernen des Schwimmens im Selbsttraining«. Nicht sichtbar, aber dennoch vorhanden, waren ein »Schnellkurs zum provisorischen Bau von Flößen und Kanus« sowie eine bebilderte Ausgabe über »Umgang mit Haien und deren Artgenossen«. Ganz zu schweigen von handlichen Broschüren, die spezielle Themen vom Leben auf hoher See abhandelten. Josuah Parker ging nicht zu seinem Privatvergnügen an Bord der »Sulla«, einer beachtlichen Motoryacht, die im Hafen von Cienfuegos an der Südseite Kubas festgemacht hatte. Parker haßte Hafenstädte dieser Art, die nach außen hin romantisch wirkten, in Wirklichkeit aber für seine Begriffe nichts anderes waren als eine Anhäufung von lastender Hitze, Dreck, Gestank, aufdringlichen Tagedieben und Langeweile. Gerade hier in Cienfuegos vermißte er die britische Ordnung, Klarheit und Zielstrebigkeit. Nun, Josuah Parker durfte man diesen Standpunkt nicht sonderlich übelnehmen. Er war Engländer mit Leib und Seele.

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Der exzellente Butler Parker – 107 –

Die unheimliche Yacht

Günter Dönges

Butler Josuah Parker hatte sich ausgerüstet, als müsse er an einem kriegerischen Landeunternehmen teilnehmen.

Selbstverständlich war er wie üblich gekleidet: Er trug auf dem Kopf die unvermeidliche Melone in schwarzer Farbe, den schwarzen Covercoat, schwarze Schuhe und natürlich auch die schwarzen Zwirnhandschuhe.

Er trug allerdings noch viel mehr.

Er hatte eine Schwimmweste angelegt, die sich malerisch um seinen Hals schlang. Da sie leider eine graue Farbe aufwies, störte das den Gesamteindruck erheblich. In der linken Hand schleppte der Butler einen riesigen Koffer mit, der, wie konnte es anders sein, natürlich ebenfalls diskret schwarz abgepinselt war. In der rechten Hand hielt er ein zusammengerolltes Schlauchboot, das beim Gehen recht hinderlich war.

Unter dem Arm hatte Josuah Parker sich das »Handbuch zur Rettung Schiffbrüchiger« geklemmt, einen beachtlich dicken Band, der sein Gewicht haben mußte. Unter dem linken Arm befand sich, in einer etwas dünneren Ausgabe, eine »Anleitung zur behelfsmäßigen Navigation« sowie ein ausführlicher Leitfaden über das »Erlernen des Schwimmens im Selbsttraining«.

Nicht sichtbar, aber dennoch vorhanden, waren ein »Schnellkurs zum provisorischen Bau von Flößen und Kanus« sowie eine bebilderte Ausgabe über »Umgang mit Haien und deren Artgenossen«. Ganz zu schweigen von handlichen Broschüren, die spezielle Themen vom Leben auf hoher See abhandelten.

Josuah Parker ging nicht zu seinem Privatvergnügen an Bord der »Sulla«, einer beachtlichen Motoryacht, die im Hafen von Cienfuegos an der Südseite Kubas festgemacht hatte. Parker haßte Hafenstädte dieser Art, die nach außen hin romantisch wirkten, in Wirklichkeit aber für seine Begriffe nichts anderes waren als eine Anhäufung von lastender Hitze, Dreck, Gestank, aufdringlichen Tagedieben und Langeweile. Gerade hier in Cienfuegos vermißte er die britische Ordnung, Klarheit und Zielstrebigkeit. Nun, Josuah Parker durfte man diesen Standpunkt nicht sonderlich übelnehmen. Er war Engländer mit Leib und Seele. Er verkörperte darüber hinaus die Tradition des englischen Butlers, wie er heute noch in großen Landsitzen und Schlössern des Hochadels zu finden ist.

Sein Leitmotiv war die Würde um jeden Preis, wenn sie auch auf andere Menschen oft lächerlich, zumindest aber skurril wirkte. Das drückte sich äußerlich in seiner Kleidung aus, die er selbst in den Tropen bei der verrücktesten Hitze niemals ablegte. Er schwitzte lieber, als daß man ihm nachsagen könnte, er habe gegen die Etikette verstoßen.

Wie gesagt, Josuah Parker war nicht zu seinem Privatvergnügen nach Cienfuegos gekommen, um an Bord der »Sulla« zu gehen. Mike Rander, ein bekannter Strafverteidiger und Amateurdetektiv aus Chikago, hatte ihn hierher beordert, ein Ruf, dem Parker selbstverständlich sofort gefolgt war. Parker arbeitete bereits seit Jahren für Rander. Er führte ihm das Haus in Chikago und bemühte sich bisher ohne jeden Erfolg darum, aus seinem Chef einen Engländer zu machen. Im Lauf der Zeit hatte er sich zu einem erstklassigen Detektiv entwickelt, den Rander um keinen Preis der Welt je wieder hätte missen wollen.

»Um Gottes willen, Parker, was schleppen Sie denn da alles mit?« fragte Mike Rander entsetzt, der ihn an Bord empfing. »Der Südpol ist bereits erschlossen worden, man hat den Mount Everest erstiegen und auch die weißen Flecke in Brasilien grün gefärbt.«

»Sir«, erwiderte Parker voller Würde. »Sie wissen, wie ich das Wasser in jeder Form hasse. Ich habe mir erlaubt, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Heute erst las ich in der Zeitung von einem Schiffsuntergang. Man kritisierte die mangelnde Ausrüstung an Rettungsbooten.«

»Einen zusammenlegbaren Hubschrauber haben Sie hoffentlich nicht mitgebracht«, erwiderte Rander grinsend. »Schwitzen Sie eigentlich nicht in diesem Aufzug …? Ich habe eben erfahren, daß wir rund 40 Grad haben …«

»Ich erlaube mir nicht zu schwitzen«, erwiderte Parker feierlich, »wenngleich ich nicht verhehlen möchte, daß mir jetzt ein Glas Eiswasser munden würde …«

»Das ist ja ein beachtliches Eingeständnis Ihrer menschlichen Schwäche«, sagte Rander lächelnd. »Kommen Sie mit unter Deck – dort läßt es sich einigermaßen aushalten. Ich werde Ihnen dann auch zeigen, wo Sie Ihre Beiladung ablegen können … Wie gefällt Ihnen die Yacht?«

»Ich muß zugeben, daß sie gut in Farbe ist«, antwortete Parker und zerrte das Schlauchboot von der Reling los, »wenngleich mir die beiden Seeleute oben auf der Brücke recht unordentlich vorkamen.«

»Ich bin gespannt, wann auch Sie nur noch in Shorts und Hemd herumlaufen werden«, erwiderte Mike Rander, ein mittelgroßer, schlanker Mann, der etwa 38 Jahre alt sein mochte. Er wirkte wie ein netter, großer Junge, was durch sein braunes Haar und seine braunen Augen noch zusätzlich unterstrichen wurde.

Rander übernahm die Führung und brachte seinen Butler unter Deck. Am Ende eines Ganges, der durch eine Stahltür abgeschlossen wurde, befand sich Parkers Kabine, die selbstverständlich auch mit einem kleinen Wasch- und Duschraum ausgestattet war.

Rander setzte sich auf das Bett und zündete sich eine Zigarette an. Er sah zu, wie Parker mit gemessenen Bewegungen seine Ausrüstung verstaute.

»Werden Sie gegen die guten Sitten und Formen verstoßen, wenn Sie diesen scheußlichen Covercoat ablegen?« fragte Rander.

»Ich glaube, mir diese Erleichterung gestatten zu dürfen«, antwortete der Butler nach kurzem Überlegen. »Sir, ich möchte natürlich um keinen Preis der Welt irgendwie neugierig wirken oder Sie drängen, aber läßt es sich von Ihnen aus ermöglichen, mir zu berichten, was sich hier an Bord der ›Sulla‹ abgespielt hat?«

»Meiner Schätzung nach Mord«, erwiderte Rander. »Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, will ich Ihnen erst einmal sagen, wer sich an Bord der ›Sulla‹ befindet. Sie wissen dann wenigstens, mit welchen Personen Sie es in Zukunft zu tun haben werden.«

»Sir, haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir einige Notizen mache?« erkundigte sich der Butler »Sie wissen, ich bevorzuge ein methodisches Vorgehen.«

»Nichts dagegen einzuwenden. Karteikarten brauchen Sie aber nicht gerade anzulegen.«

Butler Parker ließ sich jedoch nicht in seinen Vorbereitungen stören. Er packte ein umfangreiches Notizbuch aus und förderte Bleistift und Spitzer zutage. Behutsam spitzte er den Bleistift nach und sah dann Rander erwartungsvoll an.

»Die ›Sulla‹«, begann Rander, »gehört Mister Clark Strander, der Ihnen als Ölmagnat bekannt sein dürfte. Er hatte diese Ferienreise für Freunde und Bekannte arrangiert. Sie wissen, ich bin vor etwa vierzehn Tagen in Miami zugestoßen. Wir fuhren zuerst nach Haiti, dann hinüber zu den Kleinen Antillen. Auf der Rückreise legten wir zuerst in Puerto Rico an, und dann nahmen wir Kurs auf Jamaica und Cienfuegos. Zwischen Montego auf Jamaica und Cienfuegos ereignete sich dieser angebliche Unfall, den ich als Mord betrachte.«

»Darf ich mir die Freiheit erlauben, Sir, jetzt nach den Namen der Gäste zu fragen?« sagte Parker und senkte die Bleistiftspitze auf das Papier.

»Natürlich, also halten Sie folgendes fest: Zuerst erwähne ich das Personal an Bord … Strander hat sich damit sehr gut ausgerüstet. Es gibt sechs Seeleute, zwei Stewards, zwei Köche, den Kapitän und den Steuermann, der gleichzeitig als Erster Offizier fungiert. Haben Sie das?«

»Bereits notiert«, erwiderte Parker gelassen.

»Schön, dann jetzt also die Fahrgäste«, zählte Mike Rander weiter auf. »Zuerst haben wir da Strander, dann eine Helen Grade, die Schauspielerin sein soll, obgleich sie bisher noch keine Rolle erhalten hat. Sie bemüht sich sehr um Strander, aber das nur am Rande.

Dann ist da ein gewisser Mike Vellers, der Makler ist. Ferner Richard Strollen, ein Schauspieler, dessen große Zeit längst vorüber ist. Er wird von allen immer nur gehänselt und ärgert sich jedesmal prompt wie auf Bestellung. Vor ihm müssen Sie sich besonders hüten, Parker. Er ist geradezu versessen darauf, von alten, besseren Zeiten zu erzählen. Wenn er erst einmal anfängt, dann hört er so leicht nicht wieder auf.

Dann haben wir es ferner mit Walter B. Winchel zu tun, einem Filmproduzenten, der sich von Strander eine Menge Geld erhofft, um einen Film drehen zu können. Als Lockvogel hat er eine Schriftstellerin mitgebracht, die sich Liz Talbot nennt.

Und schließlich befindet sich an Bord noch Michael Trotters. Das heißt, er befand sich an Bord …«

»Darf ich vermuten daß dies der Tote ist, der ermordet wurde?«

»Richtig, Trotters war Sekretär von Strander. Der angebliche Unfall, der ihm zustieß, ist mehr als merkwürdig. Warum, will ich Ihnen auch gleich sagen, Parker … Vor zwei Nächten, es war gegen Morgen, erscholl der Ruf ›Mann über Bord‹. Selbstverständlich stoppte die ›Sulla‹ sofort. Wir suchten mit dem Scheinwerfer die Wasseroberfläche ab, aber wir konnten einfach nichts ausmachen. Es war wie verhext. Die See lag vollkommen still, dennoch war nichts zu entdecken. Nach stundenlangem Suchen gaben wir bei Helligkeit endlich auf: Trotters blieb verschwunden.«

»Ich höre, Sir, ich höre …«, sagte Parker nur und malte unverständliche Zeichen in sein Notizbuch.

»An Bord herrschte natürlich die Meinung, es habe sich um einen Unfall gehandelt, ich aber glaube nicht daran. Es muß ein Mord gewesen sein.«

»Sir, ich würde sagen, wenn Sie einen Mord vermuten, dann, dann muß ein Mord vorliegen«, erklärte Butler Parker mit Nachdruck. »Darf ich übrigens an dieser Stelle einflechten, daß ich diese Bemerkung nicht als glatte Schmeichelei aufgefaßt wissen möchte. Das Gegenteil ist eher der Fall, denn …«

»So sind Sie doch um Himmels willen erst einmal still«, sagte Mike Rander und hob in entsetzter Abwehr die Hände. »Lassen Sie mich erst mal ausreden.«

»Sir, Sie wissen, Ihre Wünsche sind mir immer Befehl gewesen und …«

»Also, ich komme wieder zur Sache«, redete Mike Rander schnell weiter. »Einige Stunden nach diesem angeblichen Unfall lag ich in meiner Kabine. Meiner Schätzung nach war es etwa um Mitternacht. Im Einschlafen hörte ich plötzlich ein Geräusch, als wenn ein schwerer Gegenstand ins Wasser gefallen wäre … Sie können sich vorstellen, daß ich hochschreckte. Ich trat ans Bullauge, konnte aber nichts sehen. Ich zog mir den Morgenmantel über und rannte nach oben. An Deck war alles vollkommen leer, bis auf einen Matrosen, der hinter dem Aufbau hervortrat und auf mich einen recht nervösen Eindruck machte. Ich fragte den Mann nach dem Geräusch, er aber will nichts gehört haben. Nun, ich beruhigte mich wieder, aber als später dann Trotters vermißt wurde, da kamen mir doch einige Bedenken.«

»Sir, haben Sie schon mit Mister Strander gesprochen?«

»Nein …, ich kann ja nichts beweisen …, Parker, wir müssen alles daransetzen, hier Klarheit zu schaffen. Mein Gefühl sagt mir, daß ein Verbrechen vorliegt. Was halten Sie von der Sache?«

»Sir, natürlich kann ich mir noch kein vollständiges Bild von den Vorfällen machen«, erwiderte der Butler. »Wenn Sie gestatten, werde ich mir eine meiner Zigarren anzünden und nachdenken. Ich hoffe, Sir, daß Sie das nicht stört.«

»Wie sollte mich das stören«, erwiderte Mike Rander hastig und spurtete bereits zur Tür. »Ich werde natürlich nicht in der Kabine bleiben. Schwefeln Sie Ihre Kabine ruhig aus. Sie erreichen mich in der Bar …«

*

Gegen Abend legte die »Sulla« ab, um ihre Fahrt fortzusetzen. Butler Parker, der bereits von Mike Rander den Gästen an Bord vorgestellt worden war, stand an der Reling und rümpfte die Nase. Dann wendete er sich ab und verschwendete keinen Blick mehr an den Hafen. Er schritt an den Aufbauten vorbei, lüftete einige Male höflich seine Melone und stellte sich an den Bug. Wie ein wagemutiger Seemann wirkte er dort gerade nicht, wenn er auch kühne Blicke auf die See hinauswarf. Mit der Krücke seines altväterlichen Regenschirms hielt er sich völlig unnötigerweise die Melone fest und bot auf den ersten Blick das Bild eines Mannes, der sich seinem Schicksal stellen will.

Sein Hirn arbeitete bereits auf Hochtouren. Er unterstellte von vornherein, daß die Beobachtungen Mike Randers richtig waren und zutrafen. Wenn man von einem Mord ausging, so blieb die Frage offen, warum man Trotters, den Sekretär des Schiffseigners, umgebracht hatte. Aus Haß, Feindschaft oder aus Habgier?

Parker wendete sich ab und grüßte sehr gemessen und zurückhaltend einige Gäste Stranders, die in Liegestühlen lagen, ihm amüsiert nachschauten und dann ungeniert einige mehr als treffende Bemerkungen machten. Butler Parker war es gewohnt, daß man ihn nicht ernst nahm. Im Grunde war er mit solch einer Einschätzung durchaus einverstanden. Man gab ihm so wenigstens Gelegenheit, ungestört arbeiten und ermitteln zu können.

»Na, Parker, haben Sie sich mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht?« erkundigte sich Mike Rander, der ihn am Niedergang zu den Kabinen abgefangen hatte.

»Sir, ich glaube, einen Weg gefunden zu haben, den Fall zu klären«, sagte Parker.

»Ich wußte es … Das Fahrgeld ist also nicht umsonst ausgegeben worden. Aber bevor Sie in Einzelheiten steigen, Parker, wollen wir erst einmal zu Abend essen …, es ist bereits gedeckt. Sie essen an meinem Tisch. Wir haben das Vergnügen, mit Strander zusammenzusitzen. Er ist überrascht, daß ich einen echt englischen Butler aufweisen kann … Ich dürfte in seiner Achtung ungemein gestiegen sein. Es kann durchaus sein, daß er Sie engagieren will.«

»Sir, ich sehe, wenn ich mir die vorlaute Bemerkung erlauben darf, solchen Versuchen mit einigem Vergnügen entgegen«, meinte der Butler. »Jedoch möchte ich darauf hinweisen, daß ein Butler niemals am Tisch seines …«

»Wenn Sie mit dieser Regelung nicht einverstanden sind, können Sie aussteigen und zurück nach Cienfuegos schwimmen«, erwiderte Rander. »Soweit ich mich erinnere, haben Sie ja ein Schlauchboot mitgebracht …«

»Sir, nur unter Protest werde ich mich mit Ihnen an einen Tisch setzen«, erwiderte Parker würdevoll. »Sie vergewaltigen meine Berufsethik und meine Standesmoral.«

»Es wird Ihnen hoffentlich dennoch schmecken«, sagte Rander. »Vielleicht können wir das Gespräch auf Trotters bringen … Strander wird nur zu gern darauf eingehen.«

Die Gäste des Ölmagnaten fanden sich nacheinander in dem kleinen Salon ein, in dem gegessen wurde. Man gab sich recht zwanglos und hatte, wie Parker entsetzt feststellte, noch nicht einmal Messejacketts oder Smokings angezogen. Von Abendkleidern ganz zu schweigen. Die beiden Stewards hatten alle Hände voll zu tun, um die reichhaltigen Speisen zu servieren. Butler Parker stocherte nur lustlos in dem Essen herum. Er war mit seinen Gedanken wieder bereits bei dem Fall Trotters.

Etwas ungeniert nahm er dann zur Kenntnis, daß Helen Grade, die Schauspielerin, mit Strander flirtete. Miss Grade war höchstens etwas über zwanzig Jahre alt, besaß honigblondes Haar und einen naiv-dümmlichen Gesichtsausdruck. Dennoch war sie nicht ohne Reiz.

Mister Strander schien etwas geistesabwesend zu sein. Er aß maßlos, war dick und besaß ein feistes, glänzendes Gesicht. Seine Augen strömten Kühle aus, wenngleich er auch mit Miss Grade intim tat.

Mike Vellers, der Makler, war ein hagerer Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Die wenigen Haare, die seine Glatze säumten, waren eisgrau und kurz geschnitten. Er wirkte übertrieben nervös, schien immer auf dem Sprung zu sein. Da er an einem Nebentisch saß, mußte er seinen Kopf immer etwas verrenken, wenn er Strander anschauen oder beobachten wollte.

Walter B. Winchel, der Filmproduzent, redete währenddessen unaufhörlich auf Vellers ein, der sich aber nicht mehr für Strander zu interessieren schien.

Liz Talbot, die Schriftstellerin, plauderte höflich mit Richard Strollen, dem Schauspieler, der seine Worte mit übertrieben eleganten Gesten unterstrich. Strollen, dessen Alter nur sehr schwer bestimmbar war, sah noch recht gut aus. Er war groß, schlank und besaß ein zwar faltenreiches, aber markantes Gesicht.

Liz Talbot hätte selbst Schauspielerin sein können, so attraktiv wirkte sie. Im Grunde war sie der kleinen Grade tausendfach überlegen. Sie mochte etwa dreißig Jahre alt sein.

Winchel, der Filmproduzent, konnte ebensogut fünfzig wie sechzig Jahre alt sein. Er wirkte wie ein unbehauener Steinblock, seine Manieren waren vulgär, zupackend und ohne Eleganz.

Butler Parker musterte unauffällig die Anwesenden und registrierte jede Kleinigkeit. Er interessierte sich ferner für die beiden Stewards, die erstklassig geschult waren und vor Parkers Augen glänzend bestanden. Er hatte nichts an ihnen auszusetzen.

Die Gespräche verliefen in munteren, nichtssagenden Bahnen. Mike Rander hatte keine Gelegenheit, Trotters zu erwähnen. Es war vor allen Dingen Helen Grade, die immer wieder das Gespräch an sich riß und albern lachte.

Nach dem Essen setzte sich die Mehrzahl der Gäste an die kleine Bartheke und würfelte. Parker und Rander verließen den Salon und gingen hinaus auf Deck. Die Sonne stand bereits tief im Westen. In einer guten Stunde würde es dunkel werden.

»Sieht nicht gerade begeisternd aus, wie?« fragte Rander.

»Sir, ich glaube, es gibt nur einen Weg, an das Verbrechen heranzukommen«, erwiderte Parker. »Man muß den Mörder, oder diejenigen, die den Mord verübt haben, in ein gewisses Stadium der Nervosität hineinsteigern.«

»Wie stellen Sie sich das vor …?«

»Mister Rander, ich hatte seinerzeit die Ehre, für den Duke of Bandsbury zu arbeiten«, begann Parker elegisch. »Aus dieser Zeit ist mir ein Fall in angenehmer Erinnerung, den zu erzählen ich auf keinen Fall an dieser Stelle versäumen möchte.«

»Später, Parker, später«, sagte Rander schnell. »Halten Sie sich an Tatsachen, Ihr Duke interessiert mich nicht.«

»Wie Sie es wünschen, Sir«, antwortete Parker steif. »Wir wollen den Mörder wissen lassen, daß wir Verdacht geschöpft haben, wir sollten aber auf keinen Fall öffentlich von unserer Vermutung reden.«

»Wir sollen also wieder einmal den Köder spielen?«