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RISKANTES SPIEL MIT DEM FEURIGEN SPANIER von MAISEY YATES Camilla ist am Boden zerstört. Nach dem Tod ihres Vaters kauft ausgerechnet Milliardär Matías Navarro ihre hochverschuldete Ranch auf. Das Problem? Der erfolgreiche Rennstallbesitzer stellt keine Frauen ein! Um trotzdem in der Nähe ihrer Pferde zu sein, verkleidet sie sich als Stallbursche. Dass Matías sie für ihre Arbeit schätzt, ist eine Sache, aber dass ihr Herz in seiner Nähe verrücktspielt, eine ganz andere. Doch dann fliegt ihre Maskerade auf, und der aufregende Spanier macht ihr einen Antrag. Aber warum flüstert er kein: "Te quiero, mi corazón"? DER RUCHLOSE PLAN DES FEURIGEN SPANIERS von MAISEY YATES Diego Navarro hat einen skrupellosen Plan. Er wird Liliana, die schöne Verlobte seines Bruders, entführen – und sie selbst zu seiner Braut machen! Schließlich erhält derjenige von ihnen, der zuerst verheiratet ist, das Milliardenerbe des Großvaters. Doch als Diego mit Liliana auf seine paradiesische Privatinsel fliegt und sie dort heiratet, erkennt er seinen Riesenfehler. Denn die junge Amerikanerin glaubt an die Liebe, gibt sich ihm voll ehrlicher Leidenschaft hin – und bringt damit das kalte Herz des ruchlosen Spaniers in Gefahr! DIE IRISCHE KELLNERIN UND DER PLAYBOY-MILLIARDÄR von ABBY GREEN "Ich bekomme ein Kind. Dein Kind!" Totenstille herrscht nach Skye O‘Haras Worten in dem opulent geschmückten Ballsaal. Selfmade-Milliardär Lazaro Sanchez schäumt vor Wut. Wie kann die unverschämte Irin es wagen, seine Verlobungsfeier mit dermaßen dreisten Beschuldigungen platzen zu lassen? Doch gleichzeitig überkommt ihn wieder eine heiße Welle der Lust, wie damals in Dublin. Die kämpferische Schönheit mit dem flammend roten Haar will ihn brüskieren? Da hat sie die Rechnung ohne seine Macht und sein Verlangen gemacht … DAS UNMORALISCHE ANGEBOT DES FEURIGEN SPANIERS von ABBY GREEN Leonora ist wie vom Donner gerührt. Nur eine Nacht hat sie mit Gabriel Torres verbracht – und in seinen Armen eine nie geahnte Leidenschaft erfahren. Jetzt schlägt der Milliardär ihr vor, ihn zu heiraten. Nicht aus Liebe, für den feurigen Spanier ist es eine reine Zweckehe: Sie schenkt ihm einen Erben, dafür rettet er ihre verarmte, adlige Familie vor dem finanziellen Ruin. Widerstrebend willigt Leonora ein, denn sie kann ihre Eltern nicht im Stich lassen. Doch sie weiß, Gabriel wird ihr das Herz brechen - weil sie viel mehr von ihm will als nur sein Geld …
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Seitenzahl: 810
Cover
Titel
Inhalt
JULIA
Cover
Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
EPILOG
Der ruchlose Plan des feurigen Spaniers
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
EPILOG
Die irische Kellnerin und der Playboy-Milliardär
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
EPILOG
Das unmoralische Angebot des feurigen Spaniers
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Maisey Yates Originaltitel: „The Spaniard’s Untouched Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA Band 2390 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Christine Svenson
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783733712228
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Camilla Alvarez sah in den Spiegel und betrachtete ihre eher unscheinbaren Züge. Sie war eindeutig eine Frau, das konnte man nicht leugnen, auch wenn sie selbst sich nicht unbedingt als klassische Schönheit bezeichnen würde. Doch für Matías Navarro gäbe es keinen Zweifel – sie war eine Frau.
Sie hatte viel geweint, ihre Wangen waren noch feucht, und in ihren dunklen Augen glänzten noch mehr Tränen. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Zuerst hatte sie völlig unerwartet ihren Vater durch einen Herzinfarkt verloren, und nun verlor sie auch noch die Ranch und all ihre Pferde.
Die Pferde waren ihr Herzblut, ihr Leben. Es brach ihr das Herz.
Doch sowohl die Ranch als auch die Pferde standen nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters zum Verkauf, um seine Schulden zu begleichen. Vermutlich unterzeichnete Matías Navarro gerade in diesem Augenblick den Kaufvertrag für das Anwesen. Die Pferde hatte er ja bereits abgeholt.
Matías Navarro war der stärkste Konkurrent ihres Vaters gewesen. Seine Rennpferde waren die einzigen, die es mit denen der Alvarez-Ranch aufnehmen konnten.
Und jetzt gehörten ihm alle.
Niemand hatte gewusst, wie es um die Finanzen ihres Vaters stand. Es hatte immer den Anschein gehabt, als wären sie sehr wohlhabend – doch die angeblichen Millionen, die ihre Familie besaß, waren nichts als Rauch und heiße Asche gewesen. Auf der Ranch lastete eine hohe Hypothek, und ihr Vater war mit allen Ratenzahlungen in Verzug.
In Wahrheit waren sie tief verschuldet.
Camilla musste sich nicht einmal fragen, wie das passieren konnte, denn sie kannte ihren Vater nur zu gut. Cesar Alvarez war ein Idealist gewesen. Er hatte sich hervorragend um die Ranch, die Pferde und die Arbeiter gekümmert, alles andere war ihm nicht so wichtig gewesen. Die Situation hatte ihm nicht gefallen, also hat er sie einfach ignoriert.
Nach seinem Tod hatten die Gläubiger nicht aufgehört, Camilla zu bedrängen. Ihre Mutter hatte sich nach Frankreich abgesetzt, um Trost und Schutz bei einem ihrer Liebhaber zu suchen. Sie hatte nie einen Hehl aus ihren vielen Affären gemacht, und jetzt, nachdem Cesar so plötzlich verstorben war, sah sie sich vermutlich noch darin bestätigt, sich auf diese Art abgesichert zu haben.
Die meiste Zeit in ihrem Leben hatte Camilla alleine mit ihrem Vater verbracht. Ihre Mutter, eine amerikanische Erbin, war nur sehr selten zu Hause gewesen. Sie behauptete immer, dass das ruhige Leben auf dem Land einfach nichts für sie war, und hatte weder für Pferde noch für die trockene spanische Landschaft etwas übrig.
Für Camilla bedeuteten die Ranch und die Pferde jedoch alles.
Ihr Vater hatte ihr immer viel Freiheit gelassen, und so war sie meistens barfuß umhergelaufen und hatte stundenlange Ausritte auf dem Anwesen und auch über dessen Grenzen hinaus durch die wundervolle Landschaft unternommen.
Doch nun war alles vorbei. Als die Mitarbeiter von Matías Navarro die Pferde vom Hof geführt hatten, hatte Camilla sie angefleht, mitkommen zu dürfen, damit sie wenigstens bei ihren Pferden bleiben konnte. Sie hätte jede Arbeit verrichtet, jeden Job angenommen, nur um in ihrer Nähe sein zu können.
Doch der Mann mit dem verschlossenen Gesicht, der gerade ihren Lieblingshengst Fuego in den Anhänger geführt hatte, hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass Matías generell keine Frauen einstellte.
Tatsächlich hatte sich unter den Mitarbeitern keine einzige Frau befunden.
Camilla seufzte schwer.
Sie hatte ihren Vater verloren, ihre Pferde waren verkauft worden, und bald würde man sie auffordern, die Ranch zu verlassen.
Doch wo sollte sie hingehen?
Ihr Vater hatte keinerlei Vorkehrungen für ihre Zukunft getroffen. Sie hatte kein Geld und auch keine Angehörigen, an die sie sich wenden konnte. Auf ihre Mutter war noch nie Verlass gewesen, und Camilla war klar, dass sie auch jetzt nicht auf sie zählen konnte.
Das Einzige, womit sie sich gut auskannte, waren Pferde. Darin war sie sogar richtig gut. Ihre eigenen Pferde – nein, nun waren es ja Matías Navarros Pferde – kannte sie so gut wie niemand sonst, und sie liebte sie von ganzem Herzen.
Ihr Lieblingshengst, Fuego, konnte der neue Champion auf den Rennbahnen Europas werden. Er hatte das Zeug dazu, da war sie sich sicher. Doch er ließ niemanden außer Camilla an sich heran, und reiten ließ er sich von jemand anders erst recht nicht.
Fuego hatte noch einen langen Weg vor sich, bevor er seinen Siegeszug antreten konnte. Sehr bald würde Matías Navarro feststellen, dass seine neueste Investition praktisch wertlos für ihn war, weil keiner mit dem Hengst umgehen konnte.
Wertlos … so fühlte sich für Camilla auch gerade alles an, wenn sie nicht mehr bei ihren Pferden sein durfte.
Sie schaute erneut in den Spiegel und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht.
Nein, sie war keine klassische Schönheit. Ihre Mutter hatte häufig mit theatralischer Übertreibung ihre ausgeprägten Wangenknochen und die hohe Stirn bemängelt – nicht mädchenhaft genug, wie sie fand.
Nun war Camilla zum ersten Mal in ihrem Leben dankbar für ihr Äußeres. Sie hatte einen Plan, und ihr Aussehen würde dabei sehr hilfreich sein. Energisch öffnete sie die oberste Schublade ihrer Kommode und nahm eine Schere heraus. Dann griff sie nach einer dicken Strähne ihrer glänzenden schwarzen Locken, zog sie lang und schnitt sie, ohne zu zögern, ab. Es folgte Strähne um Strähne, bis nur noch ein kurzer, strubbeliger Haarschopf übrig geblieben war.
Sie betrachtete das Ergebnis.
Ihre Augen blitzten, als sie jetzt ihr Spiegelbild anlächelte.
Ja, sie hatte ihre Lösung gefunden.
Matías Navarro stellte vielleicht keine Frauen ein – aber einen jungen Stallburschen bestimmt.
Er stellt keine Frauen ein.
Camilla straffte die Schultern, strich sich eine kurze Haarsträhne aus der Stirn und ließ den Blick über die Navarro-Ranch schweifen.
In den zwei Monaten, die sie nun schon hier arbeitete, war der Ort fast zu so etwas wie ihrem zweiten Zuhause geworden. Natürlich war es nicht die Alvarez-Ranch – dort war sie schließlich aufgewachsen und hatte dort auch ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht. Sie konnte sich keinen Ort verstellen, der sich jemals genauso vertraut anfühlen würde.
Manchmal sehnte sie sich danach, durch die vertraute Eingangstür zu gehen, die unebenen roten Kacheln unter den nackten Füßen zu spüren, die kleinen Macken und Risse zu fühlen …Das Haus war wie ein guter, alter Freund für sie, doch sie hatte es für immer verloren.
Camilla seufzte. Immerhin waren ihr die Pferde geblieben.
Es hatte sich allerdings als schwieriger als gedacht erwiesen, an Fuego heranzukommen. Matías trainierte ihn selbst und hatte allen Mitarbeitern, außer seinem ältesten Pferdepfleger, verboten, sich dem Pferd zu nähern.
Doch wie Camilla befürchtet hatte, kam auch Matías mit dem Hengst nicht klar. Es gelang ihm einfach nicht, mit dem nervösen Tier zu arbeiten und es zu trainieren – dabei war Fuego ein so vielversprechendes Rennpferd.
Bisher hatte Camilla immer versucht, Matías aus dem Weg zu gehen, um nicht unnötig seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch langsam merkte sie, dass sie aus dem Schatten heraustreten musste, wenn sie wollte, dass er sie endlich mit Fuego arbeiten ließ.
Das war jedoch gar nicht so einfach. Alle dachten, sie sei ein vierzehnjähriger Junge, der gegen Kost und Logis in den Stallungen arbeitete, und bisher hatte man ihr wenige Fragen gestellt. Darüber war sie sehr dankbar.
Sie hatte sich am Anfang ein bisschen über Matías erkundigt, und herausgefunden, dass er gegenüber seinen Mitarbeitern sehr großzügig war. Außerdem hatte er ein Herz für Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten waren – er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihnen eine Perspektive zu geben.
Entgegen aller Gerüchte, die über die Navarro-Familie kursierten, schien Matías ein guter Mensch mit dem Herzen auf dem rechten Fleck zu sein.
Wenn man mal darüber hinwegsah, dass er keine Frauen einstellte …
Doch dafür hatte Camilla ja eine Lösung gefunden und sich entschieden, die Rolle eines Jugendlichen zu spielen, der auf der Straße landen würde, wenn man ihm auf der Navarro-Ranch keine Arbeit gab. Das stimmte zum großen Teil sogar. Sie hatte im Moment nicht viele Möglichkeiten und auch kein Geld. Außerdem war sie bestens qualifiziert für den Job, den sie hier machte. Man könnte sagen, dass sie eine vernünftige Lösung für ihr Problem gefunden hatte – wobei es nicht unbedingt von Vernunft zeugte, ihr Geschlecht zu verschweigen, das war ihr klar. Es hatte allerdings auch niemand infrage gestellt, dass sie ein Junge sei – mit ihren kurzen Haaren, ihrer schlanken Figur und der lockeren Kleidung war das durchaus glaubhaft.
Camilla bezweifelte insgeheim, dass überhaupt jemand sie seit ihrer Ankunft genauer angesehen hatte. Vor allem nicht Matías Navarro oder seine wunderschöne Verlobte, die seit letztem Monat mit auf dem Anwesen wohnte.
Die anmutige, zarte Blondine mit den großen, blauen Augen und den gepflegten Locken erinnerte Camilla sehr an ihre Mutter. Sie wirkte wie ein exotisches Vögelchen inmitten der Männer, der Pferde und der harten Arbeit auf der Ranch. Bei jedem ihrer Spaziergänge draußen machte sie ständig Pausen im Schatten, um sich mit Sonnenlotion einzucremen und sich vor der sengenden Sonne zu schützen.
Matías wirkte sehr fürsorglich und besorgt um seine Verlobte. Oft legte er ihr die Hand auf den unteren Rücken oder nahm ihren Arm – so als müsste er sie stützen, wenn sie über unebenes Gelände ging.
Wenn sie die beiden zusammen sah, fragte Camilla sich oft, wie es wohl wäre, wenn sich jemand so um sie kümmern würde.
Niemand hatte sie je verwöhnt oder umsorgt. Ihr Vater hatte in ihr den Sohn gesehen, den er gerne gehabt hätte, und hatte sie auch so behandelt. Er hatte ihr zwar jede Menge Freiheit gelassen, aber auch von ihr verlangt, auf der Ranch mit anzupacken. Von ihrer Mutter hingegen war sie immer nur wie ein lästiges Anhängsel behandelt worden. Keiner von beiden hatte Camilla je das Gefühl gegeben, etwas Wertvolles oder Besonderes zu sein.
Camilla seufzte und zog die Schultern hoch, als sie sich wieder an die Arbeit machte und weiter Mist schaufelte. Ihr war dieses Leben trotzdem zehnmal lieber, als in dem riesigen Herrenhaus eingesperrt zu sein. Dazu war sie viel zu gerne draußen in der Sonne, wo es nach Heu, Pferden und Gras duftete.
Sie kniff die Augen zusammen und schaute zum Himmel.
Dem Stand der Sonne nach war es bald Zeit für Matías Runde durch den Stall. Das bedeutete, dass er vermutlich wieder Fuego auf den Reitplatz bringen würde, um ihn zu longieren.
Bisher war das immer eine Katastrophe gewesen, und der Hengst hatte sich Matías vehement widersetzt.
Wann immer es ihr möglich war, hatte Camilla die beiden durch einen Spalt in der hölzernen Stallwand beobachtet. Dabei war sie jedoch stets sehr vorsichtig gewesen, denn sie wollte auf keinen Fall riskieren, erwischt zu werden und ihren Job zu verlieren.
Auch jetzt ging sie wieder zum Ende des Stallgebäudes und beobachtete den Reitplatz.
Aufgeregt hielt sie die Luft an, als Matías endlich mit dem schwarzen Hengst am Führstrick den Platz betrat. Fuego sah prachtvoll aus, und sein Fell glänzte in der Abendsonne. Doch es war auch eindeutig, dass ihm die ganze Sache nicht behagte. Er schlug nervös mit dem Kopf und hatte die Ohren angelegt.
Camilla verspürte bei diesem Anblick einen Stich in ihrem Herzen und schluckte schwer.
Dann ließ sie ihren Blick weiter wandern zu dem Mann neben dem Hengst, und ihr Herz begann zu rasen. Er sah wirklich gut aus mit seinen kurzen schwarzen Haaren, der gebräunten Haut und dem markanten Gesicht. Er hatte sein weißes Hemd über der breiten Brust etwas aufgeknöpft und die Ärmel hochgeschoben, sodass seine starken Unterarme zu sehen waren. Dazu trug er braune Reithosen, die seine schmale Hüfte, seine muskulösen Oberschenkel und … andere Körperteile betonten.
Camilla merkte, wie sie rot wurde.
Sie war auf der Ranch quasi unter Männern groß geworden. Der Rennsport war eine absolute Männerdomäne, aber die meisten Jockeys waren klein und schmächtig, denn je leichter sie waren, desto schneller lief das Pferd unter ihnen im Rennen.
Matías jedoch ritt keine Rennen, das war nicht zu übersehen. Mit seinen guten Einsfünfundachtzig und seinem athletischen Körperbau war er dafür einfach nicht gemacht.
Nein, er sah nicht aus wie ein Jockey – und gerade deshalb brachte sein Anblick sie völlig aus dem Konzept. Egal, ob sie auf einer Ranch voller Männer groß geworden war oder nicht.
Matías tauschte jetzt Fuegos Führstrick gegen eine Longe und nahm die Peitsche – nicht etwa um das Pferd zu schlagen, sondern um ihm wie mit einem verlängerten Arm klare Signale zugeben, wie die Gangart oder die Richtung zu wechseln.
Doch als er den Hengst in die Mitte des Reitplatzes führen wollte, um dort mit ihm zu arbeiten, begann Fuego zu buckeln.
So waren die Trainingseinheiten bisher immer verlaufen, und Matías hatte jedes Mal entnervt aufgegeben.
Doch heute war der Hengst noch unruhiger und bäumte sich sogar auf – und zwar so steil, dass er sich dabei fast überschlug.
Camilla fühlte, wie die Wut in ihr hochkochte. Bevor sie wusste, was sie tat, war sie schon auf dem Weg zum Reitplatz. Ihr Herz raste, und ihr Gesicht war gerötet – doch mit Matías’ Reithose hatte das jetzt nichts mehr zu tun.
„Stopp!“, schrie sie, „Sie wissen ganz genau, dass er das nicht leiden kann, und trotzdem zwingen Sie ihn immer wieder dazu. Er wird sich noch selbst verletzen, wenn Sie nicht endlich damit aufhören.“
Erst nachdem sie geendet hatte, begriff Camilla, was sie getan hatte. Sie hatte ihren Chef und gleichzeitig Fuegos neuen Besitzer auf seinem eigenen Grund und Boden angeschrien. Zwei Monate lang hatte sie versucht, nicht von ihm bemerkt zu werden – und nun das!
„Ach“, sagte Matías und kam in langen Schritten auf sie zu. „Du meinst, du kannst das besser, was?“
Camilla hatte das Gefühl, immer kleiner zu werden, als er vor ihr am Zaun stehen blieb und sie mit Blicken durchbohrte. Schnell trat sie einen Schritt zurück, um etwas Abstand zwischen sich und seine beeindruckende Präsenz zu bringen.
Sie versuchte, ihre Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, als sie sagte: „Vielleicht nicht besser, aber ich kenne das Pferd.“
„Wie meinst du das?“, fragte Matías verwundert.
„Ich … ich“, stotterte Camilla und versuchte verzweifelt, zu improvisieren. „Es war nicht gelogen, als ich sagte, dass ich kein zu Hause mehr habe.“ Sie warf dem Vorarbeiter einen schnellen Blick zu, um zu sehen, ob er zuhörte, denn zumindest diesen Teil der Geschichte konnte er bestätigen. Dann fuhr sie schnell fort: „Ich komme von der Alvarez-Ranch und kenne Fuego. Ich kann ihn trainieren.“
„Und das sagst du erst jetzt?“, fragte Matías und warf seinem Vorarbeiter einen prüfenden Blick zu.
„Geben Sie nicht Juan die Schuld. Ich hab ihm nichts davon gesagt, weil ich Angst hatte, zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Aber jetzt habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich musste einfach etwas sagen. Fuego hat sich in den vergangenen zwei Monaten immer noch nicht eingewöhnt, und Sie kommen mit ihm überhaupt nicht voran … Aber ich könnte ihn reiten!“
Matías stützte die Unterarme auf die oberste Latte des Zaunes und beugte sich vor, als er ungläubig und leicht amüsiert fragte: „Du willst mir wirklich weismachen, dass Caesar Alvarez einem dahergelaufenen kleinen Kerl erlaubt hat, eines seiner wertvollsten Pferde zu reiten? Und dass du den Hengst dann auch noch kontrollieren konntest?“
„Ja“, antwortete Camilla trotzig und reckte das Kinn, als sie hinzufügte: „Fuego mag mich.“ Sie hatte schon immer einen besonderen Draht zu Pferden gehabt. Selbst mit schwierigen Pferden kam sie gut zurecht, genau wie ihr Vater. Caesar Alvarez hatte immer gesagt, es sei eine besondere Gabe, die man entweder besaß oder auch nicht, und dass sie Camilla in die Wiege gelegt worden sei, weil sie seine Tochter sei.
Es war ihre einzige wirkliche Gemeinsamkeit gewesen.
Ihr Vater hatte sich mit Leib und Seele der Ranch und der Pferdezucht verschrieben, und Camilla hatte ihr Zuhause und die Pferde genauso sehr geliebt wie er.
„Ich werde dich ganz sicher nicht an den Hengst heranlassen“, sagte Matías schroff.
„Warum nicht?“, fragte Camilla herausfordernd. „Was haben Sie schon zu verlieren?“
„Es geht nicht darum, was ich zu verlieren habe, sondern darum, dass ich keine Lust auf irgendwelche polizeilichen Untersuchungen habe, weil ein dummer Junge sich bei mir auf der Ranch das Genick gebrochen hat“, entgegnete Matías kopfschüttelnd.
„Ich werde mir nicht das Genick brechen“, sagte Camilla hitzig, „aber Fuego wird sich noch etwas brechen, wenn Sie so weitermachen. Mir ist zu Ohren gekommen, Señor Navarro, dass Sie gut mit Pferden umgehen können – aber davon habe ich bisher noch nichts gesehen.“
„Meinst du wirklich, dass du dir eine Langzeitbeschäftigung sicherst, wenn du deinen Chef beleidigst?“, fragte Matías mit grimmigem Blick.
Schnell fügte Camilla hinzu: „Ich denke nur, dass Sie ein Mann sind, der Ehrlichkeit schätzt. Sie sind zu stolz, um zuzugeben, dass Sie nicht weiterkommen – und deshalb bekommt der Hengst nicht das, was er braucht, um sein Bestes zu geben. Aber da sind Sie nicht allein, ich habe das schon öfter erlebt.“
Matías zog eine Augenbraue hoch. „Oft, ja?“
„Ja, in dem Jahr, in dem ich bei Cesar Alvarez gearbeitet habe, sind mir viele reiche Männer begegnet, die mit ihren teuren Rennpferden überhaupt nicht umgehen konnten.“
„Nun gut, aber ich bin vor allem ein Pferdemensch“, sagte Matías. „Nicht einfach nur ein reicher Mann.“
Camilla sah ihn nachdenklich an. „Sie sind vor allen Dingen ein Geschäftsmann, Señor Navarro. Das ist ja auch nichts Schlimmes, aber es bedeutet, dass Sie sich nicht mit voller Aufmerksamkeit den Pferden widmen können.“
Amüsiert lachte Matías auf und gab nach: „Na gut, Junge, ab auf den Reitplatz. Zeig mir, was du kannst!“
Matías konnte die Dreistigkeit des Jungen kaum glauben. Der Kleine stand stolz und herausfordernd vor ihm, dabei konnte er nicht älter als vierzehn sein. Matías war es nicht gewohnt, dass ihm jemand mit solch einer Unverfrorenheit widersprach. Erwachsene Männer würden es niemals wagen, so mit ihm zu sprechen – er war schließlich Matías Navarro!
Mit vierzehn war man einfach so. Man benahm sich draufgängerisch und mutig, und man machte sich noch keine Sorgen um die Konsequenzen. Er war sich sicher, dass er selbst genauso gewesen war. Eigentlich war er jetzt, mit dreiunddreißig, immer noch so, aber wenn man Multimillionär war, wurde das von einem fast erwartet.
Auf der anderen Seite war Matías aber auch verantwortungsbewusst und kannte, anders als die restlichen Männer in seiner Familie, den Unterschied zwischen Richtig und Falsch. Ihm waren die Ranch und seine Mitarbeiter wichtig und auch die Dorfbewohner des kleinen Nachbarortes. Viele der Einwohner arbeiteten bei ihm oder waren in anderer Weise von der Ranch abhängig.
Dem alten Navarro, Matías’ Großvater, bedeuteten diese Menschen dagegen überhaupt nichts – es war ihm vollkommen egal, was aus ihnen wurde. Er spielte Matías und seinen älteren Bruder Diego schon seit Jahren gegeneinander aus und hatte sich jetzt einen perfiden Plan für seine Nachfolge ausgedacht.
Wer von den beiden Brüdern zuerst eine Reihe von Bedingungen erfüllte, bekam das gesamte Erbe, und der Verlierer ging leer aus. Dabei spielte es keine Rolle, dass Matías schon seit Jahren neben seinem eigenen Imperium die Ranch und viele Bereiche des Familienunternehmens leitete.
Matías war sich sicher, dass er gewinnen würde.
Alles andere wäre eine absolute Katastrophe.
Eine der Bedingungen seines Großvaters war, eine Braut zu finden und zu heiraten. Durch seine Verlobung mit Liliana Hart vor einigen Monaten hatte Matías diese Forderung so gut wie erfüllt.
Er kannte Liliana schon seit vielen Jahren, allerdings eher flüchtig. Sie hatte ihre Eltern in den vergangenen Jahren häufig zu gesellschaftlichen Veranstaltungen begleitet, und dort war er ihr mehrmals begegnet. Als ihr Vater angedeutet hatte, dass er nichts gegen eine Verbindung hätte, hatte Matías die Gelegenheit ergriffen und um Lilianas Hand angehalten.
Ja, dachte Matías, genau so war er, entschlossen und zielstrebig – aber auf keinen Fall egoistisch oder skrupellos wie sein Großvater oder sein Bruder.
Matías wollte die Dinge stets richtig machen, und sein Erfolg gab ihm recht.
Was den jungen Stallburschen hier betraf – nun, Matías hatte erwartet, dass er einen Rückzieher machen würde, sobald er erkannte, mit wem er es zu tun hatte. Doch da hatte er sich getäuscht, wie er sich erstaunt und auch ein wenig bewundernd eingestehen musste. Der Kleine kam, ohne zu zögern, auf den Reitplatz.
Nachdenklich sah Matías zu dem schwarzen Hengst hinüber. Fuego hatte unglaubliches Potenzial, war ein echtes Ausnahmetalent. Matías hatte ein gutes Gespür für Pferde, und er war auch ein guter Trainer. Doch bei Fuego war er einfach nicht vorangekommen. Egal, wie viel Mühe er sich gegeben und wie oft er es versucht hatte – Fuego hatte sich ihm jedes einzelne Mal wiedersetzt.
Der Junge hatte recht, auch wenn es Matías nicht leichtfiel, das zuzugeben.
Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, und seine Arbeit erforderte häufig Geschäftsreisen, sodass in seiner Abwesenheit seine Mitarbeiter mit den Pferden arbeiteten.
Die Navarros waren eine alte spanische Familie, die seit Generationen erfolgreich Rennpferde züchtete. Doch schon lange war das nicht mehr ihr einziges Standbein. Die Familie war erfolgreich im Einzelhandel tätig. Matías selbst hatte mehrere Unternehmen in der Branche gegründet und war nun weltweit tätig. Sein Firmensitz befand sich mittlerweile in London.
Matías hatte zwar einen Status erreicht, der es ihm erlaubte, von überall auf der Welt zu arbeiten, und Geschäftstreffen fanden meistens dort statt, wo es ihm beliebte, war aber trotzdem oft unterwegs.
In dieser Hinsicht hatte der junge Stallbursche also vollkommen recht – die Tatsache, dass er Geschäftsmann war, hielt ihn davon ab, sich voll und ganz auf die Pferde zu konzentrieren.
Matías beobachtete, wie der Junge zu dem temperamentvollen Hengst hinüberging, und stellte fasziniert fest, dass das Tier sich augenblicklich zu beruhigen schien. Wäre es anders gewesen, hätte Matías auch sofort eingegriffen. Es war ihm ernst damit gewesen, als er sagte, dass er keine Untersuchung wegen eines verletzten Mitarbeiters provozieren wollte.
Langsam hob der Junge eine Hand und hielt sie dem Hengst hin. Fuego schob zögernd die Nase nach vorne und schnupperte an der dargebotenen Hand. Dann schien es, als würde er einen vertrauten Geruch wiedererkennen, denn zu Matías Erstaunen stand das nervöse Tier auf einmal ganz ruhig.
Der Junge griff vorsichtig nach der Longe und blickte fragend zu Matías hinüber. Dieser verstand die Aufforderung, nickte kurz und ließ das Ende der Longe los.
Der Stallbursche streichelte Fuego sanft und schmiegte seine Wange an die Nüstern des Pferdes. Er sprach leise mit dem Hengst, aber Matías konnte nicht genau verstehen, was er sagte.
Wie durch Zauberhand entspannte sich der Hengst.
Mit strahlenden Augen dreht sich der Junge zu Matías um. „Sehen Sie, ich habe Ihnen ja gesagt, dass Fuego mich kennt! Aber er wird trotzdem nicht sofort Bestleistungen erbringen. Auch ich hatte manchmal meine Probleme mit ihm, und jetzt habe ich ihn ja lange nicht mehr trainiert. Aber ich kann ihn reiten.“ Er holte tief Luft. „Und ich kann ihn so weit vorbereiten, dass auch jemand anders ihn reiten kann. Das ist wichtig, wenn Sie ihn bei Rennen starten lassen wollen. Fuego hat so viel Potenzial, aber wenn er nicht kontrollierbar ist, wird er es nie auf der Rennbahn beweisen können. Das wäre viel zu gefährlich. Aber wie gesagt: Ich kann Ihnen dabei helfen, dass er sich reiten lässt. Er wird nie ein sanftmütiges oder ruhiges Pferd werden, aber so, dass man gut mit ihm arbeiten kann. Das schaffe ich. Und ich hoffe, dass ihre Jockeys so gut sind, dass sie dann übernehmen können.“
„Unglaublich“, sagte Matías zu seinem Vorarbeiter. „Ich kann doch meine Pferde nicht von einem Kind trainieren lassen.“
„Cesar Alvarez hatte damit anscheinend kein Problem“, antwortete Juan nachdenklich.
Matías wandte sich wieder dem Jungen zu, welcher ihn erwartungsvoll anblickte, und sagte dann: „Na gut, du bist ab jetzt von deinen bisherigen Aufgaben freigestellt und kümmerst dich nur noch um Fuego. Fernando Cortes soll ihn später reiten, aber bevor ihr zusammenarbeitet, kannst du den Hengst erst einmal eine Weile lang alleine trainieren.“
Der Junge schluckte und sagte leise: „Okay“. Dabei schaute er Matías direkt in die Augen, und auf einmal war sich Matías nicht mehr so sicher, ob er sich beim Alter des Jungen nicht vielleicht doch verschätzt hatte. Aber das konnte auch am Licht liegen.
„Dann haben wir einen Deal.“ Er nickte dem Jungen noch einmal aufmunternd zu, dann ging er zum Rand des Reitplatzes.
„Wollen Sie gar nicht wissen, wie ich heiße?“, rief der Junge.
Matías entgegnete: „Arbeitest du besser, wenn ich weiß, wie du heißt?“
Der Junge blinzelte irritiert und antwortete zögernd: „Vermutlich nicht.“
„Dann muss ich deinen Namen auch nicht wissen“, sagte Matías.
Der Junge sah ihn noch einen Moment lang sprachlos an und begann dann, Fuego zu longieren.
Der Hengst war noch immer unruhig, aber lange nicht mehr so nervös wie bei Matías. Es ließ sich nicht leugnen, dass der Stallbursche gut mit Pferden umgehen konnte. Und wenn Fuego rechtzeitig für die kommende Rennsaison trainiert sein sollte, blieb Matías gar nichts anderes übrig, als dem Jungen eine Chance zu geben. Denn brechen wollte er den Hengst auf keinen Fall, und das enorme Potenzial zu verschwenden, weil er keinen geeigneten Trainer fand, war auch keine Option.
Matías war begeistert gewesen, als sich ihm die unerwartete Gelegenheit geboten hatte, sämtliche Pferde von Cesar Alvarez zu kaufen, und er wollte diese Chance nicht vertun. Deshalb rief er dem Jungen nun zu: „Was ist mit den anderen Pferden von der Alvarez-Ranch? Kennst du die auch?“
„Ja, die kenne ich. Ich habe mit allen gearbeitet“, antwortete der Junge, behielt den Blick dabei aber fest auf Fuego gerichtet.
„Dann wirst du auch hier mit allen arbeiten“, sagte Matías entschieden. „Meine Trainer führen über jedes Pferd und seine Entwicklung Buch. John wird dir zeigen, wie das geht. Dann kann ich mich über die Fortschritte und Probleme informieren, ohne dass wir jedes Mal miteinander sprechen müssen. Das ist mir lieber so.“
„Natürlich, Señor “, erwiderte der Junge.
„Das liegt daran, dass ich Geschäftsmann bin, nicht einfach nur ein Pferdemensch“, sagte Matías und hätte schwören können, dass er den Jungen schmunzeln sah, als er antwortete: „Natürlich, Señor .“
Matías drehte sich grinsend um.
Endlich lief alles glatt. Wie es schien, hat er nun eine Lösung gefunden, um das Beste aus dem großartigen Hengst herauszuholen, und seine Verlobung mit Liliana war auch gesichert. Auch wenn sie lieber in ihrem Apartment bleibt, statt in mein Schlafzimmer zu kommen, dachte er seufzend. Für Liliana war das alles anscheinend etwas schnell gegangen, sie musste sich erst daran gewöhnen, dass er nicht mehr nur der Geschäftspartner ihres Vaters war, sondern ihr Verlobter. Doch Matías machte das nichts aus. Er war ein geduldiger Mann, in allen Belangen.
Langsam ging er zurück zu dem großen Gutshaus. Er würde alle Forderungen seines Großvaters erfüllen, und dann würde das riesige Familiengestüt ihm ganz allein gehören. Endlich würde er seine Entscheidungen nicht mehr rechtfertigen müssen.
Alles, was er brauchte, war eine Ehefrau und einen Sieg beim Pferderennen.
Der alte Mann hätte ihn nicht herausfordern sollen, denn Matías Navarro ließ nie eine Herausforderung unbeantwortet.
Er würde diesen Kampf gewinnen.
So viel war sicher.
Camilla konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal so sehr nach einer Dusche gesehnt hatte. Sie hatte nur selten die Gelegenheit dazu, denn auf ihrem Zimmer gab es kein Bad, und sie musste sich mit der Gemeinschaftsdusche im Stall arrangieren, wenn sie sich den Luxus gönnen wollte. An den meisten Tagen war ihr das Risiko allerdings zu hoch.
Nachdem sie heute den ganzen Tag draußen in der flirrenden Hitze verbracht und nach Matías Weggang noch mit Fuego weitergearbeitet hatte, war der Wunsch, endlich wieder sauber zu sein, jedoch größer als die Angst, erwischt zu werden.
Es war ein anstrengender Tag gewesen. Aber Camilla war das erste Mal, seitdem ihr Vater gestorben war, wieder glücklich. Es hatte sich wundervoll angefüllt, in Fuegos Sattel zu sitzen und über die Olivenhaine des Grundstücks zu galoppieren. Über ihr hatte sich der endlose blaue Himmel erstreckt, die Sonne brannte, und sie hatte den heißen Wind im Gesicht gespürt. Sie hatte sich frei und leicht gefühlt.
Hätte ihre Mutter sie so sehen können, wäre sie mit Sicherheit verzweifelt. Mit gerötetem Gesicht, wild abstehenden kurzen Haaren und einem Lachen im Gesicht hatte Camilla alles andere als damenhaft ausgesehen. Sie sah tatsächlich fast wie ein Junge aus, und manchmal fiel es ihr schwer, nicht voll und ganz in dieser Rolle aufzugehen.
Doch es gab auch Momente, in denen sie sich ihres weiblichen Körpers mehr als bewusst war. Wie jetzt, wenn sie dringend eine Dusche brauchte – oder wenn sie Matías in seinen engen Reithosen sah. Dann wurde ihr auf einmal ganz heiß, und ihr Körper begannen zu kribbeln. In solchen Momenten war es unmöglich, sich nicht als Frau zu fühlen.
Es war schon spät, die Sonne war bereits vor einer halben Stunde untergegangen, und es wurde langsam kühl. Camilla hatte das Gefühl, als wäre sie von einer dicken Schicht Staub bedeckt, ihre Haut spannte, und sie sehnte sich nach einer heißen Dusche.
Die meisten Ranch-Angestellten waren nach Hause gegangen, nur wenige wohnten wie sie auf dem Anwesen. Camilla hoffte, dass diejenigen, die kein Badezimmer im Zimmer hatten, lieber morgen früh duschen wollten.
Sie huschte in den Stall, schlich sich leise in den Umkleideraum und von dort geradewegs zu den Duschen. Erleichtert verriegelte sie die Tür hinter sich und zog sich zügig aus. Dann entfernte dann die Bandage, die sie sich tagsüber für ihre Rolle als Stallbursche um die Brust wickelte.
Ihre Oberweite war nicht besonders groß, und vermutlich wäre es gar nicht notwendig, dass sie sich bandagierte, doch Camilla nahm die Angelegenheit sehr ernst und war lieber vorsichtig. Sie wollte auf keinen Fall in einem unachtsamen Moment erwischt werden und dadurch alles aufs Spiel setzen.
Selbst jetzt war sie angespannt, obwohl sie die Tür der Dusche hinter sich abgeschlossen hatte. Es könnte ja sein, dass jemand einen Schlüssel zu diesem Raum hatte oder dass man ihr nach der Dusche auf einmal ansah, dass sie eine Frau war.
Das war das Gute an dem ganzen Schmutz und Staub – er wirkte wie eine zusätzliche Schutzschicht, die ihre Verkleidung perfekt machte.
Bei dem Gedanken daran musste Camilla schmunzeln. Mit einem wohligen Seufzer stieg sie unter die heiße Dusche, seifte sich eilig ein und wusch den Staub des langen Tages ab.
Die kurzen Haare hatten einen weiteren großen Vorteil, denn sie waren viel schneller zu waschen und zu frisieren. Morgens brauchte sie nur kurz mit der Bürste darüberzufahren – das war alles.
Camilla summte leise, während sie ihre Haare ausspülte. Dann stellte sie das Wasser ab und trat aus der Duschkabine. Sie hätte gerne noch länger das warme Wasser genossen, wagte aber nicht, sich so viel Zeit zu lassen.
Sie war gerade dabei, die mitgebrachte weite Jogginghose anzuziehen, als plötzlich jemand die Türklinke herunterdrückte.
Camilla erschrak. „Besetzt!“, rief sie mit heftig klopfendem Herzen und hoffte inständig, dass ihre Stimme sie nicht verraten hatte. Eilig wickelte sie sich eine neue Bandage um die Brust, zog ihren Schlabberpullover darüber, griff sich ihre dreckige Kleidung und öffnete dann mit angehaltenem Atem die Tür.
Sie schnappte nach Luft, als sie sah, wer dort vor der Tür stand – Matías Navarro. Sie mied seinen Blick und murmelte hastig: „Entschuldigung!“
„Ich war gerade spazieren und habe noch Licht gesehen. Ich wollte nur nach dem Rechten sehen – nicht, dass jemand vergessen hat, das Licht auszuschalten“, sagte er.
Camilla zog die Schultern hoch und sagte unsicher: „Ich musste unbedingt noch duschen“.
„Kein Problem“, erwiderte Matías, und Camilla nickte geistesabwesend, während sie versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben. Dabei verlor sie einen Teil der Sachen, die sie unter dem Arm trug.
„Mach langsam, Kleiner“, sagte Matías schmunzelnd und bückte sich, um die Sachen wieder aufzuheben. Camilla sah ihm voll Entsetzen dabei zu.
Irgendwie war die alte hautfarbene Bandage ganz oben auf dem Haufen gelandet.
Matías hob sie auf und fragte besorgt: „Bist du verletzt?“
Camilla räusperte sich nervös und wurde rot. „Ich … mein Handgelenk hat ein bisschen weh getan. Fuego hat so stark gezogen, als ich ihn vorhin logiert habe.“ Sie war froh, dass Matías ihr diese Ausrede quasi in den Mund gelegt hatte, denn sie selbst hätte so schnell nicht gewusst, was sie sagen sollte. Und eine Verletzung war ja sehr naheliegend – zumindest viel naheliegender als die Tatsache, dass sie eigentlich eine Frau war und sich die Brüste bandagierte.
Camilla hatte in ihrem bisherigen Leben nie lügen müssen. Es hatte nie die Notwendigkeit dazu bestanden – mit ihrem Vater hatte es keine größeren Unstimmigkeiten gegeben, und ihre Mutter hatte sich einfach nicht für ihre Tochter interessiert. Daher war Camilla froh, dass Matías ihr die Geschichte jetzt abnahm.
„Die Schwellung ist schon zurückgegangen, und es tut auch nicht mehr weh. Ich hatte erst Angst, dass es verstaucht ist, aber das ist es zum Glück nicht.“
Matías strich nachdenklich mit dem Daumen über die Bandage in seiner Hand, und in Camillas Bauch bildete sich bei diesem Anblick ein Knoten. Sie hielt den Atem an, während sie ihm gebannt zusah.
„Seltsam“, sagte er. „Ich habe mir vorhin deinen Bericht durchgelesen, und da steht nichts davon.“
„Ich hielt es nicht für wichtig, denn es betraf ja mich und nicht Fuego“, entgegnete Camilla unsicher und fühlte, wie sich die Röte in ihren Wangen noch vertiefte.
Matías runzelte die Stirn. „Versteh mich nicht falsch, mir geht es hier nicht nur um deine Gesundheit, aber wenn Fuego sich deinem Training wiedersetzt oder eine Gefahr für dich darstellt …“
„Nein, das tut er nicht“, warf sie schnell ein. Sie streckte die Hand aus und schnappte sich ihre Sachen aus seinem Griff.
„Wenn du dir sicher bist …“, sagte Matías zögernd, und Camilla nickte eifrig: „Ja, das bin ich.“
Matías nickte. Fasziniert beobachtete Camilla, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Sie hatte nie zuvor einen so gut aussehenden Mann kennengelernt, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können.
Warum musste sie ihm ausgerechnet jetzt begegnen, wo sie vorgab, ein Junge zu sein? Das war nicht fair!
Aber andererseits würde ein Mann wie Matías Navarro sie sowieso nicht beachten. Bisher hatte sich noch niemand für sie interessiert, warum sollte er ausgerechnet der Erste sein? Camilla war sich sicher, dass er sie selbst dann nicht als Frau wahrnehmen würde, wenn sie hübsche Kleidung trug. Schließlich hatte er eine wunderschöne Verlobte. Gegen die zarte Amerikanerin – den Inbegriff von Weiblichkeit und Anmut – hätte sie nie eine Chance. Sie würde immer zu groß und zu wenig damenhaft sein.
Camillas einziger Trost war, dass Liliana kaum Spanisch sprach. Doch Matías schien das nicht zu stören. Er sprach meistens Englisch mit ihr. Camilla war durch ihre amerikanische Mutter zweisprachig aufgewachsen und fand es bezaubernd, wenn er Englisch sprach.
„Pass in Zukunft besser auf“, sagte Matías, nickte ihr noch einmal zu und ging zurück zum Haus.
Mit klopfendem Herzen blieb Camilla zurück. Doch das lag nicht mehr am Adrenalin, sondern an etwas anderem. An etwas, das völlig unmöglich und undenkbar war.
Sie musste sich das unbedingt aus dem Kopf schlagen.
Heute sollte Fernando Cortez zum ersten Mal auf Fuego reiten. Matías hatte es extra so eingerichtet, dass er dabei sein konnte, und er hatte auch Liliana überredet, mitzukommen. Sie fuhren in einem klimatisierten Geländewagen bis zum Reitplatz, und Matías stellte zwei bequeme Stühle für sie beide in den Schatten.
Liliana sah wie immer frisch und makellos aus. Ihre blonden Locken waren sorgsam frisiert und fielen weich über ihren Rücken. Sie würde eine sehr passende Braut abgeben. Viele Männer würden ihn um sie beneiden, sicherlich auch sein Bruder.
Diego war sozusagen das schwarze Schaf unter ihnen, und es war höchst unwahrscheinlich, dass er rechtzeitig eine Frau fand. Somit war es so gut wie sicher, dass Matías alles erbte und Diego leer ausging. Matías würde endlich ganz alleine für die Ranch und die Pferde verantwortlich sein.
Außerdem wäre dann die Gefahr gebannt, dass Diego Teilhaber von Matías Unternehmen werden könnte. Matías hatte sich zu Beginn seiner Karriere Geld von seiner Familie leihen müssen, um sein Unternehmen gründen zu können. Technisch gesehen wäre Diego also auch Teilhaber von Matías Unternehmen, wenn er gewinnen sollte. Es handelte sich zwar nur um einen sehr kleinen Anteil, aber Diego war ein Schlitzohr, und Matías wollte die Möglichkeit um jeden Preis ausschließen.
Nach dem mysteriösen Tod seiner ersten Ehefrau vor mehreren Jahren hatte Diego sich ins Ausland abgesetzt. Es gab zahlreiche Gerüchte über die Todesursache und über Diego.
Soweit Matías wusste, hatte Diego seitdem durch zwielichtige Geschäfte ein Vermögen angesammelt, es dabei aber nicht zu Ansehen gebracht.
Die beiden Brüder hatten sich nie nahegestanden, und nach dem tragischen Tod ihrer Mutter, als beide noch jung waren, hatten sie sich noch weiter voneinander entfernt. Jeder hatte seinen eigenen Weg gefunden, um die Kindheit ohne Mutter und mit einem gewalttätigen Vater zu bewältigen.
Diego, der Ältere, hatte sich immer mehr zurückgezogen, und da niemand mehr da war, um ihn zu bremsen, gewann mit der Zeit seine düstere, aggressive Seite die Oberhand. Er kam sehr nach seinem Vater und hatte oft Wutanfälle, bei denen er Möbel und Bilder zerstörte, und einmal hatte er sogar einen Schuppen in Brand gesetzt.
Matías hingegen hatte einen Schutzwall um sich herum errichtet. Er hatte stets versucht, Konflikte friedlich zu lösen, und sich selbst schon früh hohe Ziele gesetzt. Auf keinen Fall wollte er so werden wie sein Vater.
Er würde nicht zulassen, dass sein bösartiger, verdorbener Bruder auf der Ranch etwas zu sagen bekam. Unter ihrem Vater hatte es genug Grausamkeit gegeben, damit würde nun ein für alle Mal Schluss sein.
„Das ist ein schönes Pferd“, sagte Liliana und lehnte sich in ihrem gemütlichen Stuhl, den er extra für sie hier zum Reitplatz hatte bringen lassen, zurück. Sie griff nach ihrem Glas Limonade und nahm einen kleinen Schluck.
Matías beobachtete fasziniert, wie ihre rosigen Lippen den Strohhalm umschlossen. Er vermutete, dass seine zukünftige Braut unschuldig war. Wenn nicht, spielte sie die Rolle sehr glaubwürdig. Ihm war es egal, ob sie noch Jungfrau war, aber aus Respekt hielt er sich ihr gegenüber sehr zurück.
„Das stimmt, Fuego ist wirklich prachtvoll. Aber auch sehr temperamentvoll, bisher kann ihn nur der Stallbursche reiten“, antwortete Matías nachdenklich.
Liliana rümpfte die Nase. „Das klingt kompliziert. Der Stallbursche wird wohl kaum bei einem Rennen starten können, oder? Es gibt doch sicher Altersbegrenzungen?“
„Ja, das stimmt. Deswegen kommt heute Fernando Cortez hierher.“
Als hätte er auf sein Stichwort gewartet, trat in diesem Moment der Jockey aus dem Stall und ging zum Reitplatz. Er unterhielt sich kurz mit dem Stallburschen. Der Junge wirkte aufgebracht. Wenn es um Fuego ging, hatte er einen großen Beschützerinstinkt. Matías mochte das – es zeigte, dass der Hengst ihm etwas bedeutete, und dass er mit Leidenschaft bei der Sache war. Und man konnte nicht leugnen, dass die Pferde bei dem Kleinen sehr gute Ergebnisse brachten, Erfahrungen hin oder her.
Fernando nahm dem Jungen den Führstrick aus der Hand, und Matías spannte sich in seinem Stuhl an. „Ich hoffe nur, dass er keine Dummheiten macht“, murmelte er.
„Meinst du den Jungen oder den Jockey?“, fragte Liliana.
„Beide“, erwiderte Matías und sah zu dem Jungen hinüber, der sehr aufgeregt wirkte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete, wie Fernando neben Fuego trat und sich ohne Vorwarnung auf dessen Rücken schwang.
Der Hengst geriet augenblicklich in Panik, und bevor Matías überhaupt reagieren konnte, war der Junge schon zu Fuego geeilt und stellte sich ihm in den Weg. „Dios mio“ , ächzte Matías und eilte zum Reitplatz.
Der Hengst war außer sich. Er stieg und warf Fernando ab. Dabei streifte er den Jungen mit dem Vorderhuf an der Schläfe. Eine blutende Wunde klaffte auf, und der Junge fiel zu Boden.
Liliana sprang nun ebenfalls auf, blass und mit angstvoll geweiteten Augen. „Bleib hier“, rief Matías ihr zu. Er wollte auf keinen Fall, dass seine Verlobte in die Nähe des wilden Hengstes kam. Fuego war gefährlich, wenn er in Panik geriet – auch für den Jungen, wie man gesehen hatte.
Fernando Cortez war schon wieder auf den Beinen und wich vor dem schnaubenden Tier zurück. Matías sah wütend zu ihm hinüber – er würde den Jockey feuern, sobald der Junge versorgt war. Und er würde dafür sorgen, dass in Züchterkreisen jeder davon erfuhr, wie unverantwortlich Fernando sich benommen hatte.
Doch erst musste er sich vergewissern, dass der Kleine noch am Leben war.
Matías beugte sich zu ihm hinunter und hielt die Hand vor seine Nase. Erleichtert stellte er fest, dass der Junge atmete.
Doch er war bewusstlos, und die Stirnwunde blutete. Kurzerhand riss Matías ein Stück seines Hemdärmels ab und presste das Stoffstück auf die Wunde. Dann hob er den Jungen vorsichtig hoch und trug ihn zu seinem Geländewagen.
„Medico“ , rief er Liliana zu, bevor er Richtung Haus losfuhr. Sie würde wissen, was zu tun war, und einen Arzt rufen.
Während der kurzen Fahrt hoffte Matías inständig, dass der Junge überlebte.
Camilla fühlte sich benommen. Als sie langsam wieder zu sich kam, spürte sie zuerst ihre Wut auf Fernando Cortez, doch dann durchzuckte sie ein scharfer Schmerz. Sie stöhnte auf und fasste sich an die Stirn.
„Du hast einen Huf abbekommen, aber er hat dich zum Glück nur gestreift“, hörte sie Matías sagen.
Sie öffnete vorsichtig die Augen. Das Licht schmerzte. Verschwommen erkannte sie, dass sie sich in einem Geländewagen befand. Matías saß am Steuer.
„Ja, ich erinnere mich. Und ich bin froh, dass der Huf mich nicht ganz erwischt hat – es tut so schon höllisch weh.“
„Wie heißt du?“, fragte Matías besorgt.
Es fiel Camilla schwer, die Frage zu verarbeiten. Er hatte sie vorher noch nie nach ihrem Namen gefragt. Irgendwie weckte seine Frage ein warmes Gefühl in ihr, doch dann wurde ihr bewusst, dass er das ja nicht sie, Camilla, fragte. Er fragte den Stallburschen. Dennoch hatte die Frage etwas Bedeutungsvolles – auch wenn er nur fragte, um sicher zu gehen, dass sie keine Gehirnerschütterung hatte.
„Cam“, sagte sie zögernd. Diesen Namen hatte sie auch allen anderen hier genannt.
„Gut, Cam. Versuch bitte, wach zu bleiben. Ich will nicht, dass du einschläfst und nicht mehr aufwachst.“
Camilla wollte den Kopf schütteln, doch es tat zu sehr weh. „Ja“, murmelte sie leise. Den Rest der Fahrt versuchte sie mühsam, die Augen offen zu halten.
Matías hielt vor dem großen Herrenhaus, stieg aus und kam schnell um den Wagen herum. Er öffnete ihre Tür, zog sie zu sich heran und hob sie hoch.
Camilla fühlte sie sich plötzlich noch viel schwächer, als er sie gegen seine muskulöse Brust gedrückt ins Haus trug. Es lag jedoch nicht an der Verletzung oder am Blutverlust, sondern an der Tatsache, dass Matías Navarro sie im Arm hielt. Er hielt sie, als wäre sie etwas Wertvolles – so, als würde sie ihm etwas bedeuten.
Sei kein Dummkopf, schalt sie sich. Er trägt dich nur so, weil er denkt, dass du ein verletztes Kind bist.
„Ich habe unseren Hausarzt rufen lassen“, sagte er und legte sie vorsichtig auf die Couch im Wohnzimmer.
Sie schaute sich neugierig im Raum um. So fielen ihr zumindest nicht die Augen zu, und es lenkte sie von der Wärme und dem sirrenden Gefühl ab, das sich in ihr ausgebreitet hatte.
Das muss der Schock sein, dachte sie.
„Es hätte zu lange gedauert, den Notarzt zu rufen. Wir können dich immer noch ins Krankenhaus bringen, wenn es notwendig ist, doch mir ist es lieber, wenn dich vorher jemand hier vor Ort untersucht“, fuhr Matías fort.
Plötzlich war Camilla hellwach.
Eine Untersuchung konnte ihre Tarnung auffliegen lassen. Ein Krankenhausaufenthalt noch viel mehr. Doch sie konnte Matías schlecht sagen, dass sie nicht untersucht werden wollte, und weggelaufen konnte sie auch nicht. Sie würde es ja nicht einmal schaffen, vom Sofa aufzustehen! Außerdem wusste sie selbst, dass sie ärztliche Hilfe benötigte.
Sie lehnte sich wieder in die Kissen und betrachtete die verschnörkelten Muster an der Zimmerdecke, die sich in den Schnitzereien auf den blassblauen, wuchtigen Polstermöbeln wiederfanden.
Er bemerkte ihren Blick und sagte: „Das habe ich nicht ausgesucht. Meine Wohnung in London und mein Penthouse in Barcelona sind moderner eingerichtet.“
„Ich … ich finde daran nichts auszusetzen.“
„Verständlich“, sagte Matías mit ausdrucksloser Miene. „Wie lange warst du eigentlich obdachlos?“
Camilla sah verlegen auf ihre Hände. „Ich war nicht wirklich obdachlos, aber wenn ich hier nicht hätte anfangen können, wäre ich es sicherlich geworden, nachdem Cesar gestorben war.“ Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Denn auch wenn sie vorgab, ein Stallbursche von der Alvarez-Ranch zu sein, so war sie doch in Wirklichkeit Cesar Alvarez’ Tochter, und es tat noch jedes Mal weh, wenn sie über ihren Vater sprach.
„Und bevor du dort angefangen hast?“, erkundigte Matías sich.
Camilla biss sich nervös auf die Unterlippe. Jetzt musste sie sich schnell eine glaubhafte Geschichte einfallen lassen.
Damals hatte tatsächlich ein Junge auf ihrer Ranch gearbeitet, dessen Eltern beide verstorben waren, und der durch das soziale Netz gefallen war. Er war jedoch nicht lange bei ihnen gewesen, denn ihr Vater hatte dem Jungen die Ausbildung finanziert, nachdem er seine Geschichte erfahren hatte.
Es fühlte sich nicht richtig an, die Geschichte dieses armen Jungen als ihre eigene auszugeben, doch es war in diesem Moment die einfachste Lösung.
„Ich habe meinen Vater nie kennengelernt.“ Die Worte brannten wie Säure in ihrer Kehle. „Meine Mutter starb, als ich neun war. Ich habe mich eine Weile alleine durchgeschlagen und bin irgendwann zufällig auf der Alvarez-Ranch gelandet. Cesar Alvarez hat mich eingestellt und mir eine Aufgabe gegeben. Dort habe ich viel gelernt. Pferde sind meine große Leidenschaft, deshalb bin ich ihnen hierher gefolgt.“
Matías nickte verständnisvoll. „Ja, das kann ich gut verstehen, diese Begeisterung für Pferde. Sie liegt mir quasi im Blut, denn die Ranch gehört meiner Familie schon seit vielen Generationen. Ich hänge sehr daran.“
„Warum gestalten Sie ihr Haus denn nicht einfach um, wenn es Ihnen nicht gefällt?“
Matías ging zu der Anrichte an der gegenüberliegenden Wand und goss sich ein Glas Whisky ein.
„Das Haus gehört mir nicht“, sagte er und nahm einen Schluck. Nachdenklich schwenkte er das Glas und stellte es dann auf einen kleinen Beistelltisch. Entschlossen fuhr er fort: „Aber das wird es bald. Momentan gehört es noch meinem Großvater, doch er ist sehr krank und hat sein Erbe an bestimmte Bedingungen geknüpft. Wenn mein Bruder und ich beide seine Forderungen erfüllen, wird das Erbe zu gleichen Teilen unter uns aufgeteilt. Wenn aber nur einer von uns es schafft, die Forderungen zu erfüllen, dann bekommt derjenige alles, während der Verlierer leer ausgeht.“
„Und was für Forderungen sind das?“, wollte Camilla wissen, doch Matías entgegnete: „Das geht jetzt zu sehr ins Detail – auch wenn es gut ist, dass ich dich mit meinen Geschichten wachhalte. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass mein Bruder es nicht schaffen wird, die Forderungen zu erfüllen. Du musst wissen … Mein Bruder ist kein guter Mensch.“ Nachdenklich blickte Matías ins Leere.
„Man sagt …“, begann Camilla.
Matías neigte den Kopf zur Seite, und sein Blick war auf einmal sehr wachsam.
„Was sagt man?“, wollte er wissen.
Sofort bereute sie, dass sie dieses Thema angesprochen hatte. „Ich habe von Diego gehört.“ Das hatte jeder.
„Natürlich.“
„Man sagt, dass er für den Tod seiner Frau verantwortlich ist“, sagte sie vorsichtig.
„Ja, das sagt man“, bestätigte Matías.
Camilla versuchte, sich aufzusetzen. „Glauben Sie das auch?“, fragte sie neugierig.
„Diego ist zu vielem fähig“, erklärte er mit gerunzelter Stirn und ließ sich einen Moment Zeit, bevor er weitersprach: „Dennoch glaube ich nicht, dass er Karina getötet hat. Sicherlich trifft ihn eine Mitschuld, dass sie sich das Leben genommen hat, aber umgebracht hat er sie sicherlich nicht. Er hat allerdings auch nie versucht, seinen Namen reinzuwaschen. Das ist typisch für ihn …“
„Es kursieren auch über Sie Gerüchte“, sagte Camilla und erkannte zu spät, dass dies wohl kein geeignetes Gesprächsthema mit ihrem Boss war. Sie schob ihre Taktlosigkeit auf die Kopfverletzungen. Außerdem brachte seine Nähe sie völlig aus dem Konzept, und es fiel ihr schwer, normal zu atmen.
„Ach ja?“, erwiderte Matías neugierig.
„Ja. Man sagt, dass Sie … dass Sie keine Frauen einstellen.“ Camilla wusste, dass sie mit dem Feuer spielte – zumindest fühlte es sich gerade so an.
Doch selbst hier, in der Ruhe des Wohnzimmers, betrachtete Matías sie nicht näher. Er betrachtete seine Mitarbeiter generell nur oberflächlich, denn er war ein vielbeschäftigter Mann. Er war dabei nicht unfreundlich, aber er schien ständig in Bewegung zu sein. Nichts schien seine Aufmerksamkeit für längere Zeit fesseln zu können.
„Das ist wahr“, antwortete er, und ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen.
„Warum? Glauben Sie, dass Frauen nicht so gut mit Pferden umgehen können?“
„Nein, natürlich nicht“, rief Matías entsetzt und machte mit der Hand eine abwehrende Geste. „Das Problem ist, dass die Frauen sich immer in mich verlieben.“
Bei dieser Enthüllung fühlte sich Camilla plötzlich sehr unwohl, schließlich löste er auch in ihr ungewohnte Gefühle aus. Natürlich hatte sie sich nicht in ihn verliebt, das war lächerlich, aber sie war auch nicht gegen ihn immun. Sie konnte sich gut vorstellen, dass manche Frauen nur deshalb einen Job auf der Ranch annahmen, um in Matías’ Nähe zu sein.
„Vielleicht wirst du das später, wenn du erwachsen bist, besser verstehen“, sagte er.
Etwas verärgert entgegnete Camilla: „Das verstehe ich auch jetzt schon“, und brachte Matías damit zum Schmunzeln.
„Natürlich“, erwiderte er nachsichtig.
Camilla sah ihn einen Moment lang an. „Das ist kurzsichtig von Ihnen.“
Matías zog eine Augenbraue hoch und fragte „Ist es das?“
„Ja. Es gibt auch genug Männer, die sich in Sie verlieben könnten.“
Matías brach in schallendes Gelächter aus. Als er sich wieder gefangen hatte, meinte er: „Das ist natürlich möglich, vor allem, weil ich so ein Charmebolzen bin. Aber bisher habe ich noch nie einen männlichen Mitarbeiter nackt in meinem Bett vorgefunden.“
Camilla spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. „Oh“, hauchte sie nur. Plötzlich wurde ihr wieder schwindelig. Kraftlos ließ sie den Kopf auf die Armlehne sinken. Es begann sich alles zu drehen, und sie hörte Matías besorgte Stimme.
„Cam, bleib bei mir.“
„Bei Ihnen bleiben?“, fragte sie irritiert. Sie wusste nicht mehr genau, ob sie nun Cam oder Camilla war, und die Doppeldeutigkeit seiner Aufforderung verwirrte sie.
„Nicht einschlafen“, sagte Matías eindringlich. Camilla blinzelte. Natürlich, das hatte er gemeint. Der Junge, Cam, sollte wach bleiben. Nicht etwa, dass sie, Camilla, bei ihm bleiben sollte. Er wusste ja nicht einmal, wer sie wirklich war. Und ehrlich gesagt wusste sie auch nicht so genau, wer er war. Sie kannte ihn ja kaum.
Als er für sie noch ein gesichtsloser Schurke gewesen war, da war alles einfacher gewesen. Er war derjenige, der ihr die Pferde weggenommen und ihre missliche Lage und die Schulden ihres Vaters zu seinem Vorteil ausgenutzt hatte. Doch Matías wirkte gar nicht wie ein Schurke. Er war freundlich und gerecht, und er sorgte gut für seine Pferde. Außerdem machte er sich Sorgen um sie. Er hatte zwar gesagt, dass er keine polizeiliche Untersuchung auf der Ranch wollte, doch vielleicht war es ihm auch nicht egal, ob sie starb oder nicht.
Der Gedanke erfüllte sie mit einem wohligen Gefühl.
Doch das konnte auch an der Kopfverletzung liegen.
Plötzlich öffnete sich die Tür, und Juan kam mit einem älteren grauhaarigen Mann herein. Das musste der Arzt sein.
Camilla wurde gründlich untersucht, und es schien zum Glück so, dass sie nicht ins Krankenhaus musste. Zum Schluss kontrollierte der Doktor noch ihre Pupillenreaktion, um eine Gehirnerschütterung auszuschließen.
Camilla schluckte nervös, als der alte Mann anschließend Juan und Matías aus dem Raum schickte. Der Arzt betrachtete sie prüfend und fragte: „Wie heißt du?“
„Cam“, antwortete sie zögernd.
„Wie alt bist du?“
„Vierzehn.“
„Hast du noch Angehörige?“
„Nein“
Der alte Mann bedachte Camilla mit einem strengen Blick und sagte dann: „Nun gut, und jetzt würde ich gerne die Wahrheit erfahren.“
Er weiß es.
Camilla schluckte schwer und sagte leise: „Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.“
Es herrschte einen Moment lang Schweigen. Dann sagte der alte Arzt: „Du musst wissen, dass mir Matías sehr viel bedeutet. Ich habe ihn schon als kleinen Jungen behandelt. Auch so manches Mal, wenn sein Vater ihm ein blaues Auge oder Schlimmeres verpasst hatte. Ich werde nicht zulassen, dass sich jemand an ihm bereichert oder ihm Schaden zufügt.“
„Das werde ich auch nicht tun“, sagte Camilla aus tiefstem Herzen und sah den Doktor dabei direkt an.
„Ich weiß nicht genau, warum, aber ich glaube dir. Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen kennengelernt, und ich sehe mir jeden genau an. Deine Täuschung hat bisher nur funktioniert, weil Leute wie Matías die Angewohnheit haben, niemanden näher zu betrachten. Aber ich mache das – ich sehe genau hin …“
„Ist mit meinem Kopf denn alles in Ordnung?“, wechselte Camilla abrupt das Thema.
„Ja, aber ich würde empfehlen, dass du noch eine Weile im Haus bleibst, und ein paar Tage auch nicht in der Sonne arbeitest. Ich werde mit Matías darüber sprechen.“
Als der alte Doktor den Raum verließ, wurde Camilla ganz flau im Magen. Was, wenn er gelogen hatte? Wenn er Matías ihr Geheimnis verriet?
Es war dem alten Arzt sofort aufgefallen, dass sie eine Frau war. Er kannte sie nicht, warum sollte er ihr also vertrauen? Andererseits hatte sie das Gefühl, dass er zu seinem Wort stehen würde. Er hatte keinen Grund, sie zu verraten. Wenn er das gewollt hätte, dann hätte er es sofort tun können. Stattdessen hatte er Matías und Juan aus dem Zimmer geschickt …
Mit einem flauen Gefühl im Bauch und flatternden Nerven wartete Camilla, was als Nächstes passieren würde.
Nach einer Weile kam Matías mit düsterer Miene zurück ins Wohnzimmer.
„Der Doktor hat empfohlen, dass ich dich hier im Haus unterbringe – zumindest für die nächsten paar Tage. Damit du es bequemer hast. Und um sicherzustellen, dass immer jemand in deiner Nähe ist.“
„Danke“, sagte Camilla schüchtern. Plötzlich fühlte sie sich sehr schuldig.
Es ging nun nicht mehr nur darum, den Pferden nahe zu sein und sie zu versorgen, jetzt kümmerte Matías sich um sie. Camilla hatte das Gefühl, seine Gastfreundschaft auszunutzen, weil sie ihm die Wahrheit verschwieg.
Doch andererseits tat sie es ja nicht, um ihm zu schaden. Sie tat es für Fuego.
Ja, für Fuego. Und für sich selbst, für ihr gebrochenes Herz. Sie hatte in so kurzer Zeit so viel verloren, sie hätte es einfach nicht ertragen, die Pferde auch noch zu verlieren.
Zu ihrem Erstaunen stellte Camilla bald fest, dass viele der Hausangestellten weiblich waren. Verwirrt betrachtete sie die ältere Frau, die sie zu ihrem Schlafzimmer führte, und sagte: „Ich dachte, Señor Navarro stellt keine Frauen ein.“
„Er stellt nur keine jungen Frauen ein“, antwortete die grauhaarige Frau. „Vor allem nicht bei den Pferden im Stall. Du musst wissen, dass Señor Navarro nur sehr selten hier im Haus ist. Im Stall verbringt er allerdings sehr viel Zeit, und dort hat er auch mit den Angestellten viel mehr zu tun.“ Sie schüttelte nachdenklich den Kopf und fügte hinzu: „Es gab schon einige Mädchen, die sich für ihn zum Narren gemacht haben.“
Diese Auskunft beruhigte Camilla ein wenig. Sie hatte schon befürchtet, diese ganze Scharade aufgrund von falschen Gerüchten angefangen zu haben – das wäre wirklich peinlich gewesen.
Man hatte ihre Sachen ins Haus gebracht, und erleichtert zog sie sich etwas Bequemes an, bevor sie sich erschöpft hinlegte. Das Bett war wunderbar weich und bequem. Sie hatte es schon lange nicht mehr so gemütlich gehabt, und deshalb versuchte sie, noch möglichst lange wach zu bleiben, um den ungewohnten Luxus zu genießen. Doch sie war zu erschöpft, und schon bald fielen ihr die Augen zu.
Matías wurde mitten in der Nacht von Schreien geweckt.
Zuerst dachte er, es wäre nur ein Traum. Er träumte oft von diesem einen Tag vor vielen Jahren. Die Geschehnisse von damals hatte er tief in seinem Unterbewusstsein vergraben, doch im Schlaf wurde alles wieder real: Schreie und Pferde … und eine Frau.
Doch in dieser Nacht war etwas anders – jemand schrie wirklich!
Voller Entsetzen wurde ihm klar, dass es nur Liliana sein konnte. Er sprang aus dem Bett und rannte die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. Sein Herz raste, seine Gefühle waren ein wildes Durcheinander.
Ich hätte es wissen müssen, dachte er. Ich hätte niemals eine Frau hierherbringen dürfen, vor allem nicht so eine zarte wie Liliana. Ich hätte wissen müssen, dass der Fluch der Navarro-Frauen auch sie treffen würde.
Im nächsten Moment schalt er sich selbst, weil er solchen Unsinn dachte. Sicherlich hatte sie nur einen Albtraum.
Doch dann hörte Matías auch seine Haushälterin schreien, während er den langen Flur entlangrannte, und die kalte Angst packte ihn.
Lilianas Zimmertür stand sperrangelweit auf, und auch das Fenster war geöffnet. Die zarten Spitzengardinen wehten im leichten Nachtwind.
Matías Herz schlug wie wild in seiner Brust, und ihm wurde ganz kalt. Das Zimmer befand sich im dritten Stock.
Welchen Grund hätte Liliana haben können, um sich aus dem Fenster zu stürzen? Wenn sie mit ihm so unglücklich gewesen war, hätte sie es ihm doch nur zu sagen brauchen, und er hätte die Verlobung gelöst.
Er eilte zum offenen Fenster und schaute nach unten. Halb rechnete er damit, auf dem Rasen Lilianas zarte, in ein weißes Nachthemd gehüllte Figur liegen zu sehen, doch er entdeckte nichts. Keine Spur von ihr.
Er ließ den Blick über die weitläufigen Rasenflächen des Anwesens gleiten, und dann endlich sah er sie. Sie stand in einiger Entfernung zum Wohnhaus. Ihr Nachthemd und ihre langen blonden Haare wehten in der nächtlichen Brise.
Doch sie war nicht allein. Bei ihr stand ein dunkler Schatten, der sie festzuhalten schien.
Diego!
Matías hatte keinen Zweifel, dass dort sein älterer Bruder stand. Eine Stimme tief in seinem Inneren sagte es ihm. Diego hatte seine Verlobte gestohlen.
Dann verschwanden die beiden Gestalten in der Dunkelheit.
Hastig erteilte Matías seinen Angestellten Befehle. Erst nach einer Weile bemerkte er den Jungen, der nach oben gekommen war und verängstigt neben ihm stand.
„Geh wieder ins Bett“, befahl Matías.