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Knisternde Spannung und prickelnde Gefühle: Der historische Liebesroman »Die Versuchung des Highlanders« von Hannah Howell als eBook bei dotbooks. Schottland im Jahr 1478. Der Highland-Lord Tormand Murray ist als Frauenheld und Draufgänger berühmt und berüchtigt – bald auch als Mörder? Als Tormand neben der Leiche einer früheren Geliebten zu sich kommt, fehlt ihm jede Erinnerung an die letzte Nacht … aber eins ist klar: Jemand versucht, ihn unschuldig an den Galgen zu bringen! Nur die schöne Morainn kann ihm jetzt noch helfen, denn sie besitzt die Gabe des zweiten Gesichts. Während die beiden versuchen, das düstere Geheimnis zu lüften, kommen sie sich immer näher. Dürfen sie sich auf diese Gefühle einlassen? Denn Tormand ahnt, dass der ruchlose Widersacher es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Frauen zu töten, die er leidenschaftlich liebt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Die Versuchung des Highlanders« von New-York-Times-Bestsellerautorin Hannah Howell ist der dritte Band der romantischen Saga »Highland Dreams«, der aber unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 487
Über dieses Buch:
Schottland im Jahr 1478. Der Highland-Lord Tormand Murray ist als Frauenheld und Draufgänger berühmt und berüchtigt – bald auch als Mörder? Als Tormand neben der Leiche einer früheren Geliebten zu sich kommt, fehlt ihm jede Erinnerung an die letzte Nacht … aber eins ist klar: Jemand versucht, ihn unschuldig an den Galgen zu bringen! Nur die schöne Morainn kann ihm jetzt noch helfen, denn sie besitzt die Gabe des zweiten Gesichts. Während die beiden versuchen, das düstere Geheimnis zu lüften, kommen sie sich immer näher. Dürfen sie sich auf diese Gefühle einlassen? Denn Tormand ahnt, dass der ruchlose Widersacher es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Frauen zu töten, die er leidenschaftlich liebt …
Über die Autorin:
Hannah Howell, geboren 1950 in Massachusetts, kann ihren amerikanischen Familienstammbaum bis in das frühe 17. Jahrhundert zurückverfolgen – liebt aber vor allem die Geschichte Englands und Schottlands; auf einer Reise dorthin lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Hannah Howell hat in ihrer schriftstellerischen Karriere über 60 Liebesromane veröffentlicht, darunter den großangelegten Zyklus über die Familie Murray, in dem sie mitreißend vom Schicksal mehrerer Generationen einer weitverzweigten schottischen Highlander-Dynastie erzählt. Hannah Howell wurde für ihr Werk mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Golden Leaf Award und dem Preis des Romantic Times Bookclub Magazine.
Bei dotbooks erschienen die folgenden Romane von Hannah Howell:
HIGHLAND HEROES: Das Schicksal des Highlanders; Die Lust des Highlanders; Das Schwert des Highlanders
HIGHLAND ROSES: Die Spur des Highlanders; Die Sehnsucht des Highlanders
HIGHLAND LOVERS: Der Fürst der Highlander; Der ungezähmte Highlander; Der Held der Highlands
HIGHLAND DREAMS: Das Begehren des Highlanders; Der Stolz des Highlanders; Die Versuchung des Highlanders
Der Kuss des Schotten
Das Herz des Highlanders
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eBook-Neuausgabe Februar 2020
Die amerikanische Originalausgabe dieses Buchs erschien 2008 unter dem Titel »Highland Sinner « bei Zebra Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Die Sünde des Highlanders« bei Weltbild.
Copyright der Originalausgabe © 2008 by Hannah Howell; published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP, New York, NY USA
Copyright der deutschen Erstausgabe © 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/The Faces, Andre Goncalves, Spumader, sumroeng, chinnapan, Mariabo2015
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-96148-994-7
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Hannah Howell
Die Versuchung des Highlanders
Roman
Aus dem Englischen von Angela Schumitz
dotbooks.
Schottland, Frühsommer 1478
Welch ein Gestank!
Tormand Murray mühte sich, wach zu werden, zumindest so wach, um dem grässlichen Geruch zu entkommen, der ihm entgegenschlug. Stöhnend begann er, sich umzudrehen. Der Schmerz in seinem Kopf wurde zu einem unerträglichen Stechen. Schließlich wälzte Tormand sich zur Seite und befühlte vorsichtig seinen Schädel, bis er die Quelle des Schmerzes entdeckte: eine äußerst empfindliche Beule am Hinterkopf. Die feuchten, verklebten Haare zeigten, dass er geblutet hatte. Doch es schien kein Blut mehr aus der Wunde zu sickern. Offenbar war er längere Zeit bewusstlos gewesen, möglicherweise sogar mehrere Stunden.
Tormand versuchte, seine Kopfschmerzen zu verdrängen und die Augen zu öffnen. Dabei durchzuckte ihn abermals ein stechender Schmerz. Er fluchte. Er war definitiv eine Weile bewusstlos gewesen, und abgesehen von dem Schlag auf den Kopf war ihm wohl noch mehr zugefügt worden, denn seine Augen waren völlig verkrustet. Dunkel konnte er sich entsinnen, dass man ihm etwas ins Gesicht geworfen hatte, bevor ihm die Sinne schwanden, aber er hatte nach wie vor keine klare Vorstellung, was wirklich passiert war.
Behutsam begann er, die Kruste um seine Augen zu entfernen, auch wenn er zugeben musste, dass es nicht nur der Schmerz war, der ihn so vorsichtig sein ließ, sondern auch die Eitelkeit; denn er befürchtete, er könnte sich ein paar Wimpern ausreißen. Doch er wollte die Augen zumindest so weit aufbringen, um zu sehen, ob es Wasser in der Nähe gab, mit dem er den Rest der Kruste entfernen konnte. Und hoffentlich genug Wasser, um sich gründlich zu waschen – falls er die Quelle dieses Gestanks war. Zu seiner Schande war er schon mehrmals übel riechend aufgewacht, weil er zu viel getrunken hatte und dann über irgendeinen Misthaufen auf der Straße gestolpert war. Doch so schlimm war es noch nie gewesen. Ihm war schon richtig schlecht von diesem Gestank.
Plötzlich erstarrte er, denn ihm war klar geworden, wonach es hier roch: nach Tod. Neben dem widerlichen Geruch eines schmutzigen Aborts stank es hier auch nach Blut – nach viel Blut. Es musste so viel Blut sein, dass es unmöglich aus seiner Kopfverletzung stammen konnte.
Als Nächstes bemerkte Tormand, dass er nackt war. Einen Moment lang geriet er in Panik. War er mit Leichen in ein offenes Grab geworfen worden? Doch diese Angst schüttelte er rasch wieder ab. Nein, unter sich spürte er keine Erde oder kaltes Fleisch, sondern das kühle Leinen eines weichen Betts. Bei diesem Gestank aus der Ohnmacht zu erwachen hatte offenbar seinen Verstand verwirrt, dachte er und schimpfte leise mit sich.
Schließlich bekam er die Lider einen Spaltbreit auf, doch das Licht brannte in seinen Augen und ließ seinen Kopf umso heftiger pochen. Er ächzte. Alles war verschwommen, er erkannte nur die Umrisse eines luxuriösen Schlafzimmers, das ihm vage bekannt vorkam. Ihn überfiel eine böse Vorahnung. Plötzlich zögerte er noch mehr, nach der Quelle dieses Gestanks zu suchen. Von einem Kampf rührte er bestimmt nicht her, zumindest wies in dem Teil des Schlafzimmers, der in seinem Blickfeld lag, nichts auf einen Kampf hin.
Wenn in diesem Zimmer eine Leiche liegt, solltest du lieber rasch herausfinden, um wen es sich handelt, sagte ihm eine innere Stimme, die der seines Knappen Walter erstaunlich ähnelte. Tormand konnte diesem Rat nur zustimmen. Da er in dem Teil des Zimmers, den er überblicken konnte, keine Leiche sah, drehte er den Kopf mühsam in die andere Richtung. Beim Anblick, der sich nun seinen tränenden Augen bot, entfuhr ihm ein Laut ähnlich dem, den seine Nichte Anna ausstieß, wenn sie eine Spinne sah. Er teilte sein Lager mit dem Tod!
So hurtig, dass er fast aus dem Bett gefallen wäre, robbte er von der Leiche weg. Um Gleichmut ringend, stand er auf und schleppte sich zur Waschschüssel, um die Augen zu säubern. Er musste sich mehrmals Wasser ins Gesicht spritzen und behutsam reiben, bis sie endlich nicht mehr so brannten und seine Sicht klarer wurde. Nachdem er sich das Gesicht abgetrocknet hatte, entdeckte er auch gleich seine Kleider. Sie lagen ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl, so, als hätte er dieses Schlafzimmer als Gast und aus freien Stücken betreten. Hastig zog er sich an, dann suchte er den Raum nach weiteren Zeichen seiner Anwesenheit ab und holte seine Waffen und den Umhang.
Schließlich konnte er sich nicht länger davor drücken, die Leiche im Bett in Augenschein zu nehmen. Er straffte die Schultern und trat näher. Als er das betrachtete, was einst eine sehr schöne Frau gewesen sein musste, drehte sich ihm der Magen um. Die Tote war so verstümmelt, dass er eine ganze Weile brauchte, bis er erkannte, dass er auf die sterblichen Überreste von Lady Clara Sinclair blickte. Doch die wirren Strähnen goldblonden Haares, die noch an ihrem Kopf hingen, die großen, starren, blauen Augen und ein herzförmiges Muttermal oberhalb der Stelle, wo sich früher ihre linke Brust befunden hatte, ließen keinen Zweifel. Der Rest des Gesichts war mit so vielen Schnitten entstellt, dass es wohl Claras eigener Mutter schwergefallen wäre, sie ohne zusätzliche Hinweise zu identifizieren.
Inzwischen erfüllte eine kalte Ruhe, um die er sich lange vergeblich bemüht hatte, seinen Körper und seinen Geist, sodass es ihm gelang, die Leiche genauer zu studieren. Trotz der Verstümmelung lag ein Ausdruck auf dem Gesicht der armen Clara, der darauf hinwies, dass sie noch gelebt haben musste, als ihr einige der grauenhaften Wunden zugefügt worden waren. Ein rascher Blick auf ihre Hand- und Fußgelenke zeigten ihm, dass man sie gefesselt und dass sie sich gewehrt hatte. Das bestärkte Tormands düstere Vermutungen. Entweder hatte die arme Clara etwas gewusst, was ihr jemand gewaltsam zu entlocken versucht hatte, oder sie hatte einen Feind besessen, der sie mit kalter, mörderischer Wut gehasst hatte.
Und diese Person musste wohl auch ihn hassen, fiel ihm plötzlich ein, und bei diesem Gedanken überlief es ihn eiskalt. Er wusste, dass er nicht für ein hitziges Liebesspiel in Claras Schlafzimmer gekommen war. Sie war zwar einst seine Geliebte gewesen, aber nach dem Ende ihrer Romanze hatte er ihr Schlafgemach nicht mehr betreten. Vor allem nicht nach ihrer Heirat, denn ihr Gemahl, Sir Ranald Sinclair, war nicht nur mächtig, sondern auch überaus eifersüchtig. Also musste ihn jemand hierhergeschafft haben, um ihm zu zeigen, was aus seiner einstigen Geliebten geworden war. Und wahrscheinlich auch, um ihm die Schuld an dieser Schlächterei in die Schuhe zu schieben.
Dieser Gedanke vertrieb sein Entsetzen und sein Mitleid. »Arme törichte Clara«, murmelte er. »Ich hoffe inständig, du hast nicht meinetwegen gelitten. Du warst vielleicht eitel und ein bisschen boshaft, geistlos und unmoralisch, aber das hast du wahrhaftig nicht verdient.«
Er bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass der Morgen graute. Er musste diesen Raum so rasch wie möglich verlassen. »Ich hätte mich gern noch um deine sterblichen Überreste gekümmert, aber ich glaube, ich soll die Schuld an deinem Tod auf mich nehmen. Das kann und will ich nicht. Doch ich schwöre dir, ich werde herausfinden, wer dir das angetan hat – und der wird teuer dafür bezahlen!«
Nachdem er sich noch ein letztes Mal vergewissert hatte, dass nichts mehr auf seine Anwesenheit hindeutete, machte sich Tormand eilig aus dem Staub. Wahrscheinlich sollte er dankbar sein, dass das grauenhafte Verbrechen in diesem Haus verübt worden war, denn hier kannte er alle Schleichwege. Seine Liaison mit Clara war zwar nur von kurzer Dauer gewesen, doch recht lebhaft, und er hatte sich häufig genug in dieses Haus geschlichen. Er glaubte, dass nicht einmal Sir Ranald, der das stattliche Haus nach seiner Vermählung mit Clara übernommen hatte, all die geheimen Wege zum Schlafgemach seiner Gemahlin kannte.
Draußen drückte sich Tormand rasch in die Schatten der frühen Morgendämmerung. Er lehnte sich an die raue Steinmauer, die Claras Haus umgab, und fragte sich, wohin er sich nun wenden sollte. Zu gern hätte er den Vorfall aus seinem Gedächtnis gestrichen und wäre heim nach Dubhlinn geritten, doch er wusste, dass er das nicht tun würde. Obwohl ihm Clara nie richtig ans Herz gewachsen war – auch aus diesem Grund war ihre Romanze so kurzlebig gewesen –, konnte er nicht einfach vergessen, dass sie brutal ermordet worden war. Und falls sich sein Verdacht erhärtete, dass es jemand darauf angelegt hatte, ihn als Mörder hinzustellen – schließlich hatte er sich direkt neben der Leiche befunden –, dann musste er der Sache unbedingt auf den Grund gehen.
Schließlich beschloss er, sich erst einmal nach Hause zu begeben. Seine Kleidung roch noch immer nach Tod. Vielleicht bildete er es sich auch nur ein, aber er brauchte dringend ein Bad und frische Kleider, um diesen Gestank loszuwerden. Zu schade, dass ein Bad nicht auch die Bilder von Claras gefoltertem Körper wegwaschen würde, dachte er, während er sich leise auf den Heimweg machte.
***
»Wollt Ihr wirklich noch jemand anderem davon erzählen?«
Tormand nagte an einem Stück Käse, während er seinen alternden Begleiter musterte. Walter Burns war nun seit zwölf Jahren sein Knappe, und er hatte auch nie etwas anderes sein wollen. Sein gänzlicher Mangel an Ehrgeiz hatte dazu geführt, dass der Mann, der Tormand in jungen Jahren – er war damals knapp achtzehn gewesen – zum Ritter geschlagen hatte, Walter an ihn übergeben hatte. Sie hatten eine glorreiche Schlacht geschlagen, und Walter hatte gezeigt, was er konnte; doch er hatte sich schlichtweg geweigert, den Ritterschlag zu empfangen. Schließlich hatte Sir MacBain genug gehabt von seinem Knappen, der sich einfach nicht für den Ruhm, die Ehren und die Pflichten interessierte, die mit dem Ritterschlag einhergingen, und hatte ihn zu Tormand geschickt. Walter hatte seinen Wert und seinen Mut, aber auch seine Zufriedenheit, ein einfacher Knappe zu bleiben, weiterhin oft genug bewiesen. Doch momentan war er ganz offenkundig aufgeregt, und mit seinem Mut war es wohl auch nicht weit her.
»Ich muss herausfinden, wer das getan hat«, meinte Tormand und nahm einen kleinen Schluck Ale. Er war zwar hungrig und durstig, doch ihm war noch immer etwas flau, weshalb er mit der Nahrungsaufnahme eher vorsichtig war.
»Wozu?«, fragte Walter, der zu Tormands Rechten saß und sich nun ebenfalls Ale eingoss. »Ihr seid davongekommen. Jetzt ist schon Mittag, und niemand hat an die Tür geklopft und nach Rache geschrien. Deshalb glaube ich, dass Euch niemand verdächtigt. Warum wollt Ihr überhaupt etwas darüber verlauten lassen, dass Ihr Euch in der Nähe der Toten aufgehalten habt? Wollt Ihr Euch selbst den Strick um den Hals legen? Wenn ich mich recht entsinne, habt Ihr an dieser Frau wenig Liebenswertes gefunden, nachdem Ihr Eure Lust gestillt hattet. Also warum sich jetzt darüber Sorgen machen, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt?«
»Es ist traurig, aber wahr, ich mochte sie tatsächlich nicht besonders. Aber ein solch grauenhaftes Ende hat sie wahrhaftig nicht verdient.«
Walter verzog das Gesicht und kratzte sich die Pockennarben auf seiner linken Wange. »Das mag schon sein, aber ich behaupte trotzdem, dass Ihr Euch Ärger aufhalst, wenn Ihr jemandem auf die Nase bindet, dass Ihr dort wart.«
»Ich hoffe, dass niemand auf den Gedanken kommt, ich könnte einer Frau so etwas antun, selbst wenn man mich mit dem Dolch in der Hand in ihrem Blut gefunden hätte.«
»Natürlich würdet Ihr so etwas nie tun, und das wissen die meisten Leute auch. Aber das heißt nicht, dass Euch das retten würde. Ihr kennt nicht alle, die die Macht haben, Euch als Mörder zu bezeichnen und aufzuknüpfen, und nicht alle kennen Euch. Außerdem gibt es Leute, die auf Euch und Euren Klan neidisch sind und nichts lieber täten, als sich gegen einen von Euch zu wenden. Aye, denkt nur an Euren Bruder James. Jeder Narr wusste, dass er seine Frau nie hätte umbringen können. Trotzdem musste er jahrelang als Gesetzloser und als mutmaßlicher Frauenmörder sein Leben fristen.«
»Ich wusste doch, warum ich dich so lange behalten habe. Du hebst meine Stimmung, wenn sie mal auf dem Tiefpunkt ist, und flößt mir Mut und Hoffnung ein, wenn ich es am nötigsten habe.«
»Kein Grund, mich mit Eurer scharfen Zunge zu geißeln. Aber was ich sage, stimmt, und Ihr solltet lieber auf mich hören!«
Tormand nickte, wenn auch verhalten, denn er wollte seinen schmerzenden Kopf nicht zu viel bewegen. »Ich habe ja gar nicht vor, nicht auf dich zu hören. Deshalb habe ich beschlossen, mich nur Simon anzuvertrauen.«
Walter fluchte halblaut und nahm einen großen Schluck Ale. »Aber er ist ein Mann des Königs.«
»Aye, und mein Freund. Und dazu noch ein Mann, der alles versucht hat, um meinem Bruder James zu helfen. Er versteht es meisterhaft, solche Rätsel zu lösen und den wahren Schuldigen aufzustöbern. Es geht nicht nur um Gerechtigkeit für Clara. Jemand will mir den Mord in die Schuhe schieben, Walter. Man hat mich neben die Leiche gelegt, damit ich dort gefunden werde und mich für dieses Verbrechen verantworten muss. Und dafür käme ich an den Galgen. Das heißt, jemand wünscht mir den Tod.«
»Richtig, und nicht nur den Tod. Nay, damit soll auch Euer guter Name beschmutzt werden.«
»Aye. Und deshalb habe ich einen Boten losgeschickt, um Simon zu sagen, dass ich dringend mit ihm sprechen muss.«
Tormand war froh, dass er trotz seiner Entscheidung weitaus zuversichtlicher klang, als er sich fühlte. Er hatte mehrere Stunden gebraucht, um das Schreiben an Simon aufzusetzen. Seine innere Stimme hatte ihm dasselbe gesagt wie Walter, nämlich dass er die Sache einfach auf sich beruhen lassen solle. Diese Stimme war so laut geworden, dass er sie kaum noch hatte überhören können. Nur die Gewissheit, dass das Ganze weitaus mehr mit ihm zu tun hatte als mit Clara, hatte ihm die Kraft gegeben, diese feige Stimme zum Schweigen zu bringen.
Er hatte das Gefühl, dass ein Teil seines flauen Magens von der wachsenden Furcht herrührte, er stünde kurz davor, dasselbe Schicksal zu erleiden wie James. Sein Adoptivbruder hatte drei Jahre gebraucht, bis es ihm gelungen war, seine Unschuld zu beweisen und den Makel, der seiner Ehre anhaftete, zu beseitigen. Drei lange, einsame Jahre war er gezwungen gewesen, sich ständig zu verstecken und davonzulaufen. Tormand befürchtete, dass ihm womöglich ein ähnliches Schicksal drohte. Allein die Vorstellung, wie es seiner Mutter dabei ergehen würde, bereitete ihm größtes Unbehagen. Die Ärmste hatte schon genügend Sorgen und Leid wegen ihrer Kinder erdulden müssen. Zuerst war seine Schwester Sorcha entführt und vergewaltigt worden, dann war seine Schwester Gillyanne verschleppt worden – zweimal sogar. Beim zweiten Mal hatte man sie gezwungen, ihren Entführer zu heiraten. Und schließlich hatte James in den Bergen Zuflucht suchen müssen. Tormand wollte es seiner Mutter wahrhaftig ersparen, um ein weiteres ihrer Kinder bangen zu müssen.
»Wenn Ihr etwas finden könntet, was der Mörder berührt hat, würde es uns vielleicht gelingen, dieses Rätsel rasch zu lösen«, meinte Walter.
Tormand riss sich gewaltsam von dem düsteren Gedanken los, dass auf seiner Familie womöglich ein Fluch lastete. Zweifelnd blickte er seinen Knappen an. »Was meinst du damit?«
»Aye, wenn wir etwas hätten, was der Mörder berührt hat, könnten wir es der Ross-Hexe zeigen.«
Tormand hatte von der Ross-Hexe gehört. Die Frau lebte in einem Häuschen einige Meilen außerhalb der Ortschaft. Obwohl die Dorfbewohner sie vor zehn Jahren aus ihrer Mitte verjagt hatten, suchten einige immer wieder Hilfe bei ihr, denn sie verstand es, ausgezeichnete Kräuterzubereitungen herzustellen. Manche behaupteten auch, die Frau habe Visionen, die dazu beitrügen, ein Problem zu lösen. Obwohl Tormand unter Menschen aufgewachsen war, die über solche Gaben verfügten, bezweifelte er, dass die Frau eine Wunderheilerin war, wie manche behaupteten. Meist handelte es sich bei den sogenannten Hexen einfach um alte Weiber, die sich mit Kräutern auskannten und den Leuten aufschwatzten, dass sie irgendwelche großartigen, geheimnisvollen Kräfte hätten.
»Und weshalb denkst du, sie könnte mir helfen, wenn ich ihr etwas bringe, das der Mörder berührt hat?«, fragte er.
»Weil ihr dann in einer Vision gezeigt wird, wie sich ein Vorfall zugetragen hat.« Walter bekreuzigte sich unwillkürlich, als fürchte er allein bei der Erwähnung dieser Frau um seine Seele. »Der alte George, der Verwalter der Gillespies, hat mir erzählt, dass Lady Gillespie einige Schmuckstücke gestohlen worden waren. Die Lady ging mit dem Schmuckkästchen zur Ross-Hexe, und sobald die Hexe das Kästchen in der Hand hielt, hatte sie eine Vision.«
Als Walter verstummte, fragte Tormand nach: »Und was hat die Vision der Frau gezeigt?«
»Dass Lady Gillespies ältester Sohn den Schmuck entwendet hat. Er schlich sich ins Schlafgemach seiner Mutter, während sie am Hof weilte, und suchte sich die besten Stücke aus.«
»Um darauf zu kommen, muss man keine Hexe sein. Lady Gillespies Ältester ist bekannt dafür, dass er viel zu viel Geld für teure Kleider, Frauen und das Glücksspiel ausgibt. Das weiß doch jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im Ort.«
Tormand nahm einen Schluck Ale, um nicht über Walters leicht verdrossene Miene grinsen zu müssen. »Jetzt weiß ich wenigstens, warum der Narr auf die Burg seines Großvaters verbannt worden ist, weit weggesperrt von all den Versuchungen des Hofes.«
»Aye, aber trotzdem würde ein Versuch nichts schaden«, entgegnete Walter beharrlich. »Eigentlich müsste doch jemand wie Ihr größeres Vertrauen in solche Dinge haben.«
»Ach, an Vertrauen mangelt es mir nicht. Zumindest habe ich so viel, dass es mir lieber wäre, du würdest die Frau nicht als Hexe bezeichnen. Das ist ein Wort, das einer Frau, die Gott mit einer Gabe gesegnet hat, viel Ärger einhandeln kann, manchmal sogar tödlichen Ärger.«
»Aye, aye, das stimmt wohl. Eine Gabe Gottes, meint Ihr?«
»Glaubst du wirklich, der Teufel würde einer Frau die Gabe verleihen zu heilen oder die Wahrheit zu finden, oder sonst eine Gabe oder Fähigkeit, mit der den Leuten geholfen werden kann?«
»Nay, natürlich nicht. Aber warum zweifelt Ihr dann an dieser Ross?«
»Weil es zu viele Frauen gibt, die sich bestenfalls mit Kräutern auskennen und dennoch behaupten, sie hätten Visionen oder heilende Hände, nur um irgendeinem Gimpel das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das sind Betrügerinnen, und oft erschwert das, was sie tun, das Leben der Frauen, die tatsächlich eine Gabe haben.«
Walter verzog das Gesicht, offenkundig dachte er nach. Schließlich stimmte er grummelnd zu. »Ihr werdet also nicht versuchen, von Mistress Ross Hilfe zu bekommen?«
»Nay, so verzweifelt bin ich wahrhaftig nicht.«
»Nun, ich bin mir nicht so sicher, ob ich in dieser Situation Hilfe ausschlagen würde«, erklang auf einmal eine kühle, scharfe Stimme von der Schwelle zu Tormands Großer Halle.
Tormand blickte zur Tür und lächelte Simon an, doch sein Lächeln erstarb rasch. Sir Simon Innés wirkte in diesem Moment vom Scheitel bis zur Sohle wie ein Mann des Königs. Sein bleiches, scharfkantiges Antlitz war von kalter Wut verzerrt. Tormand beschlich das unselige Gefühl, dass Simon bereits wusste, warum er nach ihm geschickt hatte. Schlimmer noch – er befürchtete, sein Freund hege Zweifel an seiner Unschuld. Das tat weh, doch Tormand beschloss, erst einmal darüber hinwegzusehen, bis er mit Simon geredet hatte. Der Mann war sein Freund und glaubte mit allen Fasern seines Seins an die Gerechtigkeit. Bevor er handelte, würde er ihm zuhören.
Dennoch verspannte sich Tormand zusehends, als Simon näher trat. Alles an dem großen, schlanken Mann war vor Wut verzerrt. Aus den Augenwinkeln bemerkte Tormand, dass Walter unwillkürlich nach seinem Schwert griff. Also war er, Tormand, nicht der Einzige, der Gefahr witterte. Erst als sein Blick wieder auf Simon fiel, merkte er, dass der Mann die Faust ballte, seine Finger etwas fest umschlossen.
Er musste nicht lange warten, um zu sehen, was es war. Simon öffnete die Hand und warf den Inhalt auf den Tisch, Tormand direkt unter die Nase. Tormand starrte auf einen schweren goldenen Ring, verziert mit blutroten Granaten. Er traute seinen Augen kaum, sah auf seine Hände, seine ringlosen Finger, und dann wieder auf den Ring. Sofort schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, wie er nur aus diesem Zimmer des Todes hatte gehen können, ohne zu bemerken, dass er seinen Ring nicht mehr trug. Sein nächster Gedanke war, dass sich die Spitze von Simons Schwert an seiner Kehle gefährlich scharf anfühlte.
***
»Nay! Tötet ihn nicht! Er ist unschuldig!«
Morainn Ross blinzelte überrascht und sah sich um. Sie war zu Hause und saß kerzengerade in ihrem Bett, nicht in einer Großen Halle, in der sie einen Mann gesehen hatte, der eine Schwertspitze gegen den Hals eines anderen Mannes drückte. Ohne auf ihre murrenden Katzen zu achten, die ihr Schrei aus ihrem gemütlichen Schlaf gerissen hatte, ließ sie sich wieder aufs Bett sinken und starrte an die Decke. Es war nur ein Traum gewesen.
»Nay, kein Traum«, sagte sie nachdenklich. »Eine Vision.«
Sie dachte noch etwas darüber nach, dann nickte sie bestätigend. Es war ganz sicher eine Vision gewesen. Der Mann mit der Schwertspitze am Hals war ihr nicht unbekannt. Sie hatte ihn seit vielen Monaten in ihren Visionen und Träumen gesehen. Er hatte nach Tod gerochen, er war von Tod umgeben gewesen, doch an seinen Händen hatte kein Blut geklebt.
»Morainn? Geht es dir gut?« Morainn sah zur Tür ihrer kleinen Schlafkammer und lächelte den Knaben an, der dort stand. Walin war erst sechs, aber schon eine große Hilfe. Allerdings war er immer höchst besorgt um Morainn. Aber das war wohl kein Wunder. Sie hatte ihn auf ihrer Schwelle gefunden, als er kaum zwei Jahre alt gewesen war, und seitdem kümmerte sie sich wie eine Mutter um ihn und bot ihm das einzige Heim, das er je gekannt hatte. Sie wünschte nur, sie hätte ihm ein besseres bieten können. Inzwischen war er alt genug, um zu verstehen, dass man sie oft als Hexe bezeichnete, und er wusste auch, wie gefährlich das sein konnte. Leider sah er ihr mit seinen schwarzen Haaren und den blauen Augen recht ähnlich, sodass viele glaubten, er sei tatsächlich ein Bastard von ihr, was natürlich zu weiteren Problemen für sie beide führte.
»Es geht mir gut, Walin«, beruhigte sie ihn und begann vorsichtig, um die Katzen nicht zu stören, aus dem Bett zu steigen. »Es ist bestimmt schon ziemlich spät.«
»Aye, fast schon Mittag, aber du hast deinen Schlaf gebraucht. Gestern bist du erst tief in der Nacht von der Geburt zurückgekommen.«
»Ach, schon so spät? Dann solltest du den Tisch für uns decken, ich komme gleich.«
Sie zog sich rasch an und flocht sich die Haare. Dann trat sie zu Walin an den kleinen Tisch im Hauptraum des Häuschens. Als sie das Brot, den Käse und die Apfel sah, lächelte sie Walin anerkennend an. Er hatte seine Sache gut gemacht. Sie schenkte zwei Becher Apfelmost ein, dann setzte sie sich ihm gegenüber auf die schmale Bank an dem zerfurchten Holztisch.
»Hast du schlecht geträumt?«, fragte Walin, während er ihr einen Apfel reichte, damit sie ihn zerteilte.
»Zuerst habe ich gedacht, ich träume, aber jetzt bin ich mir sicher, dass es eine Vision war. Wieder eine Vision über den Mann mit den unterschiedlichen Augen.« Sie legte den Apfel auf einen kleinen Holzteller und viertelte ihn.
»Du hast oft Visionen von ihm, stimmt s?«
»Es sieht so aus. Sehr seltsam – ich weiß nicht, wer er ist, auch habe ich noch nie in meinem Leben einen solchen Mann gesehen. Und falls meine Vision eintrifft, werde ich ihn wahrscheinlich auch nie sehen.«
»Warum nicht?« Walin nahm den Teller mit den Apfelschnitzen und stopfte sich gleich ein Stück in den Mund.
»Weil ich diesmal einen sehr wütenden grauäugigen Mann gesehen habe, der ihm ein Schwert an die Kehle hielt.«
»Aber du hast doch gesagt, in deinen Visionen siehst du Dinge, die eintreten werden. Vielleicht ist er ja noch gar nicht tot. Vielleicht solltest du ihn suchen und warnen.«
Morainn dachte einen Moment lang darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nay, das glaube ich nicht. Weder mein Herz noch mein Verstand drängen mich dazu. Wenn ich so etwas tun sollte, würde ich einen Drang verspüren, mich sofort auf den Weg zu machen und den Mann aufzustöbern. Außerdem hätte ich ein paar Hinweise erhalten, wo er sich aufhält.«
»Ach so. Dann werden wir also den Mann mit den unterschiedlichen Augen bald sehen?«
»Aye, das nehme ich an.«
»Das wird aber spannend werden.«
Morainn lächelte und machte sich an die Aufgabe, ihren leeren Magen zu füllen. Es würde wirklich spannend werden, wenn der Mann mit den unterschiedlichen Augen an ihrer Schwelle auftauchte. Aber es könnte auch gefährlich werden. Sie durfte nicht vergessen, dass sich der Tod an seine Fersen geheftet hatte. Ihre Visionen sagten ihr zwar, dass er keine Schuld trug, aber es gab eine Verbindung zwischen ihm und den Toten. Ihr war, als würde alles, was er berührte, unter grauenvollem Leid und aus zahllosen Wunden blutend zugrunde gehen. Sie verspürte nicht den geringsten Wunsch, die Lache, die sie stets um seine Füße sah, mit ihrem Blut zu vergrößern. Doch leider würde das Schicksal ihr wohl nicht erlauben, dem Mann aus dem Weg zu gehen. Sie konnte nur beten, dass der Tod nicht mehr auf seinen Schultern hockte, wenn er an ihre Tür klopfte.
»Simon, willst du zugleich mein Richter und mein Henker sein?«
Tormand beobachtete, wie sich Simon um die Ruhe und Besonnenheit bemühte, für die er landauf, landab bekannt war. Obwohl ihn der Gedanke bitter schmerzte, dass Simon ihm zutraute, Clara oder irgendeine andere Frau so zuzurichten, konnte er seinen Freund doch verstehen. Jeder ehrbare Mann wäre entsetzt gewesen über das, was Clara angetan worden war, und hätte es kaum erwarten können, den Schuldigen für dieses Verbrechen bezahlen zu lassen. Wer eine solch grauenhafte Untat zu Gesicht bekam, konnte leicht von einem Wahn gepackt werden. Das erklärte vielleicht auch, warum Simon in blinder Wut zu Tormand gestürmt war, nachdem er dessen Ring in Claras Hand gefunden hatte. Die Tatsache, dass sein Freund ihn nicht auf der Stelle getötet hatte, gab Tormand allerdings zu verstehen, dass sich unter Simons Entsetzen und Wut auch ein Zweifel regte.
»Warum hatte sie deinen Ring in der Hand?«, fragte Simon barsch.
»Ich fürchte, das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Tormand. »Aber er ist zweifellos von dem oder denen, die mich in Claras Bett verfrachtet haben, dorthin gelegt worden.«
Simon starrte Tormand einen Moment lang stumm an, dann steckte er sein Schwert in die Scheide zurück. Er setzte sich, goss sich einen Becher Ale ein und leerte ihn in einem Zug. Sein großer, hagerer Körper erbebte. Er füllte den Becher abermals.
»Du warst also dort?«, fragte er schließlich in etwas ruhigerem Ton.
»Aye.«
Tormand trank einen Schluck Ale, um sich zu stärken, dann erzählte er Simon alles, was er wusste. Er war mit seiner Geschichte noch nicht fertig, als ihm klar wurde, dass es tatsächlich ziemlich wenig war. Er konnte nur beschwören, was er mit eigenen Augen gesehen hatte – jemand hatte Clara ermordet – und was er in seinem Innersten wusste: dass dieser Jemand nicht er war. Er wusste nicht, wie er überrumpelt und in Claras Zimmer geschafft worden war. Er wusste noch nicht einmal, wie Simon in die Sache hineingezogen worden war. Vielleicht war es nur sein Pech gewesen, doch rein instinktiv spürte Tormand, dass das nicht alles sein konnte. Obgleich er nichts beweisen konnte, war er überzeugt, dass alles zu einem Plan gehörte. Er musste nur noch herausfinden, worin dieser Plan bestand.
»Warum warst du bei Clara?«, fragte Tormand Simon. »Ist ihr Gemahl zurückgekehrt und hat ihre Leiche gefunden und dann nach dir gerufen?«
»Nay, ich hatte eine Aufforderung erhalten, die, wie ich glaubte, von Clara stammte.« Simon zuckte die Schultern. »Ich sollte mich mit einigen meiner Männer zu einer bestimmten Zeit bei ihr einfinden, und zwar so unauffällig wie möglich.«
»Und dieser Aufforderung bist du gefolgt? Kanntest du Clara denn so gut, dass du sofort zu ihr geeilt bist?«
»Ich kannte sie nicht so gut wie du«, erwiderte Simon gedehnt. »Aber ich kannte sie gut genug. Sie war meine Cousine.«
Er grinste schwach, als er sah, wie entsetzt Tormand war. »Keine Angst, ich werde dich nicht zu einem Duell fordern, um ihre Ehre zu verteidigen«, fuhr er fort. »Da war nicht mehr viel zu verteidigen. Die Frau hat ihre Röcke für alle möglichen Burschen hochgehoben, solange sie gut genug aussahen, und zwar schon recht früh. Richtig freundlich war sie nie, ehrlich nur selten. Alles in allem hatte sie wohl das Gefühl, alle Welt müsse ihr huldigen, nur weil Gott ihr ein hübsches Antlitz verliehen hatte. Nay, ich folgte ihrer Aufforderung, weil ich hoffte, sie würde mir endlich einen Beweis für die zahllosen Vergehen ihres Gemahls aushändigen. Mit diesen Vergehen beschäftige ich mich nämlich schon seit einigen Monaten. Ich hatte zwar nur eine schwache Hoffnung, denn Clara profitierte von seinen dunklen Geschäften, aber ich konnte diese Hoffnung nicht aufgeben.«
»Glaubst du, er hat sie umgebracht?« Doch schon in dem Moment, als Tormand die Frage stellte, zweifelte er an dieser Möglichkeit.
»Nay, sie leistete ihm gute Dienste. Selbst wenn sie ihn betrogen hat, war sie bestimmt schlau genug, es vor ihm zu verheimlichen und darauf zu achten, dass er ihr nicht auf die Schliche kam. Aber eigentlich glaube ich gar nicht, dass sie ihm untreu war, denn sie hatte großen Gefallen daran, das Geld, das er mit seinen Verbrechen und Lügen verdiente, mit beiden Händen auszugeben. Dennoch ist es kein Wunder, dass mir beim Anblick ihres verstümmelten Leichnams sofort ihr Gemahl einfiel.«
»Aber dann hast du den Ring in ihrer Hand gefunden.«
»Aye.« Simon verzog das Gesicht und fuhr sich durch sein dichtes schwarzes Haar. »Ich konnte es kaum glauben, aber trotzdem – wie war dein Ring dorthin gekommen? Und dann fiel mir ein, dass du einmal ihr Liebhaber warst. Jesus, ich befürchtete wirklich, du wärst wahnsinnig geworden und man müsste dich umbringen wie einen tollwütigen Hund. Ich glaube, selbst ich bin fast wahnsinnig geworden, denn sonst hätte ich dich nie als Täter in Betracht gezogen. Es war fast, als hätte der, der Clara das angetan hat, jenes Zimmer mit dem Gestank seines Wahnsinns verpestet, und ich atmete zu viel davon ein.«
Tormand nickte. »Ich kann dich gut verstehen. Als ich merkte, dass Clara einige der grauenhaften Dinge, die man ihr angetan hat, wohl noch lebend erdulden musste, fragte ich mich, ob jemand sie gefoltert hat, weil er irgendetwas aus ihr herausbekommen wollte.«
»Das ist eine Möglichkeit, obwohl es nicht erklärt, warum man sich solche Mühe gegeben hat, es so aussehen zu lassen, als ob du das Verbrechen begangen hättest. Vielleicht gibt es ein paar gehörnte Ehemänner, die dich gern tot sehen würden, aber ich verstehe nicht, warum einer von ihnen so etwas tun sollte, um dich damit zu treffen.«
»Ich habe keinem Ehemann die Hörner aufgesetzt, zumindest nicht wissentlich.« Tormand ärgerte sich, dass er so klang, als müsse er sich verteidigen. Er zwang sich zu etwas mehr Gleichmut. »Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass Clara meinetwegen ermordet wurde – weil sie früher meine Geliebte gewesen ist. Vielleicht ist es eitel zu glauben, dass …«
»Nein, du bist dorthin verfrachtet worden, damit man dir das Verbrechen anlastet, und deshalb muss es etwas mit dir zu tun haben.« Simon legte die Unterarme auf den Tisch und starrte in seinen Becher. »Ihr Gemahl hat es nicht getan, auch wenn er einen guten Verdächtigen abgäbe. Ich weiß, wo er sich aufgehalten hat, nämlich bei seiner Geliebten, die etwa zehn Meilen vom Ort entfernt wohnt. Er hätte nicht nach Hause kommen, Clara abschlachten und ins Haus seiner Geliebten zurückkehren können. Und ob man sie gefoltert hat, um Informationen aus ihr herauszupressen? Na ja, der Mann hatte bestimmt ein paar Feinde und viele Konkurrenten, die vielleicht dachten, seine Frau wisse etwas von den Geschäften ihres Mannes, das es leichter machen würde, ihn zu vernichten. Aber ich glaube nicht, dass Clara nach dem ersten Angriff auf ihr Gesicht irgendein Wissen zurückgehalten hätte. Danach hätte man sie rasch getötet, mit einem Stich ins Herz oder einem Schnitt durch die Kehle. Und in dem Fall wärst du nicht in die Sache hineingezogen worden.« Er sah Tormand an. »Aye, ich glaube, es hat etwas mit dir zu tun. Die Frage ist nur, was?«
»Und wer.«
»Sobald wir den Grund kennen, können wir nach dem Täter suchen.«
Tormand schnürte es die Kehle zu. Keine Frau hatte es verdient, so zu sterben wie Clara, nur weil sie einst sein Lager geteilt hatte oder er das ihre. Was für ein Feind war das, der herumschlich und unschuldige Frauen ermordete, um dem zu schaden, dem er wirklich schaden wollte? Er konnte es einfach nicht begreifen. Wenn jemand ihm nach dem Leben trachtete, jedoch zu feige war, sich persönlich die Hände schmutzig zu machen, konnte er doch irgendjemanden dafür bezahlen, das üble Geschäft für ihn zu verrichten; leider gab es eine ganze Reihe von Leuten, die einen solchen Auftrag übernehmen würden. Bestand der Plan hingegen darin, seinen Namen vor seinem Tod ein für alle Mal zu besudeln, hätte dazu bestimmt keine Frau abgeschlachtet werden müssen. Durch diesen Mord lief sein Feind Gefahr, erwischt und gehängt zu werden, also genau das Schicksal zu erleiden, das er ganz offenbar Tormand zugedacht hatte. Aber was man Clara angetan hatte, sah ganz nach blankem Wahnsinn aus. Wer konnte sich darauf einen Reim machen?
»Jetzt fallen meine Sünden auf mich zurück«, murmelte Tormand bedrückt.
»Du glaubst also, du hast gesündigt?«, fragte Simon, ein schwaches Lächeln auf den Lippen.
»Maßlosigkeit ist eine Sünde«, stellte Walter trocken fest.
»Danke für die Erinnerung, Walter«, entgegnete Tormand gereizt. »Aber ich glaube, das weiß ich selbst.« Er verzog das Gesicht. »Aye, schließlich habe ich es oft genug von meiner Mutter, den Schwestern, Tanten und allen anderen weiblichen Mitgliedern meines Klans gehört.«
»Und von ein paar Männern sicher auch.« Simons Lächeln wurde breiter, als Tormand ihn finster anfunkelte. »Na ja, du bist ja wirklich ein bisschen maßlos.«
»Ich treibe mich eben gern mit einer warmen Frau zwischen den Laken herum. Welcher Mann tut das nicht?«
»Die meisten Männer versuchen zumindest, etwas – na ja, wie soll ich es sagen – besonnen?, heikel?, wählerisch? zu sein.«
»Die Frauen, mit denen ich ins Bett bin, waren hübsch und sauber.« Die meisten, fügte Tormand im Stillen hinzu.
»Dein Problem war immer, dass die Auswahl zu groß war. Zu viel ist dir zu freigiebig angeboten worden.«
»Jawohl«, pflichtete Walter ihm bei. »Die Frauen werfen sich immer gern in die Arme von bösen Buben.«
»Und die bösen Buben wehren sich nicht dagegen«, fügte Simon hinzu.
»Ich habe dich für einen Freund gehalten, Simon«, meinte Tormand, halb verletzt, halb beleidigt.
Simon lachte leise. »Ach, das bin ich auch, aber das heißt noch lange nicht, dass ich alles billige, was du treibst. Und womöglich bin ich gelegentlich auch ein klein wenig neidisch. Sag mir, Tormand, hast du Clara wenigstens ein bisschen gern gehabt?«
Tormand seufzte. »Nay, aber die Lust hat mich eine Zeit lang geblendet. Clara war sehr geschickt.«
»Das wundert mich nicht. Wie ich schon sagte, war sie kaum dreizehn, als sie anfing, in dieser Kunst Unterricht zu nehmen. Oh, ich gestehe, manchmal bin auch ich nicht besonders wählerisch, aber mir ist es lieber, dass ich das Mädchen, mit dem ich ins Bett steige, zumindest ein wenig kenne, um nicht nur weiche Haut und weibliche Hitze zu genießen.«
Tormand bemerkte, dass wohl nicht sehr viele seiner Geliebten Simons letztlich gar nicht so hohen Ansprüchen gerecht geworden wären. Allerdings weigerte er sich zu denken, dass er im Grunde das war, was seine Cousine Maura ihn einmal genannt hatte – ein Hengst, der zu dumm war, für seine Dienste Deckgebühren zu verlangen. Schließlich hatte er seines Wissens nie einen Bastard gezeugt – und die Zeugung war es doch, worum es bei einem Hengst ging. Doch je länger er darüber nachdachte, desto größer wurde seine Befürchtung, dass er tatsächlich so gedankenlos gierig geworden war, wie Simon ihm unterstellte. In den letzten Jahren hatte er kaum mehr von seinen Bettgespielinnen verlangt, als gut auszusehen und einigermaßen sauber und willig zu sein. Wobei das Letztere entscheidend war. Diese Erkenntnis beunruhigte ihn so, dass er tatsächlich froh war, wieder über Claras brutale Ermordung nachdenken zu können.
»Hast du denn nichts gefunden, was auf einen anderen Schuldigen als mich hingewiesen hätte?«, fragte er und achtete nicht weiter auf das Aufblitzen einer gewissen Belustigung in Simons Augen, dem seine Bemühung, das Thema von seinem Liebesieben wegzulenken, offenbar nicht entgangen war.
»Nay«, entgegnete Simon. »Einzig und allein dein Ring zeigte mir, dass noch jemand mit Clara in dem Zimmer gewesen war. Das und natürlich die schlichte Tatsache, dass sich Clara nicht allein an ihr Bett hätte fesseln und in Stücke schneiden können. Übrigens haben ihre Bediensteten nichts gesehen und nichts gehört.«
»Wie kann das sein? Clara hätte doch schon beim Anblick eines Messers mit ihren Schreien die dünnen Fensterscheiben zum Bersten gebracht.«
»Das mag schon sein, aber ich glaube, sie wurde geknebelt. In dem, was noch von ihrem Gesicht übrig war, fand ich Hinweise darauf.«
Tormand zwang sich, noch einmal sorgfältig alles durchzugehen, was er gesehen hatte. »Aye, so muss es gewesen sein. Allmählich frage ich mich auch, ob sie nicht an einem anderen Ort gefoltert wurde. Wenn man bedenkt, wie man sie zugerichtet hat, hätte ich in einer Lache ihres Blutes aufwachen müssen. Da war zwar ziemlich viel Blut, und ich hatte anfangs auch das Gefühl, dass sie in dem Bett gestorben ist, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass die Metzelei nicht dort stattfand.«
Simon nickte. »Das denke ich auch. Trotz des Knebels hätte jemand etwas mitbekommen müssen. Offenkundig hat sie sich heftig gegen die Fesseln an Hand- und Fußgelenken gewehrt. Auch das Bett hätte Geräusche gemacht beim Kampf mit ihrem Mörder. Doch ihre Bediensteten dachten, sie wäre gar nicht zu Hause.«
»Dann hat ihr Mörder also gewusst, wie er ungesehen in das Haus schleichen konnte.«
»Aye, und das bedeutet, er hat sie gekannt, wenn auch nicht unbedingt gut.« Simon runzelte die Stirn. »Wenn man bedenkt, wie viele Liebhaber Clara hatte, bezweifle ich, dass die Geheimwege in ihr Zimmer wirklich so geheim sind. Die Bediensteten hätten Geräusche aus ihrem Schlafzimmer nicht für besorgniserregend gehalten, solange es keine durchdringenden Schreie waren. Höchstwahrscheinlich haben sie wirklich nichts gehört. Ich kehre jetzt zu ihrem Haus zurück, um zu sehen, ob ich noch eine Blutspur finde, die uns bestätigt, dass Clara dorthin gebracht worden ist, nachdem sie gefoltert wurde.« Er nahm einen weiteren Schluck Ale. »Und zwar jetzt gleich. Ich habe ihren Mann benachrichtigen lassen, und ich würde lieber nicht vor Ort sein, wenn er zum ersten Mal sieht, was von seiner Frau übrig geblieben ist. Er hat sie nicht geliebt und sie ihn nicht, doch er wusste ihre Schönheit zu würdigen.«
»Ich habe sie auch nicht geliebt, aber beim Anblick ihrer Leiche wurde mir richtig übel.«
»Ranald hat nicht deinen Mut, um sich diesem Anblick lange zu stellen. Doch nicht nur deshalb will ich dem Mann lieber noch ein Weilchen aus dem Weg gehen. Sobald er sich erholt hat, wird er sich als großer, bedeutender Laird aufspielen und mir befehlen, den Mörder seiner Frau zu finden. Außerdem wird er mir bestimmt noch eine Menge nutzloser Informationen liefern neben ein paar Drohungen, was er mit mir anstellen wird, wenn wir Claras Mörder nicht bald finden. Wenn ich vor ihm stehe, überkommt mich immer der Wunsch, ihm den Hochmut einfach aus dem Leib zu schütteln und sein hübsches Gesicht zu zerschlagen.«
Tormand musste kurz grinsen, doch der Ernst der Lage dämpfte seinen üblichen Sinn für Humor beträchtlich. Zum Glück hatte er Simon rasch von seiner Unschuld überzeugen können, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sein Freund trotz seiner Wut nicht so recht an seine Schuld geglaubt hatte. Zu schade, dass Simon keinen anderen Hinweis gefunden hatte außer dem, der offenkundig für ihn zurückgelassen worden war. Das bedeutete, dass sie keine Spur hatten, die sie zu dem Mörder führen würde, und außerdem hatte der Täter freie Bahn, erneut zuzuschlagen. Stimmte Tormands Annahme, dass der Mörder es vor allem auf ihn abgesehen hatte, dann hatte er sein Ziel diesmal nicht erreicht. So würde er höchstwahrscheinlich ein weiteres Mal zuschlagen, und womöglich so lange, bis Tormand am Galgen baumelte.
Tormand goss sich noch einen Becher Ale ein und erwog ernsthaft, sich heillos zu betrinken. Doch dieser Versuchung durfte er nicht nachgeben. Er schwor sich vielmehr, nach dem Becher das Trinken eine Weile bleiben zu lassen. Seine Sinne durften nicht getrübt sein, denn seine Lage war gefährlich. Hier trieb jemand sein Unwesen, der ihn entehrt und tot sehen wollte. Die Erinnerung an Claras verstümmelte Leiche war mehr als genug, um ihn nicht vergessen zu lassen, wie weit sein Feind gehen würde, um sein Ziel zu erreichen. Tormand wusste, dass seine Schuldgefühle eigentlich grundlos waren, aber das machte es nicht leichter. Er fürchtete, dass er bald alle Schuld auf sich nehmen würde, nur damit das Morden ein Ende hatte, falls er und Simon diesem Mörder nicht rasch Einhalt geboten.
»Ich glaube nicht, dass Clara die Einzige bleibt«, meinte Simon in diesem Moment.
Tormand krümmte sich bei diesem Echo seiner Gedanken. Er nickte. »Nay, das fürchte ich auch. Wenn es dem Täter vor allem darum ging, mich an den Galgen zu bringen, dann wird der Fehlschlag ihn dazu bringen, es noch einmal zu versuchen. Doch beim nächsten Mal wird er mich nicht unvorbereitet treffen.«
»Ich glaube, es wäre ratsam, dass du nirgendwo alleine hingehst.«
»Das könnte schwierig werden.«
»Warum?«
»Na ja, an manchen Orten und zu manchen Gelegenheiten ist ein Begleiter höchst unpassend.«
Tormand merkte auch ohne die Blicke seiner Freunde, dass diese Bemerkung töricht gewesen war. Es war wahrhaftig das Vernünftigste und wohl die sicherste Verteidigung, nicht mehr alleine unterwegs zu sein. Er durfte seinem Feind nicht die Chance bieten, ihn noch einmal zu erwischen. Beim nächsten Mal würde er vielleicht nicht mehr das Glück haben, aufzuwachen und sich aus dem Staub machen zu können, bevor ihn jemand neben einer toten Frau antraf.
Wieder verkrampfte sich alles in ihm. Wie gefühllos das klang – so, als ginge es nur um seine eigene Sicherheit. Doch leider musste er so kalt sein, selbst wenn er womöglich eine gewisse Schuld an Claras Tod trug und vielleicht auch noch an dem einer anderen Frau, die ihr ins Grab folgen würde. Doch wenn man ihm die Schuld an Claras Ermordung und möglichen weiteren Morden anlastete, würde der wahre Mörder ungeschoren davonkommen. Tormand nahm sich fest vor, den Mann büßen zu lassen für das, was er Clara angetan hatte – und hoffentlich noch, bevor diese Bestie es einer anderen Frau antun konnte.
Und nicht zuletzt drängte es ihn danach, den Grund zu erfahren, auch wenn dieser Drang zum Teil auf seine Schuldgefühle zurückging, die er nicht loswerden konnte. Vielleicht würde es ihn ein wenig erleichtern, wenn er herausfand, warum dieser Mann ihn so hasste – und wahrscheinlich auch die Frauen, mit denen er ins Bett gegangen war. Claras Schönheit war gänzlich zerstört worden, selbst ihre wunderbaren Haare hatte man ihr abgeschnitten. Hinter diesem Angriff steckten Wut und Hass. Doch so ganz begriff er es dennoch nicht; denn so traurig es auch war, ihm fiel kein Mann ein, ob nun ein Geliebter Claras oder ihr Gemahl, der ihr gegenüber je so tiefe Gefühle empfunden hätte, dass daraus eine derart wahnwitzige Wut hätte entstehen können.
»Auch wenn du mich jetzt finster anblickst wie ein strenger Vater, wird es meine Meinung nicht ändern«, meinte Simon. »Sei kein Narr, Tormand. Du weißt sehr wohl, dass du nicht mehr allein sein solltest, bis dieser Verrückte erwischt worden ist und am Galgen baumelt.«
Simons Worte holten Tormand aus seinen Grübeleien. Er seufzte tief auf. »Aye, ich verstehe ja, dass es das Klügste ist, aber das heißt noch lange nicht, dass es mir gefällt.«
»Enthaltsamkeit wird dich nicht umbringen, dein Feind aber wird es tun.«
»Enthaltsamkeit?« Tormand hatte keine Lust zuzugeben, dass er seit mehreren Monaten enthaltsam lebte. Vor allem wollte er es allerdings deshalb nicht zugeben, weil er sich nicht mit den Gründen dafür auseinandersetzen wollte. »Jesus, ich glaube, da wäre mir der Galgen noch lieber.«
»Du Narr!«
»Mag sein, aber ich blicke nicht deshalb so finster, weil ich bewacht werden soll. Mir ging gerade durch den Sinn, dass die Art, wie Clara gemeuchelt wurde, auf Wut, ja auf Hass hinweist. Und mir fällt niemand ein, der ihr gegenüber solch starke Gefühle gehegt hätte. So traurig es auch klingen mag: Wenn der Plan darin bestand, mich als Frauenmörder zu brandmarken, wäre eine solche Metzelei nicht nötig gewesen.«
Als Simon ihn eine Weile wortlos anstarrte, rutschte Tormand etwas verlegen auf seinem Stuhl herum. »Es war nur so ein Gedanke.«
»Ein guter Gedanke, einer, auf den ich selbst hätte kommen sollen«, erwiderte Simon grummelnd. »Aye, hinter dieser Schlächterei stecken Wut und Hass, sie zielte auf alles ab, was Clara schön und begehrenswert machte.«
»Es hätte trotzdem auch Folter sein können, um ihr Informationen abzuringen«, wandte Walter ein, auch wenn in seiner Miene Zweifel zum Ausdruck kamen.
Simon nickte. »Das könnte schon sein, aber ganz ehrlich: Clara hätte ihm – oder ihnen – alles gesagt, schon bei der ersten Berührung mit dem Messer. Alles, was sie wusste, wäre aus ihr herausgesprudelt, nachdem man ihr die erste Haarlocke geraubt hatte. Clara war unsagbar eitel, ihre Schönheit bedeutete ihr alles. Und außerdem glaube ich noch immer, dass sie von Anfang an geknebelt war, was meine Vermutung verstärkt, dass es nicht passiert ist, um an Informationen zu kommen.«
»Also haben wir nach wie vor nichts in der Hand.« Tormand starrte in seinen leeren Becher, widerstand jedoch der Versuchung, sich nachzuschenken.
»Nay. Wir haben einen Mord, den jemand dir in die Schuhe schieben wollte«, erwiderte Simon. »Das deutet auf einen Feind von dir hin, egal, aus welchem Blickwinkel ich es betrachte.«
»Vielleicht weist es ja auch auf einen Feind von Ranald hin? Was könnte für einen Mann demütigender sein, als aller Welt zu zeigen, dass seine Frau mit einem anderen ins Bett ging und dann in ihrem Ehebett ermordet wurde?«
»Clara war zu bekannt für ihre lockeren Sitten, und dass Ranald eine Geliebte hat, weiß ebenfalls jeder. Nay, es ist kein Geheimnis, dass sich weder der Gemahl noch die Gemahlin an die Eheschwüre hielten.« Simon stand auf. »Kommst du mit, um zu sehen, ob wir eine Blutspur finden?«
Tormand stand zögernd auf. An den blutigen Ort des Verbrechens zurückzukehren war das Letzte, was er wollte, aber er wusste, dass ihnen das vielleicht helfen konnte, zumindest ein paar Antworten zu finden. Er hoffte nur, dass Ranald nicht schon da war. Der Mann hatte nie ein Hehl aus seiner tiefen Abneigung gegen Tormand gemacht, obwohl die Hälfte der Männer am Hof Clara ebenso gut gekannt hatten wie er. Nun war er wahrhaftig nicht erpicht, Ranalds Abneigung in dessen eigenem Heim über sich ergehen zu lassen, während Claras verstümmelter Leichnam zur Bestattung vorbereitet wurde.
***
»Na, das war aber lustig«, murrte Tormand eine Stunde später, während er Simon in einen der Gänge folgte, durch die Claras Liebhaber so viele Nächte geschlüpft waren.
Die Begegnung mit Ranald war fast so schlimm gewesen, wie Tormand befürchtet hatte. Jeder hatte sehen können, dass der Mann zornig war. Vielleicht trauerte er auch aufrichtig, doch auf alle Fälle sah er in Tormand die perfekte Zielscheibe für seinen Zorn. Ohne Simon mit seiner verblüffenden Fähigkeit, solche spannungsgeladenen Begegnungen zu entschärfen, hätten sich Tormand und Ranald wahrscheinlich in eben diesem Moment in der Großen Halle des Hauses, in dem Clara gestorben war, duelliert.
»Einen Moment lang fragte ich mich, ob er Clara tatsächlich geliebt hat. Aber nein, ich glaube, er betrauert vor allem den Verlust ihres Einflusses«, meinte Simon. Er ging sehr langsam durch den Gang und hielt eine Laterne hoch, während er den Boden vor sich untersuchte. »Sie war zwar eine Hure, aber sie hatte auch ziemlichen Einfluss. Und nicht zuletzt bekam sie Informationen von den Männern, mit denen sie ins Bett ging. Solche Informationen waren für Ranald sehr nützlich. Außerdem schmerzt es ihn wohl auch, was aus seiner schönen Frau geworden ist. Trotzdem muss ich mich noch eingehender mit der Möglichkeit befassen, dass er sie umgebracht hat.« Plötzlich blieb Simon stehen. »Aha, sieh dir das an«, murmelte er und kniete sich auf den Boden.
Tormand kauerte neben Simon und betrachtete den Fleck, den sein Freund eingehend musterte. »Blut?«
Simon berührte den Fleck, dann schleckte er am Finger, ohne auf Tormands angeekelte Miene zu achten, und nickte. »Definitiv. Wir haben Glück. Auf dem Steinfußboden in diesem Gang konnte das Blut nicht versickern, und es ist kühl genug, dass es nicht gleich eingetrocknet ist.« Simon richtete sich auf. »Ich glaube, wir haben unsere Spur gefunden.«
Während Tormand Simon folgte, wuchs in ihm die Hoffnung, dass es für dieses Geheimnis eine rasche Lösung geben könnte. Die Spur führte sie aus dem Gang in eine Gasse hinter dem Haus und weiter nach Norden. Sie verschwand hinter den Ställen, die zu einem der beliebtesten Gasthäuser des Ortes gehörten. Dort hatte der rege Verkehr von Menschen und Pferden sie verwischt. Fast eine ganze Stunde lang suchte Simon alle Richtungen ab, um wieder auf die Spur zu stoßen. Schließlich holte er seinen Hund. Tormand blieb an seiner Seite, auch wenn seine Hoffnung auf eine rasche Lösung zunehmend schwand.
Doch Simons Hund Knochenbrecher stieß rasch auf die Fährte, und während sie dem Hund hinterherhasteten, stiegen Tormands Hoffnungen erneut. Das Rennen endete an einer verlassenen Kate am Ortsrand. Tormand roch Blut, sobald er und Simon die Hütte betraten. Simons Fertigkeiten waren nicht mehr nötig, um zu wissen, dass sie den Ort gefunden hatten, an dem Clara gefoltert worden war. Der Mörder hatte sich nicht die Mühe gemacht aufzuräumen, nachdem er die Frau abgeschlachtet hatte. Tormand drehte sich der Magen um, doch er zwang sich, bei Simon zu bleiben. Simon untersuchte die blutige Stätte so ruhig und sorgfältig, dass Tormand beschloss, seinem Beispiel zu folgen und nicht so zimperlich zu sein.
Er hatte keine ausgeprägte Gabe, wie sie viele Frauen in seiner Familie besaßen, da sein Teil des Klans nicht mit den Übrigen blutsverwandt war, aber er besaß die Fähigkeit, Gefühle zu erspüren. Manchmal stiegen sie ihm wie ein Geruch in die Nase. Es war nicht leicht in dieser Umgebung, in der die Luft erfüllt war von dem Gestank nach Blut, doch Tormand schloss die Augen und versuchte, die Echos der Gefühle zu erahnen, die diejenigen hinterlassen hatten, die vor ihnen hier gewesen waren. Diesen Trick hatte ihm seine begabteste Cousine beigebracht, und so konnte er seine mageren Talente am besten nutzen. Der scharfe Geruch der Angst war nicht weiter überraschend, doch als er sich durch ihn hindurchgekämpft hatte, erahnte Tormand auch andere. Hass und Wut lagen in der Luft, genau das, was er als Grund für die Verstümmelungen angenommen hatte. Diese Gefühle gingen einher mit etwas anderem, was er nur als Wahn ausmachen konnte.
»Und, spürst du etwas?«, fragte Simon.
Tormand öffnete die Augen. Offenbar hatte Simon längst erraten, dass er über eine derartige Gabe verfügte. »Angst, Wut, Hass. Die letzten zwei sind gepaart mit Kälte. Aber es liegt auch noch etwas anderes in der Luft. Ich glaube, es handelt sich um Wahnsinn.«
»Mit Sicherheit.«
»Hast du etwas gefunden?«, fragte Tormand, während er Simon nach draußen folgte und tief einatmete, um den Gestank des Todes aus seiner Nase zu vertreiben.
»Nichts weiter, als dass dies hier der Ort ist, an dem das Verbrechen verübt wurde. Als Clara aus der Hütte getragen wurde, lag sie bereits im Sterben.« Simon streckte die Hand aus. »Das habe ich noch gefunden.«
Tormand runzelte die Stirn. In Simons Hand lag eine kleine Haarnadel. »Gehörte die Clara?«
»Nein, die ist aus gewöhnlichem Knochen. Clara würde so etwas nie tragen.«
Simon steckte die Nadel in seine Tasche. »Vielleicht hat sie der Frau gehört, die früher hier lebte. Aber ich werde sie trotzdem aufheben.«
»Also hat uns das nicht weitergebracht.«
»Ja und nein. Wir haben den Mörder zwar nicht gefunden, aber das habe ich auch nicht erwartet. Nein, das wird wohl noch dauern.«
»Eine weitere Frau könnte sterben.«
»Das befürchte ich auch, aber dagegen können wir nichts tun.«
»Wir müssen also warten, bis es dazu kommt?«
»Wir könnten nicht jeder Frau im Ort einen Bewacher an die Seite stellen. Nein, wir müssen weiter jagen, mein Freund. Jagen, bis wir diesen Mistkerl zur Strecke gebracht haben.«
Und beten, dass ich nicht davor gehängt werde, fügte Tormand im Stillen hinzu.
Morainn bemühte sich, nicht weiter darauf zu achten, als der Ladenbesitzer sich bekreuzigte, sobald sie den düsteren, kleinen Raum betrat, in dem er seine Waren feilbot. Sie war zwar versucht, gleich wieder zu gehen, ohne etwas zu kaufen, doch sie brauchte ein paar Holzfässer für Apfelmost und Met, und er war der einzige Böttcher im Ort. Sie nahm sich vor, ihn einfach zu ignorieren, wie sie all die anderen Einheimischen ignoriert hatte, die ihr aus dem Weg gegangen und sich bekreuzigt, ein Gebet gemurmelt oder eine Geste gemacht hatten, von der sie – töricht wie sie waren – dachten, es könne das Böse verhüten. So etwas tat weh, aber eigentlich sollte sie daran gewöhnt sein.
Außerdem sind das lauter Heuchler, dachte sie, während sich ein Teil ihres Schmerzes in Zorn verwandelte. Sie klopften rasch genug an ihre Tür, wann immer ihnen etwas weh tat, sie krank waren oder die Hebamme nicht mehr helfen konnte. Darüber hinaus suchten sie sie auch auf, wenn sie Antworten brauchten, die ihnen kein anderer geben konnte. Doch sobald es ihnen wieder gut ging, mieden sie ihre Nähe, weil sie sie für böse hielten. Elende Heuchler, dachte sie abermals zornig.
Sie atmete tief und langsam durch, um den Zorn zu besänftigen. Doch das führte nur zu Kopfschmerzen und half nicht gegen die Kränkung. So, wie der dickbäuchige Böttcher bei ihrem Anblick erblasste, war wohl nicht all ihr Zorn verflogen. Wahrscheinlich befürchtete der Narr, dass sie ihn gleich in eine Kröte verwandeln würde. Wenn sie solchen Zauber beherrschen würde, wäre sie nicht so freundlich, dachte sie grimmig.
Während sie ihren Handel mit dem Mann besiegelte, spürte sie plötzlich, wie die Luft kalt wurde, und sie wusste, das war kein Wetterwechsel. Rasch unterdrückte sie den Drang, wie ein Hund zu schnüffeln, dankte dem Mann für seine zögerliche Hilfe und trat ins Freie. Ihre Fässer sollten am nächsten Tag geliefert werden, es bestand also kein Grund, länger in dem Ort zu verweilen, aus dem sie vor Jahren so kaltherzig vertrieben worden war. Was auch immer in der Luft lag, es ging sie nichts an, mahnte sie sich und machte sich auf den langen Heimweg.
Am Ortsrand, wo die Leute lebten, die sich ein bisschen Land zu ihrem Haus leisten konnten, stürzte wenige Meter vor ihr ein Mann aus einem recht stattlichen Anwesen. Morainn sah, dass er am ganzen Leib zitterte und sein Gesicht blass und schweißüberströmt war. Er schrie nach einem Sheriff oder einem Mann des Königs. Sie trat ein wenig näher, weil sie dachte, vielleicht könne sie ihm helfen, besann sich jedoch gleich eines Besseren. Die Leute dankten ihr nur selten für ihre spontanen Bemühungen, freundlich zu sein.
Herbeigerufen von den Schreien des Mannes eilten aus den Häusern in der Nachbarschaft und sogar aus dem Ortskern Leute herbei. Morainn verdrückte sich rasch abseits der zusammenströmenden Menge. Sie trat neben das Haus des Mannes in den Schatten eines großen Baumes, der wahrscheinlich älter war als das Haus.
Sie wusste, dass sie einfach um das Anwesen herumschlüpfen und ihren Heimweg fortsetzen konnte, doch das tat sie nicht, und zwar nicht nur aus Neugier. Ihr Instinkt sagte ihr, dass es klüger war, sich einfach unter die Menge zu mischen. Die Kälte, die sie im Böttcherladen verspürt hatte, war hier viel stärker.